Freitag, der 16. Jänner 1981 bis Montag, der 19. Jänner 1981

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Freitag, 16., bis Montag, 19. Jänner 1981

Der Sprecher der Länderprüfungskommission der Energieagentur Schmidt
aus der Schweiz neben einem Norweger und dem dritten aus dem Interna-
tionalen Energieagentursekretariat berichten mir, daß diese Länder-
prüfung positiv ausfällt. Der im Regierungsenergiebericht vorgeschla-
gene Maßnahmenkatalog wird sehr positiv bewertet. Insbesondere die
Vereinbarung mit Artikel 15, Energiesparmaßnahmen der Länder sowie
die Preiserhöhung bei Benzin und Erdölprodukten, auch die steuerliche
Maßnahme und insbes. die Umstellung von Öl- und Gas- auf kohlebefeuerte
und die Neuerrichtung von Kohlekraftwerken wurde besonders erwähnt.
Bei den elektrischen Tarifen, sprich Strompreisen, wird vorgeschlagen,
im Winter die E-Preise höher anzuheben. Bezüglich der Fernheizwerke
müßte zur Verstärkung der Wärme-Kraft-Kupplung das Wegerecht legistisch
fundiert und vor allem ausgebaut werden. Hier werden wir über einen
Zwangsausschluß nicht hinweg kommen. Die Prüferkommission sieht be-
züglich der Gasversorgung 85–90 weitere Importnotwendigkeiten und
größere Schwierigkeiten. Diese Meinung teile ich nicht, denn bis zu
diesem Zeitpunkt, bin ich überzeugt, haben wir mit der Sowjetunion
bereits unseren 4. Erdgasvertrag.

Interessant für mich war nur, daß der Schweizer Vertreter aus dem Schwei-
zer Energieministerium mir ihre Schwierigkeiten bei der Atommülllagerung
schilderte. In der Schweiz kommt man über die Versuchsbohrungsphase
auch nicht hinaus. 10 Gemeinden wurden jetzt im Aargau, Solothurn, Schaff-
hausen und Zürich ausgemacht, wo es zu einer sicheren Lagerung des jetzt
von Wiederaufbereitung La Hague von der französischen Firma Cogema
rückgelieferten Atommülls kommen könnte. Laut Schweizer Gesetz müßte
dieses Projekt zur Lagerung bis 1985 fixiert sein, sonst dürften nicht
nur keine weiteren Kernkraftwerke gebaut werden, sondern auch die
laufenden stillgelegt werden müssen. Die Schweizer Atommüllagerkommis-
sion Nagra kann aber in den meisten der 10 vom Bund jetzt bestimmten
Gemeinden nicht einmal Probebohrungen durchführen, weil auch dort
die Bevölkerung sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln
wehrt.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Laß Dir vom österreichischen Botschafter in
der Schweiz einen genauen Bericht geben.



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Bei der Sitzung der Wirtschaftskommission in der Löwelstraße hat
Kreisky einleitend festgehalten, daß diese jetzt eine Reihe von
Jahren nicht aktiv war. Jetzt müßte für ein Wirtschaftsprogramm der
80-er Jahre alles in ganz kurzer Zeit erledigt werden. Dies, glauben
manche Leute, sei ein Nachteil. Die Arbeitsgruppen müssen jetzt aber
schnell arbeiten, deshalb könnten sie also nicht allzu lange und zer-
fransende Diskussionen führen. In den Arbeitsgruppen müssen Termin-
kalender erstellen werden und wenn der Vorsitzende keine Zeit hat,
muß eben der Stellvertreter die Sitzungen führen, damit bis Ende
Februar ein vollkommenes Programm vorliegt. Dieses will Kreisky dann
mit den ökonomischen Fakultäten diskutieren, die Gegner würden ja
früher oder später sich sowieso auf dieses Wirtschaftsprogramm stürzen.
Er erwähnte hier besonders den Innsbrucker Univ.-Prof., dessen Name
mir jetzt entfallen ist. Das Sekretariat wird Dr. Schmidt und sein Se-
kretär Lacina durchführen. Die Minister wurden Vorsitzende, damit
sie mitwirken können und verhindern, daß unmögliche Forderungen er-
stellt werden, die man womöglich in den 80-er Jahren gar nicht durch-
führen kann.

Ich kam bei der Sitzung neben dem neuen Finanzminister Salcher zu
sitzen. Dieser flüsterte mir zu, er gedenkt nicht die energiepoli-
tischen Agenden, die jetzt der Finanzminister als Vizekanzler führte,
weiterzubearbeiten resp. die Energiesparmaßnahmen federführend zu
koordinieren. Ich habe ihm sofort versichert, daß ich jetzt wohl die-
se Agenden selbst werde durchführen müssen. Kreisky, der sie seiner-
zeit an sich gezogen hat, wird keine Zeit dafür haben und Sinowatz
als der neue Vizekanzler würde sich dafür überhaupt nicht interessie-
ren. Nur der Kanzler und Vizekanzler sind aber zu Koordinierung auf-
grund des Ministeriengesetzes berufen.

Eine Telefonistin informierte Salcher irgendetwas, was ich nicht ver-
stand. Nach einiger Zeit meinte Salcher, du bist ja schon von der
Sowjetunion zurück. Er war sehr erstaunt von mir zu hören, daß ich
erst jetzt hinfliege. Ich war dann umso mehr erstaunt von ihm zu hören,
daß die Telefonistin ihm sagte, die Aeroflot hätte bereits jetzt 1
Stunde Verspätung angesagt. Da ich aber bereits um 6 Uhr mit dem sowje-
tischen Ministerpräsidenten Tichonow eine Aussprache hatte, war für
mich vollkommen klar, daß diese Information nicht Salcher, sondern mir
gegolten hat. Ich verließ daher fluchtartig die Sitzung, um mit der
früher fliegenden AUA-Maschine zeitgerecht nach Moskau zu kommen.



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Mit GD Fremuth, Verbund, besprach ich während der Reise nach Moskau
2 Probleme. Fremuth glaubt, daß er mit einem GesmbH-Entwurf für Ost-
tirol die Tiroler E-Gesellschaftsvertreter der TIWAG und damit LH
Wallnöfer für eine 60-%-Bund-, 40-%-Land-Lösung zu gewinnen. Dies wäre
eine Ausgangsbasis. Letzten Endes würden wir uns ja im Bund mit 51 %
zufriedengeben. Ich versuchte Fremuth neuerdings klar zu machen, daß
ich glaube, Wallnöfer würde, allein schon aus optischen Gründen, weil
er kaum mehr als 50 % dem Bund in Tirol zugestehen möchte, eher be-
reit sein, größere Anteile bei den Tauernkraftwerken zu erwerben.
Fremuth wird daher diesen GesmbH-Entwurf mir informell zur Stellung-
nahme geben, Zluwa wird ihn im Detail prüfen. Fremuth beabsichtigt
die Verhandlungen aber so zu führen, daß er mein Zugeständnis zur
GesmbH-Lösung noch nicht als gegeben voraussetzt.

Die nächste Strompreiserhöhung der Verbund wird dem Wunsch der IBA-
Prüfung entsprechend die Winterstrompreise besonders erhöhen. Dies
gilt übrigens auch für den Leistungspreis der Verbund.

Ein schwieriges Problem ist die Preisklausel im polnisch-österreichi-
schen Liefervertrag. Bei Vertragsabschluß mit 1. Juni 1979 betrug
der Kohlepreis 500,–– pro t. Durch 8-maliges erhöhen beträgt er mit
1. Jänner 81 bereits 758,––. Dies entspricht einem Heizwärmewert von
157,–– S pro Gigakalorie. Gegenüber den Ungarn hofft Fremuth mit 105,––
bis max. 110,–– S durchzukommen. Die Ungarn verlangen allerdings 144,––.
Durch die Gleitformel 1/3 Heizöl schwer, 1/3 Gas und 1/2 Ruhrkohle
ist es zu diesen verheerenden Preissteigerungen gekommen. Die kWh
aus dieser Kohle stellt sich jetzt schon auf 67 Groschen, der Einbau
einer Rauchgasentschwefelung 75 Groschen. Die Tatsache, daß diese
Kohle mit ca. 60 $ noch immer billiger ist als die amerikanische mit
92 bis 105 $ die Tonne, hilft in dem Fall wenig. Fremuth strebt an,
daß die Wertsicherungsklausel dahingehend geändert werden soll, daß
die absolute Obergrenze für Preisbewegung der polnischen Kohle der
Preis für amerikanische Kohle gleicher Qualität loco Hamburg – 5 %
zu gelten habe. Unter diesen Voraussetzungen wäre er bereit, die
Flüssigmachung der 300 Mio. $, welche die österreichischen Banken bis
jetzt verweigerten, da ihnen der Vertrag eine solche Möglichkeit gibt,
doch noch herbeizuführen.

Minister Patolitschew ist nach wie vor erkrankt und in einem Sana-
torium und konnte an den Verhandlungen und der Unterschrift des neuen


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10-Jahresvertrages nicht teilnehmen. An seiner Stelle hatte ich zuerst
eine Aussprache mit seinem ersten Vizeaußenhandelsminister Komarow.
Dieser ist ein zwar umgänglicher, aber sicher härterer Verhandler als
Patolitschew.

Bei Ministerpräsidenten Tichonow wurde von diesem einleitend festge-
stellt, daß die Sowjetunion mit der politischen und der handelspo-
litischen und Wirtschaftsentwicklung mit Österreich sehr zufrieden
ist. Breschnew hätte dies auch bei seinem Besuch von Kirchschläger
und Kreisky seit Unterzeichnung des Staatsvertrages immer wieder fest-
gestellt. Der langfristige Handelsvertrag sei vorzeitig erfüllt wor-
den, jetzt wird ein neuer abgeschlossen und man hofft auf die Verdoppe-
lung und vorzeitige Erfüllung, wie den 1973 von mir mit Patolitschew
abgeschlossenen. Einleitend stellte er sofort fest, daß ja die Schiffs-
aufträge für die Korneuburger Werft gleichzeitig erfolgen werden. Im
neuen Fünfjahresplan hätte Österreich große Möglichkeiten. Die sowje-
tischen Fachminister kennen sich aber nicht gut aus, da alles das
Außenhandelsministerium verhandeln muß. Dies gilt ganz besonders für
Maschinen und Chemie. Diese Bemerkung zeigte dem österreichischen Bot-
schafter Hinteregger, wie er mir nachher sagte, daß eindeutig unsere
Unternehmer falsch in der Sowjetunion agieren. Die Franzosen und an-
dere setzen ihre Firmenvertreter bei den einzelnen Fachministerien
viel stärker an, als dies die österreichischen Unternehmer tun. Diese
rechnen, daß das Handelsministerium alles für sie erledigen kann.

Ich selbst ging sofort auf die österreichischen Wünsche, zuerst aller-
dings hatte ich die Einladung Kreiskys an Tichonow und den Brief, den
er mir dafür mitgab, überreicht. Bei dieser Gelegenheit bemerkte ich,
daß es nicht echt österreichisch wäre, wenn wir außer dieser Einla-
dung nicht gleich in dem Brief und durch meine Vorsprache entsprechen-
de Wünsche vorbringen würden. Tichonow hat die Einladung angenommen
und es besteht begründete Hoffnung, daß er als erste westliche Reise
Österreich besuchen wird.

Die wichtigste Frage erschien mir die zusätzlichen Gaslieferungen und
ich habe deshalb darauf verwiesen, daß wir einen 4. Gasvertrag mit der
Sowjetunion abschließen wollen. Österreich war immerhin das erste
Land, welches 1968 einen Gasrohrliefervertrag abschloß. Insbesondere
ersuchte ich um genaue Vertragserfüllung und damit eine Nachlieferung
von 170 Mio m³, die im 80-er Jahr nicht geliefert wurden. Tichonow


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meinte, die Sowjetunion wird die Verträge einhalten. Bezüglich des
neuen großen Gasvertrages ist noch nicht der Durchmesser der Gaslei-
tung und der Atmosphärendruck, man denkt ja bis 100 atü, endgültig ent-
schieden. Bezieher des Gases werden die sein, die sich an dem Bau der
Pipeline beteiligen.

Als zweiter wichtiger Punkt erschien mir die Lieferung von Kokskohle.
Der Vertrag zwischen Vöest-Alpine und der sowjetischen Außenhandels-
stelle ist im Vorjahr abgelaufen und ich ersuchte um neuen Vertragsab-
schluß. Tichonow erklärte, daß sie diese Kohle aus Sibirien und Kasach-
stan heranschaffen müßten und Transportweg und Energie sehr aufwändig
wären. Derzeit sieht Tichonow keine Möglichkeit auch nur 1 Tonne zu
liefern.

Die dritte wichtige Frage war der Elektrizitätsaustausch, Spitzenstrom
österreichischerseits gegen Grundlast sowjetischerseits, für mich
allerdings nur als Aufhänger für die Müllagerung. Hier verwies ich
darauf, daß ich mit sowjetischen Stellen und Ministern dafür schon
kostenlose Komponentenlieferung für Atomkraftwerke angeboten habe,
wenn die Sowjetunion den Atommüll, der in Zwentendorf anfallen würde.
Tichonow verwies darauf, daß ein solches Ansinnen auch von Deutschland
an die Sowjetunion gerichtet wurde. Überall wird gesagt, die Abfälle
sind schädlich, für die Sowjetunion gilt dies auch, wobei noch frag-
lich ist, ob eine Beförderung und wie eine Beförderung dieses Mülls
erfolgen sollte. Man hat dieses Problem in der Sowjetunion erörtert,
sähe derzeit aber keine Möglichkeit. Das Ganze sei allerdings zeit-
befristet, da fa jetzt doch die schnellen Brüter kommen. Im neuen
Fünfjahresplan hat die sowjetische Seite nur mehr Wasserkraftwerke und
Kernkraftwerke. Wärmekraftwerke wird es keine mehr geben. Bezüglich
des Stromaustausches sollte man weiterverhandeln.

Zuletzt wies ich ganz besonders auf das Handelsbilanzungleichgewicht,
über 12 Mrd. Einfuhren gegenüber höchstens 6 Mrd. Ausfuhren, 31 %
Einfuhrsteigerung und 8 % Ausfuhrverminderung im besonderen hin.
Tichonow meinte, das sei zeitbedingt. Früher war es umgekehrt, durch
den neuen langfristigen 10-Jahresvertrag soll sich dies verbessern.
Allerdings bezieht ja Österreich meistens Energie und wenn die Sowjet-
union hier nicht liefern kann, dann wird sich dies auch bald im Außen-
handelsungleichgewicht auswirken.

Die Aussprache dauerte über 1 Stunde, war sehr freundlich. Die öster-


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reichischen Kremonologen haben dann am nächsten Tag festgestellt, daß
in der Prawda auf der ersten Seite, für dort vollkommen ungewohnt, ein
riesiger langer Artikel darüber erschien. Selbstverständlich wurde
dies auch im sowjetischen Fernsehen entsprechend gezeigt.

Über Samstag, Sonntag wurde ich dann von den Sowjets nach Leningrad
verfrachtet. Tichonow selbst war Freitag abends ausdrücklich noch von
außerhalb Moskaus nach Moskau zu der Aussprache gekommen. Samstag,
Sonntag ist aber scheinbar in der Sowjetunion niemand bereit zu arbei-
ten.

Für Montag wurde dann im Außenhandelsministerium die offizielle Sitzung
abgehalten. Die Sowjets dachten und auch der österreichische Botschaf-
ter Hinteregger meinte, wir würden in längstens einer halben bis 3/4
Stunde fertig sein. Tatsächlich dauerte dann die Sitzung 2 Stunden.
Zum Essen von Hinteregger konnte dann nur Komarow auf einen kurzen
Sprung kommen. Von oben war wieder angeordnet worden, daß er mit ent-
weder Algerier, dann hieß es wieder Ungarn, eine dringende Sitzung ha-
ben wird. Hinteregger war darüber ein wenig enttäuscht. Mich hat es
überhaupt nicht berührt. Wichtiger war mir die sehr umfangreiche und
offene Aussprache mit Komarow und seinen Herren.

Gas kann im 4. Vertrag von 3–5 Mrd. m³ Mehrlieferung ohne weiteres von
der Sowjetunion bezogen werden, wenn man sich am Pipelinebau betei-
ligt. Meine Zusicherung, daß Österreich dies will, mindestens im
perzentuellen Anteil als wir Gas beziehen, d.h ca. 10 % möchten wir uns
auch mit Pipelinelieferung, aber auch insbesondere Kompressorenstationen
und sonstigen Ausrüstungen beteiligen. Komarow fragte sofort, wie die
Finanzierung erfolgen würde. Ich verwies darauf, daß die Sowjetunion
10 Mrd. S Kredit hat. Komarow erwidert, das sei mit 7 3/4 % verzinst
und gelte nur für 85 %. 15 % müßte jetzt bar bei diesem Kredit der
Kontrollbank aufgebracht werden. Zuerst wollte Komarow eine 100 %-ige
Finanzierung für die Pipeline, meinte dann, man könnte 5 oder max.
10 % bei Lieferung von seiten der Sowjets dann bar bezahlen. Ich ver-
wies darauf, daß dies eine spezifische Finanzierungsfrage ist, die
mit den Bankern, insbesondere Österr. Kontrollbank, Haschek, noch
vereinbart werden muß. Ich werde den Finanzminister darüber informie-
ren. Fremuth machte die Bemerkung, daß es ohne weiteres möglich sein
müßte, diese Pipeline frei zu finanzieren. Hinterher meinte er, die
Zinsdifferenz, weil die Sowjets nicht bereit waren, einen hohen Zins


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satz, der jetzt am Kapitalmarkt gilt, zu bezahlen, durch entsprechende
Subvention über den Gaspreis durch die ÖMV dann durchzuführen.

ANMERKUNG FÜR MARTIN: Mit GD Haschek verbinden.

Bezüglich der Lieferung für das Jahr 1981 wurde von Komarow festge-
halten, daß die 2,6 Mrd. m³, 1. Quartal 478 Mio., 2. Quartal 674 Mio.,
3. Quartal 722 Mio., 4. Quartal 726 Mio. m³ eingehalten werden. Bezüg-
lich der von mir geforderten Nachlieferung der 170 Mio. für das Jahr
1980 meinte er, es wird geprüft, ob man diese zusätzliche Lieferung
1981 erfüllen kann. Die Bedingungen müßten noch ausgehandelt werden.
Er bemerkte, hier handelt es sich um die Frage, daß dieses Gas 1980
nicht zum alten Preis geliefert wird. Der Hinweis Botschafter Hinter-
eggers
, daß damit aber der Vertrag nicht eingehalten wird, veranlaßte
ihn ein Beispiel zu sagen. Komarow hat im März 73 mit dem amerikanischen
Ölmultimillionär Hammer und dessen Firma Occidental Petroleum abgeschlos-
sen. Die Sowjets liefern 1 1/2 Mio. t Ammoniak, 1 Mio. t Karbon und 1 1/2
Mio. t Chlor. Dafür beziehen sich durch 20 Jahre jährlich 1 Mio. t Super-
phosphorsäure, damals 165 $ die Tonne + 3 % ab dem Jahre 79 jährliche
Preissteigerung. Bereits ein Jahr später betrug aber am Weltmarkt die
Superphosphorsäure 365 $ die Tonne. Entweder mußten die Sowjets ihre
Preise erhöhen oder es wäre nicht geliefert worden. Die Sowjets
mußten also akzeptieren. Mir lag es auf der Zunge, ich hab es allerdings
dann doch runtergeschluckt, darauf zu verweisen, dafür hat Hammer, wie
ich in der Eremitage feststellen konnte, ihnen ein wertvolles Gemälde
eines alten Meisters geschenkt. Komarow wollte mit diesem Beispiel
sagen, daß wir das Gas noch immer billigst beziehen. Bei der Zusammen-
fassung zum Schluß meinte er dann sogar, die Gasleitung wird 5000 km
sein und den Sowjets 300 Mrd. S kosten. Westeuropa will das Gas, will
aber keine richtigen Preise dafür bezahlen, keine womöglich zinsen-
tiefe Finanzierung für dieses allen dienende, gemeinsame Projekt
aufbringen.

Die Amerikaner richten sich mit ihrer Dollarabwertung die 460 Mio.
$ Erdölimporte zu ihren Gunsten. Seit Bretton Woods von den Amerikanern
einseitig gekündigt wurde und es keine fixen Wechselkurse mehr gibt,
hat sich nach sowjetischer Auffassung der Eurodollarumfang von 80 Mrd.
bis 1980 auf 1200 Mrd. $ erhöht. Amerika hat materielle Werte gegen
bedrucktes Papier getauscht. Viel schlimmer waren dann auch die De-
tailverhandlungen über die 700.000 t Kokskohle, welche die Vöest-Alpine


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durch 25 Jahren mit Verträgen aus der Sowjetunion bezogen hat und
jetzt nichts mehr bekommen kann. Komarow hat angedeutet, es wäre
möglich Energiekohle, 250.000 bis 300.000 t, zu liefern. Da die Vöest
aber Kokskohle braucht, verwies ich darauf, daß es uns lieber ist,
wenn vielleicht eine kleine Menge für die Vöest geliefert werden kann.
Komarow hat auch dies verneint. Bezüglich der Energiekohle erklärte
ich, die werden wir prüfen. Fremuth sagte mir nachher, er hätte dafür
keine Verwendung, da er jetzt vertraglich verpflichtet ist, aus Polen
entsprechende Mengen zu teuren Preisen zu übernehmen.

Genauso negativ verlief auch die Frage der Atommüllagerung. Komarow
meinte, die Sowjetunion steht auch jetzt unter Umweltschutzauflagen.
Eine Anfrage aus Deutschland, aber auch aus Frankreich wurde negativ
beschieden.

Bezüglich des Austauschs Spitze gegen Grundlast, den GD Fremuth dann
auch noch ergänzte, Strombezug im Winter aus der SU aus Wärmekraftwer-
ken und dafür Lieferung im Sommer Österreichs aus Wasserkraftwerken,
wird von einer jetzt schnell zu gründenden Energie- und Elektrizitäts-
arbeitsgruppe verhandelt. Für die österreichische Seite schlug ich
Fremuth als Vorsitzenden vor, die Sowjets sind noch nicht endgültig
klar. Es wird aber wahrscheinlich der Vizeminister des Energiemini-
steriums Lopatin.

Mein letzter verzweifelter Versuch, man könnte bezüglich der Atom-
müllagerung ja die neutralen Staaten Europas anders behandeln als
Deutschland und Frankreich, wurde ebenfalls negativ beschieden, Finn-
land hat nur die Chance rückzuliefern, weil es ein sowjetisches
Kernkraftwerk besitzt. Selbst die Übernahme des schwedischen, in Finn-
land jetzt errichteten Kernkraftwerkes und daraus entstehender Müll
wurde von sowjetischer Seite abgelehnt.

Bezüglich des Handelsbilanzungleichgewichts meinte Komarow, man würde
jetzt den Vertrag über die 10 Schiffe abschließen. Gleichzeitig wird
noch um 3 Passagierschiffe und sogar um einen 350 t Schiffskran ver-
handelt. Nach einer Liste, die er hatte, mir sie aber selbstverständ-
lich weder zeigte, noch natürlich zusagte zu übermitteln, würde die
sowjetische Seite für 300 Mio. Rubel dies wären 6 Mrd. S Waren kaufen
resp. Lieferungen möglich sein. Es wurde vereinbart, daß bei der
nächsten Gemischten Kommission eine detailliertere Liste in das Pro-


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tokoll aufgenommen wird, die Sowjets werden uns diesbezügliche Vor-
schläge für Lieferungen erstatten. Die Hauptschwierigkeit liegt aber
darin, daß sich die österreichischen Unternehmer viel zu wenig um die
Fachministerien in der SU kümmern. Beabsichtigt ist, wie dies auch
mit Frankreich jetzt vereinbart wurde, Listen aufzustellen. Auf der
linken Seite würde die Grundbestimmungen des Programmes stehen, auf
der rechten Seite wäre dann von der Gemischten Kommission festzuhal-
ten, wie dies zu realisieren ist.

Die österreichische Delegation hat ein vom Handelsdelegierten
Draszczyk ausgearbeitetes Papier über aktuelle aussichtsreiche Pro-
dukte übergeben. Komarow hat sie mit seiner Liste verglichen. Vöest-
Alpine, Gipsschwefelsäureerzeugungsanlage, ca. 1 1/2 Mrd. S, Melamin-
produktionsanlage, Beteiligung am Pipelineprojekt, nicht nur mit
Röhren und Blechen, sondern Druckerhöhungsstationen, Kompressoren,
elektrische Pipelineausrüstungen, Vöest-Alpine in Arbeitsgemeinschaft
mit mehreren österreichischen Firmen, diese 3 Projekte haben gute
Aussichten, sie sind in der Liste von Komarow. Das Vöest-Alpine-Pro-
jekt, Zellstoffproduktionsanlage als Buy-back-Arrangement, ist nicht
in der Liste, in diesem Fünfjahresplan werden nur die schon abge-
schlossenen Verträge finalisiert. Die Fa. Voith hat große Möglichkei-
ten von Zusatzlieferungen.

Die Fa. Zuckermann, 2 Fenster- und Hebetürenfabriken, 600 Mio. S.,
2 Paketwerksanlagen, 150 Mio. S, stehen in der Liste. Mit Zuckermann,
meinte Komarow, gäbe es langjährige Kooperationsverträge.

Eine lange Diskussion ergab der Stahlbaupavillon 2, Anbot der Vöest-
Alpine über 728 Mio S. Die Sowjets verlangen, daß diese Investition
durch Mietkosten kompensiert wird. Eine deutsche Firma Nover würde
den Kredit geben, rückgezahlt wird er dann durch die Mieteinnahmen.
Der Kredit müßte auf 15 Jahre gegeben werden, ansonsten sich die
Mietkosten verdreifachen. Der sowjetische Botschafter in Österreich,
Jefremow, der anwesend war meinte, 50 % müßten auch in dem Fall die
österreichischen Mieten erbringen. Jefremow legt scheinbar größten
Wert darauf, daß dieses Geschäft doch noch zustande kommt. Da ich
Vöest-Alpine niemanden über die Details informiert hat, niemand in
der Delegation auch die Frage der Mietkosten, Abzahlung des Kredites
im Detail kannte, war dieser Punkt auch nicht positiv abzuschließen.
Der österreichische Botschafter Hinteregger hat sich darüber sehr


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geärgert, weil er immer wieder feststellen muß, daß die österreichi-
schen Firmen ihn, aber auch nicht den Handelsdelegierten informieren.

Die von mir mitgenommenen, fast ein Dutzend Beschwerdefälle habe ich
dem österreichischen Handelsdelegierten Draszczyk übergeben, dieser
wird sie im Detail beantworten und mir dann die Original und die
Antwort durchschriftlich mitteilen.

Offiziell habe ich über 3 Fälle interveniert. Die Maschinenfabrik Heid
beschwert sich, daß sie auf sowjetische in Aussicht gestellte Aufträge
Schwermaschinen in der Sowjetunion gekauft hat. Jetzt aber werden
nur Kleinmaschinen bis 12 t statt wie beabsichtigt 50 t von der sowje-
tischen Seite in Auftrag gegeben, wodurch die angeschafften sowjetischen
Maschinen brach liegen. Komarow erklärte, der sowjetische Handelsde-
legierte Nikolaenko hätte ihn schon informiert, man wird dies posi-
tiv prüfen.

Die österreichische Kabelindustrie, insbesondere GD Wolfsberger von
Siemens, beschwert sich bitter, daß die bisherigen Kabelexporte in
Form eines Dreiecksgeschäftes im indischen clearing jetzt zurückgehen.
Für 81 sind nur 112 Mio. S vorgesehen, um 4 % weniger als im Vorjahr.
Siemens Österreich befürchtet, daß sogar Siemens Deutschland diesen
Auftrag bekommt, obwohl Siemens Österreich mühsam mit Raznoimport
dieses Dreiecksgeschäft aufgebaut hat. Komarow erwidert, daß niemand
einen solchen Auftrag bis jetzt vergeben hat und wahrscheinlich auch
nicht vergeben wird. Die Inder hätten gegen diese Art des clearings
schärfsten Einspruch erhoben. Breschnew wurde bei seinem Besuch in
Indien darüber informiert. Der Klage der Inder muß man Rechnung tragen.

ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit GD Wolfsberger verbinden.

Bezüglich der Schadenersatzforderung wegen bis zu 1 1/2 Jahre ver-
zögerte Frachtführung der sowjetischen Donau-See-Verkehr nach Irak be-
stand zuerst große Unklarheit, Komarow meinte, man wird dies prüfen,
da ja die Österreicher die Fracht bereits bezahlt haben und jetzt
Regreßansprüche gestellt werden.

Vor der Unterzeichnung des 10-jährigen Vertrages machte mich Komarow
noch aufmerksam, es gibt nur solche Verträge mit Finnland, Deutschland
und Frankreich. Komarow wollte damit zeigen, wie bedeutend dieser


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neue Weg der Sowjetunion auch für Österreich ist. Ich selbst habe
den Eindruck, daß die sowjetische Seite sich schon bemüht, Österreich
zu bevorzugen. Leider muß ich dem österreichischen Botschafter und
insbesondere Handelsdelegierten recht geben, die immer wieder darauf
verweisen, wie wenig sich die österreichischen Firmen um den sowjeti-
schen Markt kümmern. Die Frachtschiffe waren nur möglich abzuschließen,
weil, wie mir dann die Schiffswerft Korneuburgleute sagten, ständig
sie in der Sowjetunion bei den Fachministerien antichambrieren.
Die französischen Firmen entwickeln hier eine wesentlich größere Akti-
vität. Zuletzt wird dann sogar noch von Giscard d'Estaing interveniert.
Bei uns ist es umgekehrt. Hier wird von den Firmen vor allem die Inter-
vention von mir, für die Verstaatlichte sogar vom Bundeskanzler Kreisky
erwünscht und auch durchgeführt und dann sind die Firmen gelegentlich
bereit, sich selbst darum zu kümmern. Ich glaube, daß diese Klage
nicht 100 %ig zutrifft, prinzipiell ist sie leider richtig.

Beim Unterzeichnen des Vertrages wurde mir dann sogar noch von Außen-
handelsminister Patolitschew aus seinem Sanatorium ein Brief gebracht,
wo er mir erörterte, warum er an dieser Unterzeichnung nicht teil-
nehmen kann. Er hofft allerdings bei der Gemischten Kommission im Juni
in Österreich bereits wieder im Amt zu sein. Der sowjetische Botschaf-
fer Jefremow, der ebenfalls in dem selben Sanatorium sich auskuriert,
hat mir von Patolitschew die Grüße übermittelt. Ich selbst habe ihm
natürlich alles Gute gewünscht. Einen herzlich gehaltenen Brief werde
ich ihm als Antwort sofort schreiben.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte entsprechendes bei Fälbl sofort veran-
lassen.

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Tagesprogramm, 16./19.1.1981

58_0062_02

hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Unterrichtsminister


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: GD Kontrollbank
    GND ID: 170084094


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: stv. UdSSR-Außenhandelsmin.


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: sowj. Handelsrat


        Einträge mit Erwähnung:
          GND ID: 13847284X


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: sowj. Botschafter


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: sowj. Regierungschef ab 1980


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: sowj. Außenhandelsminister


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Büro des Bundesministers


                  Einträge mit Erwähnung:
                    GND ID: 115563237


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Beamter HM


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Sprecher Länderprüfungskommission IEA


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: MR HM


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: öst. Botschafter in Spanien, der Sowjetunion, ab 1981 GS im BMfAA


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Sekr. Büro Staribacher


                              Einträge mit Erwähnung:


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: frz. Staatspräs.


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: GD Siemens Österreich


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: stv. sowj. Energiemin.


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Leiter vw. Abt. ÖGB, SPÖ-NR-Abg.


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: Beamter HM


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: US-Millionär


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              GND ID: 118764136


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: öst. Handelsdelegierter in Jugoslawien, später Moskau


                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                  GND ID: 118566512


                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                    Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                                                    GND ID: 118723189


                                                    Einträge mit Erwähnung:


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