Donnerstag, 9. August 1979
Zur Besprechung zur Donau-Chemie wegen des Grundstücksverkaufs
an die Elektrizitätswirtschaft waren zwei Dutzend Leute ge-
kommen. Die Donau-Chemie hatte alles versucht nachzuweisen,
dass ihr zum Verkauf vorgesehenes Gelände von 240 ha
äusserst günstig ist. Über den Kaufpreis könnte man sich wahr-
scheinlich auch leicht einigen, wenn der Entminungsdienst
nicht grösste Bedenken hätte, ungeräumt das Gelände neu zu
bebauen. Die Donau-Chemie hat zwar mit Recht nachgewiesen,
dass auch nach dem zweiten Weltkrieg von der SMV, sowjetische
Mineralölverwaltung, und später wahrscheinlich auch sogar noch
teilweise von der ÖMV auf dem Gelände Bauten aufgerichtet
wurden. Damals hat allerdings der Entminungsdienst resp. die
dafür zuständigen Behörden wesentlich andere Masstäbe angelegt
als jetzt. Der Sicherheitsingenieur aus Kriegszeit vom Werk
Moosbierbaum, der jetzt schon in Pension ist, als auch
ein zweiter Ingenieur, der jetzt noch bei der Donau-Chemie
arbeitet, haben mitgeteilt, dass nach jedem Bombenangriff
der für Planabschnitte verantwortliche Meister jeden Bombentrichter
jeden Blindgänger und auch jeden Toten auf einem Plan einzutragen
hatten. Auf Grund dieses Planes wurde dann die Suche nach
Blindgängern aufgenommen. Trotzdem sagt Hofrat Meindl vom Ent-
minungsdienst, dies sei jetzt nicht mehr entscheidend. Bevor
er das Gelände freigibt, muss es vollkommen nach Blindgängern
abgesucht sei. Da in diesem Werk aber eine Unzahl von Splittern,
Leitern usw. unter der Erde liegen, sprechen Minensuchgeräte
darauf an und man kann nicht feststellen, handelt es sich um
einen gewöhnlichen Splitter oder um einen Blindgänger. Der für
die Pioniertruppe zuständige Oberst im Bundesheer hätte
sich bereiterklärt, mit seinen Hunderten Pionieren das Gelände
abzusuchen. Die sehr feinen Pioniergeräte orten bis 1,5 m
unter der Erde jeden Nagel. Dadurch würde aber auch wieder
nur festgestellt werden, dass der Boden metallverseucht ist.
Worum es sich dabei handelt, können die Pioniere nicht feststellen.
Der Entminungsdienst hat ein Gutachten abgegeben, daß 95 %
des Gebietes auf Grund von Stichproben als metallverseucht
gelten muss. Die Firma Schu, die die Räumung vorzunehmen hat,
und die neben Porr einen entsprechenden Vorschlag gemacht hat,
meinte, sie glaube nicht, dass das ganze Gelände abgetragen
werden muss wie die Elektrizitätsgesellschaft vorgesehen hat.
Dies alles hilft aber in Wirklichkeit gar nichts, denn solange
der Entminungsdienst nicht sagt, jetzt ist die volle Sicher-
heit, wird niemand von der Elektrizitätswirtschaft bauen. Aus
diesem Grund konnten wir dann auch bei einer speziellen Be-
sichtigung des Baugeländes insbesondere der Baugrube, wo das Kraft-
werk hinkommen sollte, keine Einigung erzielen. Da aber niemand
eine Verantwortung für die Sprengstoff-Freiheit übernehmen will,
der Entminungsdienst dann auf alle Fälle diese Bestätigung
ausstellen muss, hat selbst Bürgermeister Rabl unter vier
Augen mir dann zugegeben, dass er keine Chance sieht, dass
das Kraftwerk dort errichtet wird. Wir besichtigten dann die
zweite Baustelle auf dem Gemeindegrund in Atzenbrugg unmittelbar
an den Anschluss vom Umspannwerk der Verbundgesellschaft und der
NEWAG in Dürnrohr. Dort sagte der Bürgermeister, dass wenn Moos-
bierbaum vernebelt wurde und dies war bei jedem Luftangriff
an jedem Montag der Fall, kann es vorgekommen sein, dass der
Nebel vertrieben wurde und dann Notabwürfe erfolgten, auch in
die Gegend, wo jetzt das neue Kohlekraftwerk kommen sollte.
Ausserdem befanden sich dort Munitionsbunker der deutschen
Wehrmacht. Die Abbruchfirma Schu hat seinerzeit, als das
grosse Areal für die Umspannwerke gebaut wurde, das Gelände ge-
räumt und dabei eine einzige Bombe gefunden. In das ganze
Gebiet wurde seinerzeit auf Moosbierbaum der grössten Hydrier-
anlage in Deutschland über 40.000 Bomben geworfen. Wenn es
Montag früh Bombenalarm gegeben hat, dann haben die Bauern
ihre Kühe an einen Wagen gebunden und sind weit in die Wälder
des Wienerwaldes hinaufgefahren. Die ganze Gegend ist sicherlich
heute noch sehr metallverseucht, kritisch wird es dagegen nur,
wenn bei den ca. 5 % Blindgängern, die auch vom Abwurf stati-
stisch zu errechnen ist, noch eine chemische Zündung bei
einem Blindgänger ist. In diesem Fall kann er nicht entschärft
werden sondern muss gesprengt. Der Entminungsdienst wird jetzt
bis Montag ein Gutachten über das neue Gelände abgeben. Die
Elektrizitätswirtschaft ist nur unter einem furchtbaren Zeit-
druck, denn das Kohlekraftwerk muss im Herbst 1984 in Betrieb
gehen. Ich habe dann den Vertretern der Verbundgesellschaft,
insbesondere Dr. Sommerbauer, aber auch dem der Newag, Dir.
Pöhnl dringend nahegelegt, sich dringend mit dem Bgm. Rabl
zu einigen. Ich verwies unter diesem 8-Augen-Gespräch, dass
49-0912
wir den Bürgermeister von Zwentendorf oder besser gesagt
die Gemeinde von Zwentendorf in Hinkunft dringendst brauchen
werden. Die Verbund und die Newag sind daher auch brennendst
daran interessiert, eine Lösung zu finden, die die Gemeinde
Zwentendorf noch akzeptieren kann. Zu diesem Zweck haben
sie dann sofort Gespräche aufgenommen, wie sie die Kohleabladung
und vieles andere so plazieren können, dass es noch auf dem
Gemeindegebiet Zwentendorf liegt. Auf alle Fälle hat Bürgermeister
Rabl gesehen, dass ich mich sehr eingesetzt habe und dass ich
bestrebt bin, ein Kompromiss zu erzielen, das er noch akzeptieren
kann. Mehr war für mich auch als ich diese Idee fasste, dort
die Besichtigung und Besprechung an Ort und Stelle zu machen,
nicht drinnen. Die Verbund und NÖ haben für die neue Gesellschaft
errechnet, wieviel sie, wenn sie die ganzen Abtragungen und
Sicherungen durchführen müssten, Moosbierbaum pro m² zahlen
könnten. Das Ergebnis war erschütternd, 15.– S gegenüber den 70.– S,
die mindestens die Donau-Chemie erwartet. Auf dieser Basis ist
jede Vermittlung sinnlos, denn da kann es keinen Kompromiss
geben.
Bgm. Rabl hat mir dann vorgeschlagen, da ja natürlich dieses
riesige Industriegelände nicht brach auf seiner Gemeinde liegen
haben will, sollte die Öffentliche Hand die Entminungen resp.
die entsprechende Säuberung vornehmen. Ich sehe die einzige
Möglichkeit darin, dass ich mit Verteidigungsminister Rösch
sprechen werde, ob er nicht durch Truppenübungen, Pioniere,
Sprengmeister usw. dort entsprechende Ausbildungsaktivitäten ent-
faltet und dadurch schön langsam Meter für Meter das ganze
Gelände frei wird. Angeblich hat das Bundesheer schon Interesse
gezeigt, dieses Gelände dort als Truppenübungsplatz zu kaufen.
Ich werde bei der nächsten Ministerratssitzung mit Rösch darüber
reden. Vorher wird es allerdings zweckmässig sein zu erfahren,
was die Militärs tatsächlich beabsichtigen, resp. leisten
können.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mit Büro Rösch in Verbindung setzen.
Von St. Gallen hat mich Frau Bandhauer verständigt, dass ihr
Mann leider wesentlich schwerer erkrankt ist, als man ursprünglich
angenommen hat. Dir. Nentwich von der GKT hat Satzinger
49-0913
mitgeteilt, er hätte ein Anbot auf eine Universität nach
Deutschland. Er möchte aber lieber in Österreich bleiben.
Ich bin überzeugt, dass sich hier Möglichkeiten ergeben
werden. Trotzdem werde ich keine bindende Erklärung ab-
geben, weil ist dies bis jetzt nicht gemacht habe und auch
in Hinkunft nicht machen werde. Eine bindende Erklärung,
ein bindendes Versprechen kann ich nur dann abgeben, wenn
ich genau weiss, wie es wirklich läuft und wie es ausschliess-
lich in meiner Kompetenz und Entscheidung liegt. Dies ist
aber selbst wenn ich Eigentumsvertreter in der Elektrizitäts-
wirtschaft bin, nicht der Fall. Trotzdem bin ich überzeugt,
werden wir für Nentwich eine Beschäftigung finden, die ihn
befriedigt. In der Elektrizitätswirtschaft läuft vom Energie-
sparen bis letzten Endes zu den Neubauten leider derzeit
nicht alles wie am Schnürchen. Ich bin aber überzeugt, dass
wenn nicht zu sehr von aussen hineinregiert wird, ich selbst wie
in der Energiekrise 1974 auch dieses Problem wieder in den
Griff bekomme.
Tagesprogramm, 9.8.1979