Donnerstag, der 23. Oktober 1980

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Donnerstag, 23. Oktober 1980

Der Repräsentant von Hong Kong Trade Council, Dunning, hat seinen stän-
digen Vertreter Dr. Neumann mir vorgestellt. Dieser wird sich jetzt
besonders bemühen den Hongkonger Export, aber auch den Import nach
Hongkong entsprechend zu organisieren. Dunning ist jetzt durch ganz
Österreich gereist und hat in Vorarlberg z.B. der Textilindustrie
klar gemacht, die sie sehr wohl große Exportchancen nach Hongkong be-
sitzt. Die Textilindustrie konnte oder, besser gesagt, wollte gar nicht
glauben, daß tatsächlich eine solche Möglichkeit besteht. Überein-
stimmend wurde festgehalten, daß die staatlichen Stellen oder die
HK oder, wenn man so will, auch das Hongkonger Trade Council nur die
Voraussetzungen schaffen können, daß die Firmen initiativ werden und
dann durch entsprechende Besuche selbst versuchen, ihre Geschäfte ab-
zuschließen. Ich sage dies immer, was wir leisten können, ist die Kon-
takte herzustellen. Wichtig sind aber die Kontrakte und diese können
nur durch Firmen abgeschlossen werden.

Im Parlament stand der Integrationsbericht zur Diskussion. Überraschend
war, daß sich als erster gleich Präs. Graf als ÖVP-Redner meldete und
dort nicht nur zum Integrationsbericht, sondern vor allem gleich auf
die Stahlkrise anspielend eine wirtschaftspolitische Diskussion ein-
leitete. In weiterer Folge hatte sich dann sogar der ehem. Obmann der
ÖVP, Dr. Taus, gemeldet. Dieser wieder machte entsprechende Vorschläge,
wie man die österreichische Edelstahlsituation sanieren könnte. Sein
Vorschlag lief letzten Endes darauf hinaus, daß man größere Staats-
zuschüsse davon abhängig machen sollte, daß ein entsprechender Sanie-
rungsplan vorgelegt wird. Gleichzeitig aber schlug er für die gesamte
Industrie vor, es sollte ein Risikokapitalaufbringungssystem geschaffen
werden. Bis zu 49 % sollte sich eine staatlich geförderte Gesellschaft
sich an Neugründungen beteiligen. Natürlich sollte man vor allem aber
den Unternehmungen Möglichkeiten einer Kapitalbildung durch steuer-
liche Erleichterungen gewähren. Auf das liefen nämlich letzten Endes
die Vorschläge Taus' hinaus. Zu meinem Glück sagte er, er möchte, daß
diese Probleme im Verstaatlichten-Ausschuß des Parlaments diskutiert
werden. Ich hatte oder sah, besser gesagt, daher die Möglichkeit auf
diese Vorschläge nicht einzugehen, sondern beschränkte mich wirklich
auch dann in meiner Wortmeldung, bevor sich Taus dann noch einmal zum
Schluß meldete, auf die Punkte, die den Integrationsbericht betrafen.



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Vorher gab es natürlich noch eine umfangreiche Diskussion zwischen
den steirischen Betriebsräten, ÖVP, Burger, SPÖ, Rechberger und Fauland,
über die weitere Vorgangsweise resp. über das bisherige Verhalten der
Parteien in der Steiermark. LH Krainer hatte nämlich kurzfristig den
wirtschaftspolitischen Beirat der Landesregierung in die Obersteier-
mark eingeladen. Zum selben Zeitpunkt war nämlich schon vor längerer
Zeit eine sozialistische Gewerkschaftsfraktion der Metallarbeiter
mit den Betriebsräten nach Graz eingeladen worden. Die Termine wurden
nicht abgestimmt. Die Sozialisten fürchteten, daß Krainer die große
Stahlenquete von Kreisky in Leoben unterlaufen will und blieben dieser
vom Landeshauptmann eingeladenen Sitzung fern. Am härtesten wurde
aber dann gestritten, ob die Regierung genug getan hat, warum die
B 17, also die Mur-Mürz-Furche, so schlechte Straßenverhältnisse hat
und wer mehr für die Stahlarbeiter übrig hat.

Die Diskussion war sehr hart, sehr lang und sicherlich nicht sehr
ergiebig. Das Argument, die ÖVP hätte während ihrer Alleinregierungs-
zeit alles machen können, zieht jetzt beim besten Willen nicht mehr,
weil die ÖVP mit Recht kontert, die Sozialisten hätten ja jetzt schon
10 Jahre Zeit gehabt und hätten eben alles machen sollen. Dies gilt
ganz besonders für den jetzt erst in Angriff zu nehmenden Straßenaus-
bau. Die ÖVP verwies darauf, daß es sich ja hier um eine Bundesstraße
handelt. Wenn daher in der Vergangenheit, was auch stimmt, die Lan-
desstellen vorgeschlagen haben, man sollte die Bundesstraßen in den
bäuerlichen Gebieten vorerst ausbauen, so hätte die sozialistische
Landtagsfraktion und vor allem aber der für die Bundesstraßen zustän-
dige Bautenminister, in der Vergangenheit sogar der Steirer Moser, dies
entsprechend anders machen müssen.

Überraschenderweise wurde ich gar nicht mehr angegriffen, daß ich
zu wenig nach Brüssel fahr, mein einziger Besuch in diesem Jahr war
mit Gen.Sekr. Kehrer und Präs. Lehner wegen des Griechenland-Vertrages
hat scheinbar genügt.

Der freiheitliche Abgeordnete Grabher-Meyer hatte dem Außenminister
und vor allem den Bundeskanzler angegriffen, daß diese sich zu wenig
für die Integration einsetzen. Ich konnte darauf verweisen, daß Kreisky
bei jeder Gelegenheit über die Integration mit den zuständigen Mini-
stern, die ihn entweder besuchen kommen, oder die er bei einer ande-
ren Gelegenheit treffen, spricht. Als typisches Beispiel verwies ich


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darauf, daß er den Staatsbesuch in Brüssel sofort dazu benützte, um
mit EG-Kommissaren zusammenzukommen. Ich hatte nämlich damals beson-
ders darauf gedrängt, er sollte unter allen Umständen, selbst wenn er
nur einen Kommissar eine halbe Stunde trifft, dies als offiziellen
Besuch bei der EG ausgehen. Jetzt kam mir dies für die Argumentation
zugute. Der Außenminister wieder hat sogar eine Botschafterkonferenz
eingeralden, diese kostete zwar viel Geld und hat natürlich nichts
gebracht. Überhaupt verstehe ich das Verhalten der Oppositionspartei
in dieser Frage nicht. Ich würde doch niemals darauf drängen, daß die
Minister oder gar der Bundeskanzler recht viel rumreisen, ich würde
eher kritisieren, daß sie zu viel rumreisen und zu viel Geld ausgeben,
dadurch ohne entsprechende Erfolge erzielen zu können. Im Zuge der
Integrationsentwicklung ist nämlich jetzt ein deutlich sichtbarer
Stillstand zwischen EFTA-Staaten und EG eingetreten. Solange die EG
ihre internen Schwierigkeiten hat, wird sie sicherlich nicht bereit
sein, österreichische Wünsche insbesondere auf dem Agrarsektor zu er-
füllen. Darüber muß sich doch jedermann klar sein.

Die aufgeworfenen Detailfragen wie die Belastung der Papierindustrie
durch Einführung des Ausgangszoll jetzt im Oktober auf eine Position,
obwohl 5 Positionen überschritten sind, im vergangenen Jahr sogar
bis 500 % überschritten wurde, die Stahlverhandlungen, die EG-Verhand-
lungen über den Griechenland-EG-Beitritt und damit österreichischen
Vertrag habe ich dann weitestgehend im Detail beantwortet. Vielleicht
bin ich jetzt schon mit bald 20 Jahren zu lange Abgeordneter. Dadurch
erscheint mir das ganze schon sehr als Routine. Ich glaube auch immer
mehr feststellen zu können, daß die Diskussion im Parlament scheinbar
immer für ganz wenige nur mehr von Interesse ist, die mit dieser Ma-
terie sich beschäftigen oder als Redner eingesetzt sind. Alle ande-
ren interessieren sich überhaupt nicht mehr. Dies war sicherlich auch
früher der Fall, aber vielleicht nicht in so krassem Ausmaß. Alle Dis-
kussionen verlaufen daher verhältnismäßig mit ganz geringer Beteili-
gung. Diese Entwicklung ist bestimmt für das Parlament und den ganzen
Parlamentarismus, ja sogar für unsere Demokratie sicherlich nicht gut.
Die Öffentlichkeit hat dafür auch bestimmt kein Verständnis. Früher,
als es kein Fernsehen gab, als die Zeitungen sogar noch anders berich-
teten, war man auf diese Entwicklung nicht so besonders aufmerksam ge-
macht worden. Jetzt, davon bin ich überzeugt, wird sich diese Entwick-
lung, gegen alle Parteien richtend, auf die Bevölkerung auswirken.



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Die Fraktion der sozialistischen Direktoren in der ÖIAG hatte mich
zu einem Vortrag über Probleme des österreichischen Außenhandels ein-
geladen. Zur selben Zeit stand die Abstimmung über die Novelle zum
Zivildienstgesetz im Parlament an. Ich ersuchte deshalb Dr. Haffner
für mich diesen Vortrag zu halten. Als ich dann ins Parlament kam,
standen noch 5 Redner an. Ich bin daher sofort wieder zurückgefahren
und habe Haffner, der darüber sehr glücklich war, von dieser Arbeit
befreit. Der Besuch war, wie der Vorsitzende der Fraktion Dr. Gatscha
sagte, verhältnismäßig sehr schlecht, allerdings mußten wir pünktlich
beginnen und nachher sind noch etliche gekommen. Überraschend für
mich war nur, daß es sich ja nicht um die ÖIAG-Angestellten handelte,
sondern größtenteils um Direktoren aus den ÖIAG-Konzernbetrieben. Ich
hatte deshalb sofort nach einer allgemeinen Situationsschilderung des
österreichischen Außenhandels mit Detailinformationen begonnen. Die
Diskussion, soweit sie noch bis zur Abstimmung möglich war, hat sich
dann auch auf Detailfragen beschränkt. Die wichtigste, wie mir versi-
chert wurd, Frage ist die Problematik der öffentlichen Ausschreibung.
Wenn der Vorschlag des ehemaligen Oberstaatsanwaltes Pallin durchgeht,
dann befürchten die Manager, wird es zu einem vollkommenen Erliegen der
Aktivitäten in den Betrieben kommen. Ich kenne die Vorschläge nicht
im einzelnen, hab nur darauf verwiesen im Außenhandel, das jetzige
System kauf wird geändert werden können. Was immer in Österreich ge-
schieht, wird es im Ausland Anbahnungsspesen oder, wenn man so will,
Provisionen, das heißt Bestechungen, geben. Für das Auslandsgeschäft
werde ich auch jedermann decken, der so etwas machen muß, wenn er
natürlich vorher seine Organe entsprechend informiert hat und das nicht
für seine Tasche macht. Anders ist dies für das Inlandsgeschäft und
Inlandsaufträge. Hier muß man gegen die eingerissenen Sitten, wie sie
jetzt beim AKH sich herausstellen, eine Änderung herbeiführen. Dieser
Sumpf und, wie Kirchschläger gesagt hat, auch die sauren Wiesen daneben
müssen so schnell als möglich trocken gelegt werden.

Ein zweites und sehr wichtiges Problem waren die Kompensationswünsche
der Staatshandelsländer, im Besonderen der Oststaaten. Hier wird immer
mehr eine Überkompensation, d.h. nicht nur die Anlagen, sondern auch
die Verzinsung dieser Anlagen sollen in Produkten bezahlt werden, die
aus diesen Anlagen produziert werden. Ähnlich wie bei den Zinsgewäh-
rungen, wo insbesondere die Franzosen durch Mischzinsbildung mit Ent-
wicklungshilfe Unterstützung, langfristige Kredite von 20 Jahren mit
3 % Verzinsung, gehen, wurde auch durch andere Staaten diese Überkompen-


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sation akzeptiert. Jetzt müssen wir uns auch damit beschäftigen, ja
sogar abfinden. Krass ausgedrückt wird dadurch mehr oder minder der
Entwicklungsstand des Austausches von Waren, wie es zur Zeit des Waren-
verkehrsbüros, Dir. Schopf, seinerzeit gehandhabt wurde. Unmittelbar
nach dem zweiten Weltkrieg wurden die ersten Außenhandelskontakte
und Geschäfte ja Tausch Ware gegen Ware abgewickelt. Jetzt ist es ein
bißchen komplizierter, aber im Prinzip dann genau dasselbe. Die geldmä-
ßige Verrechnung tritt immer mehr in den Hintergrund.

Da in dieser Fraktion der ÖIAG eben ziemlich hohe leitende Direktoren
der verstaatlichten Betriebe zusammengefaßt sind, konnte ich doch fest-
stellen, daß diese durch die AKH-Entwicklung und durch die Rückwir-
kungen, die sich auf alle Betriebe ergeben können, sehr verunsichert
sind. Dazu kommt noch, daß man in der Diskussion im Parlament auch von
seiten der ÖVP herausgestrichen hat, daß Kreisky jetzt in der ver-
staatlichten Edelstahlindustrie eine Managerverantwortung in aller
Öffentlichkeit feststellt. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn
Kreisky nicht gleichzeitig eben erklärt hat, die ÖVP-Manager sind die
schlechten, die SPÖ- die guten Fachleute und Vorstandsdirektoren. Diese
ganze Diskussion wird, und davon bin ich wieder überzeugt, der verstaat-
lichten Industrie sicherlich nicht gut tun.

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Tagesprogramm, 23.10.1980

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Hong Kong Trade Development Council


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Bautenminister


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Präs. LWK


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: FPÖ-NR-Abg.


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


          Einträge mit Erwähnung:


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Gen.Sekr.


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: MR HM


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Vertr. Hong Kong Trade Development Council


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Präs. OGH 1972-79


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                      GND ID: 118723189


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Dir. Warenverkehrsbüro


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


                          Einträge mit Erwähnung:


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Bundeskanzler
                              GND ID: 118566512


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., Präs. HK Bgld.


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    GND ID: 118756265


                                    Einträge mit Erwähnung: