Montag, der 1. Juni 1981

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Montag, 1. Juni 1981

Die Frauenkonferenz der Lebensmittelarbeiterinnen im Tourotel war
für mich beeindruckend diszipliniert. Nicht nur, daß alle Punkt
8.30 bereits im Konferenzraum saßen, war die Konferenz auch vor-
bildlich beschickt. Die neue Frauenobmännin unserer Organisation,
BRO Singer Angela von der Fa. Hofbauer, war, da es ihre erste große
Konferenz war, ein wenig nervös, ohne daß man es ihr eigentlich an-
merkte. In ihrem Bericht erwähnte sie, daß die Frauen jetzt ein
Arbeitsprogramm bis zum Jahr 1985, also unserem nächsten Gewerkschafts-
tag, damit automatisch ihre nächste Frauenkonferenz erarbeiten wol-
len. Mit Recht bemerkte sie kritisch und beschwerte sich darüber,
daß wir eigentlich nur in Wien und in OÖ einen Frauenausschuß haben.
Alle anderen 7 Bundesländer waren bis jetzt nicht imstande, trotzdem
sich die Kolleginnen sehr bemühten, einen eigenen Frauenausschuß
zu konstituieren. Überhaupt ist die Frage der stärkeren Verankerung
der Frau in der Lebensmittelorganisation, wo ja sehr viele Frauen
beschäftigt sind, zu verankern. In meiner Begrüßungsansprache habe
ich auf dieses Problem besonders verwiesen. Ich anerkannte, daß die
Frau durch ihre Doppelbelastung Haushalt und Beruf es besonders
schwer hat, dann noch gewerkschaftliche Funktionen zu übernehmen.
Gerade wir als Lebensmittelorganisation müßten aber alles daran
setzen, daß wir doch mehr Frauen in Funktion bringen. Ob dies durch
Entlastung der Hausfrau möglich ist, weiß ich nicht. Die Idee des
Hausmanns betrachtete ich und ich erklärte dies auch freiweg als eine
Modeerscheinung.

Die Vorsitzende der ÖGB-Frauen, Nationalrat Metzger, hat in ihrer
Begrüßungsansprache besonders auf die Witwerpension hingewiesen,
die jetzt gefundene Lösung ist zwar nur eine Zwischenlösung, doch
konnte dabei verhindert werden, daß auf Kosten der arbeitenden
Frau dieses Problem jetzt für einige Zeit gelöst ist.

Frauensekretärin des ÖGB Traxler hat in ihrem Referat dann auf die
Leistungen in der Lebensmittelarbeitergewerkschaft verwiesen, doch
besonders auf die geschlechtsspezifischen Differenzierungen in den
Kollektivverträgen angespielt. Teilweise ist es uns ja in Gruppen
gelungen, wie z.B. bei den Brauern die Frauen-Löhne vollkommen
zu eliminieren. Bei anderen Gruppen wie den Süßwaren, wo 75 % Frauen


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beschäftigt sind, ist es in zweimal 55 gr Etappen gelungen, die
Lohndifferenz von 3,50 S auf 2,40 S zu verringern. Dies konnte
Traxler nicht wissen, hat zugegeben, daß sich die Lohndifferenzen
nach ihren Berechnungen auf 2,75 S jetzt verringert haben, und daß
eben in der Vergangenheit um 35 gr pro Lohnetappe durch mehr Erhöhe
der Frauenlöhne diese Lohndifferenz immer geringerer wird. Zugege-
benermaßen gibt es bei Obst und Gemüse und Tiefkühl, bei Essig und
Essenzen und in der Geflügelindustrie und bei Fleischern im Gewerbe
und in der Industrie noch solche geschlechtsspezifischen Differenzen.
Sie erwähnte dann auch das Gleichbehandlungsgesetz, das in Wirklich-
keit aber nicht viel nützt, da in diesem Gesetz ja nur bestimmt
wird, daß für gleiche Arbeit gleiche Löhne bezahlt werden müssen.
Wenn es sich um reine Frauenarbeit wie z.B. in der Süßwarengruppe
handelt, dann gibt es keine männlich vergleichbaren Arbeitsplätze.
Wenn das Gesetz den Frauen wirklich helfen sollte, die Angleichung
zu erreichen, dann müßte das Gesetz nicht von gleicher Arbeit, sondern
von gleichwertiger Arbeit sprechen.

Traxler hat dann ganz entschieden verneint, daß durch die Angleichung
der Frauenlöhne an die Männerlöhne eine Gefährdung der weiblichen
Arbeitsplätze eintreten könnte. Männer wären gar nicht bereit, manche
Frauenarbeiten zu verrichten, und dies Ganze sei auf einen Minder-
wertigkeitskomplex der Frauen zurückzuführen.

Selbstverständlich erwähnte sie dann auch die anzustrebende Karenz-
urlaubslösung für die Männer, um hier auch eine Gleichberechtigung
zugunsten der Männer herbei zuführen.

In der Diskussion meldeten sich zu meiner größten freudigen Über-
raschung sehr viele Frauen, die allerdings in puncto des Karenz-
urlaubes für den Mann klar und deutlich meinten, dies sei nicht zu
begrüßen. Die allgemeine Stimmung war, wenn wir dort abgestimmt hät-
ten, wäre überhaupt einstimmig oder zumindestens mit größter Mehr-
heit der Karenzurlaub für den Mann abgelehnt worden. Mit Recht be-
merkten die Kollegen, daß es sich hier um eine Schutzbestimmung der
Frau handelt, die man nicht durchlöchern sollte, die Männer wünschen
keinen Karenzurlaub und man sollte nicht den alten guten Gewerkschafts-
grundsatz verlassen, nur für etwas zu kämpfen, was der Betreffende auch
tatsächlich will. Für mich war aber besonders interessant, daß doch
etliche Kolleginnen darauf verwiesen, daß sie sehr wohl eine


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Konkurrenzierung des Mannes auf Frauenarbeitsplätze bei gleichen
Löhnen sehen würden. Insbesondere wenn es zu Rationalisierungen
und Zusammenlegungen von Betrieben kommt, so werden vor allem immer
wieder Frauenarbeitsplätze eliminiert, manche Frauenarbeitsplätze
sogar durch Männer ersetzt.

Mit der einstimmigen Wahl des Frauenausschusses endete die Konferenz
sehr positiv. Vor dem Beginn der soz. Fraktion und der Lebensmittel-
arbeiter in der Körnerhalle hatte ich, da die Frauenkonferenz früher
endete als erwartet, Gelegenheit, alle unsere Genossen und Genossin-
nen einzeln zu begrüßen und mit vielen persönliche Gespräche zu
führen. Ich kenne die meisten von ihnen, vergesse nur leider die Namen,
was mich ungeheuerlich ärgert. Da ich aber dann sofort ein Fachge-
spräch über seinen Beruf oder seinen Betrieb beginnen kann, fällt
dies wahrscheinlich gar nicht so sehr auf. Natürlich gibt es einzelne
Wünsche über Vermahlungsprobleme bei den Mühlen, Landwirtschafts-
ministerkontrolle bei den Käsewerken, Wünsche einzelner Gemeinde-
vertreter für ihre FV-Einrichtungen usw. Hier bin ich dann schon
schlau genug, um ihnen zu sagen, es ist zweckmäßig, wenn sie im Ein-
vernehmen mit ihrem Unternehmen entweder gemeinsam oder jeder einzelne
für sich für die entsprechenden schriftlichen Unterlagen zukommen
lassen, damit ich dann entsprechende Maßnahmen veranlassen kann. Da
sich mich alle genau kennen, erwarten sich nicht, daß ich etwas ver-
spreche, das ich womöglich nicht halten könnte, sondern, daß sie
mir eben ihr Problem darlegen, um meinen Rat zu erfahren. Daß ich
mich dann unbedingt für ihre Wünsche einsetze, wissen sie. Dies
kann ich auch mit ruhigem Gewissen versprechen, denn ich glaube,
dies habe ich bis jetzt immer gehalten.

Zentralsekretär Blümel als geschäftsf. Obmann der soz. Fraktion
leitete die Verhandlung und ersuchte mich als Ersten, seinen pol.
Bericht zu bringen. Dies ist eine gute alte Tradition, die wir bei
den Gesamtvorstandssitzungen und Gewerkschaftstag immer haben. Ich
verwies darauf, daß wir mehr pol. Arbeit in den Betrieben, in den
Ländern, aber auch in der Zentrale mehr leisten müßten. Dem wurde in-
sofern auch Rechnung getragen, als wir jetzt nicht nur bei unserer
Gesamtvorstandssitzung, die ja nur einmal im halben Jahr tagt, sondern
bei unseren monatlichen Zentralvorstandssitzungen vorher immer eine
Fraktionssitzung haben. In den vorhergehenden Jahrzehnten war es so,
daß war ja in der Lebensmittelarbeitergewerkschaft einen eigenen
soz. Bildungs- u. Unterstützungsverein haben, dieser hat auch gleich-


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zeitig die Fraktionsarbeit geleistet. Da er ein eigener Verein mit
eigenem Statut und eigener finanzieller Gebarung ist, hat er nicht
alle Mitglieder des Zentralvorstandes umfaßt. Die jetzige Lösung,
also Fraktionsarbeit im gesamten Zentralvorstand zu leisten, halte
ich für zielführend und gut. Dies Differenzierung muß man aus der
Geschichte der Lebensmitelarbeiter verstehen, dieser soz. Bildungs-
u. Unterstützungsverein war ja auch der Träger in der Illegalität,
damals konnten Gewerkschaftsgelder in die Schweiz transferiert werden,
diese Gelder dienten in der Vergangenheit stets zur statutenmäßigen
Erfüllung des soz. Bildungs- u. Unterstützungsvereines. Vor meiner
Zeit war man daher sehr darauf bedacht, daß nur eine ganz kleine
Gruppe alter Genossen, womöglich die in der Illegalität gearbeitet
haben, in diesem Bildungsverein in den Vorstand gewählt wurden. Mit
dieser Tradition habe ich allerdings dann radikal Schluß gemacht.
Der Vorstand würde heute wahrscheinlich sonst nur aus ganz wenigen
noch Lebenden bestehen können.

Selbstverständlich verwies ich dann auch auf die kritische pol.
Situation, in der sich die Partei im Wählerverhalten befindet, endete
aber doch mit dem Hinweis, daß ich fest davon überzeugt bin, daß
wenn Kreisky noch einmal kandidiert, und dies ich ja noch nicht ent-
schieden, wir, wenn wir die wirtschaftl. Lage so in den Griff behal-
ten oder vielleicht sogar noch früher als die europ. Rezession zu
Ende ist bei uns über die Runden kommen, der neue Konjunkturauf-
schwung hoffentlich vor der nächsten Wahl 1983 eintritt, dann doch
die Chance besteht, daß die Sozialisten noch einmal gewinnen.

Zu meinem Referat, und davon war ich schon sehr überrascht, meldete
sich überhaupt niemand zu Wort.

Zu dem dann von Zentralsekr. Blümel vorgeschlagenen Wahlvorschlag
ebenfalls niemand. Genauso wurden dann auch die Anträge behandelt,
niemand wollte diskutieren, alles war mit allen einverstanden, weil,
und das muß ich schon zur Klärung und Entschuldigung sagen, wird dieser Verbandstag verhältnismäßig gut, übrigens so wie früher auch, vor-
bereitet haben. Es gab selbst wegen der Umwandlung unseres Vor-
standes, scheiden doch fast die Hälfte aus und kommen neue Mitglieder,
auch im Präsidium kommt es zu einer radikalen Änderung, die ent-
sprechenden Vorgespräche geführt wurden.



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Da sich beim Tagespunkt Allfälliges auch niemand meldete, hat dies
zwei am Präsidiumstisch sitzenden Genossen, nämlich Suko Herbert von
Salzburg u. Dr. Simperl Leopold der BRO von Coca Cola und jetzt
endlich geglückt auch mein präsumtiver Nachfolger, mit der Bemerkung,
es könnte doch nicht so sein, daß in einer Fraktion überhaupt nicht
diskutiert wird. Suko meinte, da bringt Staribacher einen pol.
Bericht, schneidet sogar all die negativen Seiten an, in den Betrieben
und Ländern und Parteiorganisationen wird immer irrsinnig viel kri-
tisiert, und dann gibt es eine Gelegenheit zur Diskussion und nie-
mand meldet sich. Die Volkspartei wird die AKH-Frage bis nach 83
hinausziehen und eigentlich liegt nach Meinung Suko die pol. Arbeit
darnieder. Besonders kritisierte er, daß Spitzenfunktionäre der soz.
Fraktion auf Namensliste kanditieren. Hier meinte ich, das müsse man
doch im Einzelfall dann prüfen, eine Namensliste kann zweckmäßig
sein, wenn dadurch Wähler bereit sind, dem Spitzenfunktionär, der
ja als Sozialist bekannt ist, trotzdem ihre Stimme zu geben, die
sich vielleicht einer soz. Liste verweigern würden.

Kollege Simperl verwies darauf, daß das Umverteilungsproblem man
nicht außer acht lassen darf, wie sich jetzt bei der Debatte über
die 30 S monatlichen Mietzinszuschuß deutlich zeigt. Hier hat er
vollkommen recht, für die kleineren Einkommen sind 30 S auch ein
beträchtlicher Betrag. Dies hat ja auch Sozialminister Dallinger
klar erkannt und möchte auch dann, wenn die 30 S mehr oder minder
vom Staat inkameriert werden, sei es wie Dallinger vorschlägt zur
Sanierung der Rentenanstalten und ein Teil davon für soz. Wohnbau,
auf alle Fälle bis 8.000 S Monatseinkommen die 30 S bleiben müßten.
Da sich bis jetzt so viele Ressorts resp. Minister und Staatssekretäre
für diese 30 S interessieren, prognostizierte ich, daß so bald keine
Einigung darüber erzielt werden wird.

Für mich interessant war, daß Suko auch die Gehaltspolitik in der
Gewerkschaft anschnitt. Er meinte, gegenüber der HK wird bei uns
wesentlich schlechter entlohnt. Dies konnte ich insofern teils ent-
kräften, teil bestätigen. Für die kleineren Einkommen, das weiß ich
noch aus meiner AK-Zeit, wird in Arbeiternehmerorganisationen bes-
ser bezahlt als bei den HK. Für die mittleren Einkommen, von den
höheren ganz zu schweigen, trifft dies nicht zu. Unsere Sekretäre
werden schlechter entlohnt als die der HK. Bei den Funktionären
wieder ist es teilweise umgekehrt. Da der ÖGB aber die Finanzhoheit


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hat, so hat eine Einzelgewerkschaft keine Möglichkeit, hier eine
radikale Änderung durchzuführen. Manche Gewerkschaften helfen sich
durch irgendwelche Zuschüsse, manche, wie wir bei den Lebensmittel-
arbeitern, versuchen unsere Sekretäre einigermaßen gut einzustufen,
auch dies kann natürlich nur im Einvernehmen mit dem Gewerkschafts-
bund geschehen.

Da über die Anträge keine Diskussion geführt wurde, habe ich nachher
mit den Delegierten unserer Jugend ein halbes Dutzend über ihre Pro-
bleme gesprochen. Die Jugendlichen hatten vor etlichen Gewerkschafts-
tagen noch Forderungen aufgestellt, die der Gewerkschaftstag dann
auch beschlossen hat, wie z. B. Entgeltzahlung für die Lehrlinge, die
heute von ihnen nicht mehr vertreten werden. Da wir aber unsere Be-
schlüsse aus den alten Verbandstagen nicht ad acta legen, sondern
sogar immer wieder dem Gewerkschaftstag als nicht erfüllt vorlegen,
muß, ohne daß darüber abgestimmt wird, doch wenn ein Teil meint,
man sollte diese Forderung nicht mehr weiter aufstellen, darüber ge-
sprochen werden. Die Jugendlichen werden sich also überlegen, ob
sie nicht einen Teil ursprünglicher Anträge modifizieren oder zu-
rücklegen.

Abends hat dann der Bgm. von Schwechat, Abg. z. Nationalrat Tonn,
ehemaliger Landessekretär der Lebensmittelarbeiter von NÖ, jahr-
zehntelanger BRO der Brauerei Schwechat und entsprechendes Vor-
standsmitglied, bei uns einen Empfang für die ausländ. Delegierten
gegeben. Bei dieser Gelegenheit habe ich mich zu den Engländern
gesetzt, um mit ihnen ein wenig über die englische Wirtschaftsent-
wicklung und über die pol. Situation in der Labour Party zu sprechen.
Die Wirtschaftssituation ist dort denkbar schlecht, ob der neue
Flügel der Labour party die Chance hat, mit einer neuen Partei die
nächsten Wahlen zu gewinnen, ist mehr als offen. Das englische Wahl-
system bevorzugt doch die eingesessenen Parteien.

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Tagesprogramm, 1.6.1981

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Sekr. ÖGB Sbg.


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: ZS GPA, ab 1980 Sozialminister


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Bgm. von Schwechat, Nationalratsabg. SPÖ, BRO Schwechater


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: BRO Coca Cola, stv. LUGA-Obmann


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Vors. ÖGB-Frauenreferat, SPÖ-NR-Abg.


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Obfrau LUGA-Frauen


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Bundeskanzler
              GND ID: 118566512


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: LUGA-Zentralsekretär


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Frauensekr. ÖGB


                  Einträge mit Erwähnung:
                    GND ID: 125942052


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