Dienstag, 5. Dezember 1978
2 Stunden Klubsitzung und kein richtiges Thema. Klubobmann
Fischer hatte bereits einleitend gesagt, über die Frage
Verhältnis Kreisky–Androsch könnte nicht diskutiert werden,
da darüber das Präsidium morgen erst Besprechungen führen wird.
Kreisky selbst war auch verhältnismässig sehr spät erschienen,
sodass richtiggehende Lücken entstanden, um die Zeit zu überbrücken.
Auch ich wurde von Pansi gefragt, ob ich nicht etwas berichten
könnte. Meine Antwort war dieselbe wie in der Fraktion des ÖGB,
wenn der Vorsitz Schwierigkeiten hat, Zeit zu überbrücken, kann er
jederzeit selbst, ohne mich zu fragen, mich auffordern, über ein
aktuelles Thema zu berichten. Ich informierte den Klub über die
Tagesordnungspunkte, welche heute im Plenum zur Debatte standen
und über die gestrigen Verhandlungen bezüglich des EPÜ. Entweder
waren meine Ausführungen so informativ oder das Thema so uninter-
essant, auf alle Fälle gab es darüber nicht einen einzigen
Diskussionsredner.
Bezüglich des EPÜ-Beitrittes hatten mir Sallinger und Mussil, die
ich in ihrem Klub besuchte, mir gegenüber versichert, sie hätten
nicht erwartet, dass es sich so entwickelt. Ihre Zusage, noch
heuer die Ratifizierung im Parlament beschliessen zu können,
konnten sie nicht einlösen. Am meisten erschüttert aber war ich,
dass sie gar nicht wussten, dass Klubobmann Mock unserem Klub-
obmann Fischer mitteilte, dass auch diese Frage mit den Wirt-
schaftsgesetzen, Marktordnungen, 2/3-Mehrheitsgesetze also,
gekoppelt werden soll. Sallinger beschwerte sich neuerdings bei
mir, dass wir für Cifer den Dienstpass um 2 Jahre verlängert haben,
ohne dass die Handelskammer gefragt wurde. Ich verwies darauf,
dass eben jetzt eine neue Vereinbarung zwischen Handelskammer
und Handelsministerium besteht, nach der in Hinkunft vorgegangen
wird.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte die notwendigen Schritte einleiten.
Neuerdings interveniert Sallinger, dass wir dem Institut für
Gewerbeforschung nochmals 400.000 S geben sollen, dies habe
ich glattweg abgelehnt, da bereits 1,2 Mill. S ausbezahlt wurden.
Die Fa. Riedl soll jetzt das Staatswappen-Führungsdekret vor
Weihnachten noch erhalten.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte schau, ob dies möglich ist.
Sallinger will sich nach wie vor dafür einsetzen, dass die
ÖFVW ein eigenes Haus bekommt und die Länder, welche sich
teilweise ganz entschieden gegen eine solche Investition aus-
sprechen, dafür gewinnen. Ich wünschte ihm viel Glück. Bei
der Generalversammlung der ÖFVW, an der ich nicht teilnehmen
konnte, hat dann die Frage eines eigenen Hauses eine grosse
Rolle gespielt, ein diesbezüglicher Antrag von Wien wurde
lange diskutiert und dann entsprechend geändert beschlossen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass vor den nächsten Wahlen
eine endgültige Lösung sicherlich nicht zustandekommt.
Sallinger intervenierte für den Prokuristen der Dampfkraft-
werksgesellschaft Korneuburg als Geschäftsführer. Ich erwiderte
sofort, dass auch Vorschlag der ÖVP nicht der ursprünglich
von der E-Wirtschaft vorgeschlagene Wiesinger, sondern eben der
prononcierte ÖVP-Mann Sommerbauer als zweiter Geschäftsführer
von der ÖVP eingesetzt werden soll. Sallinger der Name nicht
geläufig und er hat nach einem Telefonat mir dann mitgeteilt,
es handelt sich nicht um Sommerbauer, sondern um Leupold, der jetzt
Prokurist neben Moraw, der Sozialist, der ebenfalls Geschäfts-
führer ist, ernannt werden soll. Ich erklärte mich nur bereit,
darüber mit Gen.Dir. Bandhauer zu sprechen, denn ich werde die
ewigen verschiedensten Gruppeninteressen der ÖVP-Gruppe nicht
weiter immer nur exekutieren.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte mit Bandhauer darüber einen
Termin vereinbaren.
Kreisky hat dann seine Ausführungen im Klub damit begonnen,
dass der Arlberg eine gigantische Leistung ist, die viel zu
wenig beachtet wurde. Obwohl an einem Wochentag die Eröffnung
stattfand, haben viele Leute daran teilgenommen, auch die Übertra-
gung im Fernsehen, welche ab mittags live war, wurde von hunderttau-
senden gesehen. Wenn man bedenkt, wie der Klub interessiert wäre,
das brennendste Personalproblem Kreisky–Androsch gelöst zu
hören, kann man sich vorstellen, wie diese Information aufgenommen
wurde. Kreisky erklärte auch, warum die Staatsanwaltschaft den
Prozess Anklage des Kurier wegen Demokratieverschmutzungsvorwurf
gegen Kreisky verlor. Der Presserichter Weiss hat erklärt, es
handelt sich nur um eine Äusserung Bergmanns und der Kurier hat
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eben nur berichtet. Bergmann wieder erklärte, Kreisky als
Demokratieverschmutzer nicht als Bundeskanzler, sondern eben
in der Eigenschaft als Parteiführer so bezeichnet zu haben.
Im Laufe seiner Ausführung kam dann Kreisky aber doch auf
aktuelle Probleme zu sprechen. Er berichtete über sein Zusammen-
treffen mit Götz, er hat es sich vorgenommen, mit dem keinen
Kontakt aufzunehmen und dies ist ihm auch gelungen. Die Frei-
heitlichen sind brennendst daran interessiert, dass Kreisky
noch vor den Wahlen mit Götz und damit der FPÖ in Gespräche
eintritt. Nur so können sie dann im Wahlkampf erklären, dass
sie nach beiden Seiten offen sind. Bei den Freiheitlichen
gibt es nämlich eine grosse Anzahl von Wählern nach dem Motto
lieber rot als schwarz. Kreisky hofft, dass diese, wenn er
nicht klar und deutlich eine FPÖ-SPÖ Koalition durch sein
Verhandeln, Reden und Gebaren möglich erscheinen lässt, dann
lieber rot wählen, als eine FPÖ und ÖVP-Koalition zu schaffen.
Die Wahlen sollen nach Kreisky am 7. Oktober 1979 stattfinden.
Über die Unvereinbarkeit berichtet er, dass die Schweizer Regelung
ihm am meisten entspricht, er möchte eine milde, klare, saubere
Lösung. Darüber wird aber das Erweiterte Präsidium am Mittwoch
letzten Endes entscheiden.
Wichtig erscheint ihm auch, dass ausser dem Privilegienabbau
die höchsten Einkommen auch anderer eingeschränkt werden, auch
dann, wenn dies nicht durch ein Gesetz erfolgen kann. Die Auf-
sichtsräte in der Verstaatlichten Industrie seien viel zu
gross. Wenn Einsparungen bei Spitzengehältern auch natürlich
nicht einen Betrieb sanieren können, sie werden diese Beträge
sicherlich so gross sein, wie jetzt manchmal Sozialeinrichtungen
wie z.B. Einsparungen bei Betriebsküchen als Sanierungsmassnahmen
vorgesehen sind. Köck, der neben mir sass, meinte, in der
Elektrizitätswirtschaft hätten wir schon die Reduzierung der
Aufsichtsräte vorgenommen.
Zuletzt berichtet Kreisky dann über die Verhandlungen mit
Ford um eine Produktionsstätte mit 8.000 Beschäftigten, 220.000
Autos, davon 200.000 im Export bei einem Investitionsaufwand
von 4 Mia S, der von der Gemeinde Wien 1,5 Mia plus Grundstück,
ca. 500 Mio, der Rest dann teils vom Staat zu Verfügung gestellt
werden müsste. Dadurch würde unsere Handelsbilanz sich wesentlich
verbessern und die Zulieferung 90.000 t Blech durch die Vöest,
1/3 der Reifenproduktion von Semperit usw. entscheidend sich
verbessern. Androsch schlägt für diesen horrenden Betrag eine
eigene Finanzierungsmethode vor, über die Kreisky aber im
einzelnen nichts berichten konnte oder wollte. Er deutete nur
an, dass es ähnlich wie bei der UNO-City man auch für dieses
gewaltige Werk eine Finanzierung finden müsste. Am 13. Dezember
findet eine nächste Besprechung statt und im Feber/März soll dann
der Beschluss endgültig gefasst werden, wenn man zu einer
Einigung kommt. Auch über diesen Bericht gab es keine Diskussion,
ausser dass Teschl vorschlug, man sollte am Donnerstag vor der Haus-
sitzung unbedingt eine Klubsitzung machen, damit die Klubmitglieder
über die Präsidiumsentscheidung vom Mittwoch informiert werden.
Mit Recht meinten manche spöttisch, sieht er kein Fernsehen, liest
er keine Zeitung, dort wird sicherlich unmittelbar nach der
Präsidiumssitzung alles bis ins letzte Detail gesagt werden.
Bei unseren Tagesordnungspunkten Gewerbestrukturverbesserung
kam es zu einer harten Auseinandersetzung zwischen Mühlbacher,
der die ÖVP beschuldigte, für Klein- und Mittelbetriebe viel
weniger getan zu haben als die sozialistische Regierung, und
Mussil, der nicht nur das Gegenteil behauptet, sondern auch mich
attackierte. Allen Ernstes sagte er, ich hätte kein Herz für den
Mittelstand und warf mit Gaukelei und sonstige Bezeichnungen
vor. Einmal mehr will er, sagte er, nur die soziale Marktwirtschaft
hätte alles so gut gemacht und der Finanzminister hat mit seiner
Steuerpolitik die Unternehmer ruiniert. Jetzt kommt noch der
Sozialminister und möchte durch Verordnungen die auch nicht mehr
aufrechtzuerhaltende Vollbeschäftigung total demolieren, indem
er die Betriebe verpflichtet, Meldungen zu erstatten, wenn
sie Arbeiter abbauen. Mich provozierte er dann mit dem Hinweis,
ich sollte endlich einmal sagen, was die sozialdemokratische
Marktwirtschaft ist. Natürlich ging ich dann auf diese Vorwürfe
im einzelnen ein, hatte den Beifall der eigenen Fraktion und das
Aufheulen der ÖVP mit meinen Ausführungen erreicht.
Umso friedlicher war ich dann bei der Debatte über den Bericht
der Internationalen Energieagentur. In diesem kommt Österreich
wirklich schlecht weg, Heindl hat aber in eine blendenden Rede
die Angriffe Königs und auch Stix's nicht nur abgewehrt, sondern
im einzelnen erläutert, warum es in Österreich bei dieser Frage
wirklich geht. Die Kompetenzschwierigkeit, die mangelnde Bereit-
schaft der ÖVP, uns im Handelsministerium die notwendige Kompetenz
zu geben, und vor allem aber die Bemühungen schon seit längerer Zeit
im Konkreten bei Energiesparmassnahmen usw. tatsächlich zu entspre-
chenden Ergebnissen mit den Ländern zu kommen.
Das Antimarktstörungs- und Antidumpinggesetz wurde sehr leger
diskutiert und beim Weizenübereinkommen meldete sich überhaupt
niemand. Triumphierend könnte ich wieder berichten, dass alle
diese Gesetze einstimmig beschlossen wurden. Dazu hat der Abg.
Graf, der mir gegenüber immer sagt, er ist ein stiller
Verehrer von mir, und der mich selbst bei den härtesten Diskussionen
nicht hart attackiert, eine Bemerkung gemacht, die stimmt,
wie ich ihm nachher auch unter vier Augen versicherte. Er meinte,
meine Konsenspolitik, die er anerkennt, führt aber dazu, dass
ich Probleme, die ich eben im Konsens nicht lösen kann, ganz
einfach nicht weiter betreibe. Dadurch unterscheide ich mich
wesentlich von meinem Amtsvorgänger Mitterer. Dieser hat eben
in jedem Fall die Interessen der Gewerblichen Wirtschaft wahrgenommen
und sich dadurch natürlich oft in Gegensatz zu anderen Ministern
gesetzt. Genau dies will ich nicht, ich möchte mich nicht einmal
in Gegensatz zu den Interessenvertretungen oder den Ländern
setzen, weshalb ich eben Probleme, die ich nicht im Konsens lösen
kann, ausklammere. Dass die Probleme dadurch natürlich nicht
verschwinden, ist mir vollkommen klar.
Im Ministerrat gab es keinerlei Probleme, interessant ist nur,
dass jetzt bei den diversen Autobestellungen der einzelnen Minister
oder Ministerien jedesmal der Ministerrat beschliessen muss.
Unter anderem ist jetzt ein Dienstauto von der Präsidentschafts-
kanzlei verunfallt und nicht mehr zu reparieren, Kirchschläger
wird daher seinen Wagen abtreten und sich dafür einen neuen
anschaffen, wie Androsch zusätzlich berichtete. Aussenminister Pahr
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flüsterte Androsch zu, auch seiner wird jetzt schön langsam
hin und muss ausgetauscht werden. Ich habe ihm genauso leise
geflüstert, er soll sich einen Peugeot wieder beilegen, den
kann ich ihm vielleicht um 105.000 S verschaffen. Der Vorgänger
von Pahr, Bielka, hat nämlich tatsächlich einen Peugeot gefahren,
Pahr ist aber sofort wieder auf Mercedes umgestiegen.
Beim Bezirksausschuss auf der Landstrasse berichtete ich natürlich
ausführlichst über die Personaldiskussion Androsch–Kreisky.
Von den 6 Diskussionsteilnehmern, darunter auch Häuser als
ARBÖ-Vertreter im Ausschuss, sprachen sich alle für mehr
Disziplin, geschlossene Abwehr der Partei bei Angriffen und
mehr oder minder für Androsch's Standpunkt aus. Eine Kommission
soll feststellen, ob er sich Unrechtmässigkeiten zuschulden hat
kommen lassen und ob er den gesetzlichen Anforderungen entspricht
und nach den Gesetzen gehandelt hat. Mehr oder minder kritisierten
alle, dass die führenden Genossen zu wenig Disziplin sehr erkennen
lassen und dass wir dadurch in die Defensive gedrängt werden und
die ÖVP die Oberhand gewinnt. Unter dem Punkt Allfälliges wurde
dann aber bei uns eine Diskussion losgetreten, die Heindl, der zu
dieser Zeit den Vorsitz führte, nur äusserst schwer im Griff
halten konnte. Ich hatte so etwas auf der Landstrasse eigentlich noch
nie erlebt. Zum Schluss beruhigte sie sich ein wenig, war aber zeit-
weise beängstigend scharf, hart und kritisch und teilweise sogar
beleidigend. Zuletzt wollte man mir, obwohl ich an der Diskussion
gar nicht teilgenommen hatte, nicht einmal das Schlusswort geben,
obwohl ich eigentlich dazu mich nur meldete, um allen ein fröh-
liches Weihnachtsfest zu wünschen. Ich konnte mir nicht ver-
kneifen, darauf hinzuweisen, dass diese Diskussion jetzt in unserem
Bezirksrahmen klar und deutlich zeigte, wie es auch manchmal
wahrscheinlich in den höchsten Führungsgremien der Partei zugeht.
Die wichtigste Aufgabe erscheint mir, und dies ist uns diesmal
im Bezirk nicht gelungen und wahrscheinlich auch in dem einen oder
anderen Fall auch in dem Parteipräsidium, also der höchsten Spitze
unserer Partei, auch nicht immer gelungen, eine reine Sachdis-
kussion zu führen. Immer wieder personifizierte sich jedes Problem,
die Massenmedien bringen es vor allem dorthin und manchmal entsteht
daraus ein persönlicher Gegensatz, der dann kaum mehr zu bereinigen
ist. Dieser Zustand ist, fürchte ich, ist zwischen Androsch und
Kreisky erreicht. Wie immer die Entscheidung auch des Präsidiums
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am Mittwoch ausgehen wird, es gibt dabei keine optimal
gute Lösung. In jedem Fall wird die Partei und auch damit
auch die Regierung Schaden erleiden.
Tagesprogramm, 5.12.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 142. Ministerratssitzung, 5.12.1978
Nachtrag TO 142. Ministerratssitzung, 5.12.1978