Montag, 21. Jänner 1980
Der erweiterte Wiener Vorstand, d.h. mit den Bezirksobmännern,
wurde trotz der Erkrankung Gratz' nicht abgesagt. Gratz hat
eine Lungenentzündung und wird, wie dann von Lanc, der den
Vorsitz führte, mitgeteilt wurde, mindestens 3 Wochen aus-
fallen. Landessekretär Edlinger berichtete zuerst über die
IFES-Umfrage vom Dezember des Vorjahres. Diese bestätigte
wieder einmal, dass wir bei den 30- bis 40-Jährigen sehr gut
liegen, gut bei den bis 50 Jahre, und da bis 70 erhoben wurde,
auch diese Kategorie sehr gut abschneidet. Die Schwäche der
SPÖ liegt bei den 20- bis 30-Jährigen. Überraschend für mich
war, dass die 16- bis 20-Jährigen aber bereits so wie der
Wiener Durchschnitt, d.h. also ganz gut, liegen. Die Volkspartei
liegt unter den Werten 78, aber ihre Aktion Pro Wien ist sehr
positiv beurteilt. Busek hat ebenfalls verloren. Bei der Frage
nach der fiktiven Wahl am nächsten Sonntag stellt sich heraus,
dass wir jetzt bei den Landtagswahlen, die sehr kurvig von
Monat zu Monat verlaufen und noch stärker eigentlich von Wahl
zu Wahl, derzeit das 78-er Ergebnis hätten. Bei National-
ratswahlen verlauft es wesentlich flacher und natürlich we-
sentlich günstiger. Neu war das Erkenntnis, dass sich die Be-
völkerung identifiziert mit der Stadt, zu 68%, was international
sehr hoch gilt. 51% SPÖ, 16% VP. Wenn man Rechts, Links und Mitte
fragt und einstuft, so sind 30% links, 28% rechts und 36 fühlen
sich Mitte zugehörig. Interessant ist noch, dass die Einrichtungen
insbesondere für die Jugendlichen, sowohl Gemeinschaftseinrichtung
als auch Freizeiteinrichtung, als zu wenig betrachtet werden. Bil-
dungseinrichtungen gäbe es genug. Wenn Einrichtungen aber geschaf-
fen werden, dann müsste es die Gemeinde machen und nicht die po-
litischen Parteien. Am bekanntesten, aber negativ besetzt war die
Arena-Aktion, Pro Wien, wie gesagt, ist 2/3 bekannt, wovon 80%
positiv darüber denken. 13% glauben noch immer, dass es sich hier
um eine sozialistische Aktion handelt. Der einzige Ideenmarkt,
den die ÖVP gemacht hat, war ebenfalls mit 36% bekannt und 27%
positiv besetzt. Nicht die ÖVP, wohl aber ihre Aktionen kommen
sehr gut an. Die Bevölkerung sieht in Bürgerinitiativen eine
Bereicherung und wünscht sie.
Dies war auch dann der Grund, warum es um 4 Volksbefragungen
ging, die jetzt Bürgerinitiativen abfangen sollen. Erstens
Flötzersteig, zweitens Vorrang Massenverkehr, drittens Sperr-
friedhöfe, d.h. Friedhöfe, die nicht mehr belegt werden sollten,
und viertens Dreieckständer, die Wien verschandeln, aber die
die ÖVP jetzt auch sehr aktiv einsetzt. Nach stundenlanger
Diskussion wurde dann beschlossen, da der Bürgermeister Gratz
seinerzeit einmal erklärt hat, die Partei wird keine Stellung-
nahmen beziehen, dass sehr wohl insbesondere bei Flötzersteig
und Vorrang Massenverkehr eine Stellungnahme der Partei unbe-
dingt abgegeben werden muss. Nur bei Sperrfriedhöfen und Drei-
eckständern soll man frei entscheiden lassen, d.h. die Partei
keine Äusserung abgeben. Ich glaube, dass die Partei in jeden
Fall eine Äusserung abgeben muss, denn die Funktionäre, insbe-
sondere aber in den Sektionen, und unsere Mitglieder werden
natürlich wissen wollen, wie sie im einzelnen Fall, auch dann,
wenn sie sich eine eigene Meinung gebildet haben oder bilden
wollen, die Partei über die Probleme denkt und was sie letzten
Endes vorschlägt. Hofmann meinte, die beste Lösung wäre, kein
Funktionär gibt eine andere Stellungnahme ab als der zuständige
Stadtrat, der ja mehr oder minder die Parteimeinung mitvertritt.
Da aber in vielen Fragen innerhalb des Stadtsenats eine einver-
nehmliche Auffassung besteht, glaube ich, wird diese Einfach-
formel auch nur schwer zur Anwendung gelangen. In Wirklichkeit
wird es eben, wie z.B. in der Flötzersteig-Bürgerinitiative und
der jetzigen Volksbefragung, mehr oder minder darauf ankommen
der Bevölkerung, auch der unmittelbar betroffenen, klarzumachen,
um was es dabei geht. Nach wie vor glaube ich, dass man Bürger-
initiativen versuchen muss schon bei der Entstehung in den Griff
zu bekommen, d.h. sie entweder zu unterwandern oder sogar viel-
leicht überhaupt für seine eigene Meinung zu gewinnen und eben
nicht zuzuwarten, bis eine Zeitung oder sonstige Massenorgani-
sation sich dieser Bürgerinitiative annimmt, wie dies z.B. beim
Sternwartepark der Fall war.
Stadtrat Nittel teilte mit, dass mit 1. Feber der Gaspreis um
19.6% vom Bürgermeister als Landeshauptmann erhöht wurde. Darin
ist die von der UdSSR erwartete 27%ige Steigerung ab 1. Jänner
und auch die noch kommenden mehr oder minder drinnen. 192 Mio
Schilling bringt die 19.6%ige Erhöhung dem Gaswerk Mehrerlös,
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wodurch die Investitionssperre von 200 Mio Schilling aufgehoben
werden kann.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte sofort Lebenshaltungskostenindex
mit 19.6 berechnen lassen.
Für die Bundespräsidentenwahl wurde der Wahlfonds mit 30 Schil-
ling pro Mitglied festgelegt. 15 Schilling muss an die Zentrale
abgeführt werden, 10 Schilling an die Landespartei und 5 Schilling
verbleiben im Bezirk. Nur der Bezirksobmann Suttner von Liesing
war der Meinung, dass die 30 Schilling als zu hoher Aufwand für
die Bundespräsidentenwahl gelten müssen, insbesondere die Länder
würden kaum so grosse Kosten, weshalb er dagegen stimmte. Edlinger
verwies mit Recht darauf, dass Grosswerbeflächen aufgestellt und
gemietet werden müssen, denn man kann die Einfahrt und sonstige
wichtige Punkte nicht dem Gegenkandidaten Gredler überlassen.
Eine Transparentwerbung muss durchgeführt werden, Postkarten von
Kirchschläger sind zu bestellen und auch im Kino wird man ent-
sprechende Einschaltungen vornehmen. Die letzte Bundespräsidenten-
wahl 1975 hat 13 Mio Schilling gekostet. Wien rechnet deshalb
mindestens mit 4 Mio Schilling Aufwand. Mit den 10 Schilling kommen
aber höchstens 2.5 Mio herein.
Der ehemalige Gewerkschaftsobmann und jetzige Gemeinderat Busta
legt sein Gemeinderatsmandat zurück und es wird Ing. Riedler. Eben-
so scheidet er aus den Sparkassenrat aus, wodurch neben Gratz,
Mühlbacher und Lackner in Hinkunft Meier, Hofstetter und Bandion
in die Z entsendet werden.
Die Werbeaktion ist abgeschlossen und hat 16.040 Mitglieder mehr
gebracht. Das sind 87.6 % des Werbeziels. Die Landstrasse liegt
mit 54 % an letzter Stelle. Netto verbleiben von den 16.000
3.000, alles andere ging durch Abgang wieder verloren. Die nächste
Werbeaktion wird insbesondere Mitarbeiter umfassen. Organisato-
risch ist vorgesehen, dass eine Broschüre jetzt für die Sektions-
arbeit rauskommt. Eine Bezirkszeitung wird vierteljährlich jetzt
von der Partei in jedem Bezirk erscheinen, Eine Kulturarbeits-
gemeinschaft wird gegründet und in jedem Bezirk soll ein Öffent-
lichkeitsarbeitsreferent ernannt werden, der insbesondere zu den
Zeitungen und Massenmedien besseren Kontakt herstellt. Vertrau-
lich wurde mitgeteilt, dass jetzt auch eine Runde der Presserefe-
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renten bei jeden Stadtrat sein woll . Einmal in der Woche,
nämlich am Montag, wird in der AZ jetzt der Organisations-
kalender erscheinen und mit der SJ, Jungen Generation und
Kinderfreunden-Vorständen wird der Wiener Ausschuss ein
Open House machen. Dies kann nur eine Massendemonstration
von etlichen hundert Teilnehmern werden, wenn alle daran
teilnehmen, was sicherlich nicht der Fall ist. Durch
diese ganztägige Sitzung wurde viel diskutiert, ich war
ja leider nur teilweise anwesend, und auch etliche Beschlüsse
gefasst. Trotzdem halte ich solche Sitzungen für sehr proble-
matisch, denn die Ausschussmitglieder, die daran nicht teil-
nehmen können, glauben weiss Gott was dort alles besprochen
wird und fühlen sich teilweise diskriminiert. Die Besetzung
z.B. der Gemeinderäte wäre ausschliesslich dem Ausschuss vor-
behalten und könnte gar nicht, auch vom erweiterten Vorstand,
beschlossen werden. Da es aber dringend war, musste es eben
von dem unzuständigen Organ vorgenommen werden. Ich bin neu-
gierig, ob sich das nächste Mal darüber wer aufregt. Ich glau-
be, eigentlich kaum.
Im Pressefrühstück, das diesmal so gut wie noch nie besetzt
war, kaum dass alle Beteiligten sitzen konnten, berichtete
Goldmann zuerst über die Arbeitsgruppen wegen der Bio-Sprit-
Untersuchungen. Wenn 5% Beimischung kommt, müsste der Benzin-
preis um 30 bis 50 Groschen erhöht werden. Der Bund würde sich
200 Mio Schilling ersparen durch Wegfall von Exportstützungen
und 65.000 Tonnen Öl bräuchten weniger importiert werden. Der
Bodenkulturprofessor Köttl von der Landwirtschaft hat natürlich
nur das Positive herausgestrichen. Seiner Meinung nach könnten
90.000 Tonnen Schlempe als Futtermittel verbraucht werden. Bis
zu 90.000 Tonnen könnten sogar zusätzlich dann noch für Rinder
als Flüssigfuttermittel im Umkreis von 10 Kilometern verwendet
werden. Mit einem Wort, es wäre äusserst günstig Getreide dafür
zu verwenden. Sollte Zuckerrübe aber verwendet werden, das
einen besseren Energieertrag gäbe, müsste man mit der Maische
halt Düngemittel erzeugen oder sonst irgendwie wesentlich
schlechter verwenden. Der Direktor Schreier von Vogelbusch wieder
hat alle technischen Details sehr positiv geschildert und der
Technikprofessor Schmidt meinte, es könnte bis zu 15, bis 20%
ohne schwerwiegende Probleme Biosprit beigemischt werden, wo-
durch eine bessere Verbrennung erfolgt. Derselbe Literverbrauch
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wäre, obwohl nur 70 % des Energiegehaltes bei Alkosprit
vorliegt, der CO-Gehalt würde fallen und man könnte sogar
wahrscheinlich Bleizusatz ein wenig senken. Die Importben-
zine müssten durch eine Mischanlage, die natürlich Investi-
tionskosten verursacht, sowie die Inlandsbenzine entsprechend
technisch möglich sofort gemischt werden. Ich erklärte dann de-
zidiert, dass jetzt das Handelsministerium alle Vorarbeiten ab-
geschlossen hat und dass eben jetzt bei den Produzenten, vom
Bauern angefangen, die sich ja schon mit einer Gesellschaft
bei der EBS organisiert haben, bis zu der Mineralölwirtschaft,
die ja letzten Endes die Übernahme und Beimischung durchführen
muss, liegt, wann und ob dieses Projekt zustande kommt. Jetzt
muss endgültig von der Mineralölwirtschaft resp. von den Sprit-
produzenten klar entschieden werden. Zu hoffen, dass das
Handelsministerium dekretiert, ist eine Illusion, denn dazu
habe ich weder die gesetzliche Grundlage, noch stehe ich auf
dem Standpunkt, dass in unserem Wirtschaftssystem alles immer
vom Staat dekretiert und damit bezahlt werden soll.
GD Fremuth hat in der Früh angerufen und mitgeteilt, dass in
der UdSSR er wider Erwarten sogar von einem Vizeministerprä-
sident und von sonstigen lauter erstrangigen Leuten empfangen
wurde, um über Strombezug zu sprechen. Wie mir MR Fälbl nachher
mitteilte, war anfangs sowohl in der Botschaft als insbesondere
bei der Handelsdelegation von der Reise Fremuths wenig bekannt
und man wollte sie sogar streichen. Als dann Fremuth aber sich
selbst eine so gute Verhandlungsposition geschaffen hat, ist
Botschafter Hinteregger sofort mitgelaufen. Die Russen haben
halt wahrscheinlich auch die Quarglerei in den verschiedensten
Kommissionen und offiziellen Gremien und über Botschaften usw.
satt und spüren, dass Fremuth als Verbundgesellschaft imstande
ist, auch für sie entsprechend interessante Projekte zu bringen.
Da die Sowjets auf alle Fälle Spitzenstrom brauchen, den wir ja
im Abtausch gegen Grundlast ohne weiteres zur Verfügung stellen
können, ergibt sich eine interessante Stromaustauschmöglichkeit.
Da die Russen jetzt eine 750 KV-Leitung bis Budapest gelegt haben,
glaubt Fremuth wäre es möglich über diese Leitung dann auch bis
Österreich und darüber hinaus nach den westeuropäischen Ländern,
Schweiz und Deutschland, eventuell sogar Frankreich und Italien,
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entsprechende Strommengen exportieren zu können. Nach Meinung
Fremuth könnte dies bis 1.000 Megawatt ab 1985 gehen.
Ich berichtete dann abschliessend schnell über die Öl-, Gas-
und Elektrizitätsverbräuche von Jänner bis November und verwies
natürlich, dass daraus beim besten Willen keine chaotische Energie-
versorgung, wie Abg. König von der ÖVP und Energiesprecher dieser
Partei immer wieder behauptet, festzustellen ist. Wenn König
aber die Ostabhängigkeit im Anhang an Fremuth besonders kriti-
siert, so erwarte ich, dass die ÖVP dem Energiesicherungsgesetz
zustimmen wird, wo, wie ich mit Frank anschliessend besprach,
auch eine entsprechende Lenkungsmöglichkeit für Importbezüge
vorgesehen werden muss.
Die Vorsprache der EUMIG-Betriebsräte von ganz Österreich war
erschütternd. In Wiener Neudorf sollen 430 gekündigt werden,
in Deutsch Altenburg 188, in Fürstenfeld 316 und in Kirchdorf
126, insgesamt über 1.000, sodass nur 4.500 Rest überbleiben.
Auch diese sind sehr gefährdet. Die Firma ist mit 2,3 Mia
Schilling verschuldet, die Länderbank mindestens 2 Mia, bei
einem Umsatz von 1,3 Mia Schilling und einem jährlichen Defizit
von 300 Mio. Aus der Zinsenbelastung allein müsste die Firma
200 Mio Schilling jährlich tragen. Eine ganz unmögliche Situation.
Da die CA 150 Mio Schulden, die Postsparkasse 108 Mio und die
Zentralsparkasse auch eine dreistellige Zahl zusätzliche Ver-
schuldung der EUMIG besitzt, wird von den Betriebsräten befürch-
tet, dass diese versuchen zu ihrem Geld zu kommen und damit der
Betrieb in Konkurs gehen muss. Androsch berichtete dann im
Ministerrat, dass die Länderbank im Aufsichtsrat 200 Mio neuer-
lich Kreditmittel beschlossen hat, wodurch die Liquidität bis
Ende März gesichert ist und bis zu diesem Zeitpunkt das Sanie-
rungskonzept vorliegen soll. Die EUMIG-Bilanzen waren bereits
seit 1974 negativ und schlecht und scheinbar ist in der Länder-
bank niemand oder, wenn überhaupt, wesentlich zu spät darauf-
gekommen. Die Situation liegt daher auch für die Länderbank
äusserst ungünstig. Die Beschäftigung der Entlassenen ist
einigermassen gesichert, denn Philips und Siemens werden fast
600 aus Wiener Neudorf und Deutsch Altenburg übernehmen können.
Auch in Kirchdorf wird man die Leute unterbringen. Das Problem
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liegt nur bei Fürstenfeld. Hier wäre es interessant, wenn
es gelänge die Agfa dort zu etablieren. Entsprechende Sicher-
stellungen würde ja die Länderbank jederzeit geben.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Gröger soll sofort entsprechende
Versuche mit Agfa einleiten.
Vor der Ministerratssitzung habe ich Landwirtschaftsminister
Haiden darauf aufmerksam gemacht, dass sein SChef Steiner
unbedingt zur ministeriellen Vorbesprechung für die EG-Ver-
handlungen das Handelsministerium einladen muss. Haiden wird
Entsprechendes veranlassen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Steiger informieren.
In der Vorbesprechung hat Androsch Kreisky zu seinem morgigen
Geburtstag gratuliert und weitere erfolgreiche Zusammenarbeit
und insbesondere Gesundheit gewünscht. Kreisky hat einmal mehr
darauf wieder verwiesen, wie gut dieses grosse Mass der Zusam-
menarbeit in unserer Regierung funktioniert, was auf eine ein-
heitliche Partei zurückzuführen ist und sich wohltuend gegen-
über Deutschland, Italien und Frankreich, wo es schwere innere
Konflikte, sei es in der Partei, oder in den Regierungen gibt,
unterscheidet. Kreisky wird jetzt die Asien-Reise antreten, auch
dann wenn die ÖVP, Ettmayer, meint, er sollte dies unterlassen,
weil sie schlecht vorbereitet ist.
Der UdSSR-Botschafter war heute bei ihm und hat sanftmütig, wie
wenn er vom heiligen Stuhl entsendet worden wäre, die sowjetische
Situation dargelegt. Die UdSSR steht unter Zwang und er versteht
die Aufregung wegen Afghanistan nicht. Dort war immer die UdSSR
vertreten und 10.000 Aufständische militanter Art hätten dort
jetzt den Bürgerkrieg entfacht. Wenn sowjetische Soldaten dort
als Freundschaftspakt einmarschieren, regt sich die Welt auf,
dass in Kuba und Panama US Soldaten stehen, vergisst man dabei.
Sicher war die UdSSR über die Reaktion der Welt sehr überrascht.
Für die Amerikaner ist die afghanische Besetzung wie gewünscht
gekommen aus innenpolitischen Gründen. Der Botschafter versicherte,
dass es sich hier um eine isolierte Aktion gegen Afghanistan
handelt und dass nicht die Absicht besteht, weder nach Pakistan
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oder Iran oder sonst wo sich einzumischen. Er komme im Auftrag
Breschnews, um dies neuerdings zu versichern und der UdSSR komme
es nicht in den Sinn in Jugoslawien einzugreifen. Österreich,
das sich immer für die Entspannungspolitik eingesetzt hat, er-
sucht er diese Politik weiterzuführen.
Eine längere Diskussion gab es dann wegen der Olympiade. Hier
werden wir abwarten. Auf gar keinen Fall kommt eine Gegenolympiade
in Frage. Sinowatz teilte mit, dass der Präsident des österrei-
chischen olympischen Komitees Heller erklärt hätte, man werde
die Meinung der Österreicher bei einer Entscheidung berücksich-
tigen und natürlich die Regierung fragen.
Eine lange Diskussion ergab sich, weil Weissenberg dem
FPÖ-Abgeordneten Haider in der Fragestunde am Mittwoch Antwort
geben soll, wie der Abbau der Stützung der Lebensmittel, die
Energiepreisverteuerungen usw. für die Pensionisten berücksich-
tigt werden. Laut Grundsatznorm ASVG und die anderen Sozialver-
sicherungsgesetze liegt die AZ-Ausgleichszulagenregelung eigent-
lich bei den Ländern. Seinerzeit wurde nur unter Kamitz, als die
halbe Gewerbesteuer im Finanzausgleichsgesetz dem Bund gegeben wur-
de, übernommen diese Ausgleichszulagen zu bezahlen. Die Richt-
sätze werden deshalb immer von der Kommission festgesetzt und
der Bund geltet sie mit 5.5 Mia Schilling ab. Theoretisch müssten
aber die Länder dafür aufkommen. Darauf wollte Weissenberg be-
sonders verweisen, insbesondere dass ja die Fürsorgerichtsätze
der Länder höher sein können als die Richtsätze der Ausgleichs-
zulagen. Androsch meinte, dass wir ja heuer die Pensionen um 5.6%
anheben, obwohl die Aktiven nur 4.2 bis 4.5% erhalten haben.
Kreisky hatte nur Bedenken, dass man die Länder zu sehr auffor-
dert sich um die sozial Bedürftigsten anzunehmen. Letzten Endes
würden dies vielleicht sogar die Länder machen, um dann zu be-
weisen, dass sie wieder einmal einspringen, weil der Bund versagt.
Zusätzliche Mittel aber, wie wir dies zweimal in der Vergangenheit
für eine zusätzliche Abgeltung gemacht haben, kann der Finanz-
minister nicht zur Verfügung stellen.
Sowohl der Zentralsekretär der Metallarbeiter Wille, als
auch der Obmann der Privatangestellten Dallinger hatten
mich verwundert gefragt, wieso die Sozialversicherung jetzt
4.000 Betten im Waldviertel bauen und betreiben soll. Der
Sozialminister Weissenberg hatte mir dezidiert erklärt, dass
dafür natürlich überhaupt keine Geldmittel von der Sozialver-
sicherung oder von ihm selbst zur Verfügung gestellt werden
könnten. Genauso unmöglich betrachtet die Gewerkschaftsbewe-
gung auch den Vorschlag, man sollte einen 8- oder 14-tägigen
zusätzlichen Urlaub für die Schichtarbeiter oder Nachtarbeiter
dekretieren, damit dann diese Sozialversicherungseinrichtungen
dort entsprechend belegt werden. Hier wird also die Idee von
Mayr, der sie ja Kreisky eingeredet hat, sicherlich scheitern.
In der Bundeshandelskammer, so habe ich erfahren, herrscht des-
halb helle Aufregung und Empörung, dass der Staat hunderte Mil-
lionen jetzt auf diese Art und Weise in den Fremdenverkehr für
eine Privatfirma pumpen will. Die meiner Meinung nach sehr un-
glückliche Mitteilung von Mayr auf der Hoteliervereinigungs-
tagung schlägt also ungeheure Wellen. Rauskommen kann und wird
überhaupt nichts.
Tagesprogramm, 21.1.1980
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)