Dienstag, der 3. Juni 1980

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Dienstag, 3. Juni 1980

Im Klub der SPÖ gab es eine lebhafte Diskussion wegen der Familien-
beihilferegelung. Die sozialistischen Frauen beschwerten sich mit
Recht, daß man alle ihre Vorschläge zur Verbesserung von Finanz-
minister Androsch abgelehnt wurden. Durch den Hungerstreik des
Präsidenten des Katholischen Familienverbandes Kendöl wurde
Kreisky aber dann doch zu einem Zugeständnis gezwungen.

Kreisky war bei dieser Aussprache natürlich nicht dabei, sondern
hat dann, als er sehr spät, knapp vor der Fragestunde erschien,
nur noch kurz über die Regierungssitzung berichtet. Er hat ange-
kündigt, daß einmal im Monat jetzt immer eine so längere Regierungs-
sitzung erfolgen wird, man braucht Besprechungsmöglichkeiten,
die durch die wöchentliche Vorbesprechung nicht gegeben sind. Die
Minister klagen über Kürzungen, die Androsch jetzt vornehmen wird.
Es mußte aber eine Warnung an die Ressortleiter ergehen. Kreisky
hat auch dann den Ressortbericht erwähnt, den jetzt alle einzelnen
Ministerien erstellen werden. Alles was machbar und finanzierbar
ist, soll für 1981 von den Ressorts jetzt gemeldet werden, damit
festgelegt wird, wie das Regierungsprogramm im nächsten Jahr
weitestgehend verwirklicht wird. Die Wahlentscheidung fällt nämlich
nach Kreiskys alter Theorie im nächsten Jahr. 1982 wird bereits
der Wahlkampf beginnen und 83 sind ja schon die Nationalratswahlen.
Die große Gefahr, die der Regierung droht, ist, daß man sie jetzt
auch mit der Korruption in irgendeiner Weise mitverdächtigt. Die
Regierung liegt nicht schlecht, ganz im Gegenteil, aber man wird
früher oder später, wie man jetzt schon vereinzelt hört, feststellen,
sie sei schon zu lange im Amt und deshalb hätte sie auch nicht den
notwendigen Schwung gegen die Korruption zu kämpfen. Die Volkspar-
tei wünscht gar nicht eine Aufklärung, der jetzige Zustand ist
ihr am liebsten, weil sie dadurch in diesem Halbdunkel weitere
Verdächtigungen gegen jedermann aussprechen kann. Die SPÖ muß da-
gegen auf eine Aufklärung drängen und sie so schnell als möglich
herbeiführen. Zum Schluß meinte Kreisky noch, über diese Frage
müßte man einmal ausführlich im Klub diskutieren.

Dafür würde sich sicherlich die nächste Klubtagung eignen, die


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vom 27. Oktober bis 30. Oktober in Schladming stattfindet.

ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte Termin reservieren.

In der Fragestunde im Plenum bin ich natürlich nicht mehr drange-
kommen. Gesundheitsminister Salcher, der vor mir 12 Fragen zur Be-
antwortung hatte, hat gerade 6 geschafft. Er hat jede einzelne An-
frage und vor allem die Zusatzfragen sehr eingehend und genau be-
antwortet, sodaß ich zweifle das nächste Mal dranzukommen. Leider
muß man sich aber immer bereit halten, denn es könnte ja, was unerwartet ist, aber doch vielleicht irgend etwas eintreten, welches
dann die Anwesenheit und Fragebeantwortung notwendig macht.

Da wegen der Einlaufsitzung und der Zuteilungssitzung die Tages-
ordnung geteilt wurde und damit zwei Sitzungen an dem Tag erfolgten,
war mit einem langen Sitzungstag zu rechnen. Daß er aber bis nach
11.00 dauerte, war auf die überlange Debatte im Familienlastenaus-
gleichsgesetznovelle zurückzuführen. Hier prallten die Meinungen
hart aufeinander. Mir unerklärlich war aber die Art, wie Kohlmaier
die Attacke führte. Kreisky war so empört, daß er, da er einen
Teil der Debatte immer in seinem Zimmer mithörte, rübergerannt kam
und zu uns, die wir im Couloir standen, ganz empört sagte, so haben
ja nicht einmal die Nazis in der ersten Republik argumentiert.

Bei dieser Gelegenheit hat mir Kreisky dann übrigens ganz aufge-
regt gesagt, er wird einer Erhöhung der Mehrwertsteuer von 8 auf
18 % für die elektrische Energie nicht zustimmen. Damit würde die
große Masse der Konsumenten, also unsere Wähler, getroffen und si-
cherlich sehr verärgert sein. Androsch müßte, wenn er schon ein Geld
braucht, eben die Quellensteuer auf die Sparbücher einführen, die
er bis jetzt, so scheint es, Kreisky gegenüber entschieden ablehnt.
Da die Idee der Erhöhung der Mehrwertsteuer gar nicht von mir ausge-
gangen ist, ich ja sogar sehr skeptisch diesem Plan gegenüberstehe,
habe ich Kreisky gegenüber mich bereit erklärt, die Belastung für den
einzelnen Haushalt und gleichzeitig auch die erwartenden Mehrein-
nahmen des Finanzministers zu berechnen. Bei meinem Schreiben an
Kreisky werde ich aber dann darauf hinweisen, daß die EVA diesen
Vorschlag geboren hat.



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ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte die Energiesektion und Grundsatz-
abteilung die notwendigen Vorbereitungen treffen.

Abg. Tull hat mit dem Herrn Hofstetter, der sich wegen der Belästi-
gung vom Holzwerk Stockhammer an ihn gewendet, mit diesem bei
mir vorgesprochen. Hofstetter behauptet, wenn eine Kontrolle bei
der Firma erfolgt, dann ist alles in bester Ordnung, weil der Be-
sitzer vorher gewarnt wird. Dies ist eine Beschuldigung gegen den
kontrollierenden Beamten und ich habe Tull ersucht, er soll bei
Abfassung des Schreibens an mich Herrn Hofstetter diesbezüglich
zweckmäßig beraten.

Zum Abflug habe ich noch den Gasminister Orudschew vom Hotel abge-
holt. Im Auto haben wir noch einmal über die Energiesituation ge-
sprochen. Natürlich kam neuerdings eine Aussprache mit Minister-
präsident Kossygin zur Sprache. Orudschew hat gemeint, er war
20 Tage bewußtlos und alle haben sehr gezittert, daß der so ge-
liebte Premierminister diese schwere Krankheit nicht überleben
könnte. Jetzt ist er aber wieder voll da und merkt sich, so wie
dies auch vor seiner Krankheit der Fall war, jedes kleine Detail.
Dies konnte auch ich bei meiner Aussprache mit ihm feststellen.
Orudschew selbst hatte in früher oft Ziffern gesagt, die nicht
ganz genau stimmten. Er steht nämlich auf dem Standpunkt, man kann
seinem Premier nicht eine Frage unbeantwortet lassen. Umso mehr
war er überrascht, wenn er später dann eine richtige Ziffer sagte,
von ihm zu hören, aber vor längerer Zeit hat er ihm dann und dann
eine andere gesagt. Orudschew ist ein Aserbaidschaner und damit ein
Original, der in diesem Fall dann immer erklärt, ja wie kann man
denn als Ministerpräsident sich solche Details merken, ja wie kann
man überhaupt nach solchen Details fragen.

Überrascht war ich, daß der Vertreter der Aeroflot für Minister
Brechow einen anderen Raum bestellt hat als für Orudschew. Dadurch
bestand für mich die Notwendigkeit von einem in den anderen zu
gehen, da ich natürlich niemanden beleidigen wollte. Auch der
sowjetische Botschafter mußte sich zweiteilen.

Nach dem Abflug kam es zwischen dem sowjetischen Handelsrat


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Nikolaenko und GD Bauer von der ÖMV zu einer kleinere Debatte
wegen des Kohleneinschaltebriefes für die ÖMV an Minister
Patolitschew. Nikolaenko verlangte, daß der Brief viel konkreter
sein muß. Er hätte ja schon mit ihm gesprochen, daß nicht nur die
Mengen, sondern auch die Kreditbedingungen und sonstigen Konditionen
genau festgehalten sein müßten. Bauer lehnte dies ganz entschie-
den ab, denn er möchte eben von den Sowjets ein Angebot haben,
bevor er bereit ist, dem Vorschlag der Russen dann mit einem Ge-
genangebot entgegenzutreten. Ich fürchte, daß Nikolaenko seine
Meinung dem Außenhandelsminister Patolitschew direkt mitteilen
wird, weshalb das Antwortschreiben sicherlich unzulänglich sein
wird. Da der sowjetische Botschafter Jefremow aber scheinbar be-
reit ist, diesen Brief so weiterzuleiten, wie ihn Bauer mir gege-
ben hat und ich ihn übergab, bin ich sehr gespannt, ob sich Jefre-
mow
oder Nikolaenko bei dieser Aktion durchsetzen werden. Nachher
hatte ich aber, nachdem auch Dir. Ronner von der VÖEST-Alpine
bei mir protestierte, wegen des Vorgehens der ÖMV mit Bauer,
Feichtinger, Ronner eine Aussprache und meinte, es wird dringendst
notwendig sein, daß jetzt einmal die VÖEST-Alpine und die ÖMV mit
mir darüber sprechen, wie in der Kohleversorgung vorgegangen werden
soll. Die Argumentation von Bauer, daß die VÖEST-Alpine nur mehr
ihren eigenen Bedarf über Koks-Kohle importieren soll, wird von
Ronner ganz entschieden zurückgewiesen. Die VÖEST-Alpine und
insbes. er persönlich hat über die Importkohle große Millionen-
tonnenmengen im Jahr importiert und wird oder will dies auch
in Hinkunft tun.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte eine Zusammenstellung machen lassen
und dann die Generaldirektoren Apfalter und Bauer zu mir bitten.

In der Paritätischen Kommission ersuchte mich Kreisky, soll ich
den Vorsitz führen, die Anträge wurden daher verhältnismäßig
schnell erledigt. Die ganzen Baustoffkompromisse wurden von allen
akzeptiert, die Handelskammer hat nur einen Vorbehalt gemacht.
Diese Vorbehalte dienen ihr, damit sie die Firma noch einmal fragt,
ob sie mit dem Kompromiß einverstanden ist, anderenfalls ihr
Vorbehalt inkraft tritt. In diesem Fall allerdings muß die Firma


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dann noch 6 Wochen zuwarten und könnte theoretisch dann jeden
Preis verlangen. Trotzdem wird, bis jetzt zumindestens, immer der
Vorbehalt der Handelskammer früher oder später zurückgezogen.

Die Aussprache mit GD Fremuth, Verbund, und Dir. Gmeinhart, Tauern-
kraftwerke, ergab, daß ich an meinem Standpunkt festhalten soll,
selbst nicht einmal der seinerzeitigen Vereinbarung 50 zu 50 Auf-
teilung zwischen TKW und SAFE zuzustimmen. Die TKW hat jetzt ein
Gutachten erstellen lassen, daß die Verträge, die seinerzeit von
den Vorständen abgeschlossen wurden, gelten. Ein Gegengutachten
der SAFE sagt allerdings, daß es sich hier nur um eine unverbind-
liche Äußerung handelt. Der TKW-Vorstand wird jetzt der SAFE resp.
dem LH Haslauer vorschlagen, entweder ein Schiedsgericht einzu-
setzen oder eine Feststellungsklage einbringen. Alle sind wir
überzeugt, daß Haslauer nachgeben wird und auf diesen seinerzei-
tig abgeschlossenen Vertrag einschwenkt. Gmeinhart wünscht nur,
daß auf alle Fälle dann gleich der ganze Salzburger Ausbauplan
besprochen und vereinbart wird. Die Salzachstufen machen 600 GWh
aus, die gesamte Salzburger Reserve beträgt aber noch 2500 GWh.
Insbesondere würde im Oberpinzgau jetzt ein Werk mit 400 GWh bei
S 7.–– Ausbaukosten für die TKW interessant sein. Ich werde
Haslauer einen Brief schreiben, wo ich ihm auf die beiden Gutachten
aufmerksam mache und frage, ob er trotzdem jetzt schon eine wei-
tere Aussprache wünscht.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte diese Unterlagen sofort vorbereiten.

Dir. Kreutler, Semperit, hat mir mitgeteilt, daß jetzt ihr Defizit
sich wesentlich vermindert hat, 78 600 Mio., 79 300 Mio. und
heuer werden es wahrscheinlich nur 100 Mio. sein. Wenn sie 150 Mio.
ausweisen, so ausschließlich damit um Reserven dann für etwaige
Rückschläge noch zu haben. Allerdings müssen sie jetzt für eine
Keilriemenproduktion, die er aufnehmen möchte, 150 Mio. S investie-
ren, für eine Walzenproduktion 80 Mio. S und wenn der Vertrag mit
der DDR zustande kommt, dann 300 Mio. S im Reifenwerk Traiskirchen.
Die DDR würde mit 90.000 Stk. beginnen, innerhalb von 5 Jahren auf
120.000 Stk. LKW-Reifen abnehmen. Insgesamt würden also 500.000
Stk. verkauft werden, der Abschluß soll bei der Leipziger Messe
im Herbst getätigt werden.



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Das Krisenlager von 200 Mio. S müßte nach Meinung Kreutlers mit
20 Mio. S vom Staat mitfinanziert werden. Ich habe Kreutler nicht
im Unklaren gelassen, daß aufgrund der jetzigen Budgetsituation
mit nicht einmal den in Aussicht genommenen 2 Mio. S zu rechnen
ist.

Die Japaner, welche jetzt 700.000 Stk. Reifen abnehmen, wären
mit einer Anhebung der Wertschöpfung für ihre Autos, die sie
zollbegünstigt liefern können, von derzeit 12,5 % auf 16 % ein-
verstanden. Das Finanzministerium möchte 20 %. Da, wenn wir eine
allgemeine Regelung machen, sich andere Staaten dann, insbes. die
Sowjetunion, sofort dagegen wehren werden, sollte man dem Kompro-
mißvorschlag mit 16 % wirklich nähertreten.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Was das Handelsministerium davon?

Die Firma Semperit hat bei ihrer Interplastic Wels festgestellt,
daß die Schweizer Bodenbeläge um 80 S den m² in der Schweiz ver-
kaufen und in Österreich um 50 S anbieten. Dies wäre ein klarer
Dumpingfall. Kreutler wird sich überlegen, ob sie eine Dumping-
anzeige bei uns erstatten.

Fremuth, der mit Kreutler die Mittelschule besucht hat und ge-
meinsam mit ihm maturierte, meinte ihm gegenüber, es bestünde
nicht nur die Möglichkeit in der DDR mit Staatssekretär Beil Ge-
schäfte zu machen, sondern noch bessere hat er über den Staats-
sekretär im Finanzministerium, Schalck, getätigt, solange er noch
bei der Girozentrale war. Insbes. ist die DDR-Außenhandelsorga-
nisation Intag auf Drittländern sehr aktiv.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Was wissen wir davon?

Im SPÖ-Bezirksausschuß habe ich unseren Genossen primär für
ihren Einsatz und den Erfolg des Landstraßer Kirtags gedankt.
Durch die Sponsoren haben wir sogar noch dabei verdient. Selbst-
verständlich gab es dann, obwohl ich sehr bald wegen namentlicher
Abstimmung über den Familienlastenausgleich ins Parlament zurück
mußte, noch eine umfangreiche Diskussion über verschiedenste Fragen.



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Am meisten aber wird jetzt über die Burger-Ergebnisse zur Bundes-
präsidentenwahl diskutiert.

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Tagesprogramm, 3.6.1980

55_0690_06

hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: sowj. Gasminister


Einträge mit Erwähnung:
    GND ID: 118715194


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Rechtsextremist, Kandidat BP-Wahl 1980


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: sowj. Handelsrat


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: ÖMV
          GND ID: 132912112


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: GD ÖMV


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., ÖVP-GS


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: sowj. Botschafter


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: sowj. Außenhandelsminister


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Finanzminister
                    GND ID: 118503049


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: GD VÖEST


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Büro des Bundesministers


                        Einträge mit Erwähnung:
                          GND ID: 115563237


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: LH Sbg.


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Präs. Kath. Familienverb.


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: erst SPÖ-, dann "wilder" NR-Abg.


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                                  Tätigkeit: MR HM


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Sekr. Büro Staribacher


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: ÖMV, Dir. Fa. Semperit


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: sowj. Minister f. petrochemische Maschinenerzeugung


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: Sts. DDR-Außenhandelsministerium


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Dir. TKW


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                                              Tätigkeit: Dir., Leiter Generalrepräsentanz Wien VÖEST-Alpine


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: -min.


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                                                  Tätigkeit: sprach am 3.6.1980 bei Staribacher vor; evtl. Falschschreibung


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                                                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                    GND ID: 118566512


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