Freitag, den 8. Juni 1979
Im erweiterten Wiener Vorstand hat Gratz über die erweiterte
Präsidiumssitzung berichtet. Energiefragen und Budget wurden auch
in der Parteivorstandssitzung behandelt und haben für mich keine
neuen Aspekte gebracht. Interessant waren nur die Ausführungen zu
den Personalfragen. Im Herbst soll die Regierungsumbildung erfolgen.
Erstens handelt es sich um echte Neubestellung, wobei für die Aus-
scheidenden nicht eine Verschuldensfrage festgestellt werden soll.
Zweitens, die Ministerien seien unüberschaubar, weshalb jetzt oft-
mals Sektionschefs die Politik machen. Kreisky erwägt deshalb
mehrere Staatssekretäre einzusetzen, um politisch wirksamer agieren
zu können. Drittens die Mandatsrücklegung, welche von der National-
ratsfraktion, wie Gratz sagte, erfunden wurde, sollte zu einer Frak-
tionsverstärkung führen. Auch darüber konnte man – oder wollte man –
sich nicht einigen und hat auch dieses Problem auf den Herbst
verschoben. Über Energie, Budget und insbesondere Personal gab es
dann eine lange Diskussion. Da ich aber zu den anderen Terminen
musste, habe ich sie nur teilweise mitbekommen. Ich selbst habe
mit aller Deutlichkeit erklärt, dass ich bei den Staatssekretären auf
dem Standpunkt stehe, dass diese nur dann ernannt werden sollen,
wenn der Minister insbesondere der Person auch zustimmt. Ich könnte
mir z.B. nicht vorstellen, auch dann, wenn eine solche Absicht auch der-
zeit gar nicht besteht, dass der Chef der Energieverwertungsagentur
Weiser bei mir Staatssekretär wird. Sollte es notwendig sein, einen
Staatssekretär im Handelsministerium zu bestellen, dann würde ich
Kollegen Heindl vorschlagen. Eine weitere Personaldiskussion ergab
sich dann über die Vorstandsbestellung am Landesparteitag. Liesing
hatte vorgeschlagen, man sollte eine Trennung zwischen Bürgermeister
und Parteiobmann herbeiführen. Die Begründung war, dass auch Körner,
Marek und Slavik Bürgermeister und doch nicht auch gleichzeitig
Parteiobleute waren. Nur bei Jonas war eine Doppelfunktion und
jetzt selbstverständlich bei Gratz. Alle ausser Suttner, Bezirks-
obmann von Liesing, haben sich aber für die Beibehaltung des jetzigen
Systems ausgesprochen und vor allem für Gratz.
Zur Energie machte Gratz nur eine Bemerkung, dass angeblich im
Präsidium, wo ich nicht anwesend war, die Überlegung diskutiert
wurde, einen Direktimport für Öl zu organisieren, durch eine eigene
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Importgesellschaft. Stadtrat Mayr sagte zum Vergleich, wie bei
Importkohle. Eine solche Importgesellschaft könnte sich aus den
Elektrizitätsunternehmungen, der Industrie und auch der Gemeinde
Wien zusammensetzen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Auf Besprechung mit Frank setzen.
Gratz teilte auch mit, dass Bacher jetzt die Absicht hat, das
Service für die österreichischen Fernseher, 3 deutsche Programme,
ZDF, ARD und Bayern 1 zu übernehmen, um seine 5 Kanäle zu nützen.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Was weiss man darüber.
Entschädigung für die Bezirksräte soll jetzt mit einem Sockelbetrag
von 1.500 Schilling pro Monat festgesetz werden und für Halbtags-
tätigkeit eine Gebühr von 255.– Schilling. Derzeit beträgt sie nicht
ganz die Hälfte für jede Kommission. Die Volkspartei hat bei den Ver-
handlungen, den Sätzen und auch dem Prinzip nach zugestimmt, weshalb
eine Einigung erzielt werden konnte. Erst in der letzten Phase hat
dann Busek, wie Gratz sich ausdrückte, dem Verhandlungskomitee
verboten endgültig zuzustimmen.
Der israelische Finanzminister Ehrlich, der zu einem Privatbesuch
kurzfristig in Wien weilte, hatte mit mir eine Aussprache über die
Möglichkeiten, unsere Handelsbeziehungen zu verbessern. Das grosse
Kanalprojekt, Mittelmeerwasser ins Tote Meer mit Energienutzung
und das Eisenbahnprojekt Nedev–Wüste bis Eilat, an welchen öster-
reichische Firmen sehr interessiert wären, steht derzeit nur in
Diskussion. Im Prinzip werden beide kommen, aber man weiss noch
nicht wann. Ehrlich bedankte sich dann ausdrücklich bei mir, für den
Einsatz der Israeli im Rahmen der EFTA-Gespräche. Ich versicherte
ihm, dass ich mich weiter für die Israelis in diesen Gremien einsetzen
werde, doch keine Hoffnung habe, wie die Situation jetzt steht, dass
auch die Israeli Erfolg haben und eine Art Assoziation erreichen
können.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Steiger soll von Genf immer den letzten Stand
.............Versuche berichten.
Der ungarische Minister für Maschinenbau Müller ist zur 100-Jahr-
Feier von Siemens gekommen und hat mir einen Höflichkeitsbesuch
abgestattet. Bei dieser Gelegenheit erwähnte er die ungarische Idee,
jetzt ein 10 Jahres-Maschinenbau und damit auch ein Exportprogramm
zu beschliessen. Ungarn legt natürlich grössten Wert darauf, dass sie
ihr Handelsbilanzdefizit durch entsprechende zusätzliche Exporte
teilweise ausgleichen können. Solche Möglichkeiten würden aber nur
Erfolg haben, wenn eine Kooperation mit bedeutenden österreichischen
Firmen gelingt, oder zumindestens sehr gute Vertreter ihre neuen
Maschinen besser verkaufen können als bisher. Ich versicherte ihm
neuerdings, daß ich im Herbst oder spätestens im Frühwinter nach Buda-
pest komme, um den Kooperationsvertrag, der jetzt fertiggestellt
wird, zu unterzeichnen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte fixiere den Terminplan.
Beim Jour fixe mit AK und ÖGB hat Wanke auf das grosse schweize-
rische Militärgegengeschäft für 1 Mia. Schilling verwiesen. Dort
möchte er ebenfalls eine Pönalhaftung von 15% für nicht abgenommene
österreichische Butter, während die Schweizer nur bereit seien, 5%
zu geben. an dieser Differenz wird dieses Projekt sicherlich nicht
scheitern. Auch die AK und ÖGB Vertreter waren sehr überrascht, wie
sehr wir jetzt auf diesem Gebiet Aktivitäten entwickeln. Meiner
Meinung nach müssten wir überhaupt für grössere Importe, sei es von
Firmen, sei es von Branchen, mit entsprechenden Exportwünschen
beantworten. Bei den Autozuliefern ist dies in den letzten Jahren
sehr gut gelungen. Ich kann eigentlich nicht verstehen, warum es
uns bei den anderen Konsumgütern, insbesondere Nahrungs- und Genuss-
mittel nicht gelingt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte neuerdings die Lebensmittelimporteure
vergattern.
Die Bleiberger Bergwerks Union, Generaldirektor Schützelhofer,
hat bei der Arbeiterkammer vorgesprochen, damit sie ihm unter-
stützen einen tieferen Elektrizitätspreis zu bekommen. Die Brixlegger
zahlen 34 Groschen, er muss 36 Groschen bezahlen, obwohl es sich um
dieselbe Produktionsmethode handelt. Ich erwiderte sofort, dass es
zwei Schwierigkeiten dabei gibt. Erstens ist die Verbundgesellschaft
derzeit in einer schwierigen finanziellen Situation und kann wesent-
liche Stromermässigungen nicht geben. Zweitens verlangt die Verbundge-
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sellschaft zu Recht, wenn sie schon einen entsprechenden Sonder-
tarif einräumt, dann müsste sie diesen Abnehmer direkt beliefern
und nicht, wie dies zum Beispiel bei der BBU der Fall ist, über
die KELAG. Dort bekommt die Landesgesellschaft eine entsprechende
Rabattierung von der Verbundgesellschaft und leitet den verbilligten
Strom an das Werk weiter. Da die Elektrizitätsversorgung dieser
Grossabnehmer über die Verbundgesellschaft erfolgen soll, wäre es
nur recht und billig, wenn sie schon entsprechende verbilligte Strom-
mengen liefern muss, dann auch als Direktbelieferer aufzuscheinen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Auf nächste Besprechung mit Bandhauer setzen.
Zöllner hat sich furchtbar aufgeregt, dass bei der letzten Mineral-
ölpreisbestimmung die internationalen Gesellschaften behaupten, es
sei einstimmig ihre Kalkulation zur Kenntnis genommen worden. So
viel ich mich erinnern kann, hat der Vertreter der ÖMV Meszaros ge-
meint, es wäre festzustellen, dass es sich bei den Mineralölpreis-
antrag um einen honorigen handelt, was eigentlich sowieso eine
Selbstverständlichkeit ist. Tatsache ist, dass ein Überprüfungsbe-
richt der – warum, weiss ich nicht genau – als strengst vertraulich
behandelt wird, von allen Interessensvertretungen bestätigt, gewiss
Feststellungen trifft. Ich selbst habe gar keinen Grund gehabt, in
der kritischen und hektischen Auseinandersetzung, wo es zu einem
Riesenkrach gekommen wäre, wegen dieser formellen Fragen einen
weiteren Kriegsschauplatz zu eröffnen. Wichtig erschien mir, dass
die ÖMV bereit ist, die 60 Groschen Benzinpreiserhöhung zu akzeptie-
ren und dass wir letzten Endes die Tankstellen mit 4 Groschen aus
diesen 60 Groschen befriedigen konnten. Da jetzt sicherlich ein neuer
Preisantrag kommt, kann Zöllner alle offenen Punkte dort neuerdings
zur Sprache bringen. In der Paritätischen Kommission wurde über
die nicht preisgeregelten Ölderivate-Preise kein Einvernehmen er-
zielt. Die Landwirtschaftskammer hat sich gegen alles ausgesprochen.
Unter anderem hätte der Flugbenzin auf 3.300 Schilling bei einem
internationalen Preis von 3.400 Schilling erhöht werden sollen. Die
Landwirtschaftskammer hat erklärt, höchstens 3.000 Schilling und das
Finanzministerium hat sich diesen Wunsch, im Hinblick auf die Abnahme
durch die AUA ausgesprochen. Ist dieses Flugbenzin noch preisgeregelt,
so wäre durch den Einspruch des Finanzministers selbst für den öster-
reichischen Konsumenten vollkommen uninteressanten, der wenn er zu
tief festgesetzt wird, nur dazu führt, dass ausländische Gesellschaften
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dann in Wien übermässig tanken, eine falsche Preisentscheidung
gefallen. Dieses Beispiel zeigt für mich deutlich, dass es zweck-
mässiger ist, soweit wie möglich die freie Preisbildung auf diese
allergischen Produkten spielen zu lassen. Andererseits hat der Ge-
werkschaftsbund mich aufmerksam gemacht, dass die ÖMV den Testben-
zin um fast 100%, von 2.40 auf 4.50 Schilling erhöht hat. Hier
soll der Raffinerieabgabepreis noch amtlich preisgeregelt sein.
ANMERKUNG FÜR BURIAN UND SATZINGER: Bitte feststellen lassen.
Die Arbeiterkammer und der ÖGB sind einverstanden, dass jetzt das
Weizenpreis und Weizenmodell unverzüglich in Angriff genommen wird
und womöglich so schnell als möglich durchgeführt wird. Durch den
Stützungsabbau von 20 Groschen, durch den weiteren Preisantrag von
15 Groschen, durch die Notwendigkeit einen Teil dieser Preiserhöhung
für die Exporte von Getreide in einem Fond zu sammeln, muss ich jetzt
so schnell als möglich zu einer Entscheidung kommen. Vor allem muss
der Preis und das Modell vor dem ersten Juli fertig sein. MR Kurzel
hat sich auch bei mir beschwert, dass er bei diesen Verhandlungen
von seitens des Landwirtschaftsministeriums nicht eingeladen wurde.
Mit Landwirtschaftsminister Haiden habe ich vereinbart, dass nach der
politischen Aussprache zwischen ihm, Lehner, Bierbaum und mir, die
Beamten die Details errechnen und durchführen werden und dann selbst-
verständlich Kurzel beigezogen wird.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte achte darauf, dass dies vom Büro
des Landwirtschaftsminister auch durchgeführt wird.
AK und ÖGB regten sich furchtbar über die Preiserhöhung von der
Chemie Linz auf. GD Buchner hat sich einen Vorstandsbeschluss auf
11% knapp vor dem neuen Düngejahr, 1. Juni geben lassen. Vor diesem
Zeitpunkt hätte er angeblich der AK und ÖGB zugesagt, er wird ein
bisschen unter 10% bleiben. Da die Deutschen aber über 20% erhöht
haben, dürfte er sich letzten Endes zu diesen 11% durchgerungen
haben. AK und ÖGB, aber auch ich, erwarten einen §-4-Antrag der
Landwirtschaftskammer. In diesem Fall muss ich dann den Düngepreis
amtlich festsetzen, was ich auch allen zugesagt habe.
Die BSA-Gruppe der VÖEST hat eine Riesenveranstaltung, über 400
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Teilnehmer, durchgeführt und mich zu einem Referat eingeladen. Ich
hatte schon einmal bei den VÖEST-Leuten referiert.War aber, wie ich
ehrlich gestehen muss, über diese Aktivität und grosse Teilnahme
sehr überrascht. Sicherlich war es nicht mein Referat, sondern die
Besichtigung der Schiffswerft Korneuburg und wahrscheinlich dann
der gemütliche Abend, der diese grosse Veranstaltung zustande
brachte. Wäre der BSA überall so aktiv, dann würde die Personal-
politik und wahrscheinlich auch das Durchdringen in einzelnen Be-
hörden wesentlich besser sein.
Tagesprogramm, 8.6.1979
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)