Mittwoch, der 3. Juni 1981

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Mittwoch, 3. Juni 1981

ÖGB-Präsident Benya begann sein Referat am Gewerkschaftstag der
Lebensmittelarbeiter mit dem Hinweis, daß er verwundert ist, daß
ich schon so lange Obmann der Lebensmittelarbeiter bin. 13 Jahre
war er Obmann der Metallarbeiter und 17 Jahre im Gewerkschaftsbund.
Beide sind wir eigentlich alte Diener.

Für die Lebensmittelarbeiter habe ich allerdings, nachdem wir jetzt
endlich den Betriebsratsobmann von Coca Cola, Dr. Simperl, als meinen
ersten Stellvertreter durchgebracht haben, die Weichen endgültig
gestellt. Mittagspause nützte ich nämlich dazu, um Simperl klarzu-
machen, daß es für ihn nicht eine Frage des nächsten Jahrzehntes
ist, wie er glaubt, gegebenenfalls die Obmannfunktion zu übernehmen.
Ich glaube und fürchte, daß jetzt das neue Team, als Funktionär
Simperl, als Zentralsekretär Göbl, viel früher werden die Geschicke
der Lebensmittelarbeiter zu führen haben. Wir stehen unter keinem
Zeitdruck, doch ist es für mich immer ein beruhigendes Gefühl, zu
wissen, daß in allen Funktionen, die ich habe, stets ein guter Ver-
treter hier ist, der jederzeit die Arbeit übernehmen kann. Ich be-
trachte es als eine der wichtigsten Aufgaben, überall und stets für einen
Nachfolger zu sorgen, keinen zu haben oder sogar einen schwachen
oder schlechten zu favorisieren, dann womöglich den Beweis zu er-
bringen wie gut man war, weil der Nachfolger stark abfällt, halte ich
für ein unverantwortliches Vorgehen.

Das Referat von Benya selbst war nicht spezifisch auf die Lebens-
mittelarbeiter ausgerichtet, sondern erörterte die Wirtschaftspolitik
des Gewerkschaftsbundes. Die Vollbeschäftigung, Wirtschaftswachstum
mit entsprechender Energiesicherung incl. Zwentendorf waren die er-
klärten Grundsätze. Bezüglich der Sozialpolitik erörterte Benya
anhand der wichtigsten Erfolge, nämlich zuerst der kollektivvertragl.
Regelungen und dann im weiteren Gefolge der gesetzlichen Verankerung
die Arbeitszeitverkürzung, 59 auf 45 Stunden, 69 dann die Etappen-
regelung, ab 1. Jänner 70 43, dann ab 72 42 und ab 75 40 Stunden-
Regelung. Ähnlich bei der Urlaubsverlängerung, 65 durch Kollektiv-
vertrag 3 Wochen, 71 durch Gesetz dann nach 10 Jahren 18 Werktage,
nach 25 24 und über 25 Jahre 30 Werktage, die dann noch ergänzt
durch Pflegeurlaub, und in weiterer Folge nach 20 Jahren 30 Werk-
tage. Die vorsichtige aber zielstrebige Vorgangsweise demonstriert.



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Ähnlich wie Kreisky, aber nicht so klar und deutlich verwies Benya
darauf, daß man die Sozialpolitik nach den wirtschaftlichen Gegeben-
heiten ausgerichtet hat und in Zukunft auch ausrichten wird. Na-
türlich wurde dann in den Nachrichten sofort herausinterpretiert,
daß Benya sich gegen Sozialminister Dallingers Plan ausge-
sprochen hat. So dezidiert wurde dies zwar nicht von ihm gesagt,
aber rauszulesen ist es sicherlich. Benya glaub ich genauso wie
Kreisky ärgern sich, daß Dallinger diese Alleingänge, jetzt sei es
bei den 30 S Wohnungsgeld, sei es bei sonstigen sozialpolitischen
Aktivitäten, Schicht-, Schwerst- u. Nacharbeit, Arbeitszeitverkürzung
Urlaubsregelung, ohne entsprechende Koordination vorgeht. Dallinger
steht auf dem Standpunkt, er kann alle diese Forderungen durch
entsprechende Beschlüsse des ÖGB und von Fachgewerkschaften gedeckt
verlangen. In dieser Beziehung hat er Recht, die Frage ist halt
nur, wie er vorgeht und zu welchem Zeitpunkt er diese Forderungen
erhebt, ich fürchte, daß es ähnlich wie auf den anderen Gebieten
jetzt auch noch auf der Sozialpolitik zu größeren Differenzen
innerhalb der Spitze kommen wird, was unsere Kollegen und ganz
besonders unsere Genossen sicherlich nicht verstehen werden.

An das Referat schloß sich dann zu meiner größten Überraschung
eine ausgiebige Diskussion an. Zuerst hat es denn Anschein, wie
wenn sich überhaupt niemand melden würde. Dann aber erstreckte sich,
ich gebe schon zu, ein bißchen von mir vorher schon animiert, die
Diskussion über den ganzen Vormittag. Manchmal sehr harte Angriffe
wie Nowotny vom Konsum Wien, der Arbeiterkammerpräs. Czettel vorwarf,
er fährt mit Arbeitergeldern nach Japan, kommt zurück und erklärt
dann, die österr. Arbeiter sollen mehr arbeiten, da könne man gleich
den Präsidenten der Industriellenvereinigung schicken, der auch nichts
anderes sagen würde und der dies wenigstens selbst bezahlt. Der
Landesobmann von OÖ, BRO der Linzer Brauerei, der wieder
erklärt, manchmal ärgert er sich über Benya so, daß er das Bild, das
in seinem Raum hängen hat, am liebsten umdrehen würde. Die Diskus-
sion war also wirklich sehr hart, aber interessanterweise hat Benya
auch dieses Empfinden gehabt, doch nicht unfair und vorallemal
ganz offen. Ich bin sehr gespannt, wie es nach meinem Referat
zugehen wird.

Nachmittags standen dann die Berichte zur Debatte. Auch mir schien
es zuerst, als ob es zu keiner richtigen Diskussion käme, als erster
hatte sich gleich der BRO von Konsum Serini gemeldet. Dieser be-


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danke sich, daß 2.3. im Schiedsgerichtsbericht Kollege Pfister den
Namen nicht genannt hatte von dem Kollegen, der davon betroffen war,
eben er, Serini, sei es gewesen. Beim Kontrollbericht von Kollegen
Büchner, der auch nur von Großbetrieben sprach, die den Gewerk-
schaftsbeitrag nicht abführen, meinte er, das sei der größte Betrieb,
nämlich die Konsumgenossenschaft, und er sei auch damit gemeint.
Serini kritisierte die Vorgangsweise der Gewerkschaft gegen den
Bundesinnungsmeister der Bäcker, dieser hat erklärt, er kann sein
Versprechen nicht einhalten, die aliquote Auszahlung von Urlaubs-
u. Weihnachtsremuneration bei Selbstkündigung, Serini schlug ent-
sprechende Maßnahmen vor, die er als Klubobmann der Bäcker jetzt
sowieso in seinem Gruppenausschuß in Angriff nehmen wird. Hart
kritisierte er, daß wir vor längerer Zeit einmal, als Arbeitsklei-
dung in einem Verhandlungsprotokoll schon vereinbart waren, in einem
Präsidiumsbeschluß zurückgenommen haben. Ich konnte mich leider
nicht mehr genau erinnern, glaube aber sicher zu sein, daß damals
es nicht um eine klare Vereinbarung handelte, sondern, wie selbst
unsere Verhandlungsteilnehmer zugeben mußten, um einen echten Irr-
tum der Unternehmerseite. Harte Kritik, aber eine offene Aussprache
zeichnete auch diese Diskussion aus.

Die Mandatsprüfungskommission berichtete dann, daß 405 eingeladen
wurden, die auch fast alle erschienen, interessant war nur, daß es
davon nur 95 ordentliche Delegierte gab. Sonst waren 22 ausl.
Delegierte, 189 inl. Delegierte und der Rest dann noch Zuhörer.
Daß eine lückenlose Präsenz ist, entspricht unserer Tradition und
der wirklich wesentlich größeren Disziplin, als dies bei Partei-
veranstaltungen immer wieder festgestellt werden muß. Über die
37 Anträge und 3 Resolutionen, die dann zur Verhandlung und zur
Abstimmung kamen, gab es dann ein heftiges Heckmeck. Die Frage,
wer antragsberechtigt ist, wie nach unserer Geschäftsordnung dies
durchgeführt werden muß, erregte interessanterweise die Gemüter
mehr, als ich je angenommen hatte. Über den materiellen Inhalt der
Resolutionen respek. Anträge konnten wir uns dann letzten Endes
natürlich doch einigen. Interessant war, daß z.B. ein Antrag, die
Pensionsalter um 2 Jahre herabzusetzen, der dem Zentralvorstand
zugewiesen wurde, von einigen Diskussionsrednern abgelehnt wurde,
weil sie das richtige Gefühl haben, dies könnte man sich jetzt nicht
leisten und vorallemal die Sozialversicherungsträger nicht finanzie-
ren. Ungerechtigkeiten, daß Frauen, die mehrere Kinder haben, gar nie
in diesen Genuß kommen könnten, Hinweise, daß man jetzt bei den


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Schwerst-Nachtarbeitern die Herabsetzung des Pensionsanspruchsalters
nur zeitlich vorübergehend auf 3 Jahre senkt, um sie dann wieder an-
zuheben, was übrigens sehr schwierig sein wird, zeigt deutlich,
daß man in der Sozialversicherung vorsichtig vorgehen muß. Dies er-
kennen auch die Kollegen klar und deutlich.

Staatssekr. Albrecht und SC Jagoda sowie Dr. Satzinger berichteten
mir dann über die Verhandlungen im Handelsausschuß. Da sich die
ÖVP über die zweckmäßigste Lösung der Durchführung d. Staatsver-
trages wegen Energiesparen mit der SPÖ so schnell nicht einigen
konnte, wurde das Ganze auf den Herbst verschoben. Der FPÖ-Sprecher
Stix war damit nicht einverstanden. Der Energiebericht der Bundes-
regierung wird einstimmig angenommen, der eigentlich nichtssagende
Bericht über das Volksbegehren Zwentendorf ebenfalls. Damit können
die Verhandlungen über das halbe Jahr, wo die gesetzliche Auflage
besteht, daß dem Plenum zu berichten ist, dann auf Beschluß des
Plenums fortgesetzt werden. Das Ganze bleibt also in Schwebe, ich
habe nicht sehr viel Hoffnungen, daß in dieser Legislaturperiode
es noch gelingt, eine positive Lösung herbeizuführen.

Staatsekr. Albrecht berichtete dann auch über die MRV, dort wurde
leider in meiner Abwesenheit sowohl die Frage des Atommülls als auch
die Donauausbaufrage diskutiert. Die amerik. Administration wünscht,
daß jetzt die österr. Regierung ihr klares Interesse an Verhandlung
zeigen soll, dies wurde uns vom Außenamt mitgeteilt, jetzt weiß
Außenminister Pahr dies scheinbar nicht, und Bundeskanzler Kreisky
lehnt überhaupt eine Regierungsintervention in Washington ab. Beim
Donauausbau ergibt sich jetzt in Hainburg nicht nur vom Gesund-
heitsministerium, sondern auch vom Land- u. Forstwirtschaftsministerium,
also Steyrer und Haiden, großer Widerstand. Die Wissenschaftsministe-
rin Firnberg wieder möchte am liebsten, man sollte ähnlich wie bei
Osttirol einen Wissenschaftler beauftragen, entsprechende Studien
anzustellen. Abgesehen von dem vielen Geld, was es in Osttirol ge-
kostet hat, immerhin über 10 Mio., bedeutet dies eine weitere Verzöge-
rung des Baubeginns. In Osttirol haben wir Zeit genug, beim Donau-
ausbau müssen wir den Rhythmus einhalten.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Wann liefert Kobilka die verlangten
Unterlagen.

Die Leistungsschau der Lebensmittelarbeiter als sozusagen Eigen-
veranstaltung für unseren Gewerkschaftstag war beachtlich. Nicht


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nur, was die Mengen betrifft, sondern auch die Qualität, ist es wirk-
lich einsame Spitze gewesen. Die Firmen, hat man mir erzählt, haben
sich förmlich gerissen, ihre Produkte dort präsentieren zu können,
obwohl es sicherlich für sie keine besondere Verkaufsreklame war.
Die Delegierten kennen die Firmen und ihre Produkte, weder das Fern-
sehen noch die Presse war dort, fast würde ich sagen, es war eine
selbstlose Spende der Lebensmittelindustrie. Ein gutes Unterhaltungs-
programm, gesponsert von der Tabakregie, anschließend daran noch
bei einer Jazz-Band Publikumstanz, also wirklich ein voller Erfolg
dieses Abends.

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Tagesprogramm, 3.6.1981


Tätigkeit: BRO KGW


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    Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
    GND ID: 119083906


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      Tätigkeit: Gewerkschafter (Schiedsgericht LUGA)


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        Tätigkeit: Dir. DoKW


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          Tätigkeit: Sts. HM


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            Tätigkeit: FPÖ-NR-Abg.


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              Tätigkeit: Präsident AK
              GND ID: 121924882


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                Tätigkeit: ZS-Stv. LUGA


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                  Tätigkeit: Gewerkschafter (Kontrollbericht LUGA)


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                    Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg., ab 1981 Gesundheitsmin.


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                      Tätigkeit: ZS GPA, ab 1980 Sozialminister


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                        Tätigkeit: Büro des Bundesministers


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                          Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


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                            Tätigkeit: BRO Coca Cola, stv. LUGA-Obmann


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                                Tätigkeit: stv. BRO Konsum


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                                  Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


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                                    Tätigkeit: Wissenschaftsministerin
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                                      Tätigkeit: Bundeskanzler
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