Mittwoch, 16. April 1980
Bei der Eröffnung der Aquatherm, eine heizungs- und umweltschutz-
technische Spezialmesse, sind 5 Vorredner vor mir. Der letzte,
Herbsthofer, ein Vizepräsident einer internationalen Union und
österreichischer Installateur, attackiert die Regierung wegen der
hohen sozialen Lasten und der sonstigen Steuerbelastung. Die
anderen haben eher positiv auf unsere Unterstützungen, die wir
dem Energiesparen jetzt gewähren, verwiesen. Als einzig sachli-
che Kritik wurde auch, glaube ich zu Recht, auf die komplizierte
Verordnung, die die steuerliche Absetzbarkeit von Energiespar-
investitionen beinhaltet, verwiesen. Ich habe zugesagt, daß man
über diese Probleme reden sollte, um vielleicht doch einfachere
Systeme der Haftung und der Gewährleistung für den Konsumenten
zu erreichen.
ANMERKUNG FÜR ALBRECHT: Satzinger soll Dich informieren, damit
man ein vereinfachteres System findet.
Die Verhandlungen mit den Ungarn über ein gemeinsames Kommunique
für den ungarischen Außenhandelsminister Veres und mir laufen
in der Kommission sehr befriedigend. Die Ungarn erklärten mir
beim Mittagessen, daß sie jetzt tatsächlich nach dem Parteitag
eine neue Politik einschlagen wollen. Bis jetzt haben sie, so
ihre Worte, viel zu wenig die Erfahrungen Österreichs genützt. Sie
sprechen nur immer von einem Wunder, daß in Österreich auf
wirtschaftspolitischem Gebiet erreicht wurde. Interessant war
nur, daß man allen Ernstes angenommen hat, ich hätte die Partei-
tagsreden von ihren Spitzenfunktionären, insbes. die des Minister-
präsidenten Lazar gelesen. Dort hätte er nämlich alles ange-
kündigt, was jetzt die Ungarn an Einschränkungen auf sich nehmen
müssen, damit endlich ihre Wirtschaftsstruktur verbessert wird.
GD. Wolfsberger von Siemens mit seinem Rechtsanwalt Dr. Gaigg,
der die strafrechtlichen Fragen bezüglich der Profil-Veröffentli-
chung jetzt verfolgt, und Betriebsratsobmann Schuster waren in
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der Gemeinde bei Bürgermeister Gratz und Mayr und haben dann
auch mit Bundeskanzler Kreisky gesprochen. Zwischendurch be-
richteten sie Dr. Heindl und mir, daß die Strafprozesse alle
laufen. Den Zivilprozeß auf Kreditschädigung durch die Veröffent-
lichung, Siemens hätte S 18 Mio Bestechung bezahlt, ist nach
Auffassung Gaigg's die Prozeßführung sehr schwer zu führen.
Voraussetzung nämlich, damit das Profil verurteilt wird, ist,
daß grob fahrlässig das Profil gehandelt hat. Dies nachzuweisen
wird äußerst schwierig sein. Profil wird sicherlich eine eides-
stattliche Erklärung haben, wonach irgendwer eben diese Mittei-
lung ihm zukommen ließ. Trotzdem dürfte Profil große Angst
haben, denn sie bieten Siemens an, volle Genugtuung in der näch-
sten Nummer zu leisten. Am Titelblatt und dann auch mit entspre-
chender Aufmachung im Inneren, soll nicht juristisch mit Entgeg-
nung usw., sondern allgemein verständlich dargelegt werden, daß
Siemens nicht bestochen hat. Sie würden sich in den Büchern von
Siemens davon überzeugen.
In der Paritätischen Kommission hat Kreisky selbst den Vorsitz
geführt. Die Anträge auf Preiserhöhung und Lohnfreigaben gingen
programmgemäß über die Bühne.
Die fraktionelle Besprechung über die Preisgesetznovelle und
über die Wünsche der einzelnen Ländervertreter wurde freimütigst
diskutiert. Ich hatte natürlich ihnen einen allgemeinen Über-
blick über die ganzen Wirtschaftspakete und über die Politik
der ÖVP gegeben. Interessant ist nämlich, daß Ing. Korbl von
der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammer bei einer
Tagung der Agrarier erklärte, daß jetzt an diesen Wirtschaftsge-
setzen das Handelsministerium mehr interessiert sei als irgend-
eine andere Institution. Hier irrt Korbl gewaltig. Wenn die
Bauern glauben, sie könnten jetzt aus ihrer bisherigen Politik,
wonach letzten Endes die Marktordnungen für sie von Bedeutung
sind, sich dadurch absetzen, daß sie erklären, ich hätte größe-
res Interesse an der Preisregelung oder der Bewirtschaftungsge-
setze, so irren sie. Dafür würde ich nichts dem Bauern zugestehen.
Ich hoffe, daß auch im Nationalrat, wenn es zu den Verhandlungen
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kommt, diese Auffassung der Klub und ganz besonders auch der Ge-
werkschaftsbund und die Arbeiterkammer mitvertreten. Ich behaupte
nach wie vor, daß die Bauern wesentlich ein größeres Interesse
haben, ihre Marktordnungen aufrechtzuerhalten, als wir die paar
Produkte noch amtlich Preisregeln. Die Bevorratungs- und Lenkungs-
gesetze auf dem gewerblichen Sektor sind sicherlich für den
Krisenfall notwendig, wenn die ÖVP aber koppeln möchte oder gar
dann so hohe Forderungen stellt, daß es zum Auslaufen der jetzt
unzulänglichen Rohstofflenkung, Schrottlenkung, Mühlengesetz
usw. kommt, dann bin ich überzeugt, würden wir zu einem späteren
Zeitpunkt doch, nicht zuletzt aufgrund der internationalen Ver-
pflichtungen, in der Internationalen Energieagentur zu Ersatzlö-
sungen kommen müssen. Die Ländervertreter haben in Wirklichkeit
nur kleine Wünsche bezüglich Kontrolle der Warenkennzeichnung,
Dispens aufgrund der Gewerbeordnung für Kleinbetriebe oder daß
die Überwachungsorgane auch Legitimationen ausgestellt bekommen
sollten.
Im Kautsky-Kreis hat ein englischer Professor, sicher aber ein
Emigrant aus Österreich über die Energievariationen vom Stand-
punkt des Wissenschaftlers referiert. Er hat sehr interessante
Ziffern gesagt, z.B. daß bei Kohle der Brennstoff 23, das Kapital
0'4, bei Öl Brennstoff 40, Kapital 11'4 und bei Kernkraft-
werken 7, Kapital 14'4 wäre. Die Zukunft liegt aber nach seiner
Meinung in Fusion der Kernkraftwerke. Natürlich entzündete sich
daran dann eine Diskussion zwischen Pauli Blau und Heinz Kienzl
und Peter Kreisky. Da auch der Professor der Meinung war, es
gäbe als Zwischenlösung noch die Möglichkeit in allen Energie-
formen, um beim Sparen ein paar Prozente zu erreichen und dadurch
die Energielücke schließen zu können, kam auch sein Vorschlag,
man müsse das Abfallholz im Wald nützen, zur Debatte. Ich machte
nur den Zwischenruf, das Holz fällt halt leider nicht gleich in
eine Sammelstelle oder gar in das Kraftwerk, sondern müßte erst
dorthin transportiert werden. Allen Ernstes meinte er, hier hätte
die sozialdemokratische Bewegung ein großes Feld, die Menschen
dazu zu bringen, so nach der Methode "Wanderbares Österreich"
"Jeder trägt Holz zusammen".
Der spanische Botschafter teilte mir mit, daß mein eingeladener
Minister wegen der Regierungskrise mit einem Sonderflugzeug einen
Tag zur Eröffnung der vorgesehenen Ausstellung kommen kann. Ich
erklärte mich selbstverständlich auch damit einverstanden, habe
aber nur vorgeschlagen, er soll doch lieber die Reise verschieben
und dann zu einem längeren Aufenthalt nach Österreich kommen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte den Betroffenen mitteilen.
Beim Empfang der Delegation aus Hong Kong war von den Banken bis
zu scheinbar vielen Geschäftsfreunden und ausländischen Diplo-
maten alles vertreten. Eine solche Ansammlung habe ich im Hotel
Imperial selten erlebt. Die Delegation war mit ihren Gesprächen
in Österreich sehr zufrieden. Für uns ist das Wichtigste, daß
jetzt das Hong-Kong-Trade-Center als europäisches Hauptquartier
etabliert und ausgebaut wird und damit für Wien noch größere
Bedeutung hat als bisher.
Im Parlament wurde über den Rechnungshofbericht debattiert. Selbst-
verständlich war die ganze Diskussion, und ich war diesmal
stundenlang drinnen, ausschließlich auf das AKH gerichtet. Die
ÖVP möchte unbedingt, daß jetzt noch einmal das Problem Leodolter
aufgezogen wird. Salcher hat hervorragend repliziert und ganz
besonders Leodolter in jeder Phase verteidigt. Dies hat mir
mächtig imponiert.
Da ich wegen Aquatherm nicht bei der Klubsitzung sein konnte,
wurde mir von den verschiedensten Seiten über diese Klubsitzung
berichtet. Kreisky hat dort, ohne einen Namen zu nennen, erklärt,
die Reinheit der Partei verlangt eine absolute Trennung zwischen
Geschäft und Regierung. Alle hatten den Eindruck, daß der Bruch
zwischen Androsch und ihm vollzogen ist. Androsch erklärte im
Fernsehen, er hat durch die Einsetzung von den 3 Treuhändern
das Möglichste getan, um alle Vorwürfe, er hätte Einfluß auf
die derzeitige Geschäftsführung der Consultatio, abzublocken, ein
Verkauf oder ein zweiter Schritt kommt nicht in Frage. Da würde
er eher aus der Regierung ausscheiden. Kreisky wieder hat in
der Klubsitzung, ohne Namen zu nennen, dezidiert erklärt, er
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müsse eben auf die klare Trennung bestehen. Die Debatte dauerte
bis Mitternacht, dann wurde über die Begründung der Anträge auf
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses von den Schriftführern
die Texte verlesen. Die ÖVP schickte dann zu unserer größten
Überraschung 4 Redner, Kohlmaier bis Bergmann, ans Rednerpult
und die attackierten Androsch ununterbrochen. Androsch selbst
war aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Plenum. Ich habe
unter 4 Augen Fischer erklärt, hier müßte doch auf von unserer
Seite trotz der schon jetzt 2 Uhr befindlichen Zeit ans Redner-
pult. Fischer meinte, wir werden noch zeitgerecht und dann, wenn
es der Klub für richtig befindet, darauf antworten. Diese Vor-
gangsweise ist mir unerklärlich. So spät oder so früh, besser ge-
sagt, kann es gar nicht sein, um durch diese Art nicht in der
Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, hier wird, wie dieser
Ausdruck jetzt immer so schön lautet, Androsch im Regen stehen
gelassen. Dies hat bei allen Vorbehalten, die auch ich mancher
Entscheidung Androsch gegenüber habe, er sich sicherlich nicht
verdient.
Tagesprogramm, 16.4.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)