Freitag 11. Mai 1979
Die Besprechung mit den Aussenhandelsstellenleitern, die
früher immer in der Handelskammer stattfand, hat Sektionschef
Meisl jetzt ins Handelsministerium übergeleitet. Er sieht wahrschein-
lich darin eine Prestigefrage. Mit ist es eigentlich ganz egal.
Die Information war im üblichen Rahmen. Je nach der Tüchtigkeit
und Geschicklichkeit des einzelnen kommt es bei einem oder dem
anderen zu interessanten Bemerkungen. Der Handelsdelegierte
Richter aus Lagos, Nigeria, hat die diversen Artikel über die
Schmugglersituation für Stickereien, sei es im Trend, auch jetzt
insbesondere auch im Kurier, dahingehend kommentiert, dass er natür-
lich annimmt, dass man dies auch in Lagos bald kennen wird oder
schon kennt. Trotzdem glaubt er, dass solchen Artikeln in Afrika
nicht allzu grosse Bedeutung beigemessen wird. Die neue Zivil-
regierung, die mit 1. Oktober im Amt sein sollte, wird sicherlich
an den Importrestriktionen der Militärregierung, die erst jetzt
wieder auf 8 Jahre verlängert wurde, festhalten. Davon sind aber
alle Luxuswaren, worunter man auch Schuhe versteht, betroffen.
In Ghana hat eine jetzt 10 Jahre bestehende Zivilregierung neuer-
dings die Militärregierung abgelöst. Ich glaube, dass wir die
afrikanischen Verhältnisse viel zu wenig kennen, dies gilt zu-
mindestens für meine Person, und dass wir daher die diversen Re-
gierungsformen und Regierungsmethoden dort falsch beurteilen.
In Senegal ist es z.B. den Schweizern gelungen, durch einen bi-
lateralen Handelsvertrag sich stärker zu verankern als Österreich.
Für uns war 43 z.B. bis jetzt nicht möglich, Devisen für Importe
zu ergattern. Der Handelsdelegierte meint, hätten wir auch einen
Handelsvertrag könnten wir, sowie die Schweiz, besser abschneiden.
Zu meiner grössten Verwunderung hatte MR Hillebrandt, wahrscheinlich
sogar auf Weisung von SChef Meisl, bis jetzt einen solchen Handels-
vertrag abgelehnt, Er sieht darin einen Rückschritt. Seiner Auf-
fassung nach ist die bilaterale Periode vorüber oder sollte
zumindestens vorüber sein. Dies ist meiner Meinung nach falsch.
Wenn wir durch einen solchen bilateralen Handelsvertrag mit Kon-
tingentlisten, ja selbst mit Indikativlisten auch nur ein Ge-
schäft ermöglichen, hat sich schon dieses, ansonsten sicherlich
sehr nutzlosen Stück Papiers, bezahlt gemacht. Aus meiner jetzt
fast 10 jährigen Tätigkeit auf diesem Gebiet, insbesondere mit
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den Staatshandelsländern, weiss ich, dass gewisse Staaten und
Systeme immer bilateral denken werden. Was haben wir nicht
alles mit den Staatshandelsländern abgeschlossen: freien Waren-
verkehr, konvertierbare Währung und ich weiss nicht, was alles noch.
Die Praxis ist aber, dass in Wirklichkeit bilateral gedacht wird,
bilateral abgerechnet und vom Standpunkt der Staatshandelsländer
womöglich eine ausgeglichene Handels- und Zahlungsbilanz erfolgen
soll. Ich bin überzeugt, dass es auch in den afrikanischen Ländern
nicht sehr anders sein wird.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte also diesen Handelsvertrag so
schnell als möglich entwerfen und abschliessen.
Wie wenig wir Afrika kennen war, dass auch der Handelsdelegierte
Engel aus Nairobi überrascht war, wie dort zu unserer grössten Ver-
wunderung nach Ableben von Kenyatta nicht der Stammeskrieg ausge-
brochen ist und schon gar nicht der befürchtete wirtschaftliche Zu-
sammenbruch. Es kam zwar zu Devisenabflüssen, wodurch Importdepots,
Mindestzahlungen u.s.w. verordnet wurden. Jetzt geht es aber bergauf,
insgesamt 500 Mio. Schilling wurden 2 Anlagen VEW und Waagner-
Biro, in dem Fall mit einem Schweizer Konsulenten, beide in Öster-
reich bestellt. Bis jetzt hat es, wenn es zur Konkurrenz von
österreichischen Firmen in einem Land um Projekte gekommen ist,
meistens anders geendet. Ich halte nach wie vor fest, dass es
dringendst notwendig wäre, wenn wir auch natürlich die Konkurrenz
insbesondere im Inland bejahen, dass nicht österreichische Firmen,
womöglich dann noch verstaatlichte oder indirekt verstaatlichte
wie Simmering-Graz-Pauker oder Waagner-Biro auf Auslandsmärkten
sich gegenseitig herunterlizitieren.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Ich hatte einmal diesbezügliche Aussprachen
angeregt.
Bei der Staatswappenverleihung von der Firma Meissl, einen kleineren
Korrosionsbetrieb , der aber immerhin 170 Beschäftigte weltweit
zum Anstreichen ausschickt, hatte ich zwar wenig Zeit. Ich erfuhr
aber einiges über diese wichtige Sparte. In meiner Jugendzeit war
es klar, dass man bei einem Minimum irgendwie halt auf die Eisen-
konstruktionen strich, heute ist daraus auch eine Spezialtätig-
keit geworden. Nicht zu glauben, dass wir diese Spezialtätig-
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keit weltweit ausüben können. Wie sehr aber die ganze Frage
noch handwerklich beeinflusst ist, überzeugte mich der Besitzer der
Firma Meissl, ein Dr. Schauer, der nach seinem Doktorrat das
Maler-und Anstreicherhandwerk erlernt hat. Natürlich für mich
ein guter Gag, der in meinen Informationen nicht vermerkt war,
obwohl er aus dem Akt herauszulesen war.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Vielleicht gelingt es Dir doch den In-
formationsschreiber diese Notwendigkeiten klarzumachen.
Direktor Bandhauer teilt mir mit, dass er jetzt den Verlust der Ver-
bundgesellschaft aus Zwentendorf mit 4.5 Mia. Schilling zu je
1/3 auf die DoKW, auf die Tauernkraftwerke und auf die Verbundge-
sellschaft aufteilen muss. Er ist jetzt davon überzeugt, dass
jetzt auch gute Freunde von mir aus diesen Werken kommen werden,
um sich bei mir über diese Finanzpolitik zu beschweren. Trotzdem
glaube ich auch, dass er keine andere Möglichkeit hat und werde
Bandhauer in jeder Beziehung unterstützen.
Bandhauer hat grösste Schwierigkeiten jetzt, nachdem die KKWP
liquidiert ist, alle auch unterzubringen. Für 8 Beschäftigte
gibt es Pensionszusagen, die pro Beschäftigte 14 Mio. Schilling
ausmachen und jetzt von der Gewerkschaft eingeklagt werden.
Die ganze Personalpolitik mit den Sondergesellschaften war meiner
Meinung nach im wahrsten Sinne des Wortes unverantwortlich. Noch
schlimmer wird die Frage jetzt bei der GKT. Von den 170 Beschäf-
tigten können höchsten 50 jetzt zur DKG, Dampfkraftwerk Korneuburg,
übernommen werden, welches das Kohleersatzkraftwerk bauen wird.
Bandhauer möchte daher im Juli die GKT auch liquidieren, lang-
fristig allerdings bis 31.12.1980. Die Gesellschafter der GKT haben
beschlossen, dass alle, wo möglich recht viel Teile bei dem Kohle-
kraftwerk verwendet werden sollen. Dagegen ist gar nichts einzu-
wenden, denn es besteht noch immer die Möglichkeit solche Teile,
wenn man einmal das Kernkraftwerk in Betrieb nehmen will, sofort
neu anzuschaffen. Eine solche Teilverwendung würde auch politisch
sehr gut sein, denn es könnte dann den Kernkraftwerkgegner beweisen
dass man sehr wohl bestrebt ist, eine zweckmässig Nutzung zu er-
reichen. Gegen was ich mich nur unter allen Umständen aussprechen
würde – es besteht aber derzeit gar nicht die Gefahr – ist, dass
man jetzt beginnt, Teile zu verschleudern.
Das Natururan konnte mit 100 Mio. Schilling Gewinn verkauft
werden. Der Cogema-Vertrag konnte durch deutsche Firmen abge-
löst, liquidiert werden und hat uns 70 Mio. Schilling Pönale er-
spart. Offen bleibt nur der Anreicherungsvertrag mit der UdSSR,
200 Mio. Schilling Pönale und mit Amerika 120 Mio. Schilling.
Ich habe Bandhauer empfohlen, irgendwelche Lösungen gegebenen-
falls mit Zusagen, für spätere Aktivitäten zu versuchen, damit
nicht diese Pönalen fällig werden. Dass die GKT resp. KKWP aus diesen
Verträgen heraus muss, ist mir ganz klar.
Die Stromversorgung wird in diesem Winter einigermassen gedeckt
sein. Insbesondere haben die Wiener Stadtwerke eine riesige Über-
kapazität, die sie jetzt den Verbundkonzern anbietet. Möglich-
keiten bis 500 MW seien gegeben. Derzeit wurde ein Vertrag
Sommerlieferung der Verbundgesellschaft von 100 MW zu Höchst-
tarifen gegen Winterlieferung 100 MW, ebenfalls Höchsttarif
plus 11 Groschen. Dadurch ergibt sich eine Preisrelation, die
ungefähr jetzt auch der Differenz zwischen Sommer und Winter ent-
spricht, Verbundtarif Sommer 27, Winter 38. Darüber hinaus sind
die Wiener Stadtwerke bereit, 500 kWh für 41 Groschen zu liefern.
Alle diese Preise sollten streng vertraulich behandelt werden,
damit nicht andere Gesellschaften auch auf Preisideen kommen, die
man nicht vertreten kann. Bandhauer wird uns unverzüglich eine Zu-
sammenstellung aller Importe und damit auch der Stromversorgung
für den Winter übermitteln.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Nicht lange Briefe, bitte Tabellenform
mit Preisen im Vergleich zu heuer.
Beim Jour-fixe mit der AK und ÖGB, hat natürlich das Wahlergebnis
eine grosse Diskussion ausgelöst. Ehrlich war Tommy Lachs, Zöllner
meinte triumphierend, er war der einzige, der die 95 Mandate pro-
gnostiziert hat. Lachs hat sofort zugegeben, dass er
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zukunftsträchtig ist. Auf Grund einer Studienreise von Dr. Lacina,
Finanzmann der ÖIAG, nach Amerika, eigentlich Texas-Instruments.
Diese Firma hat ihm drüben bereits schon durch ungeheure Kenntnisse
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von Österreich imponiert, möchte auch jetzt eine Delegation
nach Österreich schicken, Die Genossen sind der Meinung, ich sollte
diese unbedingt empfangen, was ich natürlich sofort zusage.
Der Preisantrag der Handelskammer bezüglich Mineralölprodukte wird
von allen kategorisch abgelehnt. Nur die Arbeiterkammer, Dr. Zöllner,
wäre bereit, den Dieselpreis von 6.80 Schilling, derzeit 6.10,
sofort zu akzeptieren, denn wegen der Frächter hat die Handels-
kammer den Ofenheizölpreis doppelt so viel verteuert als das Dieselöl,
worin schon die unsoziale Staffelung deutlich wird. AK und ÖGB
werden den Preisantrag genau prüfen. Die ÖMV hat im Vorjahr ein
ungeheuer günstiges Bilanzergebnis, weshalb die ÖIAG nicht 12%
Dividenden = 180 Mio. Schilling verlangen will. Diese Information
ersucht Grünwald strengst vertraulich zu behandeln.
Bezüglich der Ausdehnung der Textilförderung auf das Grossgewerbe,
über 50 Beschäftigte, wird, wie ich erwartet habe, natürlich
nicht nur von mir, sondern auch vom ÖGB und AK entschieden abge-
lehnt. Wenn die grossen Gewerbebetriebe in die Förderung einbezo-
gen werden sollen, dann sollen sie sich als Industrie deklarieren.
Als Gewerbebetriebe haben sie entsprechende Vorteile durch den
schlechteren Kollektivvertrag und möchten jetzt die Nachteile
nicht in die Aktion einbezogen werden, beseitigen. Ich weiss,
dass in den Richtlinien dafür keine konkrete Handhabe gegeben ist,
aber wir werden sie so handhaben, dass eben nur Industriebe-
triebe berücksichtigt werden. Tumpel, ÖGB, wird mit der Textil-
gewerkschaft sprechen, damit hier Industrie mit den Arbeitnehmern
AK und ÖGB gemeinsam, gegen diese Idee der Handelskammer auftritt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER UND BURIAN: Bitte mit Bundesrat Steinle und
Zentralsekretär sprechen.
Tagesprogramm, 11.5.1979
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)