Mittwoch, 2. Mai 1979
Kreisky bemerkt in der Ministerratsvorbesprechung, dass die
Maifeiern eine innere Mobilisierung der Partei gebracht hat,
die maximal ist. Dann kommt er nebensächlich auf das Streit-
gespräch Taus/Kreisky zu sprechen. Ein Universitätsprofessor
aus Westösterreich hätte ihm mitgeteilt, was Taus dort an Propa-
gandashow abzog, war eine Zumutung. Die Reaktion der Öffentlich-
keit war geplant und programmiert. In Kärnten hat eine ÖVP-Zeitung
schon vor der Diskussion das Ergebnis gedruckt gehabt. Telefonische
Anrufe beim ORF zu organisieren, wie dies die ÖVP mit den Ranger
getan hat, ist nicht zweckmässig. Eine IFES Umfrage hat ergeben,
dass der Kampf von Taus positiver bewertet wurde, als der letztere.
Genauso nebensächlich kam er auf die Diskussion wegen des Benzin-
preises zu sprechen und meinte nur, die Ölgesellschaften hätten
einen derartigen Supergewinn, dass weder an eine Preisfreigabe
noch derzeit an eine Preiserhöhung zu denken sei. Da ich weiss,
dass sich diese Meinung nach dem 6. Mai garantiert ändern wird, habe
ich mich erst gar nicht auf eine Polemik eingelassen.
Die Betriebsräte von Heidenreichstein, der Firma Eisert, haben bei
ihm vorgesprochen, resp. warteten auf ihm und er war mit der Vor-
gangsweise des Masseverwalters Dachs, der jetzt nicht mehr ver-
längern will, nicht einverstanden. Der Bericht von Dachs an ihn war
Montag gekommen und er hat ihn nicht sofort angeblich erhalten,
worüber er sehr verärgert war. Weissenberg berichtete, dass er zu Wahl-
versammlungen im Mühlviertel und auch in Heidenreichstein war. Nach
seiner Information ist eine Verlängerung bis Jahresende möglich.
Er plädiert nur für eine Auffanggesellschaft, da es mit Dachs an-
sonsten nicht gehen wird. Die Idee von Dachs ergänzte Kreisky, dass
die Steyr-Daimler-Puch dort den Betrieb übernehmen sollen, hält er
für nicht durchführbar. Die Steyr-Werke haben etliche Betriebe, die
dringendst zu sanieren sind. Sie könnten sich daher kaum einen neuen
aufhalsen. Ich ergänzte, dass die Firma Ullmann zwar bereit ist
nach Heidenreichstein zu gehen, aber nicht in die alten Hallen, d.h.
in die alte Fabrik.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte prüfe wie dies mit Ullmann jetzt wirk-
lich weitergeht.
Die Arbeitsmarktlage ist mit Ende April so günstig, dass
wir wahrscheinlich anstelle der vorjährigen 2.1 % Arbeits-
losenrate auf 2 % gesunken sind. 56.108 um 11.500 weniger als
im Vormonat und 3.500 weniger als im Vorjahr. Die Behauptung
von Abg. Schwimmer, dass manipuliert wird, ist falsch. 1973 hat
man bereits beschlossen, die Karenzurlauberinnen, die ja nicht
vermittelbar sind und gar nicht vermittelt werden wollen, sowie
die Pensionswerber, die zwar noch Arbeitslosenunterstützung
oder Überbrückung bekommen, aber ebenfalls nicht vermittelt werden
wollen, kann man nicht zuzählen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut
macht um die Vergleichbarkeit herzustellen, stets entsprechende
Umrechnungen mit der Zeit vorher. Daher kann man die Arbeitslosen-
raten ohne weiteres vergleichen. Auch die Schwimmer-Behauptung,
die Erhebungstage sind manipuliert, stimmen nicht. Im Feber wollte
man zuerst am 22. den Stichtag nehmen. Da dies zu früh ist, wurde
dann der 26. Feber und beim März anstelle des 27. dann der 29.
endgültig fixiert.
Im Ministerrat fragte dann Kreisky ganz automatisch, als bei
meinem Antrag über die Delegation zur EFTA, nicht für die Presse,
ausdrücklich unterstrichen steht, wozu dies. Zum Glück ist es mir
vorher auch aufgefallen und ich habe mich bei Dr. Dersch erkundigt.
Die Schweizer haben Bedenken dagegen, dass wenn der Ministerrats-
vortrag in der Wiener Zeitung abgedruckt wird, dort ausser der Tages-
ordnung auch noch die informellen Gespräche vermerkt sind. Jahre-
lang geschieht dies. Auch in der Schweiz glaube ich, weiss dies je-
dermann, warum man dies nicht dann bei uns publizieren soll, ist
mir eigentlich ein Rätsel. Daß sich in Wirklichkeit kein Hund über
die Tagesordnung der EFTA interessiert, müsste wahrlich auch schon
in der Schweiz jedermann aufgefallen sein.
Der Chemieverband hat eine Aktion, modernes Leben, Kunststoff-
recycling, geschaffen und ersucht mich nun, einer Studie zuzustimmen,
die 800.000 Schilling kostet, wovon 400.000 das Handelsministerium
tragen soll. An dieser Studie sind die privaten Firmen mit 200.000
Schilling beteiligt. Die Handelskammer würde die anderen 200.000
Schilling bezahlen. Im Prinzip stimme ich der Studie zu, meine aller-
dings, dass es bis jetzt üblich war, dass die Aufwendungen zwischen
Handelskammer und Ministerium geteilt werden. Der richtige Schlüssel
wäre also, 200.000 die Firmen, 300.000 die Handelskammer und 300.000
das Handelsministerium. Die Studie hätte die Aufgabe, praxisbezogen
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die Kunststoffverwertung zu untersuchen und Vorschläge zu unter-
breiten. Die Aktion modernes Leben hat in Wöllersdorf-Steinabrückl
eine Sammelaktion mit 30 Behältern gestartet. Jetzt ergibt sich
die Frage, wer in Hinkunft diese Kosten übernehmen soll und wie
die Einsammlung in Hinkunft natürlich nicht nur auf eine Ortschaft
beschränkt erfolgen sollte. Zu diesem Zweck hat die Abteilung vor-
geschlagen, dass man unbedingt den Recyclingbeirat bei der ÖPG
damit beschäftigen müsste. Bevor Hinterhofer vom Kunststoffinstitut
die Studie in Angriff nimmt. In Steinabrückl war das Sammelergebnis
sehr positiv. Ich führe dies allerdings darauf zurück, dass dort
mit 400 Beschäftigten eine grosse Kunststoff-Fabrik Alpla besteht.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Recyclingbeirat soll so schnell als möglich
entscheiden.
Gen.Sekr. Müller von der EFTA berichtet mir, dass er den Eindruck
hat, die Europäischen Gemeinschaften haben Interesse an einer engeren
Kooperation mit der EFTA. Dies hat nicht nur Duchateau dem EFTA-
Konsultativrat referiert, sondern auch ihm dann noch ausdrücklich
in einem 4-Augen-Gespräch bestätigt. Der Coreper-Bericht, d.h. der
Botschafterbericht der EG-Länder an den EG-Ministerrat ist von
diesem genehmigt worden. Die EG wird jetzt aufgeschlossener,
pragmatischer und weniger doktrinär vorgehen. Jetzt fürchtet Müller
wird vielleicht von EFTA-Seite oder zumindest von einzelnen Ländern
eine gewisse Zurückhaltung zu erwarten sein. Unser Angebot müsste
daher sofort sehr konkret sich auf bessere Ursprungsregeln, nicht
tarifarische Hemmnisse, Patente und Marken usw. beziehen. Nach
Müllers Erfahrung haben jetzt die Franzosen ihren Widerstand gegen
engere Kooperation mit der EFTA aufgegeben. Giscard hat grosses
Interesse ein weiteres Europa, europäische Gemeinschaften, EFTA-
Staaten und des Süden anzustreben. Jetzt kommen die Vorbehalte
von den Briten. Nach den Wahlen dort kann sich allerdings auch einiges
ändern.
Die Verhandlungen mit den Beitritt Spaniens sind soweit gediehen,
dass es nur mehr jetzt an den Annex P, d.h. in dem Fall an Portugal
liegt, ob tatsächlich zeitgerecht der Vertrag akzeptiert wird und
die bilateralen Gespräche zwischen Spanien und Portugal positiv
abgeschlossen werden können. Die Regierung hat in Spanien den Par-
teien das Ergebnis mitgeteilt und vor allem auch im Parlament den
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Aussenpolitischen Ausschuss. Beide hätten akzeptiert. Theoretisch
stünde also der Unterzeichnung im Juni in Madrid nichts entgegen.
Die Hauptschwierigkeit wird aber sicherlich die sein, dass es keine
abschlussfähige Regierung in Portugal derzeit gibt. Müller rechnet
nicht, dass daher der Zeitplan eingehalten werden kann.
Der Beitritt Griechenlands zur EG, der am 28. Mai unterzeichnet
wird und mit 1. Jänner 1981 in Kraft tritt, dass jetzt die EFTA-
Staaten bilateral mit Griechenland verhandeln. Es erscheint aber
dringendst notwendig, dass die EFTA-Staaten sich gegenseitig koor-
dinieren, um auch eine Bilanzierung der bilateralen Wünsche der
Griechen an die einzelnen EFTA-Länder vorzunehmen. Wenn nämlich ein
Land vorprellt und bereit ist, den Griechen, sei es durch Quoten,
durch Zollplafonds, durch vielleicht gar restriktive Beschränkungen
entgegenzukommen, so hat dies selbstverständlich Auswirkungen auf
alle anderen EFTA-Länder. Ich glaube, dass gegen eine Koordinierung
keiner etwas dagegen haben kann.
Verwundert war ich, dass Müller auch gegen die Vorschläge der
nordischen Gewerkschaft, bezüglich Ergänzung oder besser gesagt stär-
kere Kooperation des Konsultativkomitees mit dem Ministerrat
grosse Bedenken hat. Mir erschien die praktischste und billigste
Lösung, wenn man tatsächlich den Vizevorsitzenden der Arbeitgeber
und der Arbeitnehmer zur Ministerratssitzung einlädt. Das Konsul-
tativkomitee hätte zwar noch weitergehende Wünsche, wie mir morgens
in einem Telefonanruf der Arbeiterkammervertreter Muhm, der gerade
von Genf gekommen ist, mitteilte. Das Konsultativkomitee möchte
am liebsten, dass die Wirtschaftskommission, welche übrigens jetzt
in Wien tagt, ähnlich wie die EG entsprechend Studien ausarbeitet,
Vorschläge über die Wirtschaftslage und dann entsprechende Vor-
schläge, wie man die verbessern kann, erarbeitet und dann dem Rat
präsentiert. Dass dabei die Gewerkschaft sich eine besondere Mit-
sprache auf internationaler Ebene erwarten, ist selbstverständlich.
Da die Schweizer Gewerkschaften aber sehr zurückhaltend sind, kommt
Österreich jetzt in eine immer brenzligere Situation. Die Nord-
länder haben immer wieder weitergehende Vorschläge, u.a. wollen sie,
dass der Gewerkschaftsbund einen Beobachterstatus bekommt. Die
Schweiz ist dagegen und Muhm weiss jetzt nicht, wie er allein bei
dieser Diskussion dann abschneiden wird. Gen.Sekr. Müller hat auch
Bedenken, denn er sagt, das Konsultativkomitee würde, wenn es im
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Ministerrat zwei offizielle Vertreter hat, in einem öffentlichen
Gremien, eben diesen Ministerrat zu stark in Erscheinung treten.
Müller möchte daher auch die Ebenen Interessensvertretungen und
Minister streng getrennt haben. Eher glaube ich, plädiert er dafür,
dass tatsächlich das Konsultativkomitee oder die Wirtschafts-
kommission viel mehr Aktivitäten entfalten sollten. Davon habe ich
ihm ausdrücklich gewarnt, denn dies bedeutet in meinen Augen, dass
er ein gigantisches Büro dann brauchen wird. Abgesehen von den Leuten,
die er sich beschaffen müsste, wird dies hohe Kosten verursachen,
die die Länder bezahlen müssten. Ich glaube nicht, dass diese dazu
bereit wären.
Die Wirtschaftskommission der EFTA hat unter Vorsitz vom Österr.
Nationalbank-Vertreter Dr. Hain getagt. Ich habe auf Wunsch – ich
weiss allerdings nicht von wem – dort eine Eröffnungsansprache ge-
halten. Am meisten verwundert war der Nationalbankdirektor Philipp
Rieger, mit dem ich mich dann auch sehr lange über die Wirtschaftssi-
tuation unterhalten habe, dass ich in Englisch spreche. Von Englisch-
sprechen kann wahrlich keine Rede sein. Die Ansprache ist aber so
einigermassen geglückt, weil der übrigens auch bei der Wirtschafts-
kommission anwesende Weiser von unserem Haus, ein in Südafrika ge-
borener und dort lange gelebter, guter Mann, nicht nur sehr gut
Englisch spricht, sondern mir auch die entsprechenden Reden her-
richtet. Normalerweise wird eine Rede in Österreich zuerst in
Deutsch, mit recht langen Schachtelsätzen aufgebaut und dann ins
Englische übersetzt. Dies ist für mich schwer zu lesen und ent-
spricht, wie mir alle versichern, gar nicht dem Stil von Engländern.
Weiser vereinfacht daher und macht kurze Sätze. Dafür bin ich ihm
wirklich sehr dankbar.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte veranlasse, dass er immer zeitgerecht die
Entwürfe bekommt.
Tagesprogramm, 2.5.1979
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesprogramm, 160. Ministerratssitzung, 2.5.1979
48_0507_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)