Montag, der 13. Oktober 1980

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Montag, 13. Oktober 1980

Die Vertreter der Brotindustrie und des Bäckergewerbes haben die
Idee, einen Wanderwecken zu erzeugen und mit der ÖFVW zu propagieren.
Dieser besteht aus einem Mischmehl, das in ganz Österreich gleich-
mäßig verwendet werden soll. Der Wecken ist dann in 6 Teile einge-
kerbt, sodaß man ohne Messer ein Stück abbrechen kann. Wanderbares
Österreich also jetzt auch in der Nahrungsmittelindustrie, ob er
was bringt, ist mehr als zweifelhaft.

Bei dieser Taufe erzählte mir der Bundesinnungsmeister Plim, daß
die Semmelschleuder jetzt sogar nur 34 Groschen pro Stück verlangen.
Damit ist nicht einmal der Mehlanteil gedeckt. Ich bin neugierig,
ob sich die Bundeshandelskammer dazu entschließt einen Antrag mit
der Handelskammer und Gewerkschaftsbund gemeinsam zu formulieren
wegen Verkauf unter dem Einstandspreis.

Im Journalistenfrühstück hat GD Fremuth über den Leitungsausbau ge-
sprochen. Unter seinen Vorgängern war die 220 KV die höchste Span-
nung, die wünschenswert war, ausgebaut. Er geht jetzt auf 380 KV, gibt
allerdings zu, daß sowohl COMECON als auch Italien bereits 750 KV ver
wenden. Ich bin kein Techniker, aber ich fürchte, hier wird wieder
ein Höchstlimit eingezogen, daß es dann in absehbarer Zeit wieder
zu ändern gilt.

Darüber hinaus berichtete er, daß jetzt das Kohlekraftwerk Dürnrohr,
390 MW mit 1,6 bis 2 Terrawattstunden, das 5,2 Mrd. S kosten wird, mit
500 Mio. S Entschwefelungsanlage unmittelbar vor dem Baubeschluß steht.
Die Baubehörde wird, so hofft er, noch heuer die Voraussetzungen da-
für genehmigen. Die Abwärme wird NIOGAS gegeben, diese versucht Ab-
nehmer in der Umgebung zu finden. Den anfallende Schwefel aus der
Entschwefelungsanlage wird Donauchemie mit einer Pipeline übernehmen.
Die Verbund glaubt, Wirbelschichtverfahren ist technisch noch nicht
so weit, sie will kein Risiko eingehen.

ANMEKRUNG FÜR SATZINGER UND MARSCH: Was sagt Kirchner, SGP.

Die Sozialpartner berichteten dann über die Kaffeepreissenkung, wo-
bei insbesondere der AK-Vertreter Zurek darauf verwies, daß jetzt
auch die kleinen Bezieher, die keinen Aktionskaffee kaufen können,


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durch die Listenpreissenkung tatsächlich eine Verbilligung erfahren
werden. Der Anteil der Aktionsverkäufe wurde mit 1/3 bis 50 %,
vielleicht sogar noch mehr, angegeben. Anhand dieses Beispiels konnte
ich demonstrieren, wie sehr eine Rute im Fenster die
Firmen doch veranlaßt im Rahmen der Paritätischen Kommission dann
um tragbare Kompromisse zu suchen. Dieses Rute-im-Fenster-Beispiel
werde ich jetzt immer wieder verwenden. Eine Auswirkung auf die
Kaffeehauspreise, worüber ich sofort gefragt wurde, ist kaum anzu-
nehmen, denn die Sozialpartner haben errechnet, bei 20 S Verbrau-
cherpreis macht die Kaffeepreissenkung 10 Groschen ca. aus.

ANMERKUNG FÜR JAGODA: Bei Landespreisbehördentagung bitte das Kaffee-
preislistensenkungsbeispiel im Detail besprechen um für Rute-im-Fen-
ster-Gesetz Propaganda zu machen.

MR Grumbeck berichtet über die neue Quantex-Studie, welche für die
Textil- und Bekleidungsindustrie 1981 einen guten Konjunkturverlauf
vorhersagt. Die Modewoche in München ist gut verlaufen, von der
Internationalen Modewoche in Wien erwartet man Ähnliches und insbe-
sondere von der Interstoff in Frankfurt. Insbesondere hält die Jeans-
mode nach wie vor an, obwohl sie schon etliche Jahre totgesagt wurde.
Ich bin sehr gespannt ob tatsächlich diese Prognose zutreffen wird.
Ich selbst bin bezüglich der Konsumgüterindustrie, wenn jetzt ein
größerer Rückschlag in der Stahlindustrie kommt und diese sich auf
die gesamte Grundstoffindustrie ausdehnt, in weiterer Folge dann auch
die Produktionsmittelindustrie ergreift, sehr pessimistisch. Das
diese Rezession auf die Konsumgüterindustrie keine Rückwirkung haben
soll, ist mehr als fraglich. Die Quantex-Studie resp. die Vorhersage
müßte daher die Rezession bereits im nächsten Jahr als beendet an-
sehen, oder deren Auswirkung erst zu einem sehr späten Zeitpunkt
auf die Konsumgüterindustrie annehmen. Das Verhalten resp. die Aus-
sage der Textil- und Bekleidungsproduzenten, die ja der Quantex-
Studie zugrunde liegt, kann nur auf diesen Annahmen beruhen.

ANMERKUNG FÜR MARSCH UND BUCHAUER: Wie ist Eure Meinung dazu?

Interessanterweise gab es bei diesem Punkt eine Diskussion über das
Multifaserabkommen. Der Sekretär der Bekleidungsgruppe Katrin, ver-
wies darauf, daß jetzt der Vorsitzende des Multifaserabkommens,
Würth, vor unlösbaren Aufgaben steht, wenn Hongkong, Korea weiter


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als Entwicklungsländer behandelt werden sollen. Da die Amerikaner,
aber auch die Japaner sich von jedweden Zuwachsraten, die die Ent-
wicklungsländer im Multifaserabkommen bekommen sollen, weil sie diese
auch jetzt haben, ausschließt, würde die ganze Mehrproduktion nach
Europa fließen. Dagegen wehrt sich nicht nur die EG, sondern sicher-
lich auch Österreich. Der in der vergangenen Woche in Wien abgehal-
tene internationale Kongreß der Textilarbeiter und Bekleidungsarbei-
ter hat deshalb verlangt, daß durch das Multifaserabkommen die Ent-
wicklungsländer verhalten werden sollen, ihren Textil- und Beklei-
dungsarbeitern auch einen höheren Lohn und Lebensstandard gewähr-
leisten. Sollte dies nicht durch Verträge garantiert werden, dann
sei die internationale Textil- und Bekleidungsarbeitergewerkschaftsver-
einigung gegen das Multifaserabkommen. In diesem Punkt trifft sich
natürlich die Gewerkschaft mit den Unternehmern. Zu Recht wird näm-
lich darauf verwiesen, daß jetzt nur auf Kosten der europäischen Be-
schäftigten immer mehr Billigstprodukte erzeugt, hierher exportiert,
den Unternehmern also gute Profite in den Entwicklungsländern gibt
und die Arbeiterschaft dort aus ihren geringsten Lohnverhältnissen
nicht herauskommt. Der Internationalen schwebt auch eine Art Sozial-
klausel vor, wonach in den Entwicklungsländern Preisabschöpfungen
erfolgen, die dann den Löhnen zugute kommen sollen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Ich möchte mit dem Zentralsekretär der Textil-
arbeiter gelegentlich darüber sprechen.

Dr. Mandl aus Zürich, ein seit Jahrzehnten in der Zementindustrie
bedeutender Fachmann, überreicht mir die gewünschte Studie über Aus-
wirkungen beim Autobahnbau von Beton oder Asphalt. Die Quintessenz
ist, wenn der Untergrund nicht gut ist, dann kann man nur Beton ver-
wenden, weil sich die Drucklast wesentlich besser verteilt als bei
Asphalt. Es gibt also keine generelle Aussage Beton oder Asphalt,
sondern es müßte jede einzelne Straße auf Untergrundverhältnisse
untersucht, konkret für das eine oder andere entschieden werden.
Mandl ist damit einverstanden, ja er wünscht es sogar, daß ich diese
Unterlagen dem Bautenminister übermittle.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Entsprechendes veranlassen.

Bei der Verabschiedung des Altbürgermeisters Felix Slavik traf ich
Außenminister Pahr. Ich ersuchte ihn, bei seiner jetzt anzutretenden
Japan-Reise insbes. die Forderung, daß die japanische Linie Wien di-


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rekt anfliegt, unter allen Umständen vorzubringen. Die ÖFVW, wie
Dr. Zolles mir berichtete, erwartet dadurch mehr japanische Gäste.
Pahr erklärte sich sofort dazu bereit. Bezüglich der Vereinbarung
zwischen dem Außenminister und den ungarischen Stellen eines Brief-
wechsels bezüglich des Fremdenverkehrsabkommens einigten wir uns
dahingehend, daß ich den Ministerratsvortrag ergänze. Das textlich
vereinbarte Abkommen, welches am Wochenende vom ungarischen Minister
Dr. Sághy und mir unterzeichnet werden soll, wird im Ministerrat vor-
behaltlich des erfolgreichen Abschlusses eines Briefwechsels zwischen
Außenministerium und ungarischen Stellen genehmigt. Wie ich Gene-
ralsekretär Reitbauer dann mitteilte, haben sie mit diesen Verhand-
lungen bis Mittwoch abends Zeit. Sollte es zu diesem Zeitpunkt noch
nicht fertig sein, würde Dr. Sághy, wie ich von den Handelsdelegier-
ten erfuhr, nicht kommen und ich daher die ganze Wochenendreise
zeitgerecht absagen müssen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Wenn Mittwoch Abend kein Ergebnis vorliegt,
alles abblasen.

Die Trauerrede hielt Bürgermeister Gratz vor dem großen Gemälde
Slaviks. Alle Bürgermeister werden nämlich sofort, nachdem sie vom
Gemeinderat gewählt sind, porträtiert. Dieses Bild hat Staatssekretär
Albrecht sehr mißfallen. Es gibt wahrscheinlich überhaupt keinen
Maler, der allen Anforderungen gerecht wird. In vielen Ministerien
ist es auch Tradition, daß jeder Minister sofort in Öl verewigt wird.
Vielleicht nicht so groß wie bei der Gemeinde Wien, kann man auch
im Landwirtschaftsministerium die letzten Minister im Wartesaal hän-
gen sehen. Mit dieser Tradition habe ich mich ja im Handelsministe-
rium sofort gebrochen. Mich wird bestimmt keiner malen können. Ich
werde zumindestens nicht bereit sein, auch noch einem so großen
Künstler zu sitzen. Ein Gag wäre nur, daß als Ausweg einem abstrak-
ten Maler von meinem Nachfolger dann ein Auftrag erteilt wird, damit
die Reihe dann nicht unterbrochen ist. Ich bin nämlich nicht ganz
sicher, ob die Nachfolger meine Meinung teilen. Dies ist Gott sei
Dank aber nicht meine Sorge oder mein Problem.

Vor der ÖGB-Bundesfraktion hat der Jugendsekretär mit Recht bei mir
die Lehrlingsausbildungsvorschrift urgiert. Da noch immer über das
Alter der Masseure zwischen AK auf der einen Seite und der HK auf der
anderen Seite keine Einigung erzielt werden konnte, ist die ganze


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Verordnung noch offen. Sekretär Verzetnitsch und ich haben dann mit
dem Vorsitzenden der Gewerkschaft und Vizepräsident der AK Mück ver-
einbart, daß dieser versuchen wird, das Mindestalter von 16 Jahren
in seiner Organisation durchzubringen. Bei dieser Gelegenheit teilte
mir Mück mit, daß sie sich jetzt auch über die Verleihung § 68 Füh-
rung des Staatswappens an Wienerwald, sprich Hendl Jahn geeinigt
haben.

ANMERUNG FÜR JAGODA: Bitte wegen Masseurverordnung mit Mück sprechen.

In der ÖGB-Fraktion hat Benya zuerst die Resolution, die im Bundes-
vorstand beschlossen werden soll, vorgetragen. Darüber gab es fast
keine Diskussion. Sie ist noch nicht mit den christlichen Gewerk-
schaftern abgesprochen. Ich hoffe, daß sie bezüglich des Energie-
sicherungsgesetzes und insbes. hinsichtlich der Empfehlung der
Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes angenommen wird. Obmann Pöder
von den Gemeindebediensteten erzählte, daß in seiner Gewerkschaft
sowohl die christlichen Gewerkschafter als auch die Kommunisten einer
ähnlichen Formulierung zugestimmt haben. Dort gibt es einen einstim-
migen Beschluß. Benya forderte mich auf über die Energiesituation
kurz zu berichten und Dallinger sprach dann über die Steuerkommissi-
onsbesprechnungen. Die jetzt in der Steuerkommission vorgeschlagene
Regelung würde ca. 12 Mrd. S kosten. Ein Teil dieser Steuerverluste
kann durch Rechnungszettelpflicht und stärkere Kontrolle bei der
Mehrwertsteuer hereingebracht werden. Man schätzt die Ausfälle der
Mehrwertsteuer jetzt von 2 bis 8 Mrd S. Aus sozialer Symmetrie sollte
auch der Höchststeuersatz von 62 % auf 65 % angehoben werden und
zwar bei Einkommen über 1 1/2 Mio S. Auch hier denkt man dann auf
weitere Staffelung 63 % bis 2 Mio, 64 % bis 3 und 65 % dann bei 4
oder noch höheren Einkommen. Die Überlegung, alle Ausnahmen fallen
zu lassen, zu trachten, daß die Einkommensbezieher, die ja wesentlich
stärkere Gestaltungsmöglichkeit haben als die Lohnsteuerpflichtigen,
auch auf ihre Privilegien alle verzichten, könnte zu einer Absen-
kung der Steuer auf 45 bis 50 % bei entsprechender starker Reduk-
tion bei kleineren Einkommen möglich sein. Diese theoretische Kompo-
nente wird bei jeder Steuerreform immer wieder diskutiert, aber nie-
mand getraut sich tatsächlich dies durchzusetzen.

Eine harte Diskussion, und erstmalig seitdem ich jahrzehntelang in
dem Bundesvorstand und der Fraktion tätig bin, gab es über die Lohn-


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politik. Sekretär Wille von den Metallarbeitern beschwerte sich
bitter, daß die Privatangestellten ohne Kontaktnahme letzten Endes
doch dann einen Mindestbetrag von 630 S abgeschlossen haben. Die
Unternehmer haben die Forderung der Metallarbeiter von 550,–– S,
wobei sie bereit wären bis auf 520,–– S herunterzugehen, glattweg
abgelehnt. Diese 520,–– hätten ca 2 % der Lohnbelastung ausgemacht
und selbstverständlich wäre dann die 6,2 Istlohnerhöhung reduziert
worden. Aus prizipiellen Gründen aber erklärten die Unternehmer sich
dazu außerstande. Bei den Privatangestellten haben sie dann entweder
aus Unkenntnis, wie ich annehme, und nicht, wie viele, unter anderem
auch Sekanina, meinten, aus bewußter Strategie zugestimmt. Wille mein-
te, daß sie bei ihren Lohnverhandlungen für 230.000 Metallarbeiter,
Differenzen von 55,–– S Stundenlohn für zwei Fachverbände, insbesonde-
re Elektroindustrie, bis 95 Stundenlohn in der Erdölindustrie, es äu-
ßerst schwierig haben einen einheitlichen Satz zu finden. Dazu kommt
dann noch, daß die Metallarbeiter Durchschnittslohn 62 S, ca 11.000 S
pro Monat haben, während die Angestellten 16.000 S durchschnittlich
verdienen. Bei den Angestelltenverhandlungen sind angeblich die Ver-
treter der Stahlindustrie als erstes bezüglich des Mindestbetrages um-
gefallen. Wille kam dann auch noch auf die Fernsehsendung Dallingers
zu sprechen und meinte, Weißenberg hätte dort auf viele Fragen ge-
antwortet, er sei für eine Gleichstellung der Arbeiter mit den Ange-
stellten. Die Angestellten haben 2 % pro Jahr automatisch durch ihr
Vorrückungsschema, Kurzarbeit, die jetzt in der Stahlindustrie kommt,
wird auch nur von den Arbeitern zu leisten sein, er erwartet also,
daß er ein Gleichbehandlungsminister wird. Bei dieser Gelegenheit
verwies er auch auf die Unvereinbarkeit seiner Meinung nach, daß
Minister Gewerkschaftsobleute sind. Die Metallarbeiter haben ja be-
kanntlicherweise beschlossen, daß Sekanina jetzt einem geschäfts-
führenden Obmann zustimmen mußte, nämlich eben Wille. Jetzt gibt es
3 Minister in der Regierung, Sekanina, Dallinger und mich. Auch als
Böck Bauarbeiterobmann wurde, hätte er sofort seine aktive Funktion
zurückgelegt und einen geschäftsführenden Obmann bestellt.

Über dieses Problem brauchte ich dann mich gar nicht melden, da
sowohl der sonst sehr kritische Bauarbeitersekretär Millendorfer
meinte, dies sei Angelegenheit der einzelnen Gewerkschaft, wie sie
dies handhabt, und Benya durch einen Zwischenruf feststellte, auch
der Bauarbeiter Novy war noch Obmann der Gewerkschaft, als er Stadt-
rat wurde, und Vizekanzler Häuser ebenfalls. Die Auffassung war da-
her, man sollte dies den einzelnen Gewerkschaften überlassen. Wäre


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dieses Problem ernstlich diskutiert worden, hätte ich sofort dort mei-
ne Standarderklärung abgegeben, in diesem Fall würde ich meine Mini-
sterschaft sofort zur Verfügung stellen.

In der Lohnfrage selbst erklärte dann der Industriesekretär Vogler
von den Privatangestellten, sie bedauern zutiefst, daß jetzt aus
dieser Frage ein Streit zwischen Angestellten und Metallarbeitern ent-
steht, der in den Medien ausgetragen wird. Sie sind sehr froh, daß
es jetzt in der Fraktion zur Sprache kommt. Die Industrieangestell-
ten sind nicht nur mit den Metallarbeitern, sondern auch durch die
Gewerkschaft Druck und Papier, Bauarbeiter, Chemiearbeiter und Nah-
rungs- und Genußmittelarbeiter mehr oder minder beeinflußt. Die
Chemiearbeiter haben 550.–– S einen Einheitsbetrag vereinbart, für
Papier, Glas wurden Mindestbeträge festgelegt, bei Druck und Papier
gibt es eine ganz eigene Regelung. Die Bauarbeiter haben jetzt 2-
Jahresverträge abgeschlossen mit Etappen, die Nahrungs- und Genuß-
mittelarbeiter haben überhaupt nur Kollektivvertragslöhne zu ver-
handeln. Nach welcher Gewerkschaft soll sich jetzt die Privatange-
stelltengewerkschaft richten. Die 630.–– S Mindestlöhne erhöhen die
unteren Gehälter um 10–12 %. Am Durchschnitt gerechnet kommen
sie tatsächlich nicht höher als die Metallarbeiter. Benya hat aller-
dings sofort dagegen mit Recht gesagt, hätten sie ohne Mindestbetrags-
regelung, die die Metallarbeiter furchtbar getroffen hat, eine Er-
höhung der unteren Gehälter durch stärkere perzentuelle Steigerung
auch durchsetzen können.

Wie ich dann aus der Diskussion weiter entnehmen konnte, sind die
Metallarbeiter deshalb so verärgert, weil Wille mit Dallinger im
Parlament lange Koordinationsgespräche geführt hat. Benya meinte mit
Recht, vorher ist weniger zwischen den Gewerkschaften gesprochen
worden, aber aus Solidaritätsgründen haben sie sich letzten Endes dann
oft nur durch ein Telefongespräch verständigt, wie jetzt endgültig
vorgegangen werden soll. Diesmal hat Wille lange Koordinationsge-
spräche geführt und das Ergebnis, war gerade anders als die Metallar-
beiter resp. Wille erwartet haben.

Der Chemiesekretär Holzerbauer verwies dann wieder darauf, daß die
Metallarbeiter eine Abfertigungsverbesserung durchgesetzt haben,
welche die Unternehmer bei den Chemieverhandlungen ganz entschieden
entschieden abgelehnt haben und erklärten, dies wird in Hinkunft


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nur mehr im Gesetz geregelt werden.

Millendorfer, Bauarbeiter, aber auch Sekanina meinten, es gibt im
Gewerkschaftsbund einen Arbeitskreis für Lohn- und Kollektivver-
tragspolitik, den der Vorsitzende Mück führt. Dort werden gelegent-
lich 4 Papiere vom Sekretär Prokop vorgelegt, behandelt und ver-
abschiedet, aber über die wirklichen Lohn- und Kollektivvertragsfragen
kommt es dort zu keiner Diskussion. Benya konnte mit Recht allerdings
erwidern, daß seinerzeit diese Kommission empfohlen hat 13., 14.
Monatslohn sei das Maximum und dann hätten einzelne Gewerkschaften
doch sofort wieder einen 15. verlangt und teilweise auch durchgesetzt.

Pöder, Gemeindebediensteter, sprach für alle öffentlich Bediensteten
und meinte, die 530.000 werden keinen Mindestbetrag verlangen. Die
630.–– S würden nämlich das ganze Handwerksschema abdecken und zu
einer ungeheuren Entnivellierung führen. Was dagegen der öffentliche
Dienst erwartet, ist, daß flankierende Maßnahmen durch eine entspre-
chende Besoldungsreform nach dem jetzt verhandelnden Abschluß dann
kommt.

Entscheidend war dann aber die Wortmeldung Dallingers, der meinte,
das Schlimmste, was uns jetzt passieren kann, ist daß wir untereinan-
der streiten und die Unternehmer uns auseinanderdividieren. Er selbst
wird sich nicht nur als Sozialminister für die Angleichung einsetzen,
sondern hat dies auch stets schon als Obmann der Privatangestellten
gesagt und wird dies auch jetzt weitestgehend verwirklichen. Unter
anderem hat er bereits jetzt im Sozialministerium erklärt, man muß
untersuchen, wie die Kurzarbeit in der Stahlindustrie auch für die
Angestellten sich auswirkt. Er hielt es auch für unmöglich, daß die
Arbeiter für 30 Stunden arbeiten und auch nur bezahlt bekommen und
die Angestellten dann zwar anwesend sein werden, nichts arbeiten
können und, wie z.B. die Werkmeister, hauteng mit den Arbeitern zu-
sammen sind und vollen Gehalt weiterbeziehen. Kurzarbeitunterstützung
kommt aber nur für die Arbeiter in Frage, sodaß es sehr schwer wird
auch die Angestellten hier einzubeziehen. Darüber hinaus verbietet
das Angestelltengesetz, daß Reduktionen von den Unternehmen erfol-
gen. Dallinger wird also eine sehr schwierige Position haben. Ähn-
lich ist es aber auch dem seinerzeitigen Vizekanzler Häuser als
Privatangestelltenobmann ergangen und er hat sich sehr gut durch-
laviert. Dallinger hat vor den Angestelltenverhandlungen schon da-
rauf verwiesen, und das hat man ihm überall übel genommen, daß es


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heuer keine Reallohnerhöhung geben wird. Der Appell war aber letzten
Endes von ihm, wir dürfen uns nicht von der Presse treiben lassen.

Benya hat dann in die Diskussion noch einmal eingegriffen und meinte,
wir müßten froh sein, daß wir so viele Regierungsmitglieder jetzt
durch die Gewerkschaft stellen. Dadurch haben wir einen direkten Ein-
fluß. Die Gewerkschaft muß eine unabhängige Politik von jeder Re-
gierung machen. Aber selbst in der ÖVP-Zeit hat er immer wieder an
die einzelnen Gewerkschaften und insbes. an die Vernunft appelliert
nichts zu überziehen. Es muß besser koordiniert werden und wir müssen
eine vorsichtige Politik betreiben. Wenn die Gewerkschaften dies
nicht erkennen würden, wäre der Wahlsieg 1983 bestimmt gefährdet.
Die Diskussion, die übrigens stundenlang dauerte, wurde dann von
ihm mit Recht abrupt abgebrochen, indem er ganz entgegen seiner Art
erklärte, die Sitzung ist geschlossen. Für mich ergab diese Aus-
sprache nur eine Bestätigung, wie sehr man in den eigenen Gewerkschaf-
ten vorsichtig vorgehen muß, daß der Gewerkschaftsbund nur eine
gewisse koordinierende Funktion ausüben kann, daß das Zusammenhalten
der einzelnen Gewerkschaften für einen Gewerkschaftsbundpräsidenten
äußerst schwierig ist und daß in Hinkunft, wenn wir in eine schwie-
rigere wirtschaftliche Situation kommen, diese Aufgabe fast unlös-
bar sein wird. Wenn es aber nicht gelingen sollte, dann wird es
wahrscheinlich sehr bald mit der Sozialpartner- und Wirtschaftspartner-
schaft zu Ende sein, dann wird es auch innerhalb der Gewerkschaften
keine Koordination, geschweige denn eine solidarische Lohnpolitik ge-
ben und dann fürchte ich, würden wir Verhältnisse wie in anderen
europäischen Staaten bekommen. Daß es dann zu Verhältnissen wie in
der ersten Republik nicht mehr allzu weit wäre, ist für mich die große
Befürchtung, ja, ich muß es frei sagen, die große Angst.

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Tagesprogramm, 13.10.1980

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Fleischerinnung


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Fachverband Bekleidungsindustrie


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Vors. Multifaserabkommen


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: AK


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Beamter HM


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Sozialminister
            GND ID: 118806904


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Obmann Gew. Gemeindebedienstete


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Vizepräs. AK, Obmann Gastgewerbegewerkschaft


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                  GND ID: 119083906


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: ung. Binnenhandelsminister


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Sts. HM


                      Einträge mit Erwähnung:


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: "Wienerwald"-Gründer


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Beamter HM


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: ZS GPA, ab 1980 Sozialminister


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Büro des Bundesministers


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    GND ID: 115563237


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: ÖGB


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: ÖGB-Bildungsreferent


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Industriesekr. GPA


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: MR HM


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: ÖGB


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                                                  Tätigkeit: Vorstand SGP


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                                                    Tätigkeit: Fachmann Zementindustrie, Zürich


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                                                          Tätigkeit: Gen.sekr Außenamt


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                                                            Tätigkeit: Wr. Bau-SR, ÖGB-Vizepräs., Obmann Gew. Bau-Holz


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                                                              Tätigkeit: Direktor ÖFVW


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                                                                Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                                                                  Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


                                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                                    Tätigkeit: Wr. Bgm. bis 1973
                                                                    GND ID: 107489872


                                                                    Einträge mit Erwähnung:
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                                                                      Einträge mit Erwähnung:
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                                                                        Einträge mit Erwähnung: