Dienstag, 14. November 1978
Der Fachverband der chemischen Industrie wünscht eine Kunst-
stoffrohr-Kennzeichnung, damit die Importe, 300 Mio Schilling,
die grösstenteils aus Überschussproduktionen von anderen Län-
dern kommen, womöglich eingedämmt werden. Von den 2.000 Be-
schäftigten in dieser Branche werden durch solche Importe 800
Arbeitsplätze gefährdet. Die Normung soll aufgrund der Ö-Norm
vom Bautenministerium entsprechend so schnell als möglich ein-
geführt werden. Das Bautenministerium hat schon für den Wasser-
wirtschaftsfonds und sonstigen öffentlichen Auftragsgebern Qua-
litätsrichtlinien erlassen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte mit Bautenministerium so schnell als
möglich die notwendigen Vorarbeiten leisten.
Dir. Neubauer von der Firma Austromineral bringt ein Schreiben
des philippinischen Ministers Quiazon, wo dieser ersucht für
eine Ferrochromanlage eine feasibility study zu erstellen.
Neubauer würde für diese Studie 4 Mio Schilling benötigen,
die aus der Entwicklungshilfe bezahlt werden sollten. Die An-
lage, welche die VOEST bauen könnte, wird 400 Mio Schilling
kosten und für 50.000 Jato ausgelegt sein. Die Vereinigten
Edelstahlwerke würden allein 20.000 Tonnen im Jahr brauchen.
Neubauer ist einverstanden, dass wenn die VOEST den Auftrag be-
kommt, selbstverständlich dann die Studie im Preis einkalkuliert
wird und damit die 4 Mio Schilling der Entwicklungshilfe, BKA,
wieder zurückgezahlt werden. Für das grosse Kohleprojekt Semirara,
800 Mio Schilling-Auftrag für die VOEST, waren auch Vorlaufkosten
von 6 Mio Schilling von der Austromineral aufgewendet worden.
Die Philippinen sind für uns ein richtiges Entwicklungsland, wo
noch Grossaufträge zu bekommen sind.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Die Industriesektion soll sofort die entspre-
chenden Verhandlungen mit BKA – Entwicklungshilfe – aufnehmen.
Ich verständigte GD Weiser, EVA, dass Kreisky die grössten Be-
denken hat, wenn er seine Kernkraftwerkbereitstellungpläne in
der Pressekonferenz mitteilt. Wir einigen uns darauf, dass er-
doch mit allen Betroffenen Kontakt aufnimmt. Satzinger verstän-
digt sowohl die Arbeiterkammer als ganz besonders den ÖGB, Schmidt,
von dem neuen Konzept Weisers. Dieser zieht auch Abg. Heindl zu
der Aussprache mit Weiser hinzu. Schön langsam wird es vielleicht
gelingen, zwischen Weiser, der sich immer als regierungsfern be-
zeichnet und auch so verhält, einen engeren Kontakt mit unseren
Leuten aufzuzwingen.
Der Ministerrat kann nur verspätet beginnen, weil eine Antikern-
kraftwerksdelegation Kreisky einen Blumenstrauss überbringt und ihm
den Dank für die Möglichkeit der Volksabstimmung ausspricht.
Löschnak berichtet, dass jetzt in Deutschland ein Seminar
über Verwaltungsakademie von 20.–25.11. stattfindet, wobei ein
1/2 Dutzend Sektionschefs daran teilnehmen. Kreisky macht die
hämische Bemerkung – und damit wird die österreichische Bürokratie
stillgelegt.
Bei der Vorsprache der Betriebsräte von GKT und KKWP teilen mir
diese mit, dass sie überhaupt nicht von ihren Direktoren über
Massnahmen informiert wurden. Die Auflösungsbeschlüsse wurden,
ohne dass man sie verständigt hat, gefasst. Sie befürchten eine
Kurzschlusshandlung in jeder Beziehung. Ich versuche ihnen klar-
zumachen, dass aus politischen Gründen ich beim besten Willen ge-
gen solche Auflösungsbeschlüsse nichts unternehmen kann. Selbstver-
ständlich erscheint mir nur – und dies werde ich mit aller Deutlich-
keit den Direktoren sagen – dass die 4 Arbeiter und 41 hochqualifizier-
ten Angestellten der KKWP und die 78 Arbeiter und 100 Angestellten
der GKT in die Elektrizitätswirtschaft übernommen werden müssen.
Am späten Nachmittag habe ich dann mit den Fraktionsvertretern der
Elektrizitätswirtschaft in Anwesenheit von Laichmann, dem Angestell-
tensekretär, und Wurnberger, Arbeitersekretär, ebenfalls über dieses
Problem eine längere Aussprache. Die Genossen sind erschüttert,
dass so lange die sozialistischen Direktoren überhaupt keinen Kontakt
45-1319
mehr mit den Arbeitnehmern haben. Wohl wird festgestellt, dass
natürlich jedes Unternehmen mit den einzelnen Betriebsräten Ge-
spräche führt, dass aber die seinerzeit vorgesehene Aussprache min-
destens im 1/2 Jahr jetzt unterbleibt. Satzinger wird Entspre-
chendes veranlassen. Die Idee, man sollte die KKWP als Ganzes
übernehmen und auch die GKT in der Elektrizitätswirtschaft deren Tätig-
keit fortführen, halte ich offiziell für unmöglich. In diesem Fall wür-
den die Kernkraftwerksgegner sofort die entsprechenden Informationen
bekommen und dann erklären, es hat sich gar nichts geändert, die
Elektrizitätswirtschaft arbeitet nach wie vor an der Fertigstel-
lung des Kernkraftwerkes. Die KKWP muss aufgelöst werden. Die einzige
Möglichkeit besteht darin, innerhalb der Elektrizitätswirtschaft
dann gewisse andere Arbeiten offiziell diesen Ingenieuren zu über-
tragen. Der FPÖ-Obmann Götz hat angeblich vorgeschlagen, sie
sollten sich mit Alternativ-Energiefragen beschäftigen. Mir er-
scheint nur wichtig, bis zu den nächsten Wahlen nicht den Eindruck
zu erwecken, dass entgegen der Volksabstimmung die Bundesregierung
doch das Kernkraftwerk womöglich still und leise in Betrieb setzen
möchte.
Mit Nischkauer, Kasamas und NR Köck wird die weitere Vorgangsweise
im Verbundkonzern nach dem Ableben Erbachers besprochen. Schön
langsam gelingt es mir alle zu überzeugen, dass wir mit dem Zweier-
vorstand die optimalste fraktionelle und auch führungsmässige Lösung
getroffen haben. Nischkauer möchte nur unbedingt von mir ein Schrei-
ben haben, das bei der nächsten Hauptversammlung der Zweiervorstand
auch im Statut verankert wird. Derzeit sieht die Regelung 2–4
Vorstände vor. Mit dieser Formulierung hat Nischkauer die grössten
Probleme mit den Technikern innerhalb der Verbundgesellschaft.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte entsprechende Schreiben von Frank für
nächste Aufsichtsratsitzung vorbereiten lassen.
Im Lastverteilungsbeirat überreiche ich Bandhauer das Dekret als
Bundeslastverteiler und ich verlange eine Diskussion über die Ener-
giesicherung nach Ablehnung der Kernkraft. Wagensonner, TIWAG, und
Hochwimmer, OKA, verweisen auf die Schwierigkeiten, in die wir kommen
werden. Sonst beteiligt sich leider niemand, zumindestens solange
ich dort war, an der Problematik, die sich jetzt für die Versorgung
45-1320
ergeben muss. Darüber bin ich schon einigermassen erschüttert,
denn im Lastverteilerbeirat sind alle Interessensvertretungen
und alle Energieträger.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Die Energiesektion soll Dir berichten, wie
es weitergegangen ist.
Mit Komm.Rat Vockenhuber und seinem Betriebsratsobmann Fadler
besprechen Weissenberg und ich, wie es in der EUMIG wegen der Ent-
lassung der 1.000 Beschäftigten weitergehen soll. Im Neudorfer
Werk von 3.300 300, in Fürstenfeld aber von 1.800 in der ersten
Phase 450 und im Frühjahr dann weitere 150 für 1/2 Jahr gekündigt.
Polaroid hat den Jahresproduktionsvertrag von 150.000 Stück zuerst
auf 60.000 für nächstes Jahr reduziert und jetzt erklärt, die
Kamera überhaupt nicht produzieren zu lassen. Es muss eine neue ent-
wickelt werden, da die alten in Europa nicht zu verkaufen sind.
Vockenhuber sitzt daher auf einem riesigen Lager. Der Amerikaexport
ist durch den 32%igen Dollarverfall und durch die 29.5%ige Lohnerhöhung
seit 1.2.1976 fast unmöglich geworden. 1 Woche mehr Urlaub, weitere
2.2% Belastung, 1 Woche Pflegeurlaub 0.2%. Auf der Kostenseite also
grosse Steigerungen und der Durchschnittserlös 1977 mit 2.068 Schil-
ling ist in den ersten 9 Monaten auf 1.946 Schilling gesunken. Die
Umsatzziffer von 2 Mia Schilling wird zwar erreicht, aber die Erlös-
situation ist katastrophal. Durch das hohe Lager spielen die
Kreditkosten 100 Mio Schilling und vor allem aber die Entwicklungs-
kosten mit 140 Mio Schilling eine wesentliche weitere Belastung.
Für das nächste Jahr müssen Gemeinkosten für 160 Mio Schilling ein-
gespart werden. Fohnsdorf hat 400 Mio Schilling gekostet, für Be-
triebsmittel müssten 140 Mio aufgebracht werden. Das Bundeskanzler-
amt hat 70 Mio zugesagt und bis jetzt aber kann und will scheinbar
Kreisky diese Zusage nicht einlösen. Das Sozialministerium hat
dafür kaum Mittel. Vockenhuber möchte die Arbeiterinnen – 90% werden
Frauen gekündigt – in Mitte nächsten Jahres wieder einstellen.
Sie bekommen dann eine Einstellungsprämie, die Differenz zwischen
Nettogehalt und Arbeitslose. Dafür sind 15 Mio Schilling, wovon
7.5 Polaroid bezahlt, vorgesehen. Die Redakteurin Palme vom Kurier,
hat jetzt die Länderbank, die Hausbank Vockenhuber's, aufgescheucht.
Ich verspreche mit Länderbankdirektor Koliander zu reden.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Koliander verbinden.
Mit den kubanischen Minister Trueba führe ich vor dem Essen im
Imperial ein Arbeitsgespräch. Unsere Importe aus Kuba sind sehr
gering, von 10 Mio Schilling 1973 auf 83 Mio angewachsen, in den
ersten 9 Monaten aber wieder stark zurückgegangen, die Exporte von
45 Mio Schilling auf 532, wenn Grossprojekte ausgeliefert werden
und jetzt natürlich wieder in den ersten 9 Monaten auf 72 Mio
zurückgegangen. Die Firma Cifer hat ein Rohrwerk mit 450 Mio Schil-
ling fertig und versucht jetzt in Drittländern Afrikas, Angola,
Mosambik usw., die dortigen kubanischen Einflüsse zu nützen, um
grössere Aufträge zu bekommen. Die Kubaner könnten dann aus dem
Rohrwerk 25% zuliefern. Die Vereinigten Edelstahlwerke Vogelbusch
haben mit VOEST-Alpine 4 Futterhefeanlagen geliefert, Gesamtauf-
tragswert 500 Mio. Jetzt möchten sie gerne eine Rahmenstrangguss-
anlage gemeinsam mit der Glöckner. Trueba ist an allen diesen Pro-
jekten sehr interessiert und insbesondere, dass wir während seiner
Anwesenheit noch einen Kooperationsvertrag und Wirtschaftsvertrag
abschliessen. MR Willenpart sagte, eine solche Möglichkeit be-
steht, ohne dass wir vorher einen Ministerratsbeschluss dafür haben.
Interministeriell hat er alle Ministerien auf einen – wie ich dann
selbst feststellen kann – wenig sagenden Text festgelegt. Die
Kubaner sind mit der Formulierung auch einverstanden. Ich kann den
Wunsch Truebas erfüllen und morgen einen solchen Vertrag mit ihm
gemeinsam unterfertigen.
Dipl.Ing. Schmotzer von der KKWP wurde aus Deutschland zurückgeholt
und steht jetzt vor der Frage, wie er in der österreichischen Elek-
trizitätswirtschaft weiterarbeiten soll. Ich sage ihm frank und frei,
dass er mit GD Bandhauer die entsprechenden Gespräche führen muss,
weil ich es für unmöglich halte, dass von aussen jetzt Bandhauer
ununterbrochen Vorschläge bekommt, wen er nehmen soll und wie er die
Arbeitskräfte einsetzen sollte. Bandhauer als Jurist wird es sowieso
schwer haben, eine entsprechende Lösung mit Technikern zu finden,
die die bisherige alleinige Herrschaft der Techniker in der Verbund
auf der einen Seite egalisiert und auf der anderen Seite ihm die not-
wendige arbeitsmässige Unterstützung gibt.
Bei der Überreichung von Staatswappen und Auszeichnungen gelingt es
mir doch immer wieder – obwohl ich vorher grosse Angst habe – mit den
Unterlagen auszukommen und sie sehr individuell zu gestalten. Ins-
gesamt fast 2 Dutzend Laudationen zu halten, ist gar nicht so einfach.
Bei der Vorstandsitzung in der Partei auf der Landstrasse erzählt
mir dann Walz, der ebenfalls für die Vöslauer das Staatswappen
übernommen hat, dass nachher ganz allgemein die Ausgezeichneten
und die dortigen Angehörigen, die diesen gratuliert haben, über
meine Art der Überreichung begeistert waren. Ich bekomme wirk-
lich immer mehr den Eindruck, dass man mit Wiener Schmäh selbst über
schwierigste Situationen hinwegkommen kann. Wirkungsvoller allerdings
ist es, wenn es bei der Überreichung dieser Auszeichnungen nicht im
Ministerium, sondern womöglich in den Firmen selbst eine grössere
Masse von Arbeitern und Angestellten und natürlich auch Unternehmungs-
vertretungen daran teilnehmen.
Im Präsidium der SPÖ auf der Landstrasse wird jetzt versucht, die
Bezirksprobleme zu koordinieren. In Hinkunft muss es nämlich zwi-
schen Berger, Bezirksvorsteher, und unserem Stellvertreter Schmid
sowie den Fraktionsführern Tischler und Weisbier zu einer engen
Kooperation kommen. Wenn dies nicht gelingt, dann wird die ÖVP, so wie
überall in der Gemeinde, auch in unserem Bezirk noch grössere Er-
folge verzeichnen können. Die Attacken und Angriffe der ÖVP werden
nämlich in der nächsten Zeit zunehmen. Dies hat allein schon die
Konstituierung des Wiener Gemeinderates gezeigt. In den Bezirksver-
tretungen wird es nicht anders zugehen.
Im anschliessenden Vorstand wird neben dem politischen Bericht, der
auch diesmal eingehend diskutiert wird, eine Resolution der Sekt. 15
eingehend behandelt, die verlangt, dass der auf dem Plakat aufgeschie-
nene SJ-Obmann Woller sein Bezirksratsmandat bei uns zurücklegen muss.
Woller hat aber mit recht, Heindl und mir seinerzeit schon erklärt.
solange die Partei keine Beschlüsse gefasst hat, war es für ihn selbst-
verständlich sich an der Aktion Zwentendorf zu beteiligen. Nach der zu
späten Beschlussfassung hat er dann sofort jedwede Aktivität einge-
stellt. Heindl wird versuchen, die Sektion von ihrem Verlangen abzu-
bringen. Ich halte es für ganz unmöglich, dass man Woller für ein
taktisch falsches Verhalten der Partei jetzt verantwortlich macht.
Tagesprogramm, 14.11.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 139. Ministerratssitzung, 14.11.1978