Freitag, 19. September 1980
Staatssekretär Beil nützte seine Anwesenheit beider Ost-West-Be-
sprechung um mit mir den neuen Vertrag zu paraphieren. Die vollstän-
dige Anwesenheit der Oststaaten erklärt sich, daß erstmals die Ameri-
kaner wieder bei einem Gespräch mit Russen anwesend waren. Der Prä-
sident von Pepsi-Cola Kendall, gleichzeitiger Berater von Präsident
Carter über Ostwirtschaftsbeziehungen im Weißen Haus, war für den
Präsidenten Gwischiani von der Sowjetunion und alle Oststaaten das
wichtigste Verbindungsglied. Die IIASA wird vom 21.–24.11.1980 ein
Seminar haben, ein zweites Seminar wird dann in Kattowitz über Kohle
stattfinden. Über Ost-Westbeziehungen ist am 1.4.1981 eines in Sofia
das zweite Seminar im November 81 in der DDR. Darüber ist Dir. Stock
von der Hofburgveranstaltungsgesellschaft bestens informiert.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Erkundige Dich bei Stock, ich möchte auch ihn
gelegentlich sprechen.
Der DDR-österr. Außenhandel zeigt nach wie vor einen großen Überschuß
der österreichischen Exporte, die wesentlich schneller steigen als
die Importe. Lt. Beil-Mitteilung ist er aber mit den Exportsteigerun-
gen der DDR nach Österreich, die angeblich schneller stiegen, sehr
zufrieden. Ich hatte natürlich keinen Grund, dieser Behauptung nach-
zugehen. Nach unseren Ziffern stimmt sie absolut nicht. Hier könnten
nur zusätzliche Exporte der DDR über Österreich, die bei uns nicht
aufscheinen, eine solche Behauptung rechtfertigen. Mit GD Apfalter,
VÖEST-Alpine, wird er noch spezielle Gespräche führen. Hier geht es
um einen Riesenauftrag des Stahlwerkes und der zweiten Ausbaustufe
für Leuna. Das Stahlwerk soll aber noch im Hinblick auf die weiter
zu erwartende Krise in der freien Welt entsprechend demissioniert
werden. Außerdem möchte die DDR, und dies habe ich noch nie so deut-
lich von Beil oder irgendjemand anderem gehört, mit den österreichi-
schen Edelstahlwerken Produktion abstimmen. Auf Drittländern werden
mit der VÖEST-Alpine konkrete Projekte durchgeführt, wie Irak,
200 Mio. für Schuleinrichtungen in Mexiko, Kolumbien, Nicaragua usw.
Die größte Verwunderung bei mir hat ausgelöst, daß Beil erzählte, für
den Stahlbau in Süd- und Mittelamerika soll eine gemeinsame Stahlbau-
firma DDR, VÖEST-Alpine errichtet werden. Ich bin überzeugt, daß
nicht nur ich davon nichts gewußt habe, sondern bei uns im Hause
kein Mensch auch nur annähernd diese Großprojektideen kennt. Selbst-
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verständlich habe ich mir nichts anmerken lassen, sondern, wie ich
glaube, durch geschickte Bemerkungen den Eindruck vorgetäuscht, daß
ich sehr wohl informiert wäre.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Klär einmal, was unsere Sektion weiß oder
wußte.
Natürlich kam wieder die Beschwerde über die Zollbelastung der DDR-
Exporte nach Österreich. Im ersten Halbjahr haben wir ihnen für 12
1/2 Mio. S, also wirklich eine unbedeutende Menge, individuelle Zoll-
befreiung oder Ermäßigung gegeben.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Man soll mit Finanzministerium klären, ob man
hier nicht doch mehr entgegenkommen könnte.
Außer den 280 Mio. S, die Konsumgüterkäufe auf der Leipziger Messe in
der Summe jetzt 1 Mrd. schon, sollen noch heuer um 220–250 Mio. auf-
gestockt werden. Beil ersucht nur, es sollte weder in den Zeitungen
noch sonst irgendwo darüber groß geschrieben oder geredet werden.
Er hat Schwierigkeiten mit anderen Staaten, die ebenfalls gerne Kon-
sumgüter in die DDR liefern und die einseitige Bevorzugung Österreichs
bei ihm hart kritisiert haben. Ebenso wollte er, daß über die Para-
phierung des Vertrages nichts verlautbart wird, dies soll scheinbar
der große Aufhänger für den Präsidenten-Honecker-Besuch werden. Bei
der Paraphierung mußte ich dann feststellen, daß auch ein Aktenvermerk
zwischen Beil und mir wegen der Lizenzierung unterfertigt wurde, den
ich zum ersten Mal gesehen habe. Ich habe Tschach sofort erklärt,
das mache ich nur das einzige Mal, in Hinkunft wünsche ich, das alles
vorher genau zu sehen.
Außenminister Pahr hat sich bei mir auch vorher bitter beschwert, daß
die Formulierung des Vertragstextes mit seinen Leuten nicht abge-
sprochen wurde. Dies hat Tschach dahingehend bestritten, Hillebrandt
wußte natürlich wieder nichts, daß er mit SC Meisl darüber verhandelt
hat, Meisl wieder behauptete, daß die Außenministeriumsleute sehr
wohl den Text kannten. Ich habe eine genau Darstellung in Form eines
Briefes für den Außenminister Pahr verlangt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Den Brief so schnell als möglich absenden.
Das Außenamt hat jetzt in einer Note den DDR-Leuten mitgeteilt, daß
in Innsbruck eine Handelsdelegation-Dependance errichten dürfen. Da-
gegen hatten sich eine Zeitlang die Außenhandelsbeamten wegen angeb-
lichem Präjudiz gewährt. Pahr hat in beiden Fällen, sowohl was den
endgültigen Vertragstext betrifft, als auch die Dependance-Errichtung,
sich über die Bedenken seiner Leute hinweggesetzt. Die Spannung zwi-
schen Außenministeriumsbeamten und Handelsministeriumsbeamten dürfte
größer sein, als ich vermutete. Das Bestreben dürfte sein, die beiden
Minister gegeneinander auszuspielen, um wegen Lächerlichkeiten Recht
zu behalten.
Die Energiesituation in der DDR verlangt, daß 80 % aller Investitionen
auf Erdölspaltung und Braunkohlenerschließung- und Verwertung aufge-
wendet werden. Von 20 Mio t Ölverbrauch haben sie 1,9 Mio. t jetzt
erspart. 250 Mio. t Braunkohle sollen jetzt im Jahre 1985 auf 300 Mio
t erhöht werden. Von 11 Mrd. m³ Erdgas haben sie 6 Mrd. eigene Produk-
tion. Die DDR ist daher an diesem IAASA-Seminar sehr interessiert.
Auch für die Ost-West-Exekutivsitzungen wird Beil öfters nach Wien
kommen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Vielleicht kann man ihm bei einer solchen Ge-
legenheit den angebotenen Hirsch schießen lassen.
Beil hat bei mir besonders interveniert, daß unbedingt beim Honecker-
Staatsbesuch auch ein VÖEST-Alpine-Linz-Besuch vorgesehen werden sollte.
Ich habe sofort mit Apfalter darüber gesprochen, der mir mitteilte,
er wird jetzt schon vom Bundespräsidenten im Programmvorschlag ein-
gebaut. Zum größten Leidwesen von Staatssekretär Albrecht stellte
ich fest, daß meine Anwesenheit bei diesem Staatsbesuch unbedingt
es notwendig macht, daß sie zur EFTA-Tagung nach Genf fährt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte alles Entsprechende veranlassen.
Das VW-Audi-Porsche-Zentrum in Liesing wurde feierlich eröffnet. Eine
Riesenanzahl Gästen, so wie immer, wenn diese mächtige Organisa-
tion einlädt, immerhin macht sie 10 Mrd. S Umsatz.
Die Delegation der DHK
haben bei ihrer Vorsprache mir neuerdings bestätigt, daß sie schon auf
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dem gestrigen Empfang vom ersten Tag sagten, auch der zweite Tag war
ein voller Erfolg. Diesmal war es richtig organisiert, daß eben nicht
nur eine Aussprache mit der Handelskammer stattfand, sondern tat-
sächlich Firmenkontakte gepflogen wurden. Da die Österr. HK 7.000
Exporteure, 1.500 Importeure und 300 Planungsfirmen in ihrem Com-
puter erfaßt hat, ergab sich eine interessante Diskussion, wie dieser
auf dem laufenden gehalten wird. In Hamburg hatten sie seinerzeit von
den 60.000 Firmen 30.000 eingespeichert, aber große Schwierigkeiten
mit der ajour-Haltung. Neu für mich war, daß in Frankreich Export-
berater auf Zeit gibt. Der Staat finanziert dort diese Institution,
HK und Firmenvertreter gehen dort gemeinsam auf bestimmte Zeit ins
Ausland, um Exportverträge und Exportmöglichkeiten zu suchen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Was wissen unsere Stellen über diese auslän-
dischen Exportaktivitäten.
Bei der Verabschiedung des GD Koning von Philips und der Vorstellung
des neuen GD Lap habe ich Koning nicht nur einen Orden überreicht,
worüber er sich sehr freute, sondern auch ihm und Lap dann die wei-
tere Vorgangsweise bezüglich der japanischen Importe besprochen.
Koning übernimmt in Deutschland jetzt als GD die Philips-Organisation
und hat mir freimütig zugegeben, in seiner Rede sogar andeutungswei-
se bemerkt, daß er mit Österreich ein besseres Verhältnis zum Han-
delsminister hatte, als er dies sicherlich in Deutschland mit Graf
Lambsdorff bekommen wird. Unter 6 Augen haben wir dann vereinbart,
daß ich mit GD Lap nicht nur engsten Kontakt halten werde, sondern
gegebenenfalls ich über Koning erfahre, wie Lambsdorff zu den japa-
nischen Importen insbes. auf dem Videorekorder-Sektor sich verhält.
Koning hofft, daß Lambsdorff seine Meinung ändern wird. Ich glaube
auch, daß durch die starken japanischen Importe auf dem Autosektor,
auf dem Elektronikgebiet usw. die Deutschen veranlassen wird, von
ihrer liberalen Außenhandelspolitik gegenüber Japan abzurücken.
Koning hat bei seiner Dankesrede die gute Zusammenarbeit zwischen
mir und ihm in dem Fall überbetitelt, als vernünftige Politik in
Österreich gegenüber anderen Ländern besonders herausgestrichen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Kontakt mit GD Lap entsprechend auch
intensivieren.
Tagesprogramm, 19.9.1980