Mittwoch, der 15. Oktober 1980

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Mittwoch, 15. Oktober 1980

In der ÖGB-Bundesvorstandssitzung berichtete Benya über die Wirtschafts-
lage und erörterte die Entschließung. Dallinger referierte dann über
die Steuerkommission. Die Idee, alle Privilegien abzubauen, um damit
den Steuersatz drastisch senken zu können, wurde von ihm zwar erwähnt,
gleichzeitig aber stellte er fest, daß niemand ernstlich sich diesen
Weg zu gehen getraut. Der fast steuerfreie 13., 14. Gehalt, Die Schmutz-,
Gefahren- und Erschwerniszulagen-Steuerfreiheit und noch etliche ande-
ren würden letzten Endes dazu führen, daß bei den Detailverhandlungen
der Widerstand der davon Betroffenen so groß wäre, daß keine einzelne
Gewerkschaft oder Verhandlungskomitee dem zustimmen würde. Dallinger
erwähnte auch das 12 Mrd. Investitionssteuerersparnisprogramm der Un-
ternehmer und vor allem das Strukturänderungsgesetz, welches teils
investitionsfördernd ist, teils aber durch den Verlustkauf von in ro-
ten Ziffern befindlichen Firmen zur Steuerersparnis der aufkaufenden
Firma man ebenfalls genau untersuchen wird. Dasselbe gilt für die
2–8 Mrd. S Mehrwertsteuerverlust durch Nichtrechnungslegung. Die
Wohnbauförderung und Sparförderung, aber vor allem auch die Quellen-
steuer sollten ebenfalls untersucht werden. Die Arbeit wäre so zu er-
stellen, daß spätestens bis Februar 81 ein Konzept im Bundesvorstand
von der Steuerkommission vorgelegt werden kann. Die Verhandlungen
wären so zu führen, das sie budgetwirksam 1982 beschlossen werden
könnten.

Der Vertreter der christlichen Gewerkschafter, Gasser, bemerkte zu
diesem Steuerkonzept, daß 1981 schon für die Mindesteinkommen eine
gewisse Steuersenkung vorgesehen ist und daß man vielleicht noch ein
paar Schritte dazu machen sollte. Bezüglich der Zielvorstellung, näm-
lich einfachere Steuern, übersichtlichere Verrechnung, insbes. das
Nettoeinkommen zu sichern, sei man sich ja einig. Über die Details wird
man reden müssen. Jetzt geht es primär um die Existenzsicherung, wes-
halb die sozialpolitischen Forderungen nicht erwähnt werden und er
stimmt daher dieser Entschließung zu. Die besonderen regionalen und
Branchenschwierigkeiten gilt es jetzt zu beseitigen. Die VEW befinden
sich seiner Meinung nach nicht zuletzt auch durch die Hartwährungspo-
litik in diesen Schwierigkeiten. In Zukunft wird man auch eine Dis-
kussion über die Schicht- und Schwerstarbeiter und insbes. Arbeitszeit-
verkürzung führen müssen. Er könnte sich auch diese in Form von ge-
staffelten Urlaubsverlängerungen vorstellen. Die Mindestpensionen wer-


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den heuer ja über den Richtsatz erhöht werden, die Partnerschaftspen-
sion gilt es zu verhandeln. Überrascht war ich, daß letzten Endes die
christlichen Gewerkschafter doch der Entschließung zugestimmt haben,
wo positiv zum Volksbegehren über die Atomnutzung zur Unterschrift
aufgefordert wird. Sie verlangten nur in einer Klammer, daß u.a. die
Atommüllagerung, die Alarmpläne und die Emissionsmessung als Voraus-
setzung in die Entschließung aufgenommen werden. Die einzigen, die sich
gegen die Entschließung aussprachen, waren die Kommunisten resp. die
Linken.

Der britische Handelsminister Nott ist von Griechenland kommend einen
Tag in Wien geblieben. Er war das erste Mal in der Bundeshauptstadt
und war daher außer an einer Aussprache mit mir natürlich an einer
Stadtbesichtigung sehr interessiert. Die Aussprache war sehr freund-
schaftlich und sehr offen. Die britische Wirtschaft befindet sich in
einer sehr kritischen Phase. Die Arbeitslosigkeit steigt ständig, die
Wirtschaftspolitik Premier Thatchers führt dazu, als einzig positives
Ergebnis ist ein Rückgehen der Inflationsrate von 20 % auf ca. 12 % im
nächsten Jahr zu erwarten. Die Stahlproduktion wird von 35 Mio. auf
13 Mio. t zurückgehen. Die Kleider-, Schuh- und Papierindustrie wird
ebenfalls hart getroffen, u.a. werden 5 bis 10 große Papierfabriken
schließen. Aus diesem Grund hat es Nott sehr schwer, die österreichi-
schen Wünsche auf Erhöhung des Papierexportkontingentes des sogenann-
ten Plafonds, wodurch die Zollermäßigung auf größere Mengen Papier
angewendet werden könnte, zuzustimmen. In den letzten Jahren wurden
niemals die vereinbarten 5 % Kontingenterhöhung, sondern entweder gar
nichts oder 1–3 % diese Quote erhöht. Auch für das kommende Jahr hat
Nott mir auf meine Intervention erklärt, ist es nicht möglich 5 %
zu machen, sondern es werden nur geringe Erhöhungen stattfinden können.
Wir schlugen den Engländern deshalb vor, es wäre zweckmäßig, die jetzt
9 Einzelkontingente z.B. auf 3 zusammenzuziehen. Dadurch könnten wir
nicht ausgenützte Kontingente leichter mit anderen amalgamieren, zu grö-
ßeren Exportmöglichkeiten kommen. Da die Engländer uns ja helfen wollen,
aber ein gefährliches Präjudiz dann für die wesentlich größeren schwe-
dischen Papierexporte befürchten, wo sie ebenfalls sofort entsprechend
perzentuelle Erhöhungen zugestehen müßten, könnte, mit Hilfe dieses
Amalgamvorschlages getarnt, Österreich eine gewisse Bevorzugung einge-
räumt werden. Da in der Aussprache Nott auf diesen Vorschlag im ein-
zelnen nicht einging, habe ich beim Mittagessen von dem Britsh Trade
Council ihn nachher neuerdings auf diesen Vorschlag aufmerksam gemacht.



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Er versprach, dies zu prüfen und sieht darin vielleicht eine gewisse
Möglichkeit. Da ich neben dem neuen britischen Botschafter zu sitzen
kam, habe ich diesen auch ganz besonders auf diese Möglichkeit hinge-
wiesen. Alles andere, sowohl bei der Sitzung als auch dann bei den
Tischreden, waren nur Erklärungen, daß der freie Handel aufrecht blei-
ben sollte. Nott hat insbesondere bei seiner Tischrede auf die libe-
rale Politik hingewiesen, die freie Marktwirtschaft sei seiner Meinung
nach der einzig richtige Weg, den England jetzt begeht. Da ich ja ge-
nau mein schlechtes Englisch kenne, vor allem, daß ich sicherlich un-
unterbrochen die größten grammatikalischen Fehler mache und wahrschein-
lich auch x falsche Worte verwende, freut es mich aber umso mehr, wenn
ich bei einer freien Ansprache dann ein bißchen Wiener Schmäh oder
Charme unterbringen kann und die Gesellschaft sogar darüber lacht. Ich
kann mir gut vorstellen, wie dies in Englisch sich furchtbar lustig an
hören muß.

Der British Trade Council ist ein privater Verein, bekommt keinerlei
Subvention. Jede Firma zahlt 500 S Mitgliedsbeitrag im Jahr. Er tritt
auch sehr wenig in Erscheinung, der Präsident selbst erzählte mir,
daß sie ab und zu mit ihren Frauen Heurigenabende veranstalten und
eben dann bei so festlichen Veranstaltungen wie Besuch des Herzogs von
Kent oder jetzt des britischen Handelsministers sich sehr freuen, daß
sie damit in Erscheinung treten können. Über meine Teilnahme waren sie
wirklich positiv überrascht und zufrieden.

ANMERKUNG FÜR BUCHAUER UND HAFFNER: Haltet mit dieser Organisation
ein wenig Kontakt.

Die Betriebsräte von Shell Austria wollen Detailinformationen über
die Rohölkäufe ihrer Firma. Satzinger wird sich bemühen, ob es aller-
dings möglich sein wird, solche zu beschaffen ist mehr als fraglich.

Vom DDR-Rundfunk wurde Dr. Gedlich, ein Wirtschaftsredakteur, beauftragt
eine halbstündige Reportage vor dem Honecker-Besuch zu machen. Zum
erstenmal in meinem Leben ist ein Redakteur gekommen, der mir sogar
ein kleines Präsent mitgebracht hat, für das ich mich selbstverständ-
lich dann revanchierte. Zum erstenmal in seinem Leben sagte er, hat
er einen Minister getroffen, der gar nicht wissen wollte, was er ge-
fragt wird, sondern sofort erklärte, stellen sie die Fragen. Es ergab


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dann auch eine sehr interessante Diskussion über die wirtschaftliche
Zusammenarbeit. Gedlich selbst braucht auch seine vorbereiteten
schriftlichen Fragen nicht runterzulesen. Ich glaube, das war wirklich
von ihm das erste freie Interview, das er mit einem Minister je führte.
Bei der anschließenden Teepause erzählte er mir, wie alles in Österreich
anders auch in seinen Augen, wesentlich schöner, legerer, gemütlicher
ist als in dem so strengen harten Berlin.

Dir. Gerharter vom Konsum hat wegen der Zuckerrübenlieferung an Jugo-
slawien die Verhandlungen so gut vorbereitet, daß jetzt die österreichi-
sche Zuckerindustrie ein konkretes Anbot den Jugoslawen machen wird.
Die Jugoslawen möchten aber überhaupt wegen verstärkten Warenaustau-
sches nach Österreich kommen. Geleitet würde diese Delegation von
Snuderl werden. Ich habe mit Gerharter vereinbart, daß er den Jugos-
lawen vorschlagen soll, Snuderl möge zum Wochenende kommen, damit wir
nicht nur eine Aussprache machen, sondern ich dann die ihm langverspro-
chene Wochenendbesichtigung von Wien und Umgebung bieten kann.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mit Gerharter Entsprechendes vorbereiten.

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Tagesordnung, 15.10.1980

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: ZS GPA, ab 1980 Sozialminister


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    Tätigkeit: MR HM


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      Tätigkeit: Konsum


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        Tätigkeit: Büro des Bundesministers


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            Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
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              Tätigkeit: Dir. VÖEST; evtl. Falschidentifikation


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                Tätigkeit: Wirtschaftsredakteur DDR-Rundfunk


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                      Tätigkeit: 1. Sekr. d. ZK d. DDR


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                        Tätigkeit: brit. HM


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