Mittwoch, 8. August 1979
Zur von mir einberufenen Sitzung erscheint von der Donau-Chemie
GD Belval und Dr. Frick. Von der Verbundgesellschaft Dir. Sommerbauer, der die Verhandlungen wegen des Grundstückes führt und
Bürgermeister Rabl. Ich erkläre die Sitzung war deshalb so
dringend und notwendig, weil der Bürgermeister Rabl, namens Zwen-
tendorf grösste Bedenken hat, wenn das Kohlekraftwerk jetzt in
Atzenbrugg, der Nachbargemeinde, errichtet wird. Rahel verweist
darauf, dass es in seiner Gemeinde, bei der Donau-Chemie ein rie-
siges Industriegrundstück gibt, von 240 ha, welches nicht genutzt
wird. Die Donau Chemie wird es auch in Hinkunft niemals nützen,
da sie bei ihrem ursprünglichen Gelände an der Donau noch genug
Platz für sämtliche Aktivitäten, die sie eventuell in den nächsten
3 Generationen entfalten möchte, dort unterbringt. Dieses zweite
Grundstück wurde im Weltkrieg für die Munitionsfabrik Skoda-Wetz-
lar den Bauern durch Enteignung weggenommen. Im zweiten Welt-
krieg wurde dann eine weitere Enteignung durchgeführt. Die Bauern
erhielten damals 29 Pfennig pro qm. Einige haben das Geld gar
nicht genommen, weshalb es jetzt noch immer beim Kreisgericht
St. Pölten deponiert ist. IG Farben, Hoechst, Leuna Merseburg,
haben damals unter dem Titel der Donau-Chemie und dass man Indu-
striegrund schaffen muss, dieses Werksgelände erworben und aus-
gebaut. Nach dem Krieg hat es dann die sowjetische Mineralölver-
waltung bis 1955 und weitere paar Jahre dann noch die ÖMV bis
zur Übersiedlung in die Raffinerie nach Schwechat betrieben. Die
Gemeinde erwartet, dass jetzt endlich mit diesem Industriegrund
etwas geschieht. GD Belval erklärt, sie hätten zuerst für das
gesamte Gelände, 240 ha, 280 Mio. Schilling verlangt. Bei den ersten
Verhandlungen hätte Bandhauer 150 Mio. Schilling geboten, weshalb
sie dann sogar auf 180 Mio. Schilling zurückgegangen sind. Es gibt
daher keine unüberwindlichen Schwierigkeiten, man bräuchte nur die
30 Mio. Schilling jetzt überbrücken. Sommerbauer erklärt, wieso
es zu diesen 150 Mio andeutungsweise gekommen ist. Konkret hätte
man aber nur von 600 Mio. Schilling geredet, 70 Schilling für den
qm wo das Kraftwerk gebaut werden soll, ca. 60 ha, und 30 Schilling
für das sonstige Gelände von 180 ha. Das wirkliche Problem ist
nicht der Geländepreis, sondern dass auf dieses Gelände eine Un-
zahl von Bomben gefallen sind, Blindgänger drinnen liegen und dass
49-0908
die Säuberung des Geländes 330 Mio. Schilling kosten würde.
In Atzenbrugg seien diese Kosten nicht in so grossem Ausmass.
Der Entminungsdienst hat festgestellt, daß er in Atzenbrugg leichter
Blindgänger orten kann. Im Industriegelände seien dagegen so viele
Stahlteile, alte Träger usw. im Boden, dass man den Boden 1 Meter
abtragen muss, bevor der Entminungsdienst dann gegebenenfalls
darunter Bomben orten könnte. Dies wird von Dr. Frick auf das
entschiedenste bestritten. Richtig sei, dass auf das Gelände
40.000 Bomben gefallen sind, die Werkschutzleitung hat aber da-
mals jedes Loch nachgesehen und nach 1945 hatte SMV darauf gebaut,
sodass nichts passieren könnte. Bürgermeister Rabl meint, auch bei
Atzenbrugg seien viele Bomben gefallen, denn dort hätte es ein
Munitionslager gegeben. Nach Auskunft des Entminungsdienstes teilt
Sommerbauer mit, müsste man mit 3,7 % Blindgängern rechnen, die
bis zu 5 Meter Tiefe liegen können. Dabei kann es sich auch noch
um Säurezündungen handeln, die noch immer jetzt sich automatisch
auslösen könnten. Vor etlichen Jahren ist so etwas in der Gegend
passiert. Sommerbauer meint dann noch, es würde die Gemeinde Zwen-
tendorf von dem Gewerbesteuerertrag von der Gemeinde Atzenbrugg
einen grossen Teil bekommen, weil ja die Arbeiter in diesem Kohle-
kraftwerk in Zwentendorf wohnen. Rabl stellt fest, dass es ihm
nicht allein um das Geld geht – er behauptet sogar überhaupt
nicht – sondern nur um die Nutzung des Industriegeländes und um
Umweltschutzfragen. Wenn nämlich das Kohlekraftwerk bei Dürnrohr
auf Atzenbrugger Gebiet gebaut wird, dann bedeutet dies eine Staub-
einwirkung auf das Umspannwerk und vor allem auch auf die Gemeinde
Dürnrohr. Sommerbauer sagt bezüglich der Schadstoffe, die 21
Stunden pro Jahr auf Dürnrohr und 6 Stunden pro Jahr auf Zwenten-
dorf auf Grund der meteorologischen Grundlage einwirken, liegen
diese tief unter den akademischen Richtlinien. Wenn der Wind ent-
sprechend bläst, dann würde anstelle mit Kohle, mit Gas gefeuert
werden. Dazu hat die Niogas die notwendigen Mengen bereitgestellt.
Da das Kraftwerk bereits im Winter 1984 in Betrieb sein muss,
bleibt nicht allzu viel Zeit mehr, um jetzt den endgültigen Bau-
grund zu kaufen. Ich schlage deshalb vor, die Donau-Chemie soll
unverzüglich jetzt überlegen, dass sie nicht das gesamt Grund-
stück mit 340 ha, sondern eben nur die von der Elektrizitätswirt-
schaft geforderten 60 ha verkauft. Darüber hinaus wird es über den
Kaufpreis kein Problem geben, wenn das Grundstück geräumt über-
geben werden kann. Wenn die Donau-Chemie überzeugt ist, dass dort
49-0909
nichts drinnen liegt und der Entminungsdienst dies auch be-
stätigt resp. die Räumung vornimmt, dann könnte der Vertrag
nächste Woche noch abgeschlossen werden. Die Donau-Chemie wird
mit ihrem französischen Eigentümer sofort Kontakt aufnehmen.
Sommerbauer erklärt mir nachher, nachdem ich mit ihm und Satzin-
ger allein rede, dass sowohl der französische Generaldirektor,
ein ehemaliger Offizier, aber auch Dr. Frick nichts zu reden
haben. Dort bestimmen alles die Franzosen. Um dem Bürgermeister
Rabl zu demonstrieren, dass wir uns sehr einsetzen damit dieses
Kraftwerk auf seinem Gemeindegebiet gebaut wird, schlage ich
Sommerbauer vor, wir sollten morgen eine Besichtigung des Gelän-
des mit dem Entminungsdienst und Bundesheer vornehmen. Ich warne
insbesondere Sommerbauer mit der Gemeinde Zwentendorf jetzt
zu keiner einvernehmlichen Regelung zu kommen, auch dann wenn
es in Atzenbrugg gebaut wird. Man darf nicht vergessen, dass man
früher oder später wegen des Kernkraftwerkes Zwentendorf die
Gemeinde Zwentendorf dringendst brauchen wird. Ausserdem müsste
über das Gemeindegebiet der Kühlwasserkanal zur Donau gebaut
werden. Sommerbauer sieht dies auch vollständig ein, meint er
hat bis jetzt sich immer sehr bemüht mit Bürgermeister Rabl
gut auszukommen und wird diese Politik fortsetzen. Da der Vize-
bürgermeister von Zwentendorf, der Präsident des NÖ Landtages,
ein prominenter ÖVP-ler ist, hat dieser auch bereits GD Gruber
von der NEWAG entsprechend beeinflusst, ja fast gezwungen, dass
auch die NEWAG ihr Kraftwerk auf Zwentendorfer Gebiet bauen
soll. Einmal mehr zeigt sich jetzt wieder an diesem konkreten
Beispiel wie schwierig es ist, eine endgültige Entscheidung
dann zu treffen, wenn man erstens unter Zeitdruck und zweitens
unter einen politischen Druck steht. Ich möchte auf alle Fälle
Bürgermeister Rabl demonstrieren, dass ich mich sofort, nachdem
ich durch reinen Zufall mit ihm zusammengestossen bin, mit allen,
mir zur Verfügung stehenden Mittel, für Zwentendorf einsetze.
Dies mache ich nicht nur aus politischer Überzeugung, sondern
weil ich wirklich glaube, dass es nicht gerade sehr sinnvoll ist,
ein brachliegendes Industriegelände zu haben und darauf nichts
zu bauen.
Tagesprogramm, 3.8.1979