Samstag, 10. März 1979
Beim Seminar über wie ich es bezeichnete sozialdemokratische
Marktwirtschaft war ich über die Teilnehmer sehr überrascht.
Vom Handelsministerium hatten sich etliche jüngere Beamte
gemeldet, denen ich niemals zugetraut hätte, dass sie sich
dafür deklarieren und interessieren. Natürlich kann es eine
Rolle gespielt haben, dass ich eingeladen habe und einige
sich dachten, es ist ganz gut, wenn der Minister sieht, dass
sie sich auch für diese Probleme interessieren und ihre Freizeit
opfern. Am meisten überrascht war ich aber dort Ernst-Werner
Nussbaum vom ORF anzutreffen. Der Leiter des Renner-Institutes
Dr. Slawik hat nur ganz kurz begrüsst und musste dann zu
einer anderen Veranstaltung gehen. Ich selbst versuchte den
Teilnehmern klarzumachen, wieso ich zu dem Problem der sozial-
demokratischen Marktwirtschaft gekommen bin. Da Sekt.Chef Wanke
nicht anwesend war, habe ich dann zum Schluss eine Definition der
Sozialdemokratischen Marktwirtschaft vorgetragen. Ich bezeichnete
ihn als Ghost-Thinker. Nach fast zehnjähriger Tätigkeit im
Handelsministerium wäre es nämlich höchste Zeit, wenn wir
wirklich eine Brain trust-Gruppe erstellen könnten, die sich
mit theoretischer Untermauerung unserer Politik befassen sollte.
Vielleicht ist es jetzt sogar schon zu spät, vielleicht hätten
wir schon wesentlich früher damit beginnen müssen. Wenn ich
mir aber vorstelle, wie sehr wir mit den Tagesproblemen zu raufen
hatten und wie sehr wir vor allem, wenn nicht die richtigen
Leute für Denkarbeiten gefunden haben, so ist dies für mich
Entschuldigung, vielleicht aber auch eine Ausrede zugleich.
Meine Absicht, für eine solche theoretische Arbeit Wirlandner
heranzuziehen, funktioniert auch nicht richtig. Wirlandner
hat mir nicht nur einen Brief geschrieben, wo er zu den bisherigen
Ansätzen und Entwürfen einzelner Genossen Stellung nimmt, sondern
mir auch telefonisch mitgeteilt, dass er kaum eine Möglichkeit
sieht, mit den jungen Leuten zusammenzuarbeiten. Scheinbar ist
der Altersunterschied doch zu gross und scheinbar ist die
Interessenslage doch zu verschieden. Vielleicht aber müsste auch
ein Minister mehr theoretisches Denken entwickeln, um auf seine
Mitarbeiter nicht nur anspornend sondern vielleicht auch befruchtend
zu wirken. Wie dem auch sei, auf diesem Gebiet habe ich eigentlich
nichts geleistet. Ich habe dies auch freimütig bekannt.
Zum Improvisieren, zum Schmähführen, wenn man will, Lösung
von Alltagsfragen, da langt es, zu grosser theoretischer
Konzeption, selbst zum Einfall von neuen Ideen wäre es
dringend an der Zeit, die Leute zu animieren und vielleicht
dann doch kleine Erfolge zu erzielen. Vielleicht ist der
Ansatz dieser Arbeitsgruppe eine Möglichkeit.
Prof. NR Nowotny hielt eine sehr gute Einführung. Ausgehend
von den theoretischen Ansätzen in der Nationalökonomie für die
Marktwirtschaft bis zu den dann von ihm erarbeiteten Unter-
suchungen über die Marktverhältnisse in Österreich, war es ein
weit gespannter Bogen. Auch bei seiner letzten Studie, die
er mit einem Kreis von Wissenschaftlern erstellt hat, zeigte
sich für mich eindeutig, dass auch in der Theorie heute
Teamarbeit gross geschrieben wird. Dies kann teils auf
mangelnde Zeit, teils aber auch auf zu geringe geistige
Kapazität des Einzelnen zurückzuführen sein. Die Diskussion
mit Ernst-Werner Nussbaum ergab, da er scheinbar der einzige
Vertreter der sozialen Marktwirtschaft war, da ein gewisses
Ungleichgewicht rein personenmässig anzahlmässig bestand,
kein sehr positives Ergebnis. Dies gilt zumindestens solange
ich an diesem Seminar teilgenommen habe.Auch die Diskussion
zeigte für mich eindeutig, dass das grosse theoretische Problem
nämlich wie eine sozialdemokratische Marktwirtschaft theoretisch
zu fundieren ist, nicht leicht gelöst werden kann. Was wir
wahrscheinlich in der nächsten Zeit weitermachen werden, ist
im Einzelfall in der Praxis Entscheidungen treffen, wie wir
dann als sozialdemokratische Änderung der bestehenden Wirt-
schaft und des Wirtschaftssystems bezeichnen können. Sehr be-
friedigend ist der Zustand nicht.
Während der Mittagspause besprachen wir mit Heinz Kienzl
die Möglichkeit unserer Fremdenverkehrskonzeption. Kienzl
stellte eindeutig klar, dass er unmöglich für die
sozialökonomische Konferenz, Arbeitskreis Fremdenverkehr
die notwendigen Mittel der Nationalbank flüssig machen kann.
Genauso strikte lehnte er es ab, dass die Nationalbank die
Veranstaltung durchführen sollte. Er selbst hat mit den
Vorsitz-Diskutanten persönlich gesprochen. Der Bürgermeister
und Hotelbesitzer Latini/Zell am See, der Direktor der
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Badeanstalt, Mayer/Treibach, der Gewerkschaftsvertreter
Niemetz werden Kurzerklärungen schon vorher schriftlich
zur Verfügung stellen. Kienzl ist damit einverstanden,
dass Dr. Schachner, Reisebüroverband, ebenfalls in diese
Präsidiumsdiskussion aufgenommen wird. Bei Skardarasy,
Präsident der Hoteliervereinigung, hat er Bedenken, weil
er eben schon einen Hotelier drinnen hat. Dr. Koppe aber
auch ich plädierten dafür, wenn es möglich wäre, sehr wohl
schauen sollten, Skardarasy und auch Dir. Scheiner als Obmann
der Fremdenverkehrssektion in die Präsidiumsdiskussion ein-
zubeziehen. Dies würde der Veranstaltung einen ungeheuren
neutralen Charakter verleihen. Kienzl wollte die letzteren
unbedingt nur in die Publikumsdiskussion einbeziehen. Mit
Recht hatte er gemeint, soll man ja vorsorgen, dass aus
dem Publikum entsprechende vernünftige Diskussionsbeiträge
kommen. Mir persönlich erscheint es aber wichtiger, die
beiden dafür zu gewinnen, dass sie womöglich am Vorsitz
teilnehmen. Diese Aufgabe könnte insbesondere für Scheiner
nur NR Heindl lösen. Wichtig erscheint mir auch die Frage zu klä-
ren, welche Konzeption jetzt von mir im einzelnen dort vorge-
stellt werden soll. Sekt.Chef Jagoda hat jetzt endlich über-
nommen, die Quantifizierung geldmässig für die nächsten
10 Jahre durch Budgetansätze im Handelsministerium festzule-
gen. Heinz Kienzl hat es übernommen und sagt, seine Leute
arbeiten bereits daran, die Quantifizierung der Vorschläge
bezüglich der Beschäftigungspolitik ebenfalls festzulegen.
Es wird höchste Zeit, wenn wir dann beide Überlegungen
zusammentragen und was dann das Wichtigste ist, zeitgerecht noch
gemeinsam diskutieren. Diese Arbeiten müssen jetzt unverzüglich
durchgeführt und abgeschlossen werden. Die grösste Blamage wäre
nämlich, wenn unter diesem mächtigen Aufwand womöglich keine
Ergebnisse oder nur unbefriedigende Ergebnisse heraus-
kommen sollten. Beim letzten 10-Jahresplan 1971 hat noch
die Koordinierung und Durchrechnung Min.Rat Würzl gemacht,
übereinstimmend war man der Meinung, dass man ihn nicht zu
sehr diesmal wieder in die Verlegenheit bringen soll, bei
dieser Veranstaltung als spiritus rector in Erscheinung
treten zu lassen. Auf der einen Seite hat er sich als
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Kandidat der ÖVP zum Nationalrat eindeutig deklariert,
auf der anderen Seite hat er aber scheinbar überhaupt
keine Chance, auch nur als in weiterer Zukunft zu berück-
sichtigender Kandidat in Erscheinung zu treten. Die notwendige
Arbeit muss aber wieder im Handelsministerium gemacht werden.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte veranlasse während meiner Abwesen-
heit die notwendigen Massnahmen und besprich das mit Heindl.
Die Veranstaltung in Mistelbach war, wie ich erwartet habe,
eine reine parteimässige Versammlung. Der zuständige Landtags-
abgeordnete Stangl hat mir auch freimütig erklärt, sie
könnten sich gar nicht vorstellen, dass der Bezirk Mistelbach
nicht eine einzige Parteiveranstaltung zu den nö. Nationalrats-
wahlen abwickelt. Da ich zeitig genug dort war, konnte ich
persönlich alle eintreffenden begrüssen. Der einzige Nicht-
Sozialist war ich glaube ein pensionierter Schuldirektor,
der dort die örtliche Bezirkszeitung macht. Vielleicht wird
dort etwas darin geschrieben, am meisten freute es mich, dass
ich für Benya einspringen konnte. Die Niederösterreicher
haben gerechnet, er steht Mistelbach zur Verfügung, die
Steirer aber haben ihn für die Steiermark eingeteilt. Auch
durch die zentralen Lenkungen gibt es Fehldispositionen.
Der Wirtschaftsminister von Ghana wurde von Gen.Konsul
von Ghana Komm.Rat Klein zu einem Heurigen-Besuch eingeladen.
Unwahrscheinlich, wie viele zu diesem Heurigen gekommen sind,
die wahrscheinlich nur am Rande oder gar nichts mit dem
Besuch zu tun hatten. Ghanesen sind, wie ich mich auch im
persönlichen Gespräch überzeugen konnte, sehr daran inter-
essiert, einfache Pumpen und einfache Lagerräume zu bauen,
resp. zu bekommen. Dautzenberg von der Fa. Heid, der übrigens au
dort anwesend war, hat diese Möglichkeiten jetzt mit Gen.
Konsul Klein geschaffen. Klein selbst ist überzeugt, dass
wir dadurch dort grosse Chancen haben, denn aus Westdeutschland
sind äusserst komplizierte Anlagen resp. Pumpen gekommen, die
die Ghanesen nicht einmal übernommen haben. Natürlich hat
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der ghanesische Minister neuerdings mir gegenüber versichert,
dass sie insbesondere mit einem neutralen Staat schon allein
aus politischen Gründen wesentlich lieber verhandeln und
Geschäfte machen als mit den grossen Mächten. Da sie derzeit
in Österreich keinen Botschafter haben, wurde er von dem
ghanesischen Vertreter in der Internationalen Atomenergie-
Organisation begleitet. Dass Klein sehr erfreut war über meinen
Besuch, glaube ich ihm wirklich, denn ich konnte mich immerhin
eine Stunde mit dem Minister unterhalten. Ich hoffe, dass
die Konzeption von Klein und unseren Firmen aufgeht.
Tagesprogramm 10./11.3.1979