Dienstag, 14. Oktober 1980
Der ehemalige Generalsekretär des ÖAMTC, Dipl.Ing. Coreth, hat bereits
in der ersten Republik und dann in der Kriegszeit insbesondere die
Ersatztreibstoffverteilung und Aufbringung gehabt. Er will seine Er-
fahrungen zur Verfügung stellen. Satzinger hat es übernommen mit ihm
Details zu besprechen und dann die Energie- resp. die Industriesektion
sofort zu verständigen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Die Unterlagen schicke am besten gleich an
Marsch und Peyerl.
Staatssekretär Albrecht teilt mir mit, daß MR Fälbl, bevor er nach
Prag gefahren ist, ihr mitteilte, daß die Kohlenlieferungen aus Polen
fraglich sind. Eine Rücksprache bei Rosenstrauch, Polkarbon, ergibt,
daß tatsächlich Lieferschwierigkeiten bestehen könnten. Er wird nach
Kattowitz fahren und ersucht um einen Begleitbrief. In diesem soll ich
ihm mitteilen, daß zwischen Außenhandelsminister Karski und dem jetzt
abgesetzten Kohleminister Lejczak und mir vereinbart wurde, daß die
Polen bereit sind und alles daran setzen werden, die Vertragsmenge
zu liefern. Interessant für mich ist aber, daß Rosenstrauch meint, wenn
nicht die gesamte Vertragsmenge kommt, so spielt dies ihm gar keine
Rolle. Die VÖEST-Alpine, die 160.000 t bestellt hat, braucht höchstens
100.000 t, wie der Kohleeinkäufer Brunner ihm mitgeteilt hat. Mit
diesen 160.000 t und den 65.000 t Hausbrand, 10.000 ÖBB-Deputatkohle
und 10.000 t für sonstige Industriebetriebe wurden die Vorverträge
entsprechend geschlossen. Jetzt stellt sich heraus, daß die VÖEST-
Alpine keinesfalls 160.000 t, sondern 100.000 t höchstens braucht.
Eine Reduzierung auch der polnischen Seite trifft daher Österreich
fast nicht.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Rosenstrauch wird einen Briefentwurf schicken.
In der Ministerratsvorbesprechung hat Kreisky dargelegt, wie er zur
Empfehlung, österreichische Leuchten im AKH zu verwenden, für die Fa.
Knoblich gekommen ist. 1978 hat Kreisky Knoblich besichtigt, damals
war diese Firma fast noch im ausschließlichen Besitz des Ing. Knoblich,
erst später hat Sefcsik die Firma erworben. Kreisky hat aufgrund sei-
nes Besuches dann den begleitenden Beamten Salomon beauftragt, er
möge beim Handelsminister, beim Bautenminister wegen der ÖNORM und
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bei der Gemeinde intervenieren, damit österreichische Ware bei der
AKH-Ausstattung verwendet wird. Aus meiner Aktenlage hat sich ein-
deutig ergeben, daß die Unterlagen, die damals Kreisky von Knoblich
bekommen hat, tatsächlich bei uns zur Stellungnahme eingelaufen sind.
Vorher schon hat Knoblich bei uns, Rat Fabrizii, interveniert. Dieser
hat dann mich veranlaßt, entsprechende Interventionsbriefe an den
Bürgermeister Gratz und den Finanzminister Androsch, beide für den AKH-
Bereich zuständig, zu schreiben. Diese ganze Angelegenheit ist un-
verfänglich, ich habe deshalb dem Klubobmann Dr. Fischer vorgeschlagen,
ich werde den ganzen Akt im Parlament für den Untersuchungsausschuß
zur Verfügung stellen. Fischer hat sich den Akt angesehen und vorge-
schlagen, daß der Schriftverkehr zwischen Knoblich und mir, den inte-
ressanterweise wir vom Bundeskanzler bekommen haben, und meine Antwort-
briefe sowie das Dankschreiben von Knoblich über die durchgeführte
Intervention vervielfältigen sollen und gleich jetzt im Pressefoyer
mit Kreisky dann verteilen soll. Außerdem habe ich dann die selbe
Unterlage dem Nationalratspräsidenten Benya zur weiteren Verfügung
übermittelt. Fischer hat mich dann noch angerufen und mitgeteilt, daß
die ÖVP der politische Direktor Bergmann im Parlament erklärt hat,
man wird alles jetzt genauer untersuchen und vor allem prüfen, wieso
der seinerzeit bei mir arbeitende Dr. Wais vom Handelsministerium
dann zu Knoblich gegangen ist. Die Erklärung ist für mich damals und
jetzt sehr einfach gewesen, Wais hat als Bundesangestellter einen
Bruchteil dessen verdient, was ihm die Fa. Knoblich und dann nach Über-
nahme durch die Fa. Siemens diese bezahlt hat, darüber hinaus hat er
entsprechende gute Aufstiegschancen. Der Untersuchung sehe ich voll-
kommen ruhig entgegen, da, wie Kreisky dies auch dann im Foyer von
sich behauptet, er immer wieder veranlaßt wird, Interventionen für
Firmen durchzuführen, damit sie entsprechende Beschäftigung haben.
Soweit solche Interventionen darauf hinauslaufen, daß man österreichi-
sche Waren und Einrichtungen kaufen soll anstelle von Importwaren
oder ausländische Firmen beschäftigt, sieht Kreisky überhaupt keiner-
lei Notwendigkeiten sich gegen solche Interventionen zu sträuben,
ganz im Gegenteil. Kreisky hat angenommen, daß ich im Pressefoyer
eventuell auch zu diesen Fragenkomplex Auskunft geben soll, weshalb
ich ausnahmsweise bei einem solchen Pressefoyer wieder einmal dabei
war. Tatsächlich aber ist es zu keiner einzigen Frage an mich gekommen.
Das Ende der Diskussion war dann zwischen Kreisky und den ÖVP-Jour-
nalisten, die Details über die Abwicklung dieses Geschäftes dann
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wissen wollten, die weder Kreisky noch ich gekannt haben. Angeblich
hat die Firma Siemens einen diesbezüglichen Auftrag schon lange ge-
habt, Knoblich hat sich also sozusagen nur dann dazwischengeschaltet
und letzten Endes dann diesen Auftrag wieder an Siemens weitergegeben.
Die Fa. Zumtobel hätte eine noch bessere Leuchtenlösung angeboten und
sei nicht zum Zuge gekommen. Die Frage der ÖVP-Journalisten war, wa-
rum er gerade für Knoblich intervenierte.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Was weiß Fabrizii über diese Leuchtenvergabe.
Kreisky verwies in der Vorbesprechung auch auf die große Konferenz
in Leoben. Dort müßten die Minister alle Aktivitäten, die jetzt
in der nächsten Zeit zu erwarten sind und die vorbereitet waren, mit
entsprechenden Zeitplänen und konkreten Angaben vorbringen. Er selbst
wird verkünden, daß die ERP-Aktion, die seinerzeit für die Stilllegung
der Kohlengruben mit besonderen Konditionen gestartet wurde, jetzt
auch für das obersteirische Gebiet für die Stahlindustrie gilt.
Gleichzeitig wird, da ja 160 Stahlarbeiter frühzeitig pensioniert
und 160 gekündigt werden müssen, sowie die entsprechende Kurzarbeit
teils vom Sozialministerium, teils aber auch durch eine größere Finanz-
hilfe durch die ÖIAG an die VEW finanziert werden. Ein eigenes Gesetz
über die vorzeitige Pensionierung für Stahlarbeiter soll nicht kommen,
denn sonst würden sich sofort die Textil- und Bekleidungsarbeiter
sowie andere Gruppen auch anhängen.
Da das Handelsministerium keine besonderen Aktionen in diesem Gebiet
startet, dafür hätten wir auch gar kein Geld, da auch derzeit mir
nicht bekannt ist, daß eine österreichische oder ausländische Firma
dort über unsere Investitionswerbung angesiedelt werden kann, erklärte
ich Kreisky, daß wir dort nichts zu berichten haben. An der Konferenz
selbst wird Frau Staatssekretär Albrecht teilnehmen.
ANMERKUNG FÜR ALBRECHT: Bitte entschuldige mich dort, da ich die
Energieberichte in der Energiesektion verhandeln muß.
Mit Außenminister Pahr besprach ich die Verbalnote der Ungarn zum
österreichisch-ungarischen Fremdenverkehrsabkommen. Pahr nimmt an, daß
bis Mittwoch abends die endgültige Bestätigung vorliegt. Wie mir
Botschafter Reich dann beim Essen für Gen.Sekr.Stv. Caspari mitteilte,
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hat es bezüglich dieser Verbalnote im Außenamt etliche, gelinde ausge-
drückt, Ungereimtheiten gegeben. Niemand hat scheinbar gewußt, wer was
wo verhandelt. Ich habe auch mit Gen.Sekr. Reitbauer etliche Male ge-
sprochen, der auch nicht genau wußte, was jetzt in Budapest oder in
Wien in dieser Angelegenheit geschieht.
Im Ministerrat habe ich dann auf Wunsch des Außenministers in meinen
Vortrag zu diesem Abkommen nur das Wort voraussichtlich rausgestrichen.
Pahr nimmt an, daß es auf alle Fälle noch zu dem Verbalnotenabschluß
kommt.
Der GD-Stv. Caspari von der EG mit seinem Mitarbeiter Siegerland be-
sprachen mit Meisl, Steiger, Michitsch, Scheuch vom Außenamt, Reisch
dann beim Essen die offenen EG-Probleme. Ich habe insbesondere mit
großem Nachdruck darauf verwiesen, daß wir unbedingt für die Landwirt-
schaft eine entsprechende zusätzliche Rinderexportkontingentmenge
brauchen. Die österreichischen Landwirtschaftsvertreter waren nur be-
reit, daß ich ermächtigt werde, die Paraphierung des EG-Griechenland-
vertrages mit den einzelnen EFTA-Staaten durchzuführen. Vor endgültigen
Unterzeichnung muß nach Meinung der österreichischen Agrarier die
Aufstockung der Zucht- und Nutzrinder von 38.000 Stk derzeit auf 45.000
Stk erfolgen. Caspari erklärte mir, der für die Agrarfragen zuständige
Kommissär Gundelach wird dies nicht durchbringen. Ich machte ihn dann
auch unter 4 Augen noch einmal aufmerksam auf diese sehr für Öster-
reich essentielle Frage und ersuchte um seine neuerliche Intervention
in Brüssel, damit vielleicht doch auf dem Agrarsektor noch Zugeständ-
nisse kommen könnten.
Die Fragen der Papierkontingente der 5 %-igen Plafonderhöhung im
nächsten Jahr und vor allem auch die Retorsionsmaßnahme Österreichs
wurden Caspari von mir mit aller Dringlichkeit und Deutlichkeit gesagt.
Caspari war sehr überrascht von mir zu hören, daß jetzt nachdem die
EG für Plafondüberschreitungen die vorgesehenen Zölle verlangt, auch
Österreich bei Handpappe durch die Plafondüberschreitung von EG-Export
nach Österreich dasselbe machen wird. Während die EG es ja mit 8.
Oktober schon inkraft gesetzt hat, werden bei uns noch Vorgespräche
geführt, aber es kommt auch zu dieser Maßnahme. Warum niemand vorher
Caspari dies mitteilte, kann ich nicht verstehen. Caspari bedankte sich
bei mir darüber sehr, denn er wäre sonst nach Brüssel zurückgekehrt und
hätte angenommen, daß Österreich wieder einmal bis Jahresende die Zoll-
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erhöhungen ohne Maßnahmen übernimmt. Da ja das Kontingent meistens
bereits schon im ersten Halbjahr erschöpft ist, der Plafond also er-
reicht, die EG dann aber höhere Zölle erst im letzten Quartal verlangt,
hat er geglaubt, es wird auch heuer keinerlei Retorsionsmaßnahmen ge-
ben.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Warum hat Steiger oder Michitsch ihm nichts
gesagt?
Beim Internatskurs mit der LUGA im Gewerkschaftsheim in Vöslau disku-
tierten wir über die Wirtschaftssituation und ganz besonders natürlich
auch über die Kernkraftfrage. Die Diskussion war sehr sachlich und
für einen Grundkurs überraschend lebhaft.
Bei der Bezirkskonferenz in Favoriten, wo ich über die Energiever-
sorgung der Zukunft referierte, gab es auch eine lange und sehr inten-
sive Diskussion. Interessant für mich war nur, daß die JG-Vertreter
dort durch die pro Atomkraftwerkdiskutanten erst aufgefordert werden
mußten, sie sollten sich auch jetzt hier melden. Bei einer Bezirks-
ausschußsitzung hat es darüber, glaube ich, eine sehr heftige Diskussion
gegeben. Auch in Favoriten war aber nach meinem Referat die Diskussion
sehr sachlich, sehr lang aber doch von einer große Toleranz ausge-
zeichnet. Ich war darüber persönlich sehr überrascht. Sicherlich kann
dies auch darauf zurückgeführt werden, daß ich in meiner Art des Vor-
trages, immer gewürzt mit dem Wiener Schmäh, bei allen Sachfragen nie-
mals einen extremen Standpunkt vortrage, sondern wirklich versuche,
die Sache darzulegen, wie ich sie sehe. Wenn es nach den bisherigen
Diskussionen geht, die ich geführt habe, und wenn ich die Erfahrungen
von Heindl und Satzinger noch dazu nehme, müßte diesmal die ganze Atom-
frage wesentlich anders laufen als das letzte Mal. Diese Prognose hat
allerdings einen Nachteil, sie gilt für den jetzigen Zustand und für
den Teil, den wir beobachten können. Da letzten Endes aber wahrschein-
lich noch Jahre bis zur endgültigen Volksabstimmung vergehen werden,
weiß kein Mensch, wie dann die Stimmung in Österreich tatsächlich
sein wird.
Tagesprogramm, 14.10.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 60. Ministerratssitzung, 14.10.1980
56_1277_03hs. Notizen (TO MR-Sitzung Rückseite)
Nachtrag TO Ministerratssitzung, 14.10.1980