Montag, 11. Jänner 1982
Aufsichtsratspräsident Mussil von der Verbund erscheint, um mir streng
vertraulich und ihn nicht zu nennen, die Spannungsverhältnisse zwischen
Betriebsrat und dem GD Fremuth in der Verbund zu schildern. Er hat mir
nichts neues erzählt, er teilt nur so wie ich die Meinung, daß sich
Fremuth durchsetzen muß, im Interesse des Unternehmens. Ich teile ihm
dasselbe mit, was ich Fremuth auch schon immer sage, seinen berechtig-
ten Forderungen werden die Betriebsräte akzeptieren müssen, Fremuth
muß nur alles daran setzen, um mit den Gewerkschaften Privatangestellten
und Metallarbeiter einigermaßen auszukommen.
Bei der Regierungsklausur teilt Kreisky mit, daß Sinowatz und Sekanina
entschuldigt sind, geht sofort auf die Weltwirtschaftskrise über und
meinte, hier hätten die österreichischen Zeitungsherausgeber die die
schlechtesten der Welt sind, da sie ihren Journalisten keine Bildungs-
möglichkeit geben, ...... gerüttelten Maß an der falschen Information
der Öffentlichkeit. Er wechselt dann sofort auf die Außenpolitik über
und macht sich große Sorgen über die schlechte US Administration. Clark
der neue Berater von Präs. Reagan, zeichnet sich durch Kenntnislosig-
keit aus. Der Verteidigungsminister Weinberger und Außenminister Haig,
daß sie mit der partiellen Atompolitikstrategie spielen. Die Wirtschafts-
lage in Amerika wird sich nicht ändern, die prime rate wird steigen,
der Verbraucherpreisindex wird steigen, die Investitionen zurückgehen
und die Arbeitslosigkeit groß sein, resp. vielleicht noch sogar größer
werden. Kreisky kommt auf Polen zu sprechen und meint natürlich ist
man gegen die Militärdiktatur, aber Piłsudski, der in seiner Jugend auch
der sozialistischen Partei Polens angehört hat, und jetzt Jaruzelski
könnten vielleicht doch eine Intervention der Russen verhindern. Be-
züglich der Außenpolitik und nicht nur dies müsse man der Bevölkerung
die Alternative sagen, Ettmayer, Steiner, Mock und Steger, unerfahrene
Abenteurer oder eben die erfahrene Politik fortsetzen sei die Alterna-
tive. Man könnte keine Politik machen, die Staberl, Kronenzeitung, oder
Rauscher, Kurier, gefällt.
Zum Schluß eine einzige Bemerkung noch, daß Österreich jetzt mit der
echten Arbeitslosigkeit konfrontiert ist, 75 konnte die Krise leichter
überwunden werden, da großer Infrastrukturnachholbedarf bestand, jetzt
würde man Milliarden für Arbeitslosenfinanzierung wie dies in Belgien,
GB und USA notwendig ist, besser in Österreich dafür verwenden um vor-
her schon die Finanzierung der notwendigen Projekte durchzuführen.
GM in Wien, BMW, SDP-Motorfertigung in Steyr beweisen jetzt die rich-
tige Entscheidung von damals. Wenn wir eine 5 %-ige Arbeitslosigkeit
in Österreich haben, dann haben wir die 83er-Wahlen garantiert ver-
loren. Zum Schluß noch einmal die Bemerkung, daß die Dänen und die
Norweger die Wahlen verloren haben, weil zwischen der Partei und der
Gewerkschaft keine Zusammenarbeit besteht, in Deutschland ist die Koali-
tion wegen der Forderung des deutschen Gewerkschaftsbundes sehr belastet,
in Österreich funktioniert die Zusammenarbeit mit dem ÖGB hervorragend
daran darf sich nichts ändern.
Er fordert dann Salcher auf, sein Konzept vorzutragen. Salcher hat ein
umfangreiches Papier vorgelegt und hat drei Punkte noch besonders he-
rausgestrichen. Erstens Staatssekretär Seidel hat in Amerika Gespräche
geführt und erwartet eher einen Mißerfolg der amerikanischen Wirtschafts-
politik. Die OPEC-Staaten haben 1980 für 110 Mrd. $ Handelsbilanzüber-
schüsse gehabt, die heuer auf 35 Mrd. $ zurückgehen werden, drittens
die Zinsen des Kapitalmarkts konnte er jetzt auf 10 1/2 % für die
82er-Anleihen senken.
Er erörtert dann seine Investitionsmaßnahmen, die eigentlich auch
schon alle in den Zeitungen gestanden haben, 5 Mrd. Wohnbauprogramm,
zusätzliche Budgetbelastung 90 Mio., 1 Mrd. Althaussanierung, 120 Mio.
Budgetbelastung, zusätzliche Fremdenverkehrs-Mrd., 95 Mio. Budgetbelastung,
1 1/2 Mrd. S Top-Investitionsaktion, davon die ÖNB 500 Mio. schon zuge-
sagt, 30 Mio. Budgetbelastung, 6 % Investitionsprämie für 1 1/2 bis
1,8 Mrd. S, Kapitalbeteiligung 35 Mio. S, 1 % höhere Gewerbeförderungs-
zinsen, 80 Mio., 2 % Agrarinvestitionskreditzinsen, 50 Mio., 3 Mrd. für
die Eisen- und Stahlindustriesanierung, 250 Mio. Für den Straßenbau,
Art. 8 des Finanzgesetzes hat er 1 1/2 Mrd. S eingesetzt, die er aller-
dings schon bei der Budgetberatung Sekanina zugesagt hat. Trotzdem er-
gibt sich für das Vorziehen der Bauaufträge, Investitionsprämie und
Forschungsförderung keine Budgetbelastung, so daß er mit 2,2 Mrd. S un-
gefähr durchkommen wird. Insgesamt aber würde er damit eine Investiti-
onssumme über 10 Mrd. S initiieren und den Arbeitsmarkt um 19 bis 22.000
Beschäftigte, das sind, weil es verhältnismäßig spät anläuft, ein halbes
Prozent der Arbeitslosenrate zu verbessern.
Kreisky fordert dann noch Dallinger auf über die Arbeitsmarktsituation
zu sprechen, dieser verweist darauf, daß wir Ende Dezember 119.000 Ar-
beitslose hatten um 38.000 mehr als im Vorjahr. Im heurigen Frühjahr
erwartet er 140.000. Bis 2,9 % Jahresdurchschnitt könnte er noch aus
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den Budgetmittel finanzieren, wenn es 3,1 werden braucht er zusätzliche
Mittel. Da nicht für Arbeitslosengeld im Budget 1,6 Mrd. S Arbeitsmarkt-
förderung eingesetzt sind, meint er, daß auch daher nicht nur die Ar-
beiter und Angestellten, sondern auch die Beamten und Freiberufler,
die jetzt keine Arbeitslosen bezahlen, heranzuziehen sind. Diese könnten
dann 800 bis 1 Mrd. S bringen. Ebenso meint er, müsse man überlegen,
ob man die Überstunden, die kontinuierlich geleistet werden, weiter
steuerbegünstigen soll. Im Finanzministerium gilt es zu überlegen, ob
nicht doch das Konjunkturausgleichsbudget aktiviert werden sollte. Über
all diese Maßnahmen wird dann weiter nicht mehr gesprochen, auch
kein Beschluß gefaßt.
In der Diskussion schneidet nur als erster gleich LH Kery das Problem
des Konferenzzentrums an, Kreisky berichtet dann kurz seine Meinung
und meint, hier hätten wir ja nichts zu beschließen, denn alles sei
im Parlament bereits erledigt und man könnte im Hinblick auf die jetzige
Wirtschaftslage eben ein Konferenzzentrum nicht weiter zurückstellen.
Österreich könne sich nicht erlauben neben dem Kernkraftwerk, dem AKH
jetzt womöglich noch auch das Konferenzzentrum als dritte Ruine stehen
zu lassen. Einstimmig wird dann auch bestätigt, daß unbedingt das
Konferenzzentrum weitergebaut werden soll, obwohl einige Landespolitiker
darauf verweisen, daß z.B. in Kärnten oder in Linz, Brucknerhalle mit
nur 45 Mio. Bundeszuschuß gebaut wurden. Ein leichter Unwille der Länder-
vertreter, weil man immer wieder sagt, dort ist zu viel für sie ge-
schehen und jetzt müßte eben in Wien das große Konferenzzentrum ge-
baut werden, klingt aus den Zwischenbemerkungen schon durch. Prinzipiell
stimmen alle der Weiterführung des Baus zu.
Eine längere Diskussion ergibt sich dann über die Biospriterzeugung,
die Haiden vorschlägt. AK und ÖGB deponieren dort ihre großen Bedenken,
ich selbst muß mich dann auch zu Wort melden und erkläre gleich, daß
es jetzt notwendig ist, neben diesem Problem vor allem auch die Benzin-
preisfrage zu regeln. Wenn die Ölwirtschaft nicht bereit ist bis 31.
Jänner eine Senkung durchzuführen, dann wird eine Preisregelung unum-
gänglich sein. Die 3 sozialistischen Landeshauptleute, Gratz, Wagner
und Kery ersuchen mich auch, ich sollte ihnen vorher schon sagen, wie
es weitergehen wird. Anschließend habe ich ihnen vorgeschlagen, daß
ich versuchen werde vor der Landeshauptleutekonferenz mit der Ölwirt-
schaft zu einer Einigung zu kommen, sollte dies nicht gelingen und
der ÖGB und die AK über die noch auszuhandelnde Vereinbarung nicht ein-
verstanden sein, dann bliebe mir sowieso nichts anderes übrig als die
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amtliche Preisregelung wieder einzuführen. Damit waren die 3 einverstan-
den, meinten nur, es wäre gar nicht notwendig, die Landeshauptleute
überhaupt immer wieder zusammenzurufen. So viel stehe ihnen gar nicht
zu.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Nach der Aussprache mit ÖMV noch einmal eine
Sitzung AK, ÖGB und ÖMV bei mir einberufen.
AK-Präs. Czettel beschwerte sich, daß jetzt über das Vergabegesetz, be-
vor es noch in Kraft getreten ist, die E-Wirtschaft schon ausländische
Lieferanten heranzieht, die TKW einen Auftrag 35 Mio. an Deutschland
vergeben, der in Italien gefertigt und von ungarischen Monteuren hier
montiert wird. Die DoKW 15 Mio. Auftrag. Eine Rückfrage bei unserer
Energiesektion, die übrigens vollkommen verwaist war, bracht für mich
keine zeitgerechte Information nur Grossendorfer war imstande zu klären,
daß es sich bei der TKW um einen 3-Mrd.-Auftrag daher um 1 % Vergabe an
Deutschland und bei der DoKW um eben stark überhöhte VÖEST-Alpine- und
Waagner-Biro-Offerte gehandelt hat, die Deutschen waren für das Ver-
schlußstück der Schleuse um die Hälfte billiger.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER; Jour fixe Fremuth setzen.
Bei der Deutschen Handelskammer ist eine Wachablöse erfolgt, nach 25
Jahren hat Präs. Hinteregger sein Amt zurückgelegt und auch der Ge-
schäftsführer Conrad wurde durch Dr. Schäfer abgelöst. Bei dieser Ge-
legenheit hat der neue Präsident Backsmann darauf verwiesen, daß die
Deutsche Handelskammer ihre Tätigkeit unter seiner Präsidialführung so
fortsetzen wird, wie bis her. Alle dankten jedem und wurden bedankt.
Wolff von Amerongen, Präs. des deutschen Industrie und Handelstages, das
Gewerbe ist ja extra organisiert, hat dann in seiner Ansprache darauf
verwiesen, daß in Österreich die Uhren ein bißchen anders gehen und daß
er sehr interessiert wäre von mir zu erfahren, wie es jetzt mit dem
Konferenzzentrum weitergeht. Natürlich bin ich darauf in meiner kurzen
Ansprache eingegangen, wie überhaupt auch auf die Regierungsklausur, da
in Deutschland jetzt auch ein beschäftigungspolitisches Konzept ent-
wickelt werden soll, die Gewerkschaften fordern es, die Unternehmer
wollen es nicht zugestehen habe ich auch auf das Signet der deutschen
Handelskammer verwiesen, der Halbring rot-weiß-rot hat einen roten
Pfeil nach Deutschland und schwarz-rot-gold hat einen schwarzen Pfeil
nach Österreich. Wirtschaftspolitisch meinte ich halt ein bißchen kon-
servative Politik von Deutschland kommt sicherlich nach Österreich,
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aber viel rote Politik auch in die BRD. Meine vorher und nachher ge-
führten Gespräche mit den deutschen Unternehmern zeigten mir, daß diese
die Konfrontation mit dem deutschen Gewerkschaftsbund gar nicht als
so verheerend betrachten, früher sagte man war 1 Mio. Arbeitslose die
Schallmauer, jetzt hätten sie schon 1,7 Mio. und es geschieht noch
immer nichts. Die Radikalisierung, die man befürchtet hat, tritt nicht
ein. Ob sie sich da nur nicht täuschen war meine Argumentation.
Anschließend hatte ich Gelegenheit noch 5 Leute der Deutschen Handels-
kammer auszuzeichnen u.a. auch Industriekaufmann Buresch, Verkaufsleiter
der Mitsubishi Organisation bei der Denzel Kfz-AG. Ich habe mich lang
und breit mit ihm unterhalten, weil er am Samstag nach Japan fliegt, bei
dieser Gelegenheit sagte ich ihm dasselbe, das ich schon dem Importeur
Weiner gesagt habe, die Japaner müssen sich in Österreich mehr anstren-
gen, um Joint ventures oder sonstige Formen zu finden, wie sie mehr Waren
von Österreich nach Japan exportieren. Buresch hat dann noch mit Dr.
Haffner länger gesprochen und wird uns entsprechend bei seiner Rückkehr
informieren, ob es ihm gelingt, die Japaner von mehr Aktivitäten in
Österreich zu überzeugen. Angeblich haben die Japaner jetzt erkannt,
daß sie auch in Österreich irgendetwas machen müssen, nicht zuletzt
durch die Maßnahmen, die im Handelsministerium gesetzt und vor allem
teilweise erwogen wurden resp. werden. Ich lasse niemanden im Zweifel,
daß weitere Maßnahmen im Handelsministerium folgen werden, wenn das
Handelsbilanzungleichgewicht sich so weiterentwickelt.
GD Wolfsberger von Siemens sagte mir, daß die Sowjets ihm immer wieder
erklären bezüglich der Finanzierung von Gaskompensationsgeschäft gehe
nichts weiter. Die Creditanstalt müsse nach Meinung der Sowjets und
Wolfsberger war sozusagen ihr Sprecher mir gegenüber, von der Re-
gierung beauftragt werden, die Abwicklung zu organisieren und zu finan-
zieren. GD Androsch, der anwesend war, wurde dann von Wolfsberger und
mir diesbezüglich angesprochen. Androsch teilte mir mit, er hätte vor
einiger Zeit versucht, mit GD Bauer, Apfalter und Haschek dieses Problem
zu klären, die drei hätten aber zu erkennen gegeben, es sei alles in
bester Ordnung und laufe gut. Ich versprach mit den beteiligten darüber
zu reden und dann zu klären ob ein solcher Brief an die Creditanstalt
erfolgen könne. Androsch schlug vor, darüber mit den sowjetischen Bo-
tschafter in Österreich und Handelsrat Nikolaenko im Handelsministerium
zu verhandeln.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mit Haschek und dann Apfalter verbinden.
Das schönster Erlebnis war aber, als wir in kleinerem Kreis über das
Vergabegesetz diskutierten, AK-Präs. Czettel sagte, er erwartet, daß
wir in die im Handelsministerium installierte Kommission die Interes-
sensvertreter aufnehmen, was ich ihm zusagte und daß in Hinkunft auch
die E-Wirtschaft, die ja jetzt noch im Vergabegesetz drinnen ist, wenn
sie durch meine Intervention herauskommen sollte, dann ein Modus vi-
vendi gefunden wird, daß die EVUs eben dieser Kommission berichten,
wenn sie ausländische Offerte heranziehen wollen. Typisch war, daß
ich bei dieser Gelegenheit Czettel gegenüber meinte, ich bin neugierig
wie es einmal mein Nachfolger im Handelsministerium machen wird, wo
ich jetzt für sie alle Fragen mit AK und ÖGB bespreche und ihre Forde-
rungen weitestgehend bei auch anderen Ministern durchsetze. Czettel
meinte dann nur ganz schlicht und einfach, wenn ich einmal nicht mehr
Handelsminister sein sollte, werden sie wirklich darüber sehr traurig
sein, er sagte sogar weinen. Nicht, daß ich eine Demissionsabsicht habe,
aber irgendeinmal, sicherlich nach der nächsten Wahl geht es einmal
zu Ende, einen besseren Nachruf kann ich mir wirklich nicht erwarten.
Tagesprogramm, 11.1.1982
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)