Donnerstag, 16. Oktober 1980
Die Idee mit dem Flugzeug nach Prag zu fliegen war für Oktober
nicht sehr günstig. Wir kreisten 2 Stunden im Warteraum über Prag,
bevor nach Auflichtung des Nebels landen konnten. Dabei trifft dies
nur für den Zivillufthafen zu, der in der Nähe befindliche Militär-
flughafen und ein Flughafen einer Flugzeugfabrik, die wir auch
ständig überflogen, waren nebelfrei. Die Besprechung bei Minister
Barcak konnte deshalb sofort bei ihm erfolgen, da der Ministerrat
um diese Zeit natürlich auch schon fertig war. Die HK legte größten
Wert darauf, daß ich zwar traditionsgemäß eine Liste der Kooperatio-
nen und Lieferwünsche Österreichs übergebe. Darüber hinaus aber
hatten sie für mich eine Liste der wichtigsten Fälle, insgesamt 8
Stück, vorbereitet, die ich besonders vortragen sollte. Wie mir der
1. Außenhandelsstellvertreter Jakubec dann sagte, war die tschechi-
sche Seite weder von ihrem Handelsrat Chrust in Österreich noch von
den neuen Verhandlungspartnern MR Fälbl, Kellner darüber in Detail
informiert worden. Diese Vorgangsweise ist aber von österr. Seite
gemacht worden und eigentlich sehr unfair. Ich habe dies MR Fälbl
mit aller Deutlichkeit gesagt und mich bei Minister Barcak und
Jakubec dann auch entschuldigt. Die Aussprache begann damit, daß
wir über das Hotel Panorama, 3§ Mio. $ soll das Höchstlimit sein,
wessen die tschechische Seite plant, besprachen. Dr. Jurkowitsch von
der Warimpex hat einleitend festgestellt, daß es für die Tschechen
von größter Bedeutung ist, wenn nur österr. Firmen die Ausstattung
des Hotels machen. Dadurch ist die Gewähr gegeben, daß irgendwelche
Gebrechen nach der Garantiezeit auch stets sofort behoben werden kön-
nen. Sollte die tschechische Seite darauf bestehen, daß die
Jugoslawen mitgenommen werden, dort haben sie nämlich ein riesiges
Aktivum, würde sich die Garantie für die Subunternehmer eben nur
auf die Garantiezeit beschränken. Dr. Ambrosch von der Z, der jetzt
für Auslandskreditgeschäfte zuständig ist, erörterte dann, er würde
vorschlagen, man sollte ein governmental agreement ähnlich der Ungarn
mit 2 Mio. $ z.B. vereinbaren, damit eine längere Kreditlaufzeit,
als sie jetzt aufgrund der OECD-Beschlüsse möglich ist, zustande
kommt. Barcak gab die wichtigste Erklärung ab, es sollte bei diesem
Projekt kein Rubelsaldo von irgendeinem anderen Oststaat herange-
zogen werden, weil es angeblich keine gibt. Dies glaube ich weniger,
doch dürfte die Finanzierung für dieses Hotel Panorama in Prag,
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das immerhin 39 Mio. $ kosten soll, scheinbar aus längerer Kredit-
finanzierung gesichert sein, weil doch mit entsprechenden Devisen-
einnahmen für dieses Nobelhotel gerechnet wird.
Ich hatte Barcak eine Liste von Projekten übergeben und dann außer
dem Hotel noch 7 besondere Anbote von Firmen, Vöest-Alpine, Rohr-
straßen, Stranggußanlage, Frachtschiffe, angeboten. Bei Frachtschif-
fen meinte Barcak, sie würden 90 Schiffe bis 1985 in diesem 5-Jahres-
Plan brauchen, hätten dafür aber keine Westdevisen, der Verkehrs-
minister sogar überhaupt kein Geld. Jetzt haben sie welche bei den
Jugoslawen gekauft.
Bei Vöest-Alpine hat dann Barcak sich sehr über die Ethylenanlage
in Zaluzi beschwert. Zum Glück hat mir Botschafter Weinberger vorher
eine Warnung zukommen lassen. Die Vöest hat den Probebetrieb dort
vertragsmäßig durchgeführt, dabei ist es zu Unzulänglichkeiten nach
tschechischer Auffassung gekommen. Das Abfackeln und die Dichtung
entsprechen nicht der Vereinbarungen, weshalb der Probebetrieb
wiederholt werden soll. Die Vöest-Alpine steht auf dem Standpunkt,
es ist alles vertragsmäßig in Ordnung gewesen und sie möchten kei-
nen neuen durchführen. Barcak meinte, unter Koller wäre dies anders
abgewickelt worden. Dieser jetzt in Pension befindliche Generaldi-
rektor war viel beweglicher und hätte auch zuerst sofort alles in
Ordnung gebracht und sich erst dann unterhalten, wie diese Mehr-
leistung bezahlt werden muß. Ich versprach nur mit GD Apfalter
darüber zu reden. Beim Mittagessen hat mich noch der Bruder des
Ministerpräs. Strougal, Vizeaußenhandelsminister, auch wegen dieser
Sache bei Tisch angesprochen. Er meinte, vielleicht ist die tsche-
chische Seite mit 40 % auch schuld. Wichtig ist, daß dies jetzt so-
fort bereinigt wird.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mit Apfalter sofort verbinden.
Über den Wunsch der VEW, Waschmittelphosphatanlage Futterhefeanlage,
SGP, Rauchgasentschwefelungsanlage, Altölaufbereitungsanlage,
Vianova und Stollack, korrosionsfeste Karosseriegrundierung, Chemie
Linz, Kalkammonsalpeterlieferung 35.000 to, Mineralwollieferung ca.
50.000 m², sowie für BBC eine Zulieferung zum trade center, wußte
Barcak nichts, außer daß eben kaum für alle diese Projekte kein
Geld vorhanden ist. Auf alle Fälle sollten sich die Firmen mit den
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zuständigen Außenhandelsorganisationen ins Einvernehmen setzen
und weiter verhandeln.
Beim Tisch hat mir dann der 1. stellvertretende Außenhandelsminister
Jakubec gesagt, es ist eine große Unterlassung von der tschechischen
Seite, daß Barcak nicht zuerst vom Handelsrat Chrust oder dann von
irgend jemanden anderen informiert werden konnte, weil er selbst
auch nichts erfahren hatte. Der Fehler liegt aber eindeutig auf
österr. Seite. Fälbl behauptet, er hätte mündlich über Projekt mit
seinem neuen Vis a vis Kellner gesprochen. Dies kann schon stimmen.
Notwendig wäre es aber gewesen, weil dies ja Tradition und dem
bisherigen Verhandlungsablauf entspricht, ihm schriftl. eine solche
Wunschliste zu überreichen. Die umfangreiche Kooperation und Lie-
ferliste, die selbstverständlich von ihm übergeben wurde, war ja gar
nicht Gegenstand der Diskussion. Die HK-Vertreter hatten nur darauf
gedrängt, daß ich diese Fälle unbedingt erwähnen sollte.
Da der tschechischen Seite mitgeteilt wurde, wir würden nur über
das Hotel u. Energiefragen sprechen, hat zuerst der Vertreter Dr.
Jurkowitsch von Warimpex das Projekt erörtert und gemeint, die
beste Lösung ist, sie können mit österr. Firmen dieses Projekt
bauen, so wie dies auch in Ungarn geschehen ist. Die Heranziehung
von anderen soz. Ländern oder Jugoslawien insbes. für die Innen-
ausstattung bedeutet, daß dann die Frage der Ersatzlieferung, wenn
die Garantiefrist abgelaufen ist usw., problematisch sein kann.
Über die Finanzierung hat Dr. Ambrosch von der Z, der jetzt für die
Auslandskredite zuständig ist, darauf verwiesen, daß die beste Lö-
sung wäre, ein governmental agreement für 200 Mio. $ ähnlich dem
ung. Abschluß zu machen. Dadurch könnte die sonst im OECD-Be-
schluß vorgesehene Kreditdauer von 8 Jahren wesentlich verlängert
werden. Barcak ging auch auf diese Spezialfragen nicht ein, sondern
meinte schon vorher zu mir, das müßte man eben mit den zuständigen
Außenhandelsorganisationen und den Banken besprechen. Die wichtigste
Frage ist, daß die tschechische Seite jetzt immer weniger Geld für
Investitionen zur Verfügung hat. Sie dürfte wahrscheinlich, um keine
Zustände wie in Polen herbeizuführen, doch mehr für Konsumproduktion
oder Einkauf ausgeben. Sie haben eine sehr gute Ernte und werden
auch den Polen gewisse Lieferungen gewähren.
Die poln. Seite sagt innerhalb der soz. Länder, wenn sie sich bei
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irgendwelchen Gelegenheiten treffen, es ist alles jetzt in bester
Ordnung. In Wirklichkeit ist nach Meinung der Tschechen und Russen
mit einem Produktionsrückgang der Kohle 50 Mio. t bei 200 Mio., also
ein Viertel, und bei 70.000 t Kupfer weniger Produktion zu rechnen.
Ich habe Barcak mitgeteilt, daß wir wahrscheinlich heuer durch un-
sere gute Agrarernte, 1 Mio. t Marktleistung Getreide, 300.000 t nach
Polen exportieren werden.
Beim Essen hat mich Vizeminister Jakubec nochmal ersucht, ich sollte
wegen des Großprojektes Paskov mit GD Scheriau sprechen, damit ja
die 20 %, der finnische Anteil Direktlieferung, gesichert sind. Die
Finnen können als Unternehmer dann ihre Lieferungen in der tsche-
chischen Statistik nicht als österreichische, sondern eben als
finnische Lieferungen ausweisen. Dies brauchen sie aus politischen
und wirtschaftspolitischen Gründen unbedingt. Da Scheriau, wie ich
weiß, eine solche Zusage auch gegeben hat, habe ich sofort erklärt,
ich werde mich mit dem GD ins Einvernehmen setzen. Interessant war,
daß Jakubec meinte, wenns 17 % werden, ist es auch für die tsche-
chische Seite, aber dann natürlich auch für die finnische noch er-
träglich.
Die nächste Gemischte Kommission wurde für Österreich von Barcak
und mir festgelegt. Es werden nicht 2 Unterkommissionen tagen,
eine für Handel, die andere für Kooperation und Elektrizität, sondern
eben nur die eine Gemischte Kommission. Was die Frage der Elektri-
zitätsaustausch- u. -lieferungen sowie Durchleitungen betrifft, habe
ich Barcak eine Information gegeben. Insbes. berichtete ich ihm
über unsere offene Aussprache wegen des 1,7 Mrd. $ Projektes in
Polen. Da ich fest überzeugt bin, daß dies wirklich niemand in
Westeuropa den Polen 1,7 Mrd. $ freien Kredit gibt und dann zuwartet,
ob diese im Stande sind, vereinbarungsgemäß diesen Kredit mit zu-
sätzlichen Stromlieferungen abzudecken respek. zurückzuzahlen, gebe
ich diesem Projekt überhaupt keine Chance. Dies habe ich auch unter
4 Augen dann Barcak mitgeteilt. Die Polen und die Tschechen haben
ja bei den letzten Stromliefervertrag 400 MW so gestritten, daß sie
sich gegenseitig angebrüllt haben, sodaß ich auch jetzt überzeugt
bin, es wird den beiden nicht gelingen, welches Projekt immer letzte
zur Ausführung kommt, leicht eine befriedigende Transitlösung zu
finden. Ich habe beim ersten Vertrag schon immer sowohl die poln.
als auch die tschechische Seite objektiv berichtet und informiert
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und keinerlei Stellungnahmen weder bei der einen Seite noch bei
der anderen Seite gegen oder wegen ihres Streites bezogen. Ich
mische mich prinzipiell nicht in die Probleme anderer Staaten ein.
Mein Bestreben ist es durch Information und insbes. durch guten
Willen, den ich immer zu erkennen gebe, die Probleme zu lösen und
nicht durch irgendwelche unbedachte Äußerungen die Beziehungen auch
anderer untereinander zu verschlechtern. Ich glaube, das wird allge-
mein nicht nur anerkannt, sondern auch durch Wohlwollen mir gegen-
über ständig honoriert.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte nächstes Jour fixe Fremuth setzen.
Der Klub der Handelsräte wurde diesmal von der Z in ihr neues Haus,
welches total renoviert wurde, eingeladen. Die ehemalige Krauland-
Bank hat die Z gekauft. Da diese ein Privatvermögen in Krauland war,
hat der Konkursverwalter zu spät zugreifen können und um 45 Mio. S
hat die Z dieses direkt vis a vis von der Stephanskirche ideal
gelegende Gebäude gekauft. Weitere 45 Mio. waren zur Renovierung
notwendig. Das Haus sieht auch prachtvoll außen und noch viel mehr
innen aus. In den ersten 3 Stockwerken und im Parterre befindet
sich die Z-Filiale, in den weiteren 3 oberen Repräsentationsräume
sogar mit 2 Gästezimmern, alles elegantest eingerichtet. Der Klub
der Handelsdelegierten wird ja ständig vom Donaueuropäischen In-
stitut und anderen Banken eingeladen. Ich selbst referierte dort
über die wirtschaftliche Situation Österreichs und insbes. über
die Außenhandelsprobleme. Eine Diskussion kam sehr zäh nur zustande.
Viele scheinbar scheuen sich als Ausländer mit dem Minister zu
diskutieren, das gilt insbes. für neuere Handelsräte. Ich habe
ihnen aber dann in der Diskussion neuerdings versichert, daß ich
mich für sie mehr oder minder mehr kümmere als um die Botschafter,
denn diese werden sowieso vom Außenministerium betreut. Die Handels-
räte sind mir über dieses Verhalten sehr dankbar, wie man mir nach-
her in den Einzelaussprachen immer wieder versicherte.
Die Z hat von der Girozentrale auch die österr. Handelsdelegierten
aus Fernost, die jetzt in Österreich waren, eingeladen. Mit diesen
hatte ich dann eine längere Aussprache über ihre Erfahrungen von
den Rundreisebesprechungen in Österreich. Interessant ist, daß sie
überzeugt sind, daß immer mehr mittlere Firmen sich jetzt für
Exporte selbst in diese weit entfernten Länder interessieren. Sie
glauben auch, daß mit entsprechender Anstrengung unsere Exportbe-
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mühungen selbst in diese weit entfernten Länder verstärkt werden
könnten und durch ihre Aktivitäten auch verstärkt wurden.
Der heutige Tag stand also ganz im Zeichen des Außenhandels. Zusam-
menfassend möchte ich aber eher sagen, viel goodwill, aber sicherlich
wenig konkretes Ergebnis.
Die Gemischte Kommission mit der CSSR wird das nächste Mal in Wien
stattfinden. War es bei diesem wie auch jetzt in Prag, wo Fälbl
ein Protokoll unterzeichnet, das ich gelesen habe und auch nichts-
sagend ist, wird bis zu diesen neuerlichen Treffen ein Abkommen mit
der CSSR abzuschließen sein. Wir haben jetzt das DDR-Abkommen als
Muster den Tschechen übergeben. Sie werden es genau studieren
und nehmen an, daß es beim Besuch des Herrn Ministerpräsidenten
Strougal oder dem Staatsbesuch von Präs. Husak in Österreich unter-
zeichnet werden kann. Sollte die tschechische Seite aber zur Über-
zeugung kommen, daß dieses Abkommen für sie nicht akzeptabel ist,
dann wollen sie kein Abkommen mehr langfristig weiter verhandeln,
sondern dann soll das alte halt unbegrenzt verlängert werden. Da mir
diese ganzen Protokoll- u. Abkommensarbeiten im Grunde zuwider sind,
weil sie in Wirklichkeit ja gar nichts Konkretes bringen, ist es mir
auch vollkommen egal, wie letzten Endes entschieden wird. Für Fälbl
war es eine Woche verlorene Arbeitszeit, so lange war er nämlich in
Prag, in meinen Augen das einzige Ergebnis, wenn man davon absehen
will, daß er wenigstens seinen Damhirsch geschossen hat. Ich habe
auch der tschechischen Seite, Barcak und Jakubec unter 6 Augen ge-
sagt, daß ich von diesen ganzen Abkommen, Diskussion und letzten Endes
jahrelangen Verhandlungen, um dann zu irgendeiner Formulierung zu
kommen, gar nichts halte. Entscheidend ist, ob gute politische Be-
ziehungen zw. 2 Staaten bestehen. Dies ist derzeit in der CSSR und
Österreich der Fall, daher können die Unternehmungen umso leichter
ihre Geschäftige tätigen. Diese meine Meinung wurde zwar von Barcak
und Jakubec ausdrücklich bestätigt, wohl aber auf die guten polit.
Beziehungen besonders hingewiesen. Österreich hat jetzt eine unge-
heure Priorität. Wie mir der österr. Botschafter in Prag erklärte,
werfe man den Schweden vor, daß sie die tschechische Regierung und
das Regime kritisieren und sich dabei ein Vorbild an Österreich
nehmen sollen. Kreisky und die österr. Presse kritisieren die
Tschechen auch, aber hier wird alles so gemacht, daß dabei die
Freundschaft zw. den beiden Ländern, aber insbes. die Beziehungen
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zw. Kreisky und Strougal und Husak usw. nicht zerstört werden. Ich
glaube, daß, wie mir Ministerpräs. Strougal das letzte Mal schon
versichert hat und Barcak mir immer wieder sagt, auch ich durch
meine Verhandlungsweise ein wenig dazu beitragen kann.
Tagesprogramm, 16.10.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)