Donnerstag 9. Oktober 1980
Da Weißenberg im Amte verstorben ist, gab es eine offizielle Aufbah-
rung und eine Regierungsverabschiedung im Marmorsaal. Für die Be-
diensteten sprach Sekt.Chef Martinek, für die Regierung Bundeskanzler
Kreisky.
Bei der Feuerbestattung sprach dann für die Sozialversicherungsträger
der Präsident des Hauptverbandes Millendorfer, mit tränenerstickter
Stimme vor Rührung oft nicht weiterlesen könnend, dann Präsident
Benya. Wieder einmal zeigte sich, daß Benya, der als ein so harter
Mann gilt, wie ich immer sage, batzwach ist und dem die persönliche
Freundschaft am meisten gilt. Der Gewerkschaftschor hat zuletzt das
Lied der Arbeit gesungen, der einzige parteipolitische Teil. Bundes-
präsident Kirchschläger war stets anwesend.
Im Parlament tagte gleichzeitig der Unterausschuß für den Handels-
ausschuß zur Frage Initiativantrag des ÖVP-Wirtschaftsbundes und
der Integrationsausschuß. Da Landwirtschaftsminister Haiden ja auch
im Integrationsausschuß sein mußte, hatte ich zuerst zumindestens
die Generaldebatte im Handelsausschuß mitgemacht. Dr. Keimel begrün-
dete, warum sie den Mittelstand von Angestellten, Gewerbebetrieben
bis zu freien Berufen fördern wollen. Er meinte, ob es sich hier um
einen Ideenwettbewerb handeln sollte, ausgehend eben von ihren Ini-
tiativantrag. Da er genau wußte, zu diesem Gesetz braucht er die
Sozialisten, war er auch sofort auf Konsenspolitik eingestellt. Er
bestritt gar nicht, daß sehr viel für die Klein- und Mittelbetriebe
geschehen ist, meinte nur, das Wichtigste sei die Entfernung der be-
stehenden Hemmnisse für diese Betriebe. Es müßten Signale gesetzt
werden. Ähnliche Regelungen gibt es Frankreich, Bayern und auch das
Bestreben der westlichen Bundesländer in der ARGE Alp. Der Wirtschafts-
und Sozialbeirat hat sich auch dem Problem durch seine Studie "Klein-
und Mittelbetriebe im Wachstumsprozeß" bemerkbar gemacht. Voriges Jahr
gab es in Berlin ein großes Symposium, wo festgehalten wurde, daß
diese unter einem starken sozialen Druck stehen, daß die staatlichen
Rahmenbedingungen sich ständig verschlechtern, eine Verbürokratisie-
rung entsteht und daß insbes. die Endkapitalisierung beachtlich und
beängstigend ist. Die vom Staat geleisteten Hilfsprogramme sind
meistens als Gegenaktionen gegen die Maßnahmen der eigenen Regie-
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rungswirtschaftspolitik zu verstehen.
Mühlbacher, Präsident des Freien Wirtschaftsverbandes, meinte, es
sollte kein Definitionsstreit jetzt entstehen. Untersuchungen über
die Klein- und Mittelbetriebe des Handelsministeriums zeigen, daß
hier schon sehr viel geleistet wurde.
Abg. Stix für die Freiheitlichen stellte die Frage, ob die Klein-
und Mittelbetriebe überhaupt gewillt sind, die ganze Wirtschafts- und
Gesellschaftspolitik müßte sich ändern. Diese Klein- und Mittel-
betriebe nehmen nämlich die Hilfe gar nicht wahr, sie leben in Un-
sicherheit, was sie brauchen, ist eine Klimaverbesserung. Ein Gesetz
müßte gar nicht zu irgendeiner Vollziehung führen, sondern sollte
nur ähnlich der Signalfunktion von Keimel dazu dienen, um die Klein-
und Mittelbetriebe moralisch zu stärken.
In dieser Generaldebatte griff ich noch ein und erklärte, daß es
notwendig wäre abzugrenzen, wer aller unter den von mir abgelehnten
Begriff des Mittelstandes fallen würde. Man müsse die Kompetenz ge-
nau beachten und ich sei als Handelsminister nur für Gewerbebetrie-
be zuständig, weder für freie Berufe noch für andere Schichten, die
die ÖVP insbesondere mit diesem Gesetz ansprechen möchte. Was immer
letzten Endes herauskommen wird, in jedem Gesetz muß eine Vollziehung
liegen und dies wird dann dem Handelsminister übertragen, wodurch
die Kompetenz klar und deutlich gewahrt sein muß.
Ich schlug vor, daß das Handelsministerium eine umfassende Zusammen-
stellung machen soll, was bis jetzt für die Klein- und Mittelbetriebe
geschehen ist und was man weiter beabsichtigt. Natürlich kam sofort
der Zwischenruf, das ist ja der Mittelstandsbericht, den die ÖVP
eben Jahr für Jahr haben möchte. Darüber hinaus empfahl ich, man
sollte den Wirtschafts- und Sozialbeirat ersuchen, er sollte eine
diesbezügliche Studie über die Bedeutung und vor allem Aufgaben
der Klein- und Mittelbetriebe erstellen. Wenn nämlich diese Studie
vom Wirtschaftsbeirat vorliegt, dann kann man von einem weitestgehen-
den Konsens der Sozialpartner reden und darauf gut ein Gesetz auf-
bauen, welches sicherlich dann die allgemeine Anerkennung finden
wird. Da Abg. Keimel ja bereits auf eine Teilaktivität des Wirtschaft
und Sozialbeirates verwiesen hat, müßte es möglich sein, hier eine
grundlegendere Studie zu bekommen.
Die Diskussion im Ausschuß ging noch längere Zeit weiter und das
Ergebnis war, wie man mir dann berichtete, daß Abg. Stix vorschlug,
ob man nicht eine Enquete über diese Probleme veranstalten sollte.
Diese Idee wurde sofort von Dr. Heindl aufgegriffen und dann auch
einstimmig beschlossen. Der Vorteil ist, daß jetzt längere Zeit
diese Enquete vorbereitet werden muß. Mühlbacher und Heindl sind
fest davon überzeugt, daß im nächsten Frühjahr dann eine solche En-
quete dazu führen wird, das die Regierung dokumentieren kann, was
sie schon alles für die Klein- und Mittelbetriebe getan hat. Ich
teile diese Meinung, insbes. was die Agenden des Handelsministeriums
betrifft, schlechter wird es uns allerdings gehen, wenn dann in dieser
Enquete die Probleme der Steuer, sprich also die Kompetenzen des Fi-
nanzministeriums dort zur Sprache kommen. Dies sollte man im Über-
schwang der guten Lösung, mit einer Enquete alles auf eine längere
Bank geschoben zu haben, nicht vergessen.
ANMERKUNG FÜR BUCHAUER UND MARSCH : Bitte über die Grundsatzabtei-
lung die seinerzeitigen Zusammenstellungen jetzt ergänzen und einen
umfangreichen Bericht vorbereiten.
Im Integrationsausschuß wurde, wie dies Jahr für Jahr der Fall ist,
als Folge des Integrationsberichtes der Landwirtschaft die Möglich-
keit gegeben den Landwirtschaftsminister zu attackieren. Ich wurde
nur am Rande angegriffen und zwar hauptsächlich von Dkfm. Gorton,
ÖVP-Abgeordneter, wegen der sensiblem Papierprodukte. Nur der Abg.
Huber von der ÖVP schaltete sich dann noch mit zusätzlichen Fragen
ein. Dies ist für mich ein untrügbares Zeichen, daß beide im Plenum
das Wort ergreifen werden, neben den Vertretern der Landwirtschaft.
Bei diesem Integrationsausschuß hat MR Steiger mich neuerdings ge-
fragt, ob die Frau Staatssekretär Albrecht tatsächlich zur EFTA-Kon-
ferenz fahren wird. Ich erklärte ihm dezidiert, daß dies für mich
feststeht, es sei denn, der Staatsbesuch von Honecker unterbleibt.
ANMERKUNG FÜR ALBRECHT: Steiger wird Dich in allen Punkten umfang-
reich informieren.
Die Präsidentin des Europaparlaments, Frau Veil, die in ihrem Be-
suchsprogramm auch Besuch des Handelsministers. Da zu gleicher
Zeit aber das Parlament Sitzungen anberaumte, an denen ich teilnehmen
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mußte, war Albrecht so lieb, mit ihr über die Aktivitäten des Handels-
ministeriums zu sprechen. Albrecht ist jahrelang Mitglied des Euro-
paparlaments in Straßburg gewesen, kennt Veil persönlich und hat,
wie sie mir dann berichtete, über einzelne Probleme wie Konsumenten-
fragen usw. sich mit Veil sehr gut unterhalten. Immer mehr kommt mir
zum Bewußtsein, wie froh ist bin, Albrecht als Staatssekretärin
zu haben, weil sie mir doch einen wesentlichen Teil der Arbeit ab-
nimmt.
Im Bundesparteivorstand berichtete Marsch über die Woche der Partei-
arbeit von 15.–27.10. In seinem Bericht erwähnte er auch, daß Abg.
Tull mit Wagner ein negatives Gespräch geführt hat. Danach tritt
jetzt der Tull-Brief an den Parteivorstand vom Sommer, wo er die Wie-
deraufnahme seines Verfahrens verlangt oder Austritt inkraft . Der
Parteivorstand bekräftigte die Entscheidung des Schiedsgerichtes.
Damit ist klar, Tull tritt aus und wird als wilder Abgeordneter bis
Ende der Legislaturperiode verbleiben.
Zentralsekretär Blecha berichtet über die Forum 80 Großkonferenzen,
über die Kulturkontakte über Bürgermeisterkonferenz in Kapfenberg,
über die Aktivitäten jetzt auf dem Energiesektor und das Volksbegeh-
ren vozubereiten, obwohl sich die Partei nicht engagagiert. Sie be-
dient sich der Gesellschaft für Energiewesen, welche auch das Mate-
rial zur Verfügung stellt. In Wien wird außerdem jetzt eine große
Enquete "Sauberes Österreich" mit ausländischen Professoren, die über
Probleme der Korruption sprechen und Kreisky über seine 10 Punkte.
Dabei wird auch die Arbeit der vom Justizministerium eingesetzten Pal-
lin-Arbeitsgruppenergebnisse zur Sprache kommen. Klubobmann Fischer
bemerkte, daß bei der letzten dringlichen Anfrage Kohlmaiers Äuße-
rungen unerträglich waren. Trotzdem sollte sich der Parteivorstand
nicht mit ihm persönlich beschäftigen. Dies bedeute eine zu große
Aufwertung dieser unqualifizierten Person.
Marsch berichtet dann über einige Delegationsänderungen, insbes. wurde
im Wasserwirtschaftsfonds jetzt neben dem Präsidenten Kärntner Früh-
bauer, Wiener Veleta, Oberösterreich Hartl, für den zurückgetretenen
Sebastian Gross und für Czettel der neue Landesrat Höger bestimmt.
Ein Problem gab es nur, weil LRat Vogl vom Burgenland stets jetzt
die Organisationsarbeit geleistet hat und die Steirer nicht auf ihren
Sitz verzichteten. Für Sebastian wollten die Burgenländer unbedingt
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Vogl im Wasserwirtschaftsfonds, Steirer verzichteten aber nicht und
haben LH-Stellvertreter Gross nominiert. Das Präsidium mußte den
Steirern Recht geben, was Sinowatz veranlaßte zu der Bemerkung, es
kommen jetzt scheinbar nur die größeren Länder immer wieder zum Zug.
Marsch replizierte, daß sie auch den größeren Umfang der Projekte
hätten. Eine schlechtere Argumentation konnte er gar nicht bringen,
denn sofort hat LH Kery gemeint, dies bestätige ja nur, daß eben die
Großen eben auch in der Partei nur zum Zuge kämen. Nach langer Zeit,
ich kann mich gar nicht erinnern, wann es das letztemal war, gab es
daher bei Delegationen eine Kampfabstimmung. Der Vorschlag des Prä-
sidiums wurde gegen 3 Stimmen, Kery, Sinowatz und Salcher, angenommen.
Für den Aufsichtsratsposten Chemie Linz für den verstorbenen Slavik
wurde vom Landwirtschaftsministerium Leschnik auf Vorschlag Haidens
beschlossen.
Kreisky berichtete über die Situation im Nahen Osten. Irak ist Öster-
reichs größter Erdöllieferant und die Lage könnte kritisch werden.
Österreich wird allerdings die notwendigen Ölmengen bekommen, die
Saudis werden mehr produzieren. Seinerzeit wurde unter Algeriens Prä-
sident Boumedienne vom Irak Gebiete dem Iran zurückgegeben. Jetzt will
der Irak sie wieder haben und es wird daher einen langen Krieg ge-
ben.
Die Wirtschaftslage ist bei den VEW sehr kritisch. In den vergangenen
Jahren haben sie in einer Krise wenigstens Aufträge gehabt, wenn
sie auch nicht annähernd kostendeckend, sondern im Gegenteil Verlust-
aufträge waren. Jetzt ist es noch schlimmer, denn es gibt überhaupt
keine Aufträge. Die ÖIAG wird versuchen, dies betriebsintern zu lö-
sen. In der Hochschule Leoben wird eine große Regionalkonferenz
stattfinden. Dort werden die entsprechenden Minister, die etwas für
diese Regionen leisten können, referieren. Namentlich wurde aber nur
der Bautenminister und der Verkehrsminister neben Kreisky genannt.
Da die ganze Konferenz nur 2 Stunden dauern wird, besteht keine Ge-
fahr, daß wir davon betroffen werden.
ANMERKUNG FÜR ALBRECHT: Bitte, wenn möglich, doch daran teilnehmen.
Für das gesamte Gebiet und insbes. die Edelstahlwerke
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ein Gutachten ausarbeiten. Kreisky möchte die Probleme.....
Kreisky ging dann auch auf die Angriffe der ÖVP ein und meinte, man
müsse sich überlegen, ob man die Positionen der Volkspartei wieder
mit Volksparteilern besetzen soll. Hier könnte man ohne weiteres in
gewissen Vorständen Einsparungen machen oder anders besetzen. Da
wahrscheinlich nicht von Kreisky beabsichtigt und bestellt, meinte
dann in der Diskussion Abg. Braun, Bezirksobmann von Favoriten, daß
man insbes. das Vorgehen der Creditanstalt hart kritisieren müßte.
Hier ergab sich in meinen Augen zumindestens ein gewisser Gleich-
klang in der Frage der Nachfolge von GD Treichl der Creditanstalt.
Über das AKH meinte Kreisky, daß es jetzt zwischen dem Beauftragten
der Holding, Dr. Kraus, und dem neuen Beauftragen für die begleitenden
Kontrollen, Kandutsch, zur Rivalität und wahrscheinlich größeren
Schwierigkeiten kommen wird.
Zuletzt hat Kreisky dann vorgeschlagen, daß ein neuer Sozialminister
bestellt wird. Da der ÖGB hier immer ein Vorschlagsrecht hat, soll
es auch bei dieser Tradition bleiben. Ich und einigen andere neben
mir erging es dann so, daß eigentlich niemand den Namen Dallinger
hörte, der scheinbar so selbstverständlich ist, daß Kreisky darauf
vergessen hat, ihn zu nominieren. Nur bei der Abstimmung hat dann der
Vorsitzende Gratz gemeint, es müßte jetzt doch formell über Dallinger
abgestimmt werden. Selbstverständlich erfolgte der Beschluß einstim-
mig. Dallinger hat bei dem Applaus sich dann erhoben, verbeugt, aber
kein Wort gesagt. Ich übrigens hätte auch so gehandelt. Jedes Wort
im Parteivorstand ist in diesem Fall wahrscheinlich auch zu viel ge-
sprochen.
In der Diskussion wurde dann insbes. die Hochzinspolitik hart attak-
kiert. Die größte und schlimmste Auswirkung der Politik wird durch
die Kreditbelastungen für den Wohnungsbau ihren Niederschlag fin-
den. Schon jetzt rechnete man mit bis zu 60,–– S m² Preise. Diese
Wohnungen kann, wie Bürgermeister Gratz feststelle, sich niemand
mehr leisten.
Der ganze Parteivorstand war eigentlich nur notwendig, um Dallinger
zu bestätigen. Da das Begräbnis aber erst nachher stattfand, hat
Kreisky sich bemüht, und diesmal sogar sehr erfolgreich, daß nicht
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irgendwo im Parteivorstand oder nach Ende des Parteivorstandes der
Eindruck entstanden ist, sie haben den Nachfolger bereits offiziell
beschlossen, bevor das Begräbnis erfolgte. Da es aber in diesem
Fall keine wie immer geartete Diskussion gegeben hat, wer der Nach-
folger Weißenbergs sein wird, ist das Ganze auch ohne Sensation und
damit für die Massenmedien verhältnismäßig uninteressant formell über
die Bühne gegangen.
Freitag, 10., bis Sonntag, 12. Oktober 1980
Die diesmalige Tavola Rotonda fand in Vicenza statt und war ver-
hältnismäßig sehr gut besucht. Die Präsidenten der italienischen
Handelskammern, aber auch der Präsident der österreichischen , GD
Kornis, waren über meine Beteiligung wieder einmal sehr begeistert.
Er hat mir dann unter 4 Augen gesagt, wenn ich nicht daran teilnehme,
bedeutet dies für die Tavola Rotonda, die immerhin jetzt 9 mal schon
stattgefunden hat, einen schweren Rückschlag. Er ist scheinbar da-
von überzeugt, daß überhaupt nur ich als Aufputz diese Institution
aufrecht erhalte. Dies stimmt sicherlich nicht ganz, denn es gab auf
dieser Tavola Rotonda sehr interessante Vorträge. Der Regionsvor-
sitzende von Veneto, Bernini, berichtete über die Probleme Österreich –
Italien, insbesondere in den anschließenden Regionen und in der
Tätigkeit der Alpen-Adria, an der Italien, Österreich, Jugoslawien und
Deutschland teilnimmt. Selbstverständlich über die Hafenausbauten in
Kroatien, Slowenien, Friaul, mit der Idee durch Spezialisierung und
fast Zuteilung des Hinterlandes in jedem Hafen die Italiener vor
der erdrückenden Konkurrenz der Jugoslawen zu schützen. Ausgesprochen
wurde dies nicht, aber in der Diskussion und den anderen Referaten
kam es deutlich zum Ausdruck. Dkfm. Schaller von der österreichischen
Handelskammer berichtete dann über den österreichischen Überseever-
kehr, insbes. über die italienischen Häfen. Ein Direktor der Eisen-
bahndirektion Verona, Bucchio, gab dann einen umfangreichen Eisen-
bahn-, Autobahnverbindungsbericht, wo er auf die Geschichte der Eisen-
bahnen und insbes. dann auch auf die Promillesteigerung in jeder
einzelnen Bahn so im Detail berichtete, daß dies dann schon wieder gar
niemanden interessierte. Der Zweigstellenleiter der ÖFVW, Oberegger,
über die Aussichten der österreichisch-italienischen Fremdenverkehrs-
entwicklung und ein Italiener von der Assicurazioni Generali über
das Versicherungswesen. Das für mich interessanteste und wichtigste
Referat war aber von GD Haschek über die österreichisch-italienische
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Zusammenarbeit im Bankwesen. Haschek ist, obwohl er Protestant ist,
von Kreisky seinerzeit im Verwaltungsrat der Banca Cattolica vor-
geschlagen worden. Diese Funktion nimmt er jetzt auch tatsächlich
wahr und war daher wie keiner berufen über diese Zusammenarbeit
zu referieren. Seine Haupterkenntnis lag darin, daß weder Österreich
noch Italien, welche beide Kapitalimportländer sind, ihre Lei-
stungsbilanz durch ein liberales Devisenregime ausgleichen können.
Daher werden beide Staaten niemals am internationalen Kapitalmarkt
eine Rolle spielen können. Das bilaterale Handels- und Zahlungsbi-
lanzdefizit für Österreich ergibt sich aus der Warenstruktur. Öster-
reich hat meistens kurzfristige Zahlungsziele oder Kassageschäfte
bei Importen aus italienischen Waren. Unsere Struktur ist wie ein
Entwicklungsland.
Mit Haschek besprach ich auch die Möglichkeit den Tschechen eine
ähnliche Kreditrahmenkonstruktion anzubieten wie den Ungarn bezüg-
lich Ausbau des Fremdenverkehrs, sprich Hotelneubauten. Haschek
meinte, die einzige Differenz wäre, daß den Ungarn noch 15 Jahre
Kredite angeboten werden konnte, 3 Jahre tilgungsfrei, 12 Jahre
Rückzahlung, den Tschechen aber jetzt maximal 8 1/2 Jahre gegeben
werden können, allerdings 6 Monate wieder nach Übernahme. Einer Ver-
längerung der Kredite steht jetzt ein neues Übereinkommen der OECD
entgegen.
ANMERKUNG FÜR MARSCH: Kennst Du dieses Übereinkommen.
Mit dem Präsidenten der Österreichischen Handelskammer , Kornis, der
gleichzeitig auch Generaldirektor der Ersten Allgemeinen ist, be-
sprach ich auch die Möglichkeit des Hausverkaufes seiner Gesellschaft
an die Österreichische Fremdenverkehrswerbung. Ich habe ihm zwar
überhaupt keine Details verraten, sondern nur mitgeteilt, daß Obmann-
Stv. KR Scheiner mit ihm Kontakt aufnehmen wird. Vorher hatte ich
aber schon erfahren, daß dieses Haus nicht im Deckungsstock der Ge-
sellschaft sich befindet, dadurch kann es also verkauft werden.
Kornis meint nur, es wird ev. im Aufsichtsrat größere Probleme ge-
ben, denn man wird fragen, warum er ein solches Haus gebaut hat, wenn
er es jetzt schon wieder verkaufen will. Kornis hat aber gleichzei-
tig zugegeben, daß in Wien heute sehr viele große Mietprojekte für
Büroräume angeboten werden, die leerstehen. Durch die neuen Büroge-
bäude der CA im Franz-Josefs-Bahnhof werden jetzt so und soviele zu-
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sätzliche Büroräume neuerdings frei, die den Markt stark drücken.
Alles dies konnte ich von Kornis in Erfahrung bringen, bevor ich
ihm andeutete, daß KR Scheiner mit ihm sprechen wird.
ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte mit Zolles und Scheiner verbinden.
Mit dem Unterstaatssekretär Giacometti, insbes. aber mit seinem be-
gleitenden Beamten, einem Handelsrat der italienischen Botschaft in
Österreich, und seiner Frau Generaldirektorin habe ich dann die De-
tails der bilateralen Probleme kurz besprochen: Pöls, Strumpfhosen,
Nelken, Fleischimporte, Verzollung, EG-Ausdehnung, automatische
Lizenzierung, insbesondere aber die Beschwerden an den Grenzen. Da
Giacometti jetzt nach 44 Tagen Autounfall in einer Klinik lag, außer-
dem in einer Regierung sich befindet, wobei man nicht weiß, wie lange
sie noch im Amt ist, waren die Gespräche eigentlich eigentlich mit
der Generaldirektorin von größerer Bedeutung.
Tagesprogramm, 9.10.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)