Donnerstag, 28., bis Sonntag, 31. Mai 1981
Der irakische Ölminister Karim hatte in der Nacht furchtbare Magen-
schmerzen und wendete sich, für mich überraschend, an mich, welchen
Arzt er erst am Freitag zur Untersuchung aufsuchen sollte. Zum Glück
konnte ich den Dir. Huber vom Rudolfsspital telefonisch erreichen, denn
mir schien es selbstverständlich wichtig, daß wir sofort Karim unter-
suchen lassen müssen. Karim war sichtbar beeindruckt, nicht nur von
dem verhältnismäßig sehr modernen Spital und von der exakten und
schnellen Untersuchung. Da ich vor etlichen Monaten auch im Rudolfs-
spital selbst mich mit meinem Magen behandeln ließ, konnte ich ihm
dieses umso leichter empfehlen. Er bekam entsprechende Medikamente,
die auch dann so gut und schnell wirkten, daß er mit der einmaligen,
noch im Spital genommenen Dosis das Auslangen fand. Prim. Dir. Dr. Huber
hat ein Gästebuch angelegt, wo sogar ein russischer Vizegesundheits-
minister vor nicht allzu langer Zeit als erster eingetragen war. Selbst-
verständlich hat Karim dann ein langes Epistel über die schnelle Be-
handlung, das schöne Spital und das Service in Arabisch geschrieben.
Diese Episode erzähle ich deshalb, weil wir seinen Begleiter Dr.
Alalani ersuchten, dies in Deutsch zu übersetzen. Dieser machte die
scherzhafte Bemerkung, was er dafür bekomme und wer dies bezahlt. Ich
erklärte die Gemeinde hätte kein Geld, dies wird wohl der Bund überneh-
men müssen. Der irakische Botschafter, der ein wenig Deutsch kann,
hat dann arabisch mit Karim zu diskutieren begonnen und bezog diese
Neckerei auf die Bezahlung der Ordination für Karim. Er meinte, für
mich dann peinlich überraschend, daß selbstverständlich die Botschaft
alles bezahlt. Zum Glück hat es diese Diskussion gegeben, sodaß ich
die unglückselige Bemerkung Dr. Alalanis, die diesen Disput ausgelöst
hat, aufklären konnte. Ich bin insbesondere bei Ausländern immer
äußerst vorsichtig mit allen materiellen Bemerkungen in jeder Bezie-
hung. Einmal mehr hat sich für mich gezeigt, in welche Teufelsküche
man da kommen kann. Für den Freitag wurde dann eine Blutabnahme und
ein Laborbefund vereinbart, um , wie Huber und seine Oberärzte von der
medizinischen und auch der chirurgischen eben versicherten, ja nichts
passiert. Gleichzeitig verordneten sie entsprechende Diät, auf deren
Einhaltung wir dann alle in den nächsten drei Tagen einigermaßen ach-
teten.
Über das ehemalige kaiserliche Jagdschloß in Mürzsteg, das ich nur von
außen kannte, war ich, was die Inneneinrichtung betrifft, sehr über-
rascht. Das Jagdschloß war in der Zwischenkriegszeit dem Kriegsopfer-
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verband übergeben gewesen, dieser hatte, wie mir der Verwalter Ing.
Wahl erzählte, die Repräsentationsräume im Parterre als Museum fast
weitergeführt und auch teilweise hergezeigt, im ersten, aber besonders
im zweiten Stock, wo früher die Domestiken gewohnt haben, einzelne be-
sonders Privilegierte zur Erholung untergebracht. In der zweiten Repu-
blik war es schon seit Renner stets der Sommersitz der Bundespräsi-
denten. Erst in den letzten Jahren aber wurde es, da es sehr feucht
war, trocken gelegt, Elektroheizung installiert und wirklich auf einen
sehr guten Standard gebracht. Die Gastwirtin Schönauer von Mürzsteg,
eine ganz hervorragende, insbesondere Mehlspeisköchin, hatte die Ver-
pflegung übernommen und auch die Diätwünsche von Karim sofort erfüllt.
Das Essen war hervorragend, für mich am Abend nur viel zu viel, sodaß
ich, was sonst überhaupt gar nicht zutrifft, in der ersten Nacht ver-
hältnismäßig schlecht schlief. Das Protokoll, Dr. Dersch, hatte sich
das Schloß ja vorher angeschaut und es war daher leicht möglich, alle
unterzubringen. Im Gegenteil, es waren dann sogar noch zwei Betten
in der Beletage frei, weil ich mich sofort dazu entschlossen habe,
im Arbeitszimmer, welches man mir zuteilte und wo ich ein herrliches
Bett vorfand, dort zu schlafen und nicht erst in dem daneben liegenden
eigenen Schlafzimmer mit zwei Betten, das man für mich reserviert
hatte. Karim selbst hatte einen riesigen Salon, ein Arbeitszimmer und
ein eigenes Schlafzimmer mit entsprechendem Bad.
Arbeitsmäßig war es so eingeteilt, daß Karim und zu meiner größten
Verwunderung dann auch der Botschafter auf die Jagd geschickt wurden.
Der irakische Botschafter hatte gegenüber MR Fälbl einen solchen Wunsch
geäußert, obwohl er noch niemals gejagt hatte, dieser hat sofort Ent-
sprechendes veranlaßt. Ich war ein wenig verwundert, daß mir auch we-
der das Protokoll, Dersch, noch Fälbl darüber auch nur eine Bemerkung
machten. Beide handhabten die Gestaltung dieser Reise so, als wären
sie die Gastgeber. Solange alles gut organisiert ist, habe ich dagegen
kaum etwas einzuwenden. Zu aller Überraschung stellte sich aber dann
heraus, daß Karim das Schlußessen am Sonntag und vor allem nicht die
Vertragsunterzeichnung im Hotel Sacher durchführen wollte. Ich kenne
die Gründe nicht, wahrscheinlich hat er irgendwelche persönliche
schlechte Erfahrungen oder, was ich eher glaube, hat es mit Sacher ein
besonderes Bewandtnis. Dersch redete sich aus und sagte der irakische
Botschafter hat ja das ganze Programm bekommen und dagegen keinen Ein-
spruch gemacht. Er könne deshalb keinesfalls mehr das Essen entspre-
chend uminstallieren. Die Unterzeichnung, entschied ich sofort, fin-
det im Marmorsaal statt, auch das Essen müsse man am Donnerstag noch
ohne weiteres für Sonntag ändern können, Dersch müsse eben mit Karim
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und mir nach Wien zurückfahren, um dies alles zu erledigen. Dersch, aber,
und Fälbl wollten unbedingt am Freitag draußen bleiben und versuchten
alles telefonisch zu erledigen. Dies hat mich einigermaßen geärgert,
und ich prophezeite ihnen, daß es sicherlich dabei wird entsprechende
Unzulänglichkeiten geben. Zu meiner größten Überraschung war dann die
Unterzeichnung am Sonntag im Marmorsaal kein Problem, sogar das Fernse-
hen war anwesend und entsprechend verständigt und die Delegation, zu-
mindestens die Iraker, vollzählig und von den Österreichern die Beamten,
die Interessensvertretungen haben sich außer der Handelskammer Sonntag
nicht sehen lassen, funktionierte ganz hervorragend. Beim Essen im
Hilton dagegen passierte die erwartete Panne. Als Vorspeise gab es
Spargel mit Westfäler Schinken, Karim und der Botschafter, die neben
mir saßen, waren entsetzt, daß man ihnen Schweinefleisch zumutete.
Fälbl versuchte Dersch sofort zu entschuldigen und meinte, er hätte
gehört, wie am Telefon Dersch ausdrücklich nur Spargel bestellt hat,
mein Argument, das kann man eben am Telefon schlecht erledigen. Die
Wachtelsuppe fand genauso wenig Zustimmung und mußte zumindestens
für Karim in eine gewöhnlich Bouillon umgetauscht werden. Der Botschaf-
ter hat das Wachtelei herausgefischt, ich erklärte rundweg, fast als
Drohung, dann werde ich in Hinkunft auch nicht nur, wie schon einmal
beim tschechischen Außenhandelsminister Barcak, die Quartierbestellung,
sondern jetzt auch das Essen selbst in die Hand nehmen müssen. Da
dies ganze aber für mich nicht interessant ist, denke ich natürlich
nicht daran. Ich wollte nur mit aller Deutlichkeit zeigen, daß es
ungehörig war und daß ich leider recht hatte, als man von Fälbl und
Dersch entschied, unbedingt in Mürzsteg zu bleiben, um, wie beide vor-
her mir sagten, sich einen gemütlichen Nachmittag bis zu unserer Rück-
kehr am nächsten Tag mittags zu machen, um fischen zu gehen.
Die Jagd und Fischerei war für Karim und den Botschafter sehr erfolg-
reich. Karim erlegte zwei Böcke, der Botschafter, der das erstemal
überhaupt auf einer Jagd war, sogar einen Bock. Wenn ich nicht schon
von Haus aus ein Gegner der Jägerei wäre, hätte mich jetzt der vom
Botschafter abgeschossene Bock zu einem solchen gemacht. Er hatte das
Tier nur am Vorderfuß schwer verletzt, daher konnte es flüchten, ein
Jagdhund, der schnell herbeigeschaffen wurde, hat dann die Spur ver-
folgt um dieses schwerverletzte Tier letzten Endes dann niederzu-
reißen, wie der Jagdausdruck so schön heißt.
Eine achtköpfige Bläsergruppe hat am Samstag abends die Jagd abgebla-
sen, die Strecke, das heißt die drei Böcke, wurden auf Tannenreisig
aufgelegt, die Jäger mit Fackeln danebengestanden, der Botschafter, weil
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er sein erstes Tier erlegte, zum Jäger geschlagen, alles ungeheuer feier-
lich, alles für Karim ungeheuer beeindruckend.
Ich nutzte die Anwesenheit in Mürzsteg, um, wie ich glaube, nach etlichen
Jahrzehnten wieder einmal auf die Hinteralm zu gehen. Dort traf ich
vom Österreichischen Alpenverein, Sektion Lehrer, die dort eine Hütte
betreiben, einen gewissen Herrn Uhl, der bestrebt ist, einen Plan jetzt
auszuarbeiten, damit eine zusätzliche Toilettenanlage endlich gebaut
werden kann. Ohne daß er ahnte, wie ich ihm helfen konnte, erzählte
er mir sein Leid, daß die Bundesforste nicht bereit sind auch nur
einen Quadratmeter abzutreten. Ich habe, ohne daß er es ahnte, nachher
mit dem Verwalter Wahl und dann insbesondere mit dem Oberförster Böhm
darüber gesprochen, die mir zusicherten, sie würden ein solches Ansu-
chen auf alle Fälle entsprechend befürworten und, da es letzten Endes
ja vom Oberförster abhängt, auch genehmigen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mit Uhl verbinden.
Eine weitere Beschwerde habe ich dann bei einem nächsten Besuch über
die Veitsch anbringen müssen. Die Österreichischen Bundesforste legen
natürlich in der ganzen Gegend entsprechende Forstaufschließungsstraßen
an. Wenn die Straße dann fertig ist, wird dann auch der meistens von
ihnen unterbrochene Aufstieg der markierten Wanderwege wieder in Ord-
nung gebracht. Zwischenzeitig aber kann man sich, wie es auch mir er-
gangen ist, furchtbar leicht vergehen. Die Einheimischen kennen natür-
lich den Weg sehr genau, brauchen dazu weder eine Markierung noch
einen besonderen Hinweis. Für den Fremden stellt sich dies ganz anders
dar. Ich hoffe, daß man mein Ersuchen berücksichtigt, es ist nicht ge-
rade sehr angenehm, wenn man sich nach einem Riesenhatscher, um halb
sieben bin ich weggegangen und um halb eins mußte ich zurück sein, we-
gen des Essens dann noch vergeht.
Dr. Alalani, der die Auslandsbeziehungen mit 60 Mann im irakischen
Ölministerium führt, also die stärkste Abteilung dort hat, war lange
Zeit in der BRD, wo er auch studierte, und meinte mir gegenüber, er
sei ein guter Geher, sozusagen nehmen sie mich bitte mit. Nichts tat
ich lieber als das, da Dersch ihm auch ein Paar feste Schuhe verpassen
konnte. Entsprechende Auswahl war ja für den Minister Karim geliefert
worden. Anfangs ist dann Alalani sehr brav und gut mitgegangen. Beab-
sichtigt war den Tonion zu besteigen, alles sehr ungefährliche Wege,
nur halt sehr langwierig. Nach dem ersten Drittel hatten wir zu ent-
scheiden, ob wir nicht doch lieber gleich zurückgehen, was ich ihm ei-
gentlich indirekt empfohlen hatte. Alalani zitierte aber einen
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arabischen Dichter, dieser sagte sinngemäß, wer niemals nach einem
Gipfel greift, wird immer in der Höhle wohnen. Die Hatscherei war
dann aber für ihn doch sehr anstrengend. Insbesondere das letzte
Stückl mußten wir durch einen Windbruch den Weg sehr verlegenden Schlag
uns durchkriechend abwärts bewegen, bis wir endlich auf eine Forst-
straße kamen. Die Gendarmerie hat bereits mit unserem Auto, wenn ich
so sagen darf, die Suche nach dem Minister aufgenommen. Alalani kommt
jetzt als Vizegeneraldirektor zum OPEC-Fonds und wird trotz der erst-
maligen sehr anstrengenden Bergtour sicherlich ein ganz guter Wanderer.
Beeindruckt hat ihn der Gipfelsieg natürlich mächtig. Karim hat mir
dann noch mitgeteilt, daß er mit Kreisky eine sehr gute Aussprache
gehabt hat, er war sicherlich ein wenig überrascht, daß ich daran nicht
teilgenommen habe. Nach wie vor bleibe ich aber bei meinem Prinzip, der
Bundespräsident wünscht, daß die Minister von dem betreffenden Ressort-
kollegen begleitet werden, der Bundeskanzler scheinbar, daß er allein
mit den Ausländern sprechen kann. Karim hat mir auch mitgeteilt, daß
Kreisky ihm einen Brief an seinen Präsidenten mitgegeben hat. Kreisky
versteht es ausgezeichnet, sich bei den Arabern entsprechend seiner
beabsichtigten Politik einzusetzen und letzten Endes vielleicht auch
durchzusetzen. Auf alle Fälle hat Karim immer wieder bei jeder Gelegen-
heit und Ansprache versichert, daß Österreich im Irak die Nummer 1 ist.
Behandelt wurde Karim aber von mir auch wirklich als Nummer 1. Ich
glaube kaum, daß es einen anderen Minister gibt, der sich um seine
Gäste so kümmert, als ich dies mache. Dabei haben es die anderen be-
stimmt wesentlich leichter, weil sie ja nur einen Bruchteil von Aus-
ländern empfangen müssen, bei mir ergibt sich dies allerdings aus
meiner doch sehr umfangreichen Kompetenz.
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