Freitag, der 3. Oktober 1980

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Freitag, 3. Oktober 1980

Apfalter berichtet mir von einem Rußland-Besuch, wo er die 370 Mio.
S Investition für eine Brilleneinfaßanlage bekommen hat. Er hat
mit den Sowjets vereinbart, daß er in Summe 500.000 t Stahl für
500 Mio. S liefern wird. Auch 1981 wird er die 600.000 t Kohle be-
kommen. Da die Sowjets direkt diese Mengen nicht liefern könnten,
werden sie nichts dagegen haben, wenn Ungarn von den 400.000 t, die
sie von der Sowjetunion beziehen, 70.000 t der VÖEST weiterliefern
und dafür dann von der VÖEST Koks beziehen. Bei Erz wollte er
700.000 t, bekommt aber wie 1979 500.000 t. Wichtig war, daß es ihm
geglückt ist, von den Russen eine Zusage zu bekommen, daß sofort
die Schiffe für Korneuburg verhandelt werden. Die zahlreichen Inter-
ventionen u.a. jetzt wieder bei Ossipow dürften doch schön langsam
irgendwelche Ergebnisse zeigen.

Gesundheitsminister Salcher ruft mich an und teilt mir mit, daß
am 1. Oktober 80 in den Salzburger Nachrichten neuerdings GD-Stv.
Mauhart von der Tabakregie über die Fernsehwerbung für leichte
Zigaretten geschrieben wird. Salcher ist nicht mehr bereit länger
noch dieses Spiel mitzumachen. Er sieht darin die Absicht, daß die
Tabakregie sich überhaupt nicht an Vereinbarungen zu halten. Ich
informiere sofort Staatssekretär Albrecht, die auch diese Vorgangs-
weise von Mauhart nicht versteht. Salcher ist gerade noch bereit,
solange still zu halten, bis unsere schon vereinbarte Aussprache
über Tabakwerbung erfolgt.

Der indonesische Handelsminister Dr. Prawiro, der im Frühjahr eben-
falls bei mir vorgesprochen hat, teilt mir mit, daß die indonesische
Regierung beschlossen hat, für das große Raffinerieprojekt 900 Mio.
$, wovon Österreich 150 Mio $ bekommt, kein joint venture von Privat-
partnern in Indonesien die Finanzierung resp. die Betriebsgesellschaft
sein wird. Jetzt wird alles der Staat machen und die indonesische
Nationalbank wird mit einer Staatsgarantie die Kredite zur Verfügung
stellen. Voraussetzung dafür ist, daß auch Österreich sich an der
Finanzierung beteiligt. Da dies eine reine Angelegenheit der VÖEST-
Alpine resp. der CA und der österreichischen Kontrollbank ist, ver-
weise ich sofort darauf, daß die Gespräche und Verhandlungen mit
diesen Stellen geführt werden müssen. Die Indonesier gehen aber da-
von aus, daß vorerst die Regierung sozusagen nicht nur in Kenntnis


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gesetzt werden muß, sondern auch ihre Zustimmung zu dieser Änderung
gibt. Das Außenhandelsvolumen soll von 11 Mrd. $ Öl und Nichtölpro-
dukte im Jahre 78 heuer auf 15 Mrd. und im nächsten Jahr auf 21 Mrd.
$ erhöht werden. Derzeit hat Indonesien nur eine alte Stahlanlage
mit 1 Mio. t, in Hinkunft will sie eine große Anlage mit Direktreduk-
tion errichten. Prawiro glaubt, daß er doch jetzt übers Wochenende
nicht nach Brüssel resp. London fahren muß, weshalb er am Montag die
VÖEST-Alpine besuchen möchte. Natürlich werde ich neuerdings von
ihm eingeladen.

ANMERKUNG FÜR BUCHAUER: Erkundige Dich, wie die Gespräche bei der
VÖEST weitergelaufen sind.

Staatssekretär Albrecht war so lieb und hat, da ich diesen indonesi-
schen Handelsminister unbedingt empfangen mußte, für mich bei der
Betriebsberatertagung in Baden ein Referat für mich übernommen. Zur
Diskussion bin ich gerade noch zu recht gekommen. Außer ihr hat dort
der Obmann dieser Gruppe Schwan aus Tirol und vor allem Dr. Brunner
von der Gemeinde Wien referiert. Dieser soll einen hervorragenden
Vortrag gehalten haben, den ich dann noch schnell nachgelesen ha-
be, wo er über die Vorgehensstrategie referierte. Beim Essen konnte
ich dann feststellen, daß Brunner aus der Magistratsdirektion Be-
reichsleiter für die Reorganisation ist. Sein Vorschlag, und das hat
mich sehr beruhigt und gefreut, läuft auf das hinaus, was wir auch
im Handelsministerium teils durchführen konnten, teils allerdings
stecken geblieben sind. Er verlangt für eine gute Verwaltungsführung
stabsstelle Delegation an die Mitarbeiter und, neu für mich, soge-
nannte Stoßtrupps, die als Art Einsatzkommandos bei Schwachstellen
herangezogen werden sollen.

In der Diskussion verlangte ein Betriebsberater Junghans, daß erstens
die Konkursordnung, die jetzt zur Diskussion steht, nur von wirt-
schaftlichem Gesichtspunkt aus behandelt werden müßte. Ich stimme
mit ihm vollkommen überein und schlage vor, daß sie uns entsprechend
Anregungen mitteilen. Die derzeitige Konkursordnung geht nur von
kapitalmäßiger Sicherung aus und zertrümmert in Wirklichkeit den Be-
trieb und seine Leistungskraft. Noch mehr kritisiert wird das Ver-
gabegesetz, welches jetzt anstelle der ÖNORM 2050 ausgearbeitet
wird. Hier schlage ich den Betriebsberatern vor, sie sollten ent-
sprechende Anregungen machen. Wir werden sie im Handelsministerium


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bei der Begutachtung dieser Materie heranziehen.

ANMERKUNG FÜR MARSCH UND JAGODA: Bitte mit den Betriebsberatern
Kontakt aufnehmen.

Natürlich spielt die Ausschreibung geistiger Leistung eine große
Rolle in der Diskussion. Die Gemeinde Wien hat für Friedhofsgärt-
nereien, wo sie eine Reorganisation vornehmen muß, 250 Beschäftigte
machen knapp 50 Mio. S Umsatz, für diese Reorganisation eine Aus-
schreibung sehr detailliert gemacht, was von den Betriebsberatern
als einmalige Leistung positiv vermerkt und anerkannt wird. Die An-
bote gingen allerdings von 300.000 S bis 2 Mio. S, wie diese Fried-
hofsgärtnereien reorganisiert werden sollten. Der Vorschlag für
geistige Leistungsausschreibung könnte auch so sein, daß man Vor-
projekte genehmigt. Wichtig ist, daß die Problemstellung so genau
wie möglich determiniert wird.

Große Kritik wird an den E-Unternehmungen geübt. Dort gibt es Aus-
schreibungen, wofür angeblich für 1 Mrd. S Honorare bezahlt werden,
die dann einige Firmen sowieso bekommen, wie z.B. Siemens, VÖEST-
Alpine mit Austroplan usw. Im Vorjahr war der jetzige Untersuchungs-
häftling Wilfling bei den Betriebsberatern geladen und hat denen
klar und deutlich auseinandergesetzt, daß man Ausschreibungen, wie
sie sie sich vorstellen, nicht machen kann. Jetzt ist ihnen vieles
aufgrund der AKH-Vorfälle erklärlich, warum Wilfling und seine Leute
sich gegen dieses Ausschreibungsprinzip wenden.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Erkundige Dich bitte, wie es mit den Aus-
schreibungen der E-Wirtschaft verstanden wird. Mirtl-Golja, der Or-
ganisator, müßte mehr davon wissen.

Da Dr. Brunner auf mich einen sehr guten Eindruck gemacht hat, möchte
ich eigentlich, daß wir bezüglich der Reorganisation des Handels-
ministeriums auch seine Erfahrungen nützen sollten. Ich glaube, am
besten würde ihn SC Jagoda noch aus der Zeit, wo er in der Gemeinde
tätig war, kennen. Ich glaube, daß es zweckmäßig ist, mit ihm Kon-
takt aufzunehmen.

ANMERKUNG FÜR JAGODA: Was hältst Du von dieser Idee?



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Beim Mittagessen hat mir dann der Obmann der Gruppe Schwan erklärt,
daß sie mit der Behandlung durch den Mittelbau in der Bundeshandels-
kammer überhaupt nicht zufrieden sind. Mirtl-Golja als ihr Sekretär,
aber auch sie selbst haben die größten Schwierigkeiten. Bei Gen.Sekr.
Kehrer finden sie ein offenes Ohr, alles was aber darunter ist,
boykottiert jede Aktivität. Die Betriebsberater wären brennendst
daran interessiert, ihre geistige Leistung auch dem Handelsministe-
rium zur Verfügung zu stellen. Da auch der Vertreter des Freien
Wirtschaftsverbandes Dr. Schilling anwesend war, er wirkt scheinbar
neben der Wirtschaftstreuhänderorganisation auch in der Bundeshan-
delskammer als Betriebsberater mit, wäre es sicherlich zweckmäßig
mit ihm entsprechenden Kontakt aufzunehmen. Ich habe sofort gesagt,
daß ich für alle Anregungen dankbar bin, daß ich nur kein Geld habe,
um Aufträge zu vergeben.

ANMERKUNG FÜR JAGODA UND BUCHAUER; Vielleicht kann man auch von Dr.
Schilling einiges Zusätzliches erfahren.

Bei der Werkseröffnung der Fa. Küster, des größten deutschen fle-
xiblen Drahtseilanlagenproduzenten für VW-Wagen in der BRD, der
jetzt in der ehemaligen Hutfabrik in Ebreichsdorf neu investiert, war
für mich sehr beeindruckend. Im Februar war Herr Küster bei mir,
Matauschek hat ihn wieder einmal gebracht und durchgesetzt, daß er
nach Österreich geht und jetzt war die alte Fabrik schon abgerissen
und eine neue dort aufgebaut. Interessant für mich war, daß riesige
Hallen zur Verfügung stehen, jetzt erst ein Bruchteil der Spezial-
maschinen aufgestellt sind, mehr deutsche Arbeiter zum Anlernen der-
zeit arbeiten als Österreicher, das Ganze aber in kürzester Zeit,
davon bin ich überzeugt, eine blendende gut gehende Fabrik sein wird,
die eben die Seilzüge für VW aus Österreich als 5. große Fabrik
liefern wird. 4 hat die Fa. Küster in der Bundesrepublik. Ich unter-
hielt mich lange mit den anwesenden VW-Einkaufsdirektor auch über
weitere zusätzliche Lieferungen. Am Wichtigsten aber erscheint mir,
daß selbst jetzt in der Rezession es Matauschek gelingt, deutsche
Zulieferer zu veranlassen, nach Österreich zu kommen. Der Mann ist
für uns wirklich unbezahlbar. Die Investitionen geschehen mit einem
Bruchteil der Aufwendungen, wie sie das BKA und die Gemeinde Wien
für General Motors bereitstellen mußten. In der Masse, wir haben


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jetzt schon bald ein Dutzend Fabriken so geschaffen, machen sie
aber genau dasselbe aus wie General Motors. Wenn ich auch nicht
glaube, daß tatsächlich 8000 Beschäftigte jetzt schon in diesen Zu-
lieferungen zusätzlich neu aufgenommen wurden, so wird VW allein
im nächsten Jahr über 1 Mrd. 200 Mio. S Waren aus Österreich beziehen.
Voraussetzung ist natürlich, daß nicht die große Wirtschaftskrise
kommt, von der jetzt alle mehr oder minder sprechen. Ich persönlich
glaube nicht daran. Alle Autoproduzenten versichern mir auch, daß
trotz der Rückgänge, die sie jetzt verzeichnen müßten, das Auto
spätestens im nächsten Jahr wieder einen großen Aufschwung nehmen
wird.

Sonntag, 5. Oktober 1980

Der große Wandertag der Kronen-Zeitung in Maria Schutz war meiner
Meinung nach, wie die jungen Leute heute sagen, ein Flop. Abgese-
hen davon, daß er nicht annähernd so gut organisiert war als der
letzte auf der Hohen Wand, kam, obwohl es sich um ein ganz passables
Wanderwetter zumindestens bis mittags handelte, nur ein Bruchteil
der Leute, die die Kronen-Zeitung sicherlich erwartet und die auch
beim letzten Mal tatsächlich dort mitwanderten. Ich war vereinba-
rungsgemäß um 8 in Maria Schutz, wer nicht dort war, war der Redakteur
Kindermann, der sich übrigens dann entschuldigen ließ, weil er an-
geblich eine andere dringende Arbeit hatte. Der Bürgermeister kam
mit einer 1/2 stündigen Verspätung. Der einzige, der schon dort war,
war ein Fotograf der Kronen-Zeitung, der die ganze Zeit mithatschte,
und der Fremdenverkehrsdirektor vom Gebietsverband. Die Attraktionen
auf dem Weg wie Bogenschießen, div. Einsatzstellen von Feuerwehr,
Bergrettung usw., alles in Form von Labstellen, vor allem aber auch
Spielgruppen, Künstlerausstellungen und vor allem eine Motelliermöglichkeit für Kinder waren für hunderte Besucher gerechnet und ein paar
Dutzend höchstens anwesend, für die Kronen-Zeitung sicherlich eine
große Pleite in meinen Augen. Niemand wird es allerdings bemerken,
denn ich bin überzeugt, sie werden groß berichten. Die beiden
letzten Veranstaltungen in Trumau und jetzt in Maria Schutz machen
mich sehr nachdenklich. In beiden Fällen war es nicht das Wetter,
welches die Leute abgehalten hat, auch nicht wahrscheinlich die Or-
ganisation, die sonst auch nicht anders war, sondern scheinbar doch
eine gewisse Müdigkeit bei dieser Art der Massenbewegung oder, wenn


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man so sagen will, "Wanderbares Österreich" mitzumachen. Hier kün-
digt sich eine andere Geisteshaltung der bisherigen Teilnehmer an.
Dem werden wir auf den Grund gehen müssen.

ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte bei nächstem Treffen mit Zolles daran
erinnern.

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Tagesprogramm, 3.10.1980

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Sekr. Fachverb. Werbewirtsch.


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Sts. HM


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Wirtschaftstreuhänder FWV


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Leiter VW-Einkaufsorganisation Wien


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Beamter HM


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Wr. Magistrat; evtl. Falschidentifikation


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: GD VÖEST


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Büro des Bundesministers


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: stv. sowj. Außenhandelsmin.


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: AR-Vors. Austria Tabak


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Wr. Beamter, zuständig f. Krankenhäuser


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Gen.Sekr.


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Sekr. Büro Staribacher


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Kronen-Zeitung


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Fa. Küster; evtl. Klaus statt Dieter Küster


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                                  Tätigkeit: Betriebsberater; evtl. Falschidentifikation


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                                    Tätigkeit: Direktor ÖFVW


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                                      Tätigkeit: indones. Handelsmin.


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                                        Tätigkeit: Beamter HM


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