Mittwoch, 22. Oktober 1980
Im Klub berichtete Klubobmann Fischer, daß Tull jetzt aus der Partei
ausgetreten ist und als wilder Abgeordneter weiter bleibt. Dadurch
ist es notwendig, seine Posten zu besetzen. Obmann des Finanzausschus-
ses wird Mühlbacher, Präsident des Freien Wirtschaftsverbandes. Gleich-
zeitig kommt Teschl in den Finanzausschuß, der auch der Steuerkommission
des Gewerkschaftsbundes angehört. Anstelle des Sozialministers Dallin-
ger wird Braun ebenfalls in den Finanzausschuß delegiert.
Die Abgeordnete Dr. Seda ist zur Verabschiedung noch einmal in den Klub
gekommen. Durch ihr Ausscheiden können die Kärntner den AK-Direktor
Kottek in den Nationalrat entsenden.
Lanc berichtet über die Zivildienernovelle, Dallinger wird aufgefor-
dert über die Rentenerhöhung zu referieren. In der Tagesordnung
stehen auch zwei erste Lesungen, das eine Schulgesetznovelle von der
SPÖ eingebracht und von der ÖVP eben der Pensionserhöhungsantrag.
Dallinger berichtet, daß die 5,1 % einstimmig vom Rentenbeirat be-
schlossen wurden, 4 1/2 Mrd. S dem Bund kosten werden. Darüber hinaus
hat aber die sozialistische Seite, vorbereitet durch den verstorbenen
Sozialminister Weißenberg und vor allem budgetmäßig abgedeckt und
mit Finanzminister Androsch besprochen, die Ausgleichszulagenempfän-
ger um 6 % erhöht. Der Antrag Schwimmers würde nur noch 49 S mehr dem
Ausgleichszulagenempfänger bringen, für Verheiratete sogar 6,4 %, wo
der Schwimmer-Antrag 51 S mehr bringen würde. Bei den kleinen Einkommen
ist dies aber natürlich schon eine noch zusätzliche wesentliche per-
zentuelle Erhöhung. Die von den Sozialisten vorgeschlagenen Erhöhun-
gen machen immerhin 142 Mio S Mehrbelastung für den Finanzminister
aus. In der Diskussion dann im Haus hat der sozialpolitische Sprecher
Schranz darauf verwiesen, daß die ÖVP nicht nur während ihrer 4-jähri-
gen Alleinregierungszeit wesentlich geringere Erhöhungen gemacht hat,
daß die Sozialisten seit 1970 jedes Jahr fast mehr, manchmal sogar
2 mal im Jahr höhere Pensionserhöhungen gerade für die Ausgleichszu-
lagenempfänger beschlossen haben. Dallinger hat dann von der Regie-
rungsbank, wie er sagt, zum ersten Mal zuerst seines Vorgängers Weißen-
berg gedacht und dann der ÖVP-Seite eine Zusammenarbeit angeboten.
Dies gilt insbesondere für die Partnerschaftspension und insbesondere
auch für die verstärkte Mitbestimmung, die ja Dallinger unbedingt
durchziehen möchte. Diese Vorgangsweise war sehr geschickt, obwohl ich
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felsenfest davon überzeugt bin, daß es hier zu keiner Zusammenarbeit
kommen wird. Die ÖVP wird selbstverständlich weiter lizitieren. Ich
bin sehr gespannt, wie sich der ÖAAB nur bei der Mitbestimmungsfrage
verhalten wird. Kreisky berichtet dann noch im Klub über die Leobner
Tagung und über die wirtschaftspolitische Situation. Auch hier kam
er auf die Wünsche des GD Treichl von der CA zu sprechen, daß für
Niklasdorf jetzt der Staat für die Frühpensionierung der dort zu Ent-
lassenden aufkommen müßte und daß er dies ganz entschieden abgelehnt
hat. Die privaten Unternehmen müssen eben in einem Sozialplan, wenn
sie Leute in die Frühpension schicken wollen, sowie die ÖIAG für die
Edelstahlleute selbst aufkommen.
Mit Präs. Czettel von der AK und Vizepräs. Braun besprach ich das
Ausscheiden des Zentralsekretärs Blümel aus der Vorstandsfunktion und
gleichzeitig dann auch aus der AK. Beide bedauerten dies sehr, haben
aber eingesehen, daß nachdem es der ausschließliche Wunsch von Blümel
selbst ist, das Vorstandsmandat selbstverständlich dem Getränkesekretär
Macho zugesichert wird.
Der Abg. Grabher-Meyer von den Freiheitlichen hatte mir Anfang des Mo-
nats einen Brief geschickt wegen einer Meisterprüfungsnachsicht für ei-
nen Fotografen in Vorarlberg. Dieser hatte bei der Buchhaltung versagt,
ist jetzt schon ein so großer Betrieb, daß er sich sogar einen Steuer-
berater unbedingt halten muß, war, wie der Abgeordnete mir sagte, vor-
her ein ÖVP-Mann und fotografiert jetzt für die Freiheitlichen und
ist auch ihr Funktionär. Deshalb wird er vom Land sehr benachteiligt.
Die HK hat der Nachsicht zugestimmt, das Land lehnt ab. Unsere Akten-
lage ergibt aber, daß vorerst das Land noch zu weiteren Erhebungen he-
rangezogen werden muß. Durch Zufall habe ich den Antwortbrief zur
Unterschrift bekommen und ihn dann persönlich gleich überbracht. Die
FPÖ-Fraktion war sehr überrascht über die schnelle Erledigung.
ANMERKUNG FÜR JAGODA: Bitte mir über den weiteren Vorgang immer be-
richten.
Der zweite Präsident des Nationalrates Minkowitsch intervenierte für
ein Staatswappen Guido Bach, Großfeldsiedlung in Wien, Metallarbeiterbetrieb , der Eisengitter erzeugt und als Kleinstbetrieb sogar expor-
tiert. Um ein spanisches Geschäft zu bekommen, hat Bach sogar in 3 Mo-
naten Spanisch gelernt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Wie steht der Fall?
Die Budgetrede des Finanzministers war darauf aufgebaut, und er hat
einleitend dies auch gleich gesagt, die 25 Mrd. S Defizitgrenze zu
halten. Geschickt spricht er jetzt immer nur von einem Nettodefizit
von 25 Mrd. Daß die Massenmedien dann von 50 Mrd. S Bruttodefizit be-
richteten, war für mich selbstverständlich, hat aber etliche soziali-
stische Abgeordnete sehr aufgeregt. An die Spitze stellte er daher den
Dank, da diese 25 Mrd. S eingehalten werden konnten, an den Steuerzah-
ler, der die Mittel aufbringt, aber auch an die Regierungskollegen, die
so viel Verständnis für diese neue restriktive Budgetpolitik haben.
Außer seiner 5 1/4-stündigen Rede hat er dann noch eine zweite ergänzen-
de beigelegt, wo viele Details noch dargelegt wurden und vor allem
ein umfangreiches statistisches Material aufwendig auf Karton gedruckt,
alles sehr beeindruckend.
Der gabunische Industrieminister hat im Hotel Hilton ein Mittagessen
gehabt, das allerdings, wie ich dann feststellen konnte, von der UNIDO
bezahlt wurde. Die UNIDO hatte auch den Generalsekretär, seinen Stell-
vertreter und noch andere Mitarbeiter delegiert. Ich war sozusagen
nur der Aufputz, neben mir war nur noch der VÖEST-Vertreter Graf
Pallfy . Dieser berichtete mir, daß er mit den Gabunern Projekte abge-
sprochen hatte und vor allem aber über den Wunsch der Gabuner durch
know how-Verträge und ev. Kooperation nicht nur die Anlagen zu lie-
fern, sondern auch den Betrieb dort sicherzustellen. Den Gabunern
schwebt Ähnliches vor wie die gemeinsame Fabrik in Kamerun, wo mehrere
europäische Länder beteiligt sind. Konkret wurden keinerlei Geschäfte
aber abgeschlossen.
In der Paritätischen Kommission mußte ich den Vorsitz führen und die
Tagesordnung wurde schnell und normal abgewickelt. Zum Schluß berich-
tete ich noch über die Einstellung des amtlichen Preisverfahrens für
Kaffee, da sich ja die Sozialpartner geeinigt hatten. Überraschend
war dann noch, daß Landwirtschaftsminister Haiden mitteilte, daß eine
Einigung in der Vieh- und Fleischkommission nicht erzielt werden konnte
und diese eigentlich derzeit nicht arbeitsfähig ist. In der Vergangen-
heit wurden durch die Vieh- und Fleischkommission Anträge für Importe
meistens sehr spät freigegeben, um den inländischen Bauern zu stützen
und höhere Preise dadurch zu erreichen. Jetzt aber ist es überhaupt
nicht mehr möglich einen Kompromiß zu erzielen. Zum Import stehen
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stehen 5000 t Verarbeitungsfleisch an, gleichzeitig wollen die Bauern
Export für Lebendrinder und Rindfleisch und für 500 t ägyptische
Hilfslieferung konnte ebenfalls keine Einigung erzielt werden. Man
erwartet, daß der Landwirtschaftsminister eine Weisung gibt. Dies geht
aber aufgrund des Gesetzes nicht, denn Weisungen können nur erfolgen,
wenn entweder gesetzwidrige Maßnahmen gesetzt wurden oder die Versor-
gung gefährdet ist. Bei dem Überschuß, der aber an hochwertigen Rin-
dern bei uns in Österreich besteht, die allerdings zur Verarbeitung
nicht kommen sollten, weil sie zu teuer sind, besteht auf alle Fälle
keine Versorgungsgefährdung. Wenn 5000 t Verarbeitungsfleisch herein-
kommen, können ja die Lebendvieh- und Rindfleischexporte sofort geneh-
migt werden. GS Hofstetter appellierte an die in der Viehkommission
sitzenden Interessensvertreter, die übrigens genau die selben sind,
die auch ja die Paritätische Kommission beschicken. Präs. Bierbaum
meinte, es sollten schnell Gespräche geführt werden, denn die Märkte
laufen, wie er sich ausgedrückt hat. Mit anderen Worten, die Exporte
sind für Lebendvieh dringend notwendig. Gleichzeitig muß halt aber
auch die Landwirtschaft den Verarbeitungsimporten zustimmen. Dkfm.
Blaha von der AK stellte mit Recht fest, hier handelt es sich nicht
um Differenzen zwischen Konsumenten und Bauern, sondern primär zwi-
schen Verarbeitungsbetrieben und Bauern.
Interessant war dann noch eine Diskussion über die zukünftige Schwei-
nesituation. Präs. Bierbaum hat festgestellt, die Schweinemisere
sei beendet. Die Bauern wünschen aber, daß die Abschöpfung, die von
den Schweinen in dem nächsten Jahr zu erwarten ist, für die Schweine-
exporte reserviert werden soll. Sie wünschen also, wenn man so sagen
kann, ein Schachtelsystem, Abschöpfung von Schweinen für Exporte von
Schweinen reservieren. Dagegen hat sich Haiden mit Recht ausgesprochen,
denn er stellte fest, daß in diesem Fall die Hühnerabschöpfung dann
für die Hühnerproduktion verwendet werden müßte, was niemand wünscht
und schon gar nicht anstrebt. Selbsttragende Systeme können niemals
für einzelne Produkte sein, anzustreben wäre allerdings für die ge-
samten Fleischexporte ein selbsttragendes System, das heißt, es
müßten noch höhere Importabschöpfungen erfolgen. Dies würde aber zu
so großer Belastung der Konsumenten führen, daß dies auch wieder nicht
möglich ist. Haiden hat es wirklich mit den Landwirtschaftsvertretern
sehr schwer.
In der Energiesektion am Schwarzenbergplatz hat der Energielenkungs-
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beirat, der alle Jahre einberufen wurde und aber jetzt 2 Jahre schon
nicht mehr tagte, sich über den Probelauf der IEA unterhalten.
Schandel hat sehr beeindruckend referiert, wie dieser Probelauf jetzt
durchgeführt wird und wie Österreich dabei mitwirkt. Zur Einsparung
wurde vorgeschlagen, zwei freie Tage, angebliche Ersparnis 4,2 % pro
Tag und weitere Geschwindigkeitsbeschränkungen, Einsparung 3 %, insge-
samt also mehr als die von der IEA geforderten 10 % Einsparung. Das
Ganze ist aber wirklich eine rein theoretische Arbeit, die nur dazu
dient, um zu sehen, ob überhaupt die Kommunikation funktioniert und
die theoretischen Rechnungen dann auch wenigstens eben in der Theorie
durchgerechnet werden. In der Praxis, erklärte ich gleich freimütig,
wollte ich dies nicht gerade erleben. Darüber hinaus aber habe ich
angekündigt, daß ich die Industrie- und Energiesektion ersucht habe,
man möge dann durchexerzieren, wie die österreichische Durchführung
dieses IEA-Beschlusses funktionieren könnte. Die Länder habe ich gleich-
zeitig aufgefordert, daran mitzuwirken. Wenn es nämlich wirklich zu
einer Bewirtschaftung von Benzin kommen sollte, wird ja die Durchfüh-
rung ausschließlich bei den Ländern liegen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte beachte, daß dies dann auch tatsächlich
bei der Länderbesprechung erfolgt.
Die Fachverbandsvorsitzenden, der Obmann KR Elias und sein Stellver-
treter Liegle, 83 Jahre schon alt, sind jetzt endgültig ausgeschieden.
Dazu hat der Fachverband einen Heurigenabend gegeben. Da ich mit
Elias durch 10 Jahre die Damenmodewoche gemeinsam eröffnet habe und
gerade diese Damenmodewoche aber jetzt, seitdem sie die Wiener Messe
organisiert, einen furchtbaren Niederbruch erlitten hat, beabsichtigte
ich diesen Heurigen zu besuchen und über dieses Problem mit den Unter-
nehmervertretern zu sprechen. Sie bestätigten mir, was Staatssekretär
Albrecht, die ja heuer die sogenannte internationale Modewoche er-
öffnet hat, auch feststellte, es war eine Katastrophe. Niemand konnte
mir allerdings sagen, wie man dies ändern kann, eher wurde empfohlen
diese ganze Messeveranstaltung einzustellen. Da meine Frau in der
Kriegszeit 5 Jahre bei der Firma Liegle dienstverpflichtet war, bezeich-
net sie der ausscheidende KR als seine älteste Mitarbeiterin. Manchmal
habe ich das Gefühl, daß Liegle, insbesondere auch sein Sohn, nicht nur,
weil ich Minister bin, sondern weil damals diese Uniformfabrik ja
sehr auf Erzeugung sozusagen Auftragserfüllung ausgerichtet war, jetzt
umso mehr zeigen wollen, wie sehr sie sozial eingestellt sind. U.a.
hat Liegle von seinem Sohn als Geburtstagsgeschenk alle Kollektivverträ-
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ge, die er in der zweiten Republik abgeschlossen hat, in einem Buch
gebunden bekommen. Die soziale Seite wird jetzt sehr stark herausge-
strichen, meine Frau als Schneidermeisterin besonders gewürdigt.
Da ich vorher durch eine falsche Information in einem anderen Raum
zum Präsidentenempfang der HK-Delegierten aus Ostasien geraten bin, wo
ich auch viele Beamte des Handelsministeriums, aber auch vom Außenamt
und Finanzministerium getroffen habe, hatte ich dann den Präsident
Sallinger ebenfalls zu der Fachverbandsfeier rübergenommen. Dieser
erklärte nach meiner Ansprache dann, daß es ihn sehr freut, daß dieser
Fachverband jetzt diese schöne Abschiedsfeier gemacht hat, wo er durch
Zufall reingekommen ist, um, wie er sich ausdrückte, meine Frau zu be-
grüßen. Sallinger erwähnt immer wieder, er bedauert zutiefst, daß
meine Frau als Schneidermeisterin nicht arbeitet. Er ist sehr stolz,
daß sie eine Meisterin ist, die übrigens auch tatsächlich ja, wenn auch
nur sehr kurze Zeit, einen Betrieb führt . Betrieb kann man dies aber
wirklich nur im Sinne der Gewerbeordnung nennen, denn sie war ein
Einmannbetrieb mit einem Lehrmädchen.
Tagesprogramm, 22.10.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)