Dienstag, der 2. Juni 1981

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Dienstag, 2. Juni 1981

Die Eröffnung unseres Gewerkschaftstages erfolgte durch die Hohenauer
Musikkapelle, geleitet und größtenteils aus Mitgliedern von Zuckerar-
beitern. Die Betriebsratsobmann-Stellvertreterin von der Villacher
Firma König, Vilafer rezitierte ihr Mundartgedicht, wie es Kärntner
Arbeitern früher gegangen ist. Dies hatte ich bereits bei der
Kärntner Landeskonferenz kennengelernt und sie ersucht, sie möge
dieses sehr interessante und eindrucksvolle Gedicht auch auf unserem
Verbandstag vortragen. Wenn nebenbei bemerkt, ist Vilafer so geschäfts-
tüchtig, daß sie gleich 60 ihrer Bände Mundartgedichte mitgebracht
hat, die sie allen Prominenten für 98,-- S, dann allerdings auch mit
einer Widmung von ihr, verkaufte. So tüchtige Funktionäre bräuchten
wir überall.

Zentralsekr. Blümel eröffnete dann den Gewerkschaftstag und hielt
einen Rückblick. Wie er erklärte, ist dieser 10. Gewerkschaftstag
heute ein Jubiläumstag. In der Zweiten Republik hat er siebenmal in
Wien stattgefunden und dreimal in Bundesländern, OÖ, Linz, Salzburg
und jetzt in Schwechat, Nö. Er erwähnte, wer immer bei den Gewerkschafts-
tagen als Obmann gewählt wurde. Dreimal Mantler, einmal der ehemalige
Zentralsekr. Berker, der als Obmann aber dreiviertel der Periode blieb,
dann übernahm ich als geschäftsführender Obmann, da ich als erster
Obmann-Stellvertreter am Linzer Gewerkschaftstag gewählt wurde, die
Geschäfte und seit der Zeit, also über 21 Jahre, bin ich Obmann. Eigent-
lich eine furchtbar lange Zeit.

Zur Eröffnung laden wir prinzipiell nur Gewerkschaft und befreundete
Organisationen ein, wie die Sozialversicherungsträger. Selbstverständ-
lich ausländische Bruderorganisationen, die Internationalen der Lebens-
mittelarbeiter, als freie sozialistische Internationale, als auch natür-
lich die christlichen Internationalen. Als alte Tradition auch die
Sozialattachés der Botschaften, es kam der aus der Sowjetunion und aus
Amerika.

Die Eröffnungsansprache hielt, da Präs. Benya vom Gewerkschaftsbund,
der auch zur Eröffnung gekommen war, morgen das Referat hält, der
Vizepräs. d. Gewerkschaftsbundes, Bautenminister Sekanina. Anschließend
der LH v. NÖ, Ludwig, den ich natürlich besonders als Gewerkschafts-
kollege begrüßte, und dann unser jahrzehntelanger NÖ Landesobmann


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Betriebsratsobmann der Brauerei Schwechat in den letzten Jahren,
NR und Bürgermeister von Schwechat, Tonn. Für die Ausländer kam
dann noch Dan Galin, Generalsekr. d. Internationalen der Lebensmittel-
arbeiter, zu Wort.

Die ganze Eröffnung und Begrüßung war äußerst leger, in einem fast
familiären Rahmen gehalten, überhaupt nicht aufwendig, wirklich wie
es unserer Tradition der Gewerkschaft, der ich jetzt richtigerweise schon
jahrzehntelang angehöre, Tradition ist.

Den ersten Tag wurden die Berichte des Zentralsekretärs, Kassier,
Jugend, Frauenbildung, Kontrollkommission und des Schiedsgerichtes
gegeben. Letzterer mußte erstmalig, zumindestens seit ich der Gewerk-
schaft angehöre, wurde niemals auch ein Schiedsgericht gebraucht,
über die Auseinandersetzung zwischen dem Konsum-Betriebsrat und den
Ortsgruppen-Obmännern von Wien Bericht erstatten. Dies war für den
Kollegen Pfister keine leichte Arbeit und man merkte ihm deutlich die
Aufregung um die unangenehme Erledigung dieser Aufgabe an.

Zentralsekr. Blümel, der über den Vorstand berichtete, konnte und wollte
sich gar nicht zurückhalten und hat deshalb selbst sehr brenzlige
Interna freimütigst und sehr geschickt berichtet. Die Viertelmillion
von der Firma zur Befriedigung von Forderungen der Okop-Arbeiter
wurde genauso erwähnt wie, daß der letzte Zwei-Tage-Streik der Brauerei-
arbeiter uns zwei Millionen S gekostet hat.

Unser Kassier Balaz hat darauf verwiesen, daß, von 60 an, die Einnahmen
pro Gewerkschaftsmitglied von 269 auf 750 S gestiegen sind. Die Aus-
gaben aber von 128 auf 532 S pro Mitglied. Insbesondere in den letzten
Jahren ist der Ausgabenanteil immer größer geworden, fast ein Drittel
machen die Gehaltskosten von unseren Ausgaben aus. Obwohl wir auch bei
unserer Personalanstellung sehr sparen, die Gehaltserhöhungen, die alle
anderen kriegen, verschlingen einen beträchtlichen Teil unserer Mit-
gliedereinnahmen. Trotzdem ist unsere finanzielle Situation insofern
sehr günstig, als wir in den vergangenen Jahren immer sehr gespart
haben und daher auf unserem Unterstützungsfonds größere Geldbeträge
liegen haben, über die aber niemals berichtet wird. Die Streikfonds
sind nicht nur beim Gewerkschaftsbund und den einzelnen Gewerkschaften,
sondern selbstverständlich auch bei uns strengst vertraulich.



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Der Jugendreferent Riss konnte mitteilen, daß immerhin von 1.200
jetzt die jugendlichen Arbeiter bei uns 1.900 von insgesamt 46.000
Beschäftigten, inklusive der Pensionisten allerdings, ausmachen.

Das Bildungsreferat hatte den größten Erfolg in den letzten vier
Jahren zu verzeichnen. Daß wir beim letzten Verbandstag einen eigenen
Bildungsausschuß wieder reaktiviert haben, hat sich gut ausgewirkt.
Außerdem ist Sekr. Göbl, der ja wahrscheinlich noch in dieser Legisla-
turperiode als Zentralsekretär, jetzt ist er Stellvertreter, bestellt
wird, wirklich einer unserer besten Leute.

Finanzminister Salcher hat mich ersucht, ich sollte bei den jetzt
laufenden Preisverhandlungen akzeptieren, daß die Einlagerungsspesen
für Brotgetreide entsprechend erhöht werden. Derzeit werden werden
9 3/4 % Verzinsung verrechnet, durch die Hochzinspolitik müßten jetzt
2,75 % dazugelegt werden. Man hat an ihn die Forderung gestellt, er
möge dafür ein eigenes Budgetüberschreitungsgesetz, welches 75 Mio. S
ausmachen würde, einbringen. Salcher wäre darüber sehr unglücklich
und ersuchte mich, ich sollte mich dafür einsetzen, daß auch die
2,75 % in den Preisverhandlungen berücksichtigt werden, d.h. die
Konsumenten zahlen müssen. Dafür hatte ich nicht nur volles Verständ-
nis, sondern ich glaube auch, daß wir die Kostenbelastungen auch für
landwirtschaftliche Aktionen den Konsumenten aufbürden müssen. Wenn
nämlich die alte Politik wieder einreißt, daß man, weil es scheinbar
einfacher ist, alles über den Finanzminister finanziert, dann kommen
wir wieder in ungeheure Agrarstützungen hinein. Mühsamst haben wir
in den vergangenen 10 Jahren versucht, einen Teil davon abzubauen.

ANMERKUNG FÜR BURIAN: Unterlagen beschaffen und nächstes Jour fixe
AK und HK setzen.

Jagoda berichtete, daß es ihm geglückt ist, die Durchführungsgesetze
des Staatsvertrages über Energiesparmaßnahmen mit den Ländern jetzt
mit den Interessensvertretungen endgültig abzusprechen. Strittig ist
nachwievor, wie dieser Staatsvertrag jetzt und in welchen Gesetzen
er in der Durchführung verankert werden soll. Ursprünglich hat Jagoda
die blendende Idee gehabt, fachlich richtig und auch optisch vertret-
bar wäre die Gewerbeordnung zuständig. In diesem Fall wären die
Staatsvertragsbestimmungen mit einfacher gesetzlicher Mehrheit im
Parlament beschlossen worden. Da es sich hier um eine Forderung der


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Länder gehandelt hat, mußte ich eigentlich annehmen, daß auch die
ÖVP diesen Weg akzeptieren wird. Zu meiner größten Verwunderung
aber, ist in der letzten Zeit innerhalb der ÖVP darüber ein Sturm
ausgebrochen. Die ÖVP sieht, wenn wir jetzt einfach gesetzlich
Energiebestimmungen in der Gewerbeordnung oder sonst einfach gesetz-
liche Regelungen durchführen, ihre Chance, die Wirtschaftsgesetze
in einem Paket mit Zwei-Drittel-Mehrheitsbestimmung zusammenzuhalten
als große Gefahr. Sie verlangte daher sofort, es müßte diese Be-
stimmung ins Energielenkungsgesetz aufgenommen werden. Dieses Energie-
lenkungsgesetz im Rahmen der Wirtschaftspakete ist aber ein befristetes
Gesetz. Der Staatsvertrag mit den Bundesländern aber ist unbefristet.
Der Energiesprecher der ÖVP, NR König hat deshalb bei dem Energie-
sprecher der SPÖ, Dr. Heindl als auch bei Sekr. Dr. Satzinger inter-
veniert und ersucht, ich möchte doch bitte den ÖVP-Vorschlag akzep-
tieren, daß man dies ins Wirtschaftspaket einbaut. Damit hat die ÖVP
in meinen Augen zumindestens zu erkennen gegeben, daß wir einen
neuralgischen Punkt in ihrer ganzen Strategie getroffen haben. Ich
bin daher der Meinung von Jagoda, sehr zum Unterschied von unserem
Energierechtsspezialisten Dr. Zluwa, daß wir sehr wohl diese Bestimmung
tatsächlich ins Lenkungsgesetz reingeben können, aber mit ständiger
Drohung gegebenenfalls einfach gesetzlich eine Regelung anzustreben.
Die ÖVP muß jetzt von uns ständig mit der Frage konfrontiert werden,
daß einfach gesetzliche Regelungen, z.B. über die Gewerbeordnung in
Energiefragen, möglich sind. Jagoda hat allerdings mit Recht darauf
verwiesen, daß wir dann im Handelsausschuß auch bei der Gewerbeord-
nung Kampfabstimmung hätten. Dies widerspräche aber meinem bisherigen
Regierungsstil und Prinzip, doch wäre ich gegebenenfalls dazu ohne
weiteres bereit. Die ÖVP ist in Energiefragen umbeweglich, der Wirt-
schaftsflügel kann sich in keiner Weise durchsetzen, ich würde daher
kein allzu großes Unglück sehen, in dieser Frage auch im Gewerberechts-
teil eine Konfrontation mit der ÖVP erfolgt, und nicht, wie dies jetzt
über ein Jahrzehnt geschehen ist, einstimmige Beschlüsse im Handels-
ausschuß immer gefaßt wurden.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte Aussprache mit Zluwa organisieren.

Den bulgarischen Fremdenverkehrspräsidenten konnte ich dann doch noch
abends in Baden erreichen und habe mit ihm über die Projekte die
Bulgarien jetzt in Österreich aufgeben werden, besprochen. Die Bulga-
ren haben jetzt ähnlich den Ungarn einen Rahmenkredit von Österreich


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erhalten und möchten damit ihre Fremdenverkehrsfaszilitäten verbessern.
Da er gleichzeitig im Casino Baden den österreichischen Spielbetrieb
kennengelernt hat, hoffe ich und habe dies auch angedeutet und zu
ersten Gesprächen genützt, daß wir vielleicht auch mit Bulgarien,
ähnlich wie mit Ungarn, ein Kooperationsabkommen zwischen der Spiel
Casino AG und den bulgarischen Casinos abschließen könnten. Die Bulga-
ren haben eigentlich als erster sozialistischer Staat in Varna und dann
auch jetzt in Sofia in einem neuen Hotel selbst und noch auf zwei ande-
ren Plätzen Spielcasinos für Ausländer errichtet. Damals war die
österreichische Casino AG scheinbar noch nicht so weit und die Bulgaren
haben sich daher der Libanesen bedient. Jetzt dürfte es aber für die
Bulgaren nicht den gewünschten Erfolg bringen, weshalb sie von der
österreichischen Casino AG Schulung ihrer Groupies und sonstiges know
how wünschen.

Anschließend nach dem Besuch habe ich den Casinoleuten geraten, sie
sollten auf Wünsche der Bulgaren nur dann eingehen, wenn diese bereit
sind, auch mit Österreich dann eine Kooperationsvertrag zu beschließen,
d.h. ihren jetzigen mit Libanonvertretern zu kündigen. Ich halte es
nicht für zweckmäßig, daß wir den Bulgaren entsprechende Unterstützung
gewähren, ohne daß wir dann daran auch profitieren. Dies wäre ungefähr
dasselbe, wie wenn wir jetzt den Bulgaren einen größeren Kredit zum
Einkauf von Fremdenverkehrseinrichtungen in Österreich einräumen und
dann diesen Kredit aber als freien Kredit bezeichnen, damit die Bulga-
ren sonst irgendwo sich eindecken. Ich habe ja nie verstanden, wie das
Finanzministerium zum Beispiel den Polen freie Finanzkredite zur Ver-
fügung gestellt hat. Wenn Österreich schon als eine Art Entwicklungs-
hilfe den sozialistischen Staaten Kredite gewährt, dann müßten dies
immer gebundene Finanzkredite sein, um österreichische Waren, Dienst-
leistungen aber vor allem Anlagen zu kaufen.

Die Einladung des LH Ludwig nach Baden hat von angesagten 350 immer
hin 250 Teilnehmer veranlaßt, sich dort einen Abend gut anzuessen und
natürlich noch mehr anzutrinken. Die Stimmung war blendend, jedermann
versicherte mir, er hätte nur einen Wunsch, daß ich noch jahrzehntelang
in der Regierung und auch ihr Obmann bleibe. Wie weit hier der Wein
eine Rolle spielte, will ich nicht untersuchen. Man könnte sagen, er
löst die Zunge, man könnte genauso sagen, Kinder und Betrunkene sagen
die Wahrheit, man könnte aber natürlich auch genauso sagen, in illumi-
nierter Stimmung redet man viel.

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Tagesprogramm, 2.6.1981

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Tätigkeit: Bgm. von Schwechat, Nationalratsabg. SPÖ, BRO Schwechater


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    Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
    GND ID: 119083906


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      Tätigkeit: Gewerkschafter (Schiedsgericht LUGA)


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        Tätigkeit: Jugendreferent (LUGA?)


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          Tätigkeit: LH-Stv. bzw. LH NÖ, ÖVP


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            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: ZS-Stv. LUGA


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                Tätigkeit: Kassier LUGA


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                  Tätigkeit: Büro des Bundesministers


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                    Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


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                      Tätigkeit: Beamter HM


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: LUGA-Zentralsekretär


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: MR, Büro des Bundesministers


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                              Tätigkeit: Generalsekr. Internationale der Lebensmittelarbeiter


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                                Tätigkeit: BRO-Stellvertreterin, Fa. König, Villach


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                                  Tätigkeit: ehem. Zentralsekretär


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                                    Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., Personalchef Unilever


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                                      Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                      GND ID: 102318379X


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