Dienstag, der 17. Juli 1979 bis Mittwoch, der 18. Juli 1979

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Dienstag, 17. Juli, bis Mittwoch, 18. Juli 1979

MR Steiner vom Landwirtschaftsministerium informiert mich, dass
jetzt 50.000 Tonnen Gerste aus der vorjährigen Ernte Sperrlager
zum Export ausgeschrieben werden. Ich bin überzeugt davon, dass
es zu diesem Export gar nicht kommen wird, denn jedermann will diese
gute Gerste vom Vorjahr noch erwerben, da die heurige Ernte eine
sehr schlechte Qualität hat. Bei Schweinen erfolgte eine Ex-
portausschreibung von 200 Tonnen. In den Kühlhäusern kostet
das Kilo jetzt 22.– Schilling. Für die UdSSR, die den Zuschlag
bekäme, konnten 17.35 Schilling erlöst werden. Die Stützung in-
klusive aller aufgelaufenen Kosten ist 7.80 pro Kilogramm. Die
anderen Offerte waren noch schlechter und hätten eine noch grössere
Stützung erfordert. Bei Schlachtrinder möchte Steiner die Stützun-
gen von 10 auf 9 Schilling, die der Bund gibt senken, die Länder
haben bis jetzt 2 Schilling bezahlt und möchten ebenfalls 1
Schilling einsparen. Grössere Exporte gibt es nur nach Libyen
und es ist fraglich, ob man dort tatsächlich diese Stützungsein-
sparungen wird durchziehen können. Die europäischen Gemeinschaften
haben jetzt den Nutzrinderimport freigegeben. Steiner geht jetzt
auf Urlaub in sein eigenes Haus nach Oberösterreich, wo er je-
derzeit telefonisch erreichbar ist. Ich vereinbare mit ihm, wie
ich Landwirtschaftsminister Haiden versprochen habe jeden Akt,
bevor ich ihm unterschreibe, seine Zustimmung und Stellungnahme
einzuholen.

ANMERKUNG AN ALLE: Bitte stets zeitgerecht die Verbindung mit
Steiner herstellen.

Im Ministerrat hat Kreisky ohne Vorbesprechung keinerlei Berichte
oder Informationen gegeben. Bei der Tagesordnung hat er sich nur
über die Riesendelegation der einzelnen Ministerien, insbe-
sondere des Bundeskanzleramtes und des Aussenamtes bezüglich der
grossen wissenschaftlichen Tagung der UNO im September aufgeregt.
Firnberg meinte zwar, es sind nur 5 Delegierte und 5 Stellvertre-
ter von ihr vorgeschlagen worden. Die grosse Masse der Beamten, es
waren wirklich ein paar Dutzend, haben sich dann über die einzelnen
Ressorts selbst gemeldet. Im Handelsressort konnte ich feststellen,
war es insbesondere das Patentamt welches durch mehrere Vertreter
an der Tagung als Experten teilnehmen würde. Kreisky hat ent-


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schieden, dass diese nicht zum Tagungsbeginn oder während
des Tagungsverlaufes dort anwesend sein sollten, sondern ge-
gebenenfalls zu Gesprächen abberufen werden. Davon halte ich
nicht viel, denn wenn die Beamten, wie Kreisky meint, nichts ar-
beiten, dann sicherlich auch nicht in ihren Büro, wo sie auf
ihren Abruf warten sollen. In einem oder anderen Fall wird es
sogar wirklich zweckmässig sein, wenn der Beamte versucht mit
seinen Kollegen aus aller Welt über ein gewisses Problem, welches
er sonst auf einer internationalen Tagung zur Sprache bringen
müsste oder würde, Kontakt in der UNO zu bekommen und vielleicht
eine oder andere Frage zu lösen. Die grosse Gefahr ist natürlich,
dass dabei nichts anderes herauskommt, als eben eine nächste in-
ternationale Aussprache irgendwo im Ausland, wo er dann nachdem
dies in Wien vorbereitend organisiert wurde, dann auf alle Fälle
hinfahren wird müssen oder zumindestens wollen.

Auf den Flug nach Wolfsburg hatte ich Gelegenheit mit Dr. Himmer
die Porsche KG ist auch am Hübl-Projekt gross beteiligt – über
Ing. Hübl und seine Taktik dieses Projekt durchzuziehen, zu ver-
handeln. Dr. Himmer teilt meine Meinung, dass Hübl ein äusserst
tüchtiger Manager ist, der dieses Projekt sicher durchziehen wird.
Bezüglich der Seriosität meinte er, man müsse ihm genau auf die
Finger schauen. Dies werde ich so gut es irgendwie geht sicherlich
tun. Wichtig erscheint mir nur, dass jetzt durch die Ausschreibung
und die Offerteröffnung klar und deutlich eine der drei öster-
reichischen Firmen, die am billigsten sind, zum Zuge kommen werden.
GD Grünwald von der ÖIAG hat mich dann telefonisch gefragt, wie
weit es jetzt mit diesen Projekten steht, er war auch sehr er-
freut zu hören, dass es eine österreichische Konstruktion und
Projekt werden wird.

In Wolfsburg versuchte ich sofort in der Forschungs- und Entwick-
lungsabteilung Prof. Fiala, Dr. Seifert und Meinrad Auskunft über ihre
Erfahrungen zu erlangen. Freiwillig wurde mir alles gezeigt. In-
teressant war nur, dass sich im Windkanal, wo ich nicht gemeldet
wurde, sofort feststellen konnte, dass neue Modelle, die sie
dort getestet haben, mit Autoüberzügen sofort verdeckt wurden.
Verständlicher weise soll niemand Aussenstehender die neuen For-
men der Modelle zu Gesicht bekommen. Man überschätzt in dieser
Beziehung immer das Wissen resp. die Detailkenntnisse fremder


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Leute, insbesondere vielleicht auch eines Ministers.

Die Wolfsburger haben mit 15 % Ethylenbeimischung, wie sie
in Brasilien gang und gäbe sind, gute Erfahrungen gemacht. Die
Schwierigkeit in Brasilien besteht nur darin, dass keine gleich-
mässige Beimischung erfolgt. Man kann manchmal fast keinen Alko-
hol in den Benzinen antreffen, manchmal sogar bis zu 20%. Prof.
Fiala meinte mir gegenüber in einem fast 4-Augen-Gespräch, es
sollten die Regierungen jetzt bereits verlangen, dass Kunststofftei-
le alkoholfest sein müssen. Dann wird man sich in ein paar Jahren,
wo grössere Alkoholmengen beigesetzt werden können, nicht mehr
die in dieser Frage jetzt vorhandenen Schwierigkeiten beseitigen
müssen. Eine 5%ige Beimischung macht überhaupt keine Schwierig-
keiten. In Deutschland werden derzeit 2% Methanol beigemischt.
Methanol ist wesentlich komplizierter und schwieriger als
Ethanol. Mit Amerikanern haben sie ein Gespräch geführt und diese
sagten ihnen, sie würden Äthanol heimischen, wenn 1 Liter Benzin
äquivalent unter 1.30 Mark fällt. So hoch stellt sich derzeit aber
der Ethanolpreis. In Deutschland ist dieser Benzinäquivalentpreis
derzeit 1.50 DM. Derzeit arbeitet Volkswagen auf Benzinerspar-
nisse von 4 Bereichen. Erstens möchte sie aerodynamisch von 0.42
auf 0.3 kommen. Dies würde bedeuten, dass minus 10% cw , eine Kenn-
ziffer, mit der ich zwar nichts anfangen kann, erreicht werden
müsste. Dadurch ergäbe sich eine Benzinersparnis von 3%. Weiters
könnte beim Motor im Teilrastbereich bis 1.6 Liter erspart werden.
Dies könnte durch mechanische Lader oder durch Abgasturbolader
erfolgen. Auch hier kann ich mir nichts im Detail vorstellen.
Drittens wären die Getriebe entsprechend zu verbessern. Die
Leistung der Turbo CW und vor allem ein fünfter Gang, ein Direkt-
gang, könnte hier beim Motor und Getriebe eine fast 20%iges Ein-
sparung ergeben. Als letzter und wichtigster Punkt aber handelt
es sich um Gewichtsverminderungen. Die bisherige Formel, 100 Kilo
weniger, ist minus 1 Liter, ist vollkommen falsch. Aufgrund ihrer
Erfahrungen und Berechnungen kann man bei 100 Kilogramm Gewichts-
senkung 0.3 bis 0.4 Liter ersparen. Mit amerikanischen Fachleuten
und insbesondere auch den zuständigen Minister wurde im Volkswagen-
werk einmal diskutiert. Derzeit fahren die Amerikaner 30 Meilen
pro Gallone. Die Zielvorstellung ist 50 Meilen. Dies halten Fiala
und seine Leute für ganz unmöglich. Maximal könnte in nächster
Zeit 35 Meilen pro Gallone erreicht werden.



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Die Volkswagenverkaufsstrategie hat sich, wie mir Generaldirektor
Schmücker und vor allem der Verkaufsschef Schmidt mitteilte,
wesentlich geändert. In den 60er Jahren haben sie 2,3 Mio
Stück pro Jahr erzeugt und 3 Typen gehabt. Den Käfer, den 1600
und den Transporter. Jetzt erzeugen sie auch nicht mehr und haben
13 Modelle. Nie mehr wieder, hat mir der Einkaufsschef Münzner
schon vor Jahren gesagt, werden sie auf ein so geringes Paletten-
programm wie seinerzeit zurückkehren. Damals hatten sie die Angst,
dass es ihnen mit dem Käfer genauso ergeht, wie Ford mit dem seiner-
zeitigen Typ T, Tin Lizzie, der auch gut abgesetzt wurde und dann war
über Nacht Schluss. Ford wäre damals bald zugrunde gegangen. Volks-
wagen war in einer ähnlichen Situation. Der Rückschlag 75, der ihnen
800 Mio. DM Verluste gebracht hat, 15.000 Arbeiter entlassen mussten,
soll nie mehr wieder kommen, weshalb sie eine grössere Produktpalet-
te und vor allem aber nicht mit voller Kapazität fahren. Die Ar-
beitskräfte können sie gar nicht bekommen, obwohl sie sehr gut be-
zahlen. Hilfsarbeiter verdienen von 12.58 DM bis 14.50 DM die
Stunde in der Fertigung, die Facharbeiter von 15 DM bis 21 DM der
Vorarbeiter.

Ihr Dieselprogramm geht dahin, dass Klöckner-Humboldt-Deutz einen
neuen Diesel entwickelt, der mit 2 Tankfüllungen je nach den Last-
bereich arbeiten sollte. Dort könnte Methanol bis 80% beigemischt
werden. Da es aber mit 2 Tanks Schwierigkeiten geben wird, allein
der Autofahrer muss aufpassen, dass beide immer noch Kraftstoff
gleichzeitig drinnen haben, möchte VW lieber für die kleinen PKW
mit Mischkraftstoff arbeiten. Dabei kommt auch Äthanol besser
in Frage als Methanol, welches nur die Hälfte der Energie einsparen
würde. Durch Direkteinspritzung Turboaufladung den 5. Gang usw.
denkt man den Dieselkraftstoff von 6.8 Liter auf 5 Liter senken zu
können. Ich bin dann versuchsweise mit einem Golf, 100%igen
Alkoholantrieb gefahren. Als Fahrer hat man überhaupt nichts be-
merkt. Die Verdichtung muss geändert werden, die Beschleunigung hat-
te ich das Gefühl, ist ein wenig besser als bei Benzinantrieb.
Da ich aber kein Golf-Fahrer normal bin, konnte ich dies nicht
einwandfrei feststellen.

Da mir Gen.Dir. Schmücker die besten Grüsse an Kreisky mitgegeben
hat, habe ich ihm abends davon noch verständigt. Er meinte, er
bräuchte dringend eine Fabrik für Judenburg für 400 Beschäftigte.



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Da die Volkswagenwerke über 1 Mia. heuer von uns kaufen werden,
nicht aber bis jetzt bereit waren, eine Fabrik nach Österreich
zu verlegen, wohl aber bereit waren, kleinere deutsche Firmen
nach Österreich zu empfehlen und dann ihnen eine Abnahmegaran-
tie zu geben, schlug ich Kreisky vor, er sollte direkt mit
Schmücker in Kontakt treten. Er wird ihm einen Brief schreiben.
Aus meinen Besuch und aus der Diskussion, die ich mit vielen
Leuten dort führte, bin ich draufgekommen, dass sie eine unge-
heure hierarchische Gliederung haben. Die Vorstände untereinander
sind alle per Sie, Entscheidungen trifft dort letzten Endes der
Generaldirektor, mancher hält sich an die Empfehlungen seiner Vor-
standskollegen, mancher wie Leiding, nicht. Matousek erzählte
mir, die jugoslawische Fabrik kam deshalb nach Sarajevo und nicht
nach Slowenien oder Kroatien, wo sie wesentlich besser arbeiten
würde und nicht die Transportprobleme hätte, wie die jetzige
in Sarajevo, dadurch dass Leiding, ohne mit jemand anderem zu reden,
bei der letzten Aussprache in Belgrad ganz einfach Sarajevo als
Standort akzeptierte. Alle Fachleute und Abteilungsleiter, sowie
Vorstandsdirektoren hatten sich vorher dagegen ausgesprochen.
Niemand hat dann aber als Leiding das den Jugoslawen zusagte, auch
nur ein Wort dagegen verloren. Jetzt hat Volkswagen mit diesen
Standort die grössten Zores. Schmücker stellte bei einem offi-
ziellen Abendessen bei seiner Ansprache fest, dass, wie ich be-
hauptete, Einladung an die Vorstände aller Autofabriken mehr in
Österreich zu kaufen, den richtigen Weg eingeschlagen habe. Für
Volkswagen war dies nicht nur eine Einladung, sondern auch durch die
geschickte Formulierung von MR Gröger ein grosser Druck, irgend
etwas zu tun. Sie selbst hatten nicht geglaubt, dass sie einmal
so viele Bestellungen, über 1 Mia. Schilling, nach Österreich
vergeben werden. Dr. Schmidt, der Verkaufsvorstand meinte, Androsch
schimpft aber noch immer auf die Volkswagenwerke. Scheinbar hat
er irgendwo in Deutschland, irgendwelche Bemerkungen gemacht,
die in dem Fall wirklich unbegründet sind. Ich hatte in meiner
Ansprache freimütigst bekannt, dass ich bereits als Kammeramts-
direktor von Volkswagenvertretern aufgefordert wurde nach Wolfsburg
zu kommen. Ich habe dies ganz bestimmt und entschieden immer abge-
lehnt, denn ich sah keine Veranlassung, einen solchen Besuch abzu-
statten. Jetzt durch die gute Kooperation mit den Volkswagenwerken
und durch die wirklich deutlich sichtbare Anstrengung, mehr aus


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Österreich zu importieren, betrachte ich es nicht nur als
meine Pflicht, sondern auch wirklich als ein Bedürfnis, per-
sönlich den Dank abzustatten. Ich glaube, dass diese offene
Aussprache bei niemand den falschen Eindruck hinterlassen hat.
Dass ich mich wie eine Primadonna ziere und dann in meiner Güte
irgendwann einmal komme, sondern dass wirklich objektive Gründe
zuerst für mein Nichtkommen, jetzt aber für meinen umso deut-
licher, wenn auch sehr kurzen Aufenthalt, meine Dankbarkeit ab-
statten wollte.

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Tagesprogramm, 17./18.7.1979

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)

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Tagesordnung 6. Ministerratssitzung, 17.7.1979

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Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: MR HM


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Büro Staribacher; ÖIAG
      GND ID: 1053195672


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Einkaufsvorstand VW


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Wissenschaftsministerin
            GND ID: 11869104X


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Dir. EBS


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Bundeskanzler
                GND ID: 118566512


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: MR LWM; davor FAO


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: GD Porsche Österreich


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Leiter VW-Einkaufsorganisation Wien


                      Einträge mit Erwähnung: