Dienstag, 3. April 1979
Die Einkaufsleute von Mitsubishi besuchen einige Firmen.
Interessanterweise auch die, die vom Volkswagen-Werk angeregt
erst gegründet wurden, um grössere Einkäufe zu tätigen. Bis
jetzt haben sie eigentlich nur bei Semperit für 6 Mio. Schilling
Reifen gekauft. Semperit hofft, dass in Zukunft bis zu 100.000
Reifen abgenommen werden, da ab Juni die deutschen Mitsubishi-
Autos mit Semperitreifen auch ausgestattet werden.
Im Ministerrat berichtet Weissenberg über die Arbeitssituation.
67.560 Arbeitslose, 2.4%, überraschend um 535 weniger als im
Vorjahr. Ich bringe noch einen Ministerratsbericht und Antrag
über die Liquidierung der KKWP, GKS und den zur Auflösung der
Verträge Wiederaufbereitung Cogema und Verhandlung über Anrei-
cherungsverträge der GKT. Der Bericht wird zur Kenntnis genommen
und Kreisky ersucht mich im Pressefoyer dann zur Verfügung zu
stehen.
Dort wird Kreisky von den Journalisten so wie ich am Vortag,
insbesondere von Steininger hart gefragt. Vor allem will Stei-
ninger auch wissen, welche Garantie Kreisky abgibt, damit Zwentendorf
nicht wieder in Betrieb genommen wird. Kreisky verweist darauf,
dass er bereit ist, das Atomverbotsgesetz mit einer 2/3-Mehrheit
auszustatten. Damit liegt der Ball bei der ÖVP, denn diese müsste
einer solchen Regelung zustimmen. Ich bemerke, dass Kreisky auch
jetzt schön langsam unwirsch die Attacken der Journalisten ver-
trägt. Allerdings bin ich überzeugt, sind diese der Meinung, es
handelt sich hier um ganz normale Interviewmethoden. Vor 10 Jahren
hätten sich – davon bin ich überzeugt – die Journalisten eine solche
Ausdrucksform resp. penetrante Frageweise nicht erlaubt. Vielleicht
hat Kreisky, oder wir alle, sie eben selbst insofern verdorben,
als wir systematisch diese Art der Interviews immer stärker einreis-
sen lassen. Jetzt fühlen sie sich vielleicht sogar noch als Helden
der freien Meinungsäusserung, die eben gegen die übermächtigen
Regierungsmitglieder kämpfen müssen. Früher war es üblich, dass
ein Journalist angefragt hat, ob er zu einem Interview kommen darf
und war glücklich einen Termin zu bekommen. Jetzt betrachtet er
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eine solche Zusammenkunft nicht nur als selbstverständlich und
zeigt seine sichtbare Abneigung wenn ihm irgend etwas nicht passt.
Als Kreisky weggegangen ist und ich dann den Ministerratsvor-
trag erörterte, hat eine ORF-Reporterin in so deutlicher Art zu
erkennen gegeben, dass sie meine Aussagen überhaupt nicht in-
teressieren, dass es beleidigend war. Anstand haben sie nämlich
auch keinen. Kreisky hat auch einen dänischen Fernsehmann ein-
leitend ein Interview in schwedischer Sprache gegeben. Dies war
für mich sehr beeindruckend. Ein junger österreichischer Jour-
nalist, der sicherlich nichts verstand, höchstens ein oder das
andere Wort aufschnappte, meinte dann, dies sei wie ein Dialekt.
So, Gottigkeit, das versteht er ja auch. Vielleicht sind wir
Politiker aber jetzt ein wenig überreizt und vor allem doch viel-
leicht gegen die Journalisten, welche ja deutlich sichtbar die
ÖVP unterstützen wollen, zu kontroversiell eingestellt.
Die Firma Gistel von der Landstrasse, eine Druckerei, hat das
Staatswappen bekommen. Zu meiner grössten Überraschung hat sie
darauf bestanden, dies im Ministerium so schnell als möglich und
im kleinsten Kreis überreicht zu bekommen. Die Erklärung liegt
vielleicht darin, dass sie anschliessend mich ersuchte, ich sollte
beim Finanzminister resp. Finanzlandesdirektion anrufen, damit sie
die Anspannungsspesen für Druckereiaufträge aus den Oststaaten
steuerlich anerkannt bekommt. Ich habe daher sofort MR Gröger
heruntergebeten, damit er Zeuge dieses Gespräches ist und viel-
leicht mit einem Anruf diese Frage klären kann. In einem Einkommen-
steuerkommentar werden 2–3 % als möglich Absatzbetrag genannt.
Bei diesen Ostgeschäften handelt es sich aber um Bestechungsgelder,
die zwischen 8 und 10 % gegeben werden. Dies erscheint mir exorbitant
hoch, obwohl ich gar nicht bezweifle, dass es die Firma tatsächlich
bezahlt. Bestätigt wird es vom Geschäftsführer und von einem Pro-
kuristen. Da es auch noch einige Firmenangehörige wissen – es wurde
auch vom Betriebsratsobmann der mit war, ganz freimütig gespro-
chen – zweifle ich nicht, dass es tatsächlich zu diesen Leistungen
kommt.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Staatswappenüberreichungen in Wien, wo mög-
lich, im Betrieb vereinbaren.
Die rumänisch-österreichische Fremdenverkehrs-Gemischte
Kommission tagt jetzt nach 4 Jahren zum zweiten Mal – und
diesmal in Wien. Dr. Oberländer, der ein geflüchteter Rumäne ist,
hat, wie mir Würzl mitteilte, grössten Wert darauf gelegt, dass
ich denen ein Essen gebe und gleichzeitig auch anwesend bin. Der
rumänische Botschafter, ehemaliger Elektrizitätsminister und
noch immer Mitglied des Zentralkomitees, ist in Bukarest wegen
der Regierungsumbildung. Wie mir der Vizeminister von Rumänien mit-
teilte, wird Avram, der schon sehr lange Industrieminister ist,
und gleichzeitig Vorsitzender der rumänisch-österreichischen
Gemischten Kommission, weiterhin garantiert im Amt bleiben.
Rumänischerseits sind 500.000 Auslandsbesuche im Westen festzu-
stellen, davon 1%, 5.000 in Österreich. Die Österreicher werden
wahrscheinlich 8 mal so viel nach Rumänien fahren. Ich erklärte
einmal mehr, dass wir keinerlei Möglichkeit haben, die Öster-
reicher zu dirigieren, ja nicht einmal zu beeinflussen. Wir wissen
auch gar nicht, wieviel eigentlich ins Ausland fahren und wohin,
da wir keinerlei Zählungen an der Grenze vornehmen. Der rumäni-
sche Geschäftsträger war glücklich, als ich ihm zusagte an seinem
Gegenessen doch teilzunehmen.
Im Wiener Vorstand – und wie mir Heindl dann berichtet – auch im
Wiener Ausschuss, hat Gratz überhaupt kein politisches Referat
gehalten. Er meinte zu Recht, man müsse sich jetzt ganz auf die
Wahlen konzentrieren und deshalb hat Edlinger sofort nur die
zukünftigen Aktivitäten von Wien geschildert. Ich glaube, dass
eine solche Vorgangsweise für Gratz verheerend ist. Gerade in
Wahlzeiten erwarten die Genossen Erklärungen. Kreisky würde es
in so einem Fall niemals einfallen, nichts zu sagen und den Zen-
tralsekretär Marsch nur die Organisationsfragen berichten zu lassen.
Die Wiener Organisation hat verhältnismässig später, als schein-
bar die Landesorganisationen mit den Massnahmen für eine aktivere
Wahlkampagne begonnen. Vor allem sind die Minister schon meistens
ausgebucht. Wien hat wirklich nur die Resttermine, die noch offen
waren, bekommen. Kreisky hat sich dann bei mir am späten Abend
beim Kaffee für die dänische Königin, darüber sehr verwundert
geäussert. Er meinte – und dies nicht zu Unrecht – dass die
Wiener Organisation viel zu wenig und viel zu spät begonnen hat.
Ich selbst habe mir aber vorgenommen, in Hinkunft eben primär
zuerst die Wiener und ganz besonders die Bezirksaktivitäten zu machen
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und dann erst überhaupt in Bundesländer zu reisen. Ich habe
bei der Bezirksausschussitzung auf der Landstrasse nach meinen
politischen Bericht mich förmlich entschuldigt, weil ich an den
Verteileraktionen und was es sonst noch alles auf der Landstrasse
gibt, nichts teilnehmen kann, da ich irgendwo in einem Bundes-
land bin. Meine Genossen haben dafür Verständnis. Ob die Wähler
dies verstehen, weiss ich nicht. Dazu kommen dann noch Mißver-
ständnisse, wodurch z.B. die vorgesehene AEZ-Diskussion entfällt.
Kreisky hat den Eindruck – wie er meiner Frau und mir schilderte –
dass jetzt die ÖVP in Wien mit ihren Aktionen dominiert. Er
meinte z.B., es müsste möglich sein, eine Veranstaltung vor dem
Bundeskanzleramt zu organisieren, wo 5.000 dann teilnehmen und
dadurch dann der Platz dann voll wäre, sozusagen, ohne dass er es
ausdrückte, eine Pro-Kreisky-Kundgebung am Ballhausplatz. Ich
bezweifelte, dass es ohne weiteres möglich ist, wirklich solche
Massenkundgebungen, abgesehen vielleicht von einem einzigen Mal, vor
dem Bundeskanzleramt öfters zu organisieren. Die Hausbesuche, die
Kreisky wieder andererseits anregte, sind, wie meine Frau richtig
bemerkte, die ja tatsächlich kassieren geht, äusserst schwierig,
denn in den neuen Häusern sind alle Haustore meistens gesperrt.
Im Bezirkspräsidium der Landstrasse diskutierten wir, ob es
Möglichkeiten gibt, solche Hausaktionen so zu starten, dass Manda-
tare – infrage kommen natürlich nur Heindl oder ich – in einem
Gemeindebau gewisse Zeit anwesend sind. Wenn wir dies öfters in
dem Gemeindebau machen, würde sich herumreden, dass der Minister
hier war. Dieser Vorschlag fand dann aber trotzdem nicht die Zu-
stimmung, denn die meisten meinte, dies hätte bei den Wählern
ja doch nur den Eindruck, aha, jetzt vor den Wahlen. Da wir im
Bezirk einige langjährige Aktivitäten, wie eben Passagendiskussion,
Akademikerzusammenkunft und im Herbst wieder Landstrasser Kirtag,
entfalten, sollten wir jetzt nicht so überraschend nur Vorwahl-
veranstaltungen jetzt schnell noch improvisieren.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Sollte ich dies nicht doch mit Dir und
Muliar versuchen.
Die Firma Linotype eröffnete ihr eigenes Verkaufsbüro. Na-
türlich habe ich dort versucht, den deutschen Geschäftsführer
Dr. Kummer dafür zu gewinnen, in Österreich entweder eine
Fertigung oder zumindestens Zulieferungen in Zukunft zu versuchen.
Linotype macht 1 Mia. Dollar Umsatz, grösstenteils natürlich in
Amerika, in Deutschland haben sie aber ihren Umsatz im letzten
Jahr verdoppelt. Dies ist allerdings darauf zurückzuführen, dass
sie von ihrem alten System Bleigussmaschinen jetzt zum elek-
tronischen Datenverarbeitungsfotosatz umgestiegen sind. Die Firma
hat als Eröffnungsgeschenk der Graphische Versuchsanstalt eine
moderne, elektronische Setzmaschine, die in Wirklichkeit wie eine
Schreibmaschine mit Fernsehgerät arbeitet, geschenkt. Eine gross-
zügige Tat, für die sich der Leiter der Lehr- und Versuchsanstalt
herzlichst bedankte. Bei dieser Gelegenheit verwies er darauf,
dass gerade im graphischen Gewerbe diese Anstalt sehr unterstützen.
Linotype macht dies nicht zuletzt deshalb, weil sie genau weiss,
wenn entsprechende zukünftiges mittleres Management an diese Ma-
schinen ausgebildet wird, sie dann nicht nur diese Maschine genau
kennt, sondern auch wahrscheinlich dafür einsetzt, dass solche
Maschinen dann vom Betrieb selbst gekauft werden. Fortschrittliche
Unternehmer schaffen sich auf diese Weise ihre besten Marketing-
leute in fremden Firmen, die sie gar nicht bezahlen müssen. Ähn-
lich verhält es sich übrigens auch mit den Entwicklungshilfe-
geschenke, die ein Staat gibt. Die graphische Lehr- und Versuchs-
anstalt ist meiner Meinung nach gar nicht so schlecht ausgerüstet,
wie der Hofrat es bei seiner Ansprache und Danksagung ausdrückte.
Natürlich möchte er – und dies ist alte Tradition – immer das
neuste Gerät und dies womöglich von den Firmen geschenkt. Der
Bund – wie ich dann auch bei meiner Ansprache bemerkte – hat
die graphische Versuchsanstalt mit einem neuen Gebäude, wo sie
sich wesentlich ausdehnen konnte, bedacht. Ich vergass nicht,
auch zu bemerken, dass auch der Gautsch-Bottich, den ich selbst
erlebte, ebenfalls dort zur Verfügung steht. Der Obmann vom graphi-
schen Hauptverband, Dr. Maiwald, bestätigte mir, wie sehr die Unter-
nehmer jederzeit bereit sind, die graphische Lehr- und Versuchs-
anstalt zu unterstützen. Dieses neue Linotype-System wird die
Setzer und vor allem auch die Journalisten zu einem ganz neuen
Umlernen veranlassen. In anderen Staaten wurden, wie bei der An-
sprache erwähnt, dadurch ein richtiggehender Konflikt zwischen
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der Gewerkschaft der Belegschaft auf der einen Seite und der
Unternehmungsleitung von Druckereien ausgelöst. In Österreich
konnte ich – um auch die Deutschen mehr zu veranlassen nach
Österreich zu kommen – darauf verweisen, wie wir auch schwere
Konflikte sozialpartnerschaftlich lösen. Maiwald meinte dann,
ich dürfe es nicht verschreien, denn momentan gibt es eine kri-
tische Situation im Fünfer-Komitee. Dies interessanterweise
weniger mit der Gewerkschaft Druck-und Papier, sondern mit der
Journalistengewerkschaft, geführt von meinem Freund Nenning.
Maiwald ersuchte mich gegebenenfalls als Vermittler einzugreifen,
falls es notwendig sein sollte. Ich erklärte mich selbstverständ-
lich bereit, wenn ich irgendwie zur Konfliktlösung beitragen
kann, allerdings nicht als Vermittler mit Nenning zu sprechen.
Im Bezirksausschuss nahm dann in der Diskussion auch der Reaktor-
unfall in USA einen grossen Raum ein. Ende der Klub-2-Diskussion
mit Payrleitner und Binner und anderen Teilnehmern über diese Reaktor-
frage konnte ich noch miterleben. Mein Sohn erzählte mir, der ganz
fasziniert zuhörte, dass Binner als Fachmann die Diskussion souve-
rän beherrschte. Kreisky fürchtet aber zu Recht, dass die Bevölkerung
jetzt nicht nur noch mehr verunsichert, sondern noch ängstlicher
wird. Er glaubt, dass es jahrelang dauern wird, wenn überhaupt,
bis ein Umschwung der Meinungsbildung und der öffentlichen Meinung
eintreten wird. Ich selbst bin davon überzeugt, dass dies nur bei ent-
sprechendem Energieausfall der Fall sein wird.
Heindl fragte mich, was mit der Zollfreistellung von Benzinimporten
aus Ungarn durch die Firma AVANTI geworden ist. Feichtinger hat
mir versprochen zeitgerecht Bescheid zu geben.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Hat Feichtinger irgend etwas hören lassen?
Im Präsidium gab es eine lange Diskussion über die Verbauung der
Rennweg-Kaserne. Ich habe abends dann selbstverständlich mit Bauten-
minister Moser darüber gesprochen. Moser meint, dies liegt jetzt
ausschliesslich bei den Österreichischen Bundesbahnen. Darauf habe
ich das Gespräch mit Lausecker geführt. Dieser wieder sagt, dies
sei eine reine Frage der Kosten. Mit einem Wort, das Ganze dreht
sich wie ein Karussell und kommt nicht vom Fleck. Sicherlich gibt
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es viele objektive Schwierigkeiten, die nicht leicht zu
lösen sind. Genauso sicher ist es aber für mich, dass es
niemand ernsthaft betreibt. In so einem Fall kann ich mir
dann immer vorstellen, wie man in Diktaturen oder Kriegs-
zeiten dann Sonderbevollmächtigte einsetzt, um spezielle
Probleme zu lösen. In Friedenszeiten und einer Demokratie
allerdings ist dieser Weg vollkommen ungangbar und undenkbar.
Tagesprogramm, 3.4.1979
Tagesordnung 157. Ministerratssitzung, 3.4.1979