Donnerstag, der 17. Juni 1982

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Donnerstag, 17. Juni 1982

Das 7. österreichische Konsumentenforum wurde mit einem Rückblick und
einer Grundsatzerklärung von Staatssekretär Albrecht eröffnet. Sie
wehrte sich vorerst und meinte, dies sollte unbedingt ich machen. Da
sie aber gerade in den letzten Jahren sich den Konsumentenfragen ge-
widmet hat, auch als Konsumentenstaatssekretärin bekannt ist, fand ich
es für selbstverständlich, daß sie eigentlich nicht nur die Eröff-
nung macht, sondern auch das ganze Forum leitet. Bei meiner kurzen An-
sprache habe ich mich für die kollegiale Zusammenarbeit mit allen
Interessensvertretungen bei den bisherigen Konsumentenforen bedankt
und ganz besonders darauf verwiesen, daß so viele Teilnehmer als
bei diesem 7. Forum, weil sie eingeladen hat, noch niemals zu verzeich-
nen waren. Schade, daß es nicht geglückt ist, das Fernsehen wenigstens
zu einem Schwenk zu bekommen, so eine überfüllte Veranstaltung hat
wahrscheinlich das Fernsehen schon lange nicht gehabt.

ANMERKUNG FÜR ALBRECHT: Hast Du versucht das Fernsehen einzuladen.

Während Kreisky mit Präs. Mitterrand selbstverständlich unter 4 Augen
konferierte, gab es nicht einmal eine einzige Plenumssitzung, sondern
es wurde gleich entschieden, daß mit der zahlreichen Begleitung des fran-
zösischen Präsidenten die einzelnen Minister, Staatssekretäre usw.
bilaterale Gespräche führen sollen. Trotzdem im Parlament die Wirt-
schaftsgesetze auf der Tagesordnung waren, habe ich, da ja die Agrarier
begonnen haben, solche bilaterale Gespräche mit dem französischen Budget-
minister Fabius und der Konsumentenministerin Lalumiere geführt. Zum Unter-
schied von Fabius, der sich prinzipiell alles anhörte, hat Lalumiere
Aufzeichnungen gemacht und sogar nach Detailinformationen verlangt. Ich
habe ihr aus den umfangreichen schriftlichen Unterlagenmaterial ganz
einfach die entsprechenden Ziffern und Zusammenstellungen herausgerissen
und übergeben, leider waren sie in Deutsch, sodaß ich sicher bin, sie
wandern spätestens in Paris in den Papierkorb. Im Prinzip verwies ich
auf die Unbalanz unseres Handels, höchstes Handelsbilanzdefizit 1977
mit 5 1/2 Mrd. S, dies im vergangenen Jahr noch immer 3 1/2 Mrd, auf die
Frage, wie man es verbessern könnte, natürlich der Hinweis von mir, die
nichtoffiziellen Handelshemmnisse abbauen. Ich habe darauf verwiesen,
daß es eine ganze Reihe von Beschwerden österreichischer Unternehmen
gibt, die der österreichische Handelsdelegierte in Paris den zuständigen
Stellen im einzelnen darlegen wird. Hier gab es eine Reihe von sehr


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konkreten Beschwerden, die ich aber zweckmäßigerweise, da sie auch
wieder nur in Deutsch waren und nur zur Information der österreichi-
schen Seite dienten, daher nicht die entsprechende Formulierung für die
Franzosen hatte, nicht übergeben wollte. Ich ersuchte die beiden Mi-
nister aber, sie sollten in ihren Regierungsberichten über die Reise
die betreffenden Fachminister ersuchen, die Beschwerden des Handels-
delegierten, der mit konkretem Material in Paris kommen wird, entspre-
chend zu berücksichtigen. Ich hoffe, daß ich damit dem österreichischen
Handelsdelegierten die Möglichkeit verschaffe, über ihm zweckmäßig er-
scheinende Interventionen bis in die höchsten Stellen vorzudringen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Entsprechendes sofort veranlassen und
nächstes Jour fixe HK setzen.

Staatssekretär Seidel und auch Botschafter Reisch vom Außenamt waren meine
Begleiter und dann das Ergebnis vom Spitzengespräch in Versailles
sehr interessiert. Fabius hat freimütig darüber berichtet. Es gab seiner
Meinung nach drei Schwerpunkte, 1. das währungspolitische Kompromiß,
die Amerikaner haben sich verpflichtet bei Störungen zu intervenieren,
am 15. Juni wäre der Dollar zu stark gestiegen, weshalb sie tatsächlich
interveniert haben. In Hinkunft werden alle währungspolitischen Proble-
me aber wieder im internationalen Währungsfonds besprochen und abge-
handelt. Zweitens ist die Frage des Konsenses über die Exportkredite.
Diese Vereinbarung ist ja innerhalb der OECD getroffen worden und ab-
gelaufen. Die Amerikaner haben einer neuen Vereinbarung im Prinzip
zugestimmt, dies war eine große Geste von ihnen und aber auch von
Frankreich. Kaum war man sich darüber einig, wurde nach dem Gipfel
diese Vereinbarung schon wieder infragegestellt. Mitterrand hat des-
halb in einem Interview bei Washington Post festgehalten, daß es
keine kriegerischen Handlungen über den Osten geben sollte und hat
damit auch die wirtschaftliche Seite gemeint. Der dritte Fragenkomplex
waren die Nord-Süd-Beziehungen, hier herrscht jetzt großer Optimismus
vor, da die USA erklärt hat, sie sei an einer Stabilisierung auch mit
Rohstoffonds interessiert.

Staatssekretär Seidel fragte dann, wie es mit der Umschuldung von Polen
und den anderen Oststaaten steht, dies sei in Versailles nicht im ein-
zelnen zur Sprache gekommen, doch wurde von den Amerikanern prinzi-
piell gesagt, wenn die SU in Schwierigkeiten gelangt, und dies ist sie
jetzt, dann müsse man die Schrauben noch stärker anziehen. Deutschland


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Kanada und Frankreich haben eine andere Meinung vertreten. Die Fran-
zosen haben sogar das Wort scheinheilig gebraucht, weil die Amerikaner
von den anderen NATO-Staaten entsprechende Exportbeschränkungen erwar-
ten, sie selbst aber Getreide in die SU exportiert haben. Jeder kehre
vor seiner eigenen Tür. Auch aus dem Bericht war für mich klar, daß es
beträchtliche Spannungen zwischen Amerika und insbesondere Frankreich
gibt.

Auf die Frage von Fabius, wie wir unseren Handel verbessern könnten und
welche Vorschläge ich zu machen hätte, verwies ich erst auf die Ver-
ringerung der Handelshemmnisse, die der Handelsdelegierte ja in Paris
jetzt vortragen wird. Botschafter Reisch meinte, wir sollten eine Gemischte
Kommission bilden, die ähnlich mit anderen europäischen und vor allem Ost-
staaten auf ausschließlich ökonomische Fragen sich bezieht, derzeit gibt
es nämlich vom Außenamt geleitete große Gemischte französisch-österr.
Kommission, die sich mit Kulturfragen bis zur tour d'horizon beschäf-
tigt. Von dieser sollten politische Impulse ausgehen. In der Vergangen-
heit war ein Staatssekretär Vorsitzender , österreichischer Seite der
Gen.Sekr des Außenamtes, in Zukunft wäre eine Zweiteilung zweckmäßig, ich
habe Reisch sofort erklärt, daß ich damit einverstanden bin, dann wird
aber diese Gemischte Kommission vom Handelsministerium geleitet.

ANMERKUNG FÜR MEISL UND HAFFNER: Bitte diese Idee weiterverfolgen.

Bezüglich der Drittländeraktivitäten hat Lalumiere gemeint, wir würden
von diesen Ländern Waren importieren und dann in die EG, aber insbeson-
dere nach Frankreich liefern und dadurch entsprechende Vorteile uns
verschaffen. Dies ist größtenteils durch Ursprungsregeln unmöglich; um
diese genauer prüfen zu können wäre es zweckmäßig sie zu vereinfachen,
was die französische Seite auch akzeptierte. Leider waren es aber nicht
die dafür zuständigen Minister.

ANMERKUNG FÜR MEISL UND HAFFNER: Bitte einen Brief bezogen auf den
Mitterrand-Besuch über diese Frage an die zuständigen französischen
Minister schicken.

Botschafter Reisch fragte dann noch um eine Reklassifizierung der SU,
Brasilien, Israel, CSSR, DDR von der zweiten Kategorie in die erste
Kategorie erfolgt ist. Weder Fabius noch ich kannten die Details so-
daß darauf keine Antwort erfolgte.



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ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Wieso werden wir darüber nicht informiert?

Fabius interessierte sich dann noch über die Finanzierung der öster-
reichischen Staatsschuld. Seidel hat ihm erschöpfend geantwortet.

Bei der LUGA habe ich dann in der Vorstandssitzung über die Wirtschafts-
und Soziallage referiert. Diskussion gab es insbesondere über Lehr-
lingsunterbringung und den Initiativantrag aller drei Parteien die
Prüfungsvorschrift um 1 1/2 Jahre zu verlängern. Auch im Parlament wurde
dann über diese Frage eingehend diskutiert und insbesondere sowie bei
uns in der Gewerkschaft von Abg. Braun darauf verwiesen, daß mit dieser
Regelung niemand glücklich ist. Die Firmen hätten bis jetzt leicht
die Möglichkeit gehabt mit ihren Ausbildnern diese Prüfung abzulegen,
niemand will aber jetzt bei dieser kritischen Lehrlingsunterbringung
die Schuld haben, daß wegen einer noch nicht durchgeführten Prüfungsprüfer auch nur ein Lehrling nicht aufgenommen werden könnte.

Im Plenum wurde dann über die Wirtschaftsgesetze bis in den späten
Abend diskutiert. Die sozialistischen Redner verwiesen darauf, daß die
ÖVP jetzt eine Formulierung, der sie im Unterausschuß für das Energie-
sicherungsgesetz schon zugestimmt hat, neuerdings jetzt nicht mehr
beschließen möchte. Damit ist endgültig erwiesen, daß wir unbedingt
notwendige Energiesicherungsmaßnahmen gegebenenfalls über die GewO auch
in Hinkunft erlassen sollten.

ANMERKUNG FÜR GROSSENDORFER: Dr. Zluwa soll sich dies gründlich über-
legen und dann mit mir sprechen.

Zum Preisgesetz habe ich dann in meinem Schlußwort, ich höre mir näm-
lich alle Abg. immer an, gemeint, ich hoffe, daß es uns gelingen wird,
bis zur nächsten Verlängerung der Wirtschaftspakete im Juni 84 ein
neues Preisrecht im Parlament beschließen zu können. Die vier schon be-
sprochenen Punkte, die allerdings noch nicht akkordiert sind, habe
ich, damit sie im Protokoll vermerkt werden, nämlich Schaffung eines
allgemeinen Preisgesetzes zur Ermöglichung einer substitären Preisre-
gelung, zweitens Neugestaltung des Begriffes ortsüblicher Preis,
drittens Preisgestaltung im Dienstleistungsbereich, viertens Wettbe-
werb und Preisrecht wortwörtlich zitiert. Ich erklärte einmal mehr,
daß ich fest davon überzeugt bin, auf der Konsenspolitik auch in dieser
schwierigen Frage zu einer vernünftigen Lösung kommen können.



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Am meisten war ich aber überrascht, als während der Fußballübertragung
Österreich–Chile im Plenumssaal wesentlich mehr Leute anwesend waren,
als es sonst oft bei Debatten der Fall ist. Scheinbar wollte man
demonstrativ zeigen, daß die Priorität des Parlaments auch bei der WM
von den Abg. demonstriert wird. Sogar Präs. Benya, der sonst niemals
in seiner Abgeordnetenbank sitzt, ist dort zumindestens die ganze zweite
Spielhälfte dort gesessen. Über das Fußballgeschehen waren wir aller-
dings bestens informiert. Ich hatte auf der Regierungsbank in der
Schreibtischlade den kleinen Radioapparat, niemand hörte es, aber ich
konnte zum Erstaunen aller als erster sofort das Tor von Schachner gegen
Chile melden. Die Berichterstatter, die hinter mir saßen, waren darüber
sehr erfreut.

In der zweiten Hälfte kam dann schon das Problem der Lehrlingsausbil-
dung zur Sprache. Wirtschaftsbund-Gen.Sekr. NR Schüssel hat die drei
Punkte der ÖVP besonders erörtert. Die ÖVP appelliert an alle Klein-
und Mittelbetriebe Jugendliche einzustellen; um dies zu erleichtern wird
ein Steuerfreibetrag für die Selbständigen gefordert, ähnlich wie es
derzeit bei den Angestelltenausbildnern der Fall ist. Ein Arbeitgeber-
anteil in der Sozialversicherung soll für ein Jahr ausgesetzt werden,
Prämien für zusätzliche Lehrstellen sollen gegeben werden, die Verhält-
niszahlen seien flexibel zu gestalten, eine Existenzgründungssparaktion
des Finanzministers, wie sie derzeit im Finanzausschuß-Initiativantrag
der ÖVP liegt, wäre sofort zu verwirklichen. Das Jugendbeschäftigungspro-
gramm von Mock ist Kreisky jetzt übergeben worden. Vor allem erwarten
sie aber einen Verunsicherungsstopp, sind gegen das Zwangseinstellungs-
gesetz und gegen den Berufsausbildungsfonds. Diese Dallinger-Vorschläge
sollte man jetzt schleunigst alle widerrufen und ad acta legen. Auch bei
dieser Diskussion, es war gerade die zweite Hälfte des Chile-Österreich-
Spiels waren sehr viele Abg. im Plenum. Abg. Tichy-Schreder als Be-
richterstatter war über meine ständige Information über das Spielge-
schehen an sie sehr glücklich.

Frau Abg. Hubinek wollte den Sozialminister besonders attackieren und
meinte zu ihren Kollegen der ÖVP, der Sozialminister gehört auf die
Regierungsbank. Da hat sie sich aber sofort eine heftige Kritik ins-
besondere von Wirtschaftsklubobmann Graf geholt, der ihr klar und
deutlich sagte, diese Berufsausbildungsnovelle ist Kompetenz des Han-
delsministers.



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ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte nächstes Jour fixe Handelskammer setzen.

Verteidigungsminister Rösch teilt mir mit, daß jetzt wieder von der
deutschen Firma Thermo Kochgeschirr kaufen muß, da die österreichi-
schen Erzeuger bis zu 90 % teurer sind. Er wird den ganzen Akt rüber-
schicken, damit wir versuchen, von dem Importeur zu erreichen, daß dafür
Kompensationsgeschäfte gemacht werden können. Rösch hat jetzt einen
Auftrag von ein paar Mio. in die Schweiz gestoppt, mit dem Hinweis, daß
die Schweizer ebenfalls von uns Kompensation kaufen sollen. Rösch
wird auch diese Unterlage mir schicken, wobei er mir aber mitteilte,
er hat keine andere Möglichkeit in Österreich oder anderswo diese Spe-
zialprodukte zu kaufen. Seine und meine Verhandlungsposition ist daher
sehr schwach. Trotzdem glaubt er und auch ich, wir sollten es versuchen.
Rösch fragt dann noch, ob zwischen unseren beiden Ministerienvertre-
tern tatsächlich die Zusammenarbeit so gut funktioniert, wie man es ihm
immer mitteilt. Ich konnte dies nur bestätigen. Sein Verantwortlicher
in der Intendantur Zeilinger und vor allem bei uns im Handelsministe-
rium Fabrizii arbeiten ganz hervorragend zusammen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Fabrizii über diese beiden Fälle sofort
verständigen.

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Tagesprogramm, 17.6.1982

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
    GND ID: 119083906


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Sts. HM


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Wr. SPÖ-GR-Abg., GPA, NR-Abg.


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., Präs. HK Bgld.


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.
            GND ID: 102071865X


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: ZS GPA, ab 1980 Sozialminister


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Beamter HM


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: frz. Politiker


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Stat. Zentralamt, ab 1981 Büro JS


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Leiter wirtsch.pol. Sektion Außenamt


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: MR HM


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Abg. z. NR, Klubobmann, ÖVP


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                              Tätigkeit: MR, Büro des Bundesministers


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                                Tätigkeit: Ökonom, ab 1981 Sts.


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                                  Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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                                    Tätigkeit: ÖVP-Wirtschaftsbund


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                                      Tätigkeit: Beamter HM


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                                        Tätigkeit: Bundeskanzler
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