Montag, 13. November 1978
Präsident Benya verständigt mich, dass Weiser jetzt ein Energie-
konzept ausgearbeitet hat, was nicht, wie er sich ausdrückt, auf mei-
nem Buckel ausgetragen werden darf. Weiser hat dieses Konzept mit
Sekretär Schmidt vom ÖGB besprochen, sich aber interessanter Weise
geweigert, Satzinger oder irgend jemand anderem vom Ministerium
diesen Entwurf zu zeigen. Er war sehr erstaunt, dass Satzinger und
ich dann bei einer Aussprache mit ihm, gleich dieses Papier,
welches uns Schmidt sofort geschickt hatte, als Diskussionsgrundlage
verwendeten. Seine Ausrede, das Papier von Schmidt musste in vielen
Punkten korrigiert werden und etliche handschriftliche Korrekturen,
die wir alle fotokopierten. Satzinger hat mir vorher bei flüchtiger
Lesung seines Entwurfes mitgeteilt, dies kann man ohne weiteres
akzeptieren, denn darin gibt es einige Ideen, die ganz gut sind
und etliche, die man halt nicht verwirklichen wird können. Weiser,
mit dieser Tatsache konfrontiert, meint, er hat immer schon bei
seinen Vorschlägen damit gerechnet, dass sie nicht alle verwirklicht
werden können. Seine Forderungen werden auch von der Öffentlichkeit
oft gar nicht ernst genommen. Dies stört ihn gar nicht, seine Funk-
tion und Aufgabe sieht er darin, als regierungsferne Organisation,
eben seine Meinung die er – und insbesondere seine Mitarbeiter –
erarbeitet haben, die präsentieren. Er kommt auch zu mir, um mit
mir die Ideen zu besprechen, weil ich Vizepräsident seiner Organi-
sation bin und nicht als Handelsminister. Die Sparmassnahmen, welche
er vorschlägt, werden wahrscheinlich so wie auch die des Handelsmi-
nisteriums bis jetzt an den Kompetenzfragen scheitern. Er hat jetzt
auch erkannt, dass die Landeskompetenzen hier die grössten Schwie-
rigkeiten bereiten werden. Die Elektrizitätswirtschaft ist nämlich
eindeutig in dieser Frage Kompetenz der Länder. Sein revolutio-
närster Vorschlag ist, das Kernkraftwerk weder zu verkaufen, noch
abzureissen, noch einzumotten, sondern für den Verbalfall als Ener-
giereserve zu halten. Die Betriebskosten dafür hat er mit 70 Mio
Schilling in der ersten Festlegung gesetzt. Wagenschab hätte
ihm eine solche Information gegeben, jetzt steht er nicht mehr dazu,
weshalb er 180 Mio Schilling annimmt, die der Bund bezahlen müsste.
Auf den Strompreis umgerechnet ergäbe dies 1/10 %. Kreisky, den ich
beim Abendempfang beim Bundespräsidenten über diesen Punkt infor-
mierte, meinte, wenn Weiser dies präsentiert, muss er sich dagegen aus
sprechen. Es kann und darf in der Öffentlichkeit auch nicht nur im
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Entferntesten der Eindruck entstehen, dass die Regierung die
Inbetriebnahme entgegen der Volksabstimmung bereits einkalku-
liert. Unser Verhalten müsste dasselbe sein, wie die schwedi-
sche Regierung bei der Nichtinbetriebnahme der in Schweden fer-
tiggestellten Kernkraftwerke gehandhabt hat. Kreisky wollte
wissen, ob dort die Brennelemente vorhanden waren, ob sie im
Reaktor eingebracht wurden resp. wo sie gelagert werden.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte sofort über Aussenamt oder sonstige
Kanäle feststellen.
Kreisky hat unter vier Augen mir gegenüber die Bemerkung gemacht,
dass er so wie ich überzeugt ist, dass in 2 Jahren das Kernkraftwerk
nach einer neuerlichen Volksabstimmung, die die Befürworter dann gewin-
nen werden, in Betrieb gehen wird. In meinen Augen ist jetzt nur die
grosse Frage, wie man diesen Zeitraum überbrückt. Die ÖVP wird
kaum mehr ihr politisches Süppchen daran kochen können, wenn wir
nicht den Fehler machen und durch ungschickte Bemerkungen dafür Anlass
geben. Man wird deshalb nach einer Rücksprache mit dem ÖGB über das
Energiepapier von Weiser neuerdings mit ihm sprechen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Die Unterlagen sofort der Energiesektion,
Heindl, ÖGB, AK vertraulich zur Verfügung stellen.
Kammeramtsdirektor Zöllner wollte von mir wissen, ob wir tatsächlich
unseren Vertreter im Milchwirtschaftsfonds, Staudinger, durch den
ehemaligen Betriebsrat der MIAG, Huber, ersetzen wollen. Huber hat
keine Möglichkeit in der NÖM, welche die MIAG übernommen hat, zu
kandidieren und ist deshalb einer schweren, auch finanziellen schwierigen
Situation. Staudinger ist bereit auf seinen Nebenverdienst Obmann-
stellvertreter, 17.000 Schilling zu Gunsten Hubers zu verzichten.
Dieser wird dann ganztägig Zeit haben im Milchwirtschaftsfonds alle
die Wünsche, die die AK und ÖGB, aber auch natürlich die Lebensmittel-
gewerkschaft haben, gewissenhaft zu verfolgen und entsprechende Unter-
lagen immer wieder zu verschaffen. Zöllner hat nur Bedenken, dass Huber
nicht die Potenz von Staudinger mitbringt. Dies stimmt sicher, doch
wir haben keine andere Wahl, nachdem Staudinger von sich selbst aus
diesen für ihn sehr ehrenden Vorschlag gemacht hat.
Bei der Festversammlung 25 Jahre Hoteliervereinigung ist ihr
Präsident Skardarasy, vielleicht andeutend, Sallinger schon massiver,
gegen die Steuerpolitik der Regierung aufgetreten. Ich habe dann
natürlich indirekt dagegen polemisiert, dass ich das Forderungs-
programm der Hotliervereinigung Punkt für Punkt als Beweis ver-
wendete, was alles schon für die Unternehmer tatsächlich geschehen
ist. Ich dachte mir, nie mehr wieder bekomme ich diese hunderten
Personen zusammen. Als Kirchschläger dann seine Festansprache hielt,
meinte Kreisky zu mir, es ist erfreulich, wie dieser Bundespräsident,
wie kein anderer, sich durch sehr gescheite und inhaltsreiche Reden
auszeichnet. Insbesondere war Kreisky, wie auch abends dann beim
Essen des Bundespräsidenten in der Tischansprache bemerkte, sehr be-
eindruckt und sehr glücklich über die Ausführungen zum 60. Ge-
burtstag der Republik. Kirchschläger hatte bei dieser Gelegenheit bei
seiner Tischansprache darauf verwiesen, wie einsam sich eigent-
lich jedes Staatsoberhaupt von Hainisch beginnend bis auch zu seiner
Person in der Funktion als Bundespräsident fühlt. Kreisky meinte,
man müsste ihn vielmehr besuchen. Ich erwähnte, das Beste wäre, ich
schicke ihm meine Aufzeichnungen, da kann er wenigstens lesen,
was im Handelsministerium geschieht.
Bei der Eröffnung des Gewerkschaftstages der Privatangestellten
hat Weissenberg in seiner Begrüssungsansprache – nur diese habe ich
mir angehört – erwähnt, dass in der Sozialpolitik die Arbeiter den
Angestellten angeglichen werden sollen, ohne dass deshalb der Ange-
stelltenbegriff verschwinden sollte und sich für die Solidarität be-
dankte, die die Angestelltengewerkschaft in dieser Frage immer wieder
zeigt. Dallinger hat vom Vorsitz darauf gleich die geantwortet
und meinte, dass die Angestellten diese Politik fortsetzen werden,
allerdings unter einem Atemzug dafür auch ihren Ausbau ihrer Sozial-
rechte fortsetzen, d.h. weiterkämpfen werden, soweit es die wirt-
schaftliche Lage ermöglicht. Den Beifall, den Dallinger dabei be-
kommen hat und der nicht enden wollte, zeigte mir ganz deutlich,
dass die Delegierten zwar diese Solidarität aufbringen nicht gegen
die Gleichstellung der Arbeiter zu sein, aber eindeutig den Vorsprung,
den sie jetzt haben, unter gar keinen Umständen aufgeben wollen und
werden. Die Hoffnung der Arbeiter einen einheitlichen Arbeitnehmer-
begriff zu schaffen, ist meiner Meinung nach vom Standpunkt der Ange-
stellten eine Illusion. Vielleicht kann man den Unterschied ein wenig
verringern. Dies wird aber sicherlich schon alles sein.
LR Ferrari und Prof. Newole, der Fremdenverkehrszuständige in
Kärnten, wollten eine Änderung der Richtlinien für die Kanalan-
schlussgebührensubvention, die zwischen 15 und 30% schwankt.
Dass die Unternehmungen daran zugrunde gehen. Jetzt möchte Ferrari,
dass nicht nur die, welche daran zugrunde gehen, sondern jeder
diese Subvention bekommen soll, dass sie einfach zu handhaben sind und
deshalb so gut angekommen....? durch die komplizierten cash flow
Berechnungen bei der Kanalaktion gibt es grössere Schwierigkeiten.
Ich selbst bin auch über diese komplizierte Art nicht glücklich,
doch haben diese Berechnungsmethoden die anderen Ländervertreter
verlangt, die diese Aktkion für Kärnten auch für sich haben wollten
resp. kein Interesse haben, dass sie zu gross ausgedehnt wird.
Newole muss daher versuchen bei seinen Kollegen in den anderen
Ländern einen entsprechenden Umschwung deren Meinung herbeizu-
führen. MR Würzl wird die Richtlinien nicht ändern, wohl aber eine
Aufklärung in einigen strittigen Punkten durch authentische Interpreta-
tion geben
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Man sollte wirklich die ganzen Aktionen nach
Vereinfachung überprüfen.
Bei den Aussenhandelsstellenleitern in Osteuropa gab es zwar
eine lange Diskussion über die einzelnen Länder, aber eigentlich
keine neuen Erkenntnisse. Die Staatshandelsländer gehen jetzt in
immer stärkerem Masse dazu über bilateral für jedes Geschäft wo-
möglich über 100% hinausgehende Kompensation zu verlangen, also
wenn man will, Ware gegen Ware zu tauschen. Innerhalb des COMECON
haben sie sowieso immer nur bilateral gedacht und durch über-
höhte Überschuldung jetzt gegenüber dem Westen auch bei ihren
Importen dieses System in immer stärkerem Maße angewendet. Daß damit
der Handelsstrom und die Vorteile, die sich der Westen in den ver-
gangenen Jahren zunutze macht, im Osten niemals wirksam wird,
steht für mich fest. Der jetzige Zeitpunkt ist wahrscheinlich auch
der denkbar schlechteste, um dieses System zu ändern, das sie übrigens
gar nicht ändern wollen. Die Frage, die sich nicht nur für Österreich,
sondern für alle europäischen Staaten ergibt, ist, wie die Oststaaten
ihre Kredite zurückzahlen werden. Der österreichische Handelsdele-
gierte in Polen berichtete, dass überhaupt keine Vorkehrungen ge-
troffen werden, um durch Errichtung neuer Elektrizitätswerke die
400 Megawatt dann in den 80er Jahren auch tatsächlich zu liefern.
Ich selbst hatte ja immer gewisse Zweifel, bin aber überzeugt,
dass wenn es zu Stromlieferungen kommt, die eben aus den jetzt
bestehenden Werken ganz einfach genommen werden, auch dann, wenn
dadurch die inländische polnische Versorgung sehr leiden wird.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt, wenn wir aus den Oststaaten keiner-
lei Energiebezüge mehr in dem Ausmass bekommen, wie wir es geplant
haben und vereinbart sind, wird man mit dem Kernkraftwerk irgend
etwas unternehmen müssen. Die Unterlagen, welche die Aussenhandels-
sektion diesmal zur Verfügung stellten, zeichnen sich dadurch aus,
dass die einzelnen grösseren Kooperationen zusammengestellt wurden.
Ich habe die Handelsdelegierten aufgefordert ihre Bemerkungen darauf
handschriftlich zu machen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte dränge bei allen Aussenhandelsstellen-
besprechungen auf solche Unterlagen.
Die Besprechung mit der Elektrizitätswirtschaft bei Frank ist ent-
fallen. Diese dürfte sich wahrscheinlich jetzt auf Grund des Volks-
abstimmungsergebnisses und der Notwendigkeit der Korrektur der
Energieversorgung erst intern versuchen klar zu werden, wie es
weitergehen soll. Ich weiss, dass es nicht möglich sein wird, den
Stein der Weisen zu finden, dass aber jedwede Anregung, auch die
von Weiser, man nicht durch Überheblichkeit oder durch Gekränktheit
zurückweisen soll. Das schlechteste für einen Verlierer – und dies
war die Volksabstimmung für uns – ist es, sich als beleidigte Leber-
wurst zurückzuziehen. Die Öffentlichkeit würde so etwas nicht ver-
stehen, von den Massenmedien ganz zu schweigen. Unsere Politik kann
nur sein, jetzt alles, was vorgeschlagen wird, genau zu analysieren,
insbesondere zu quantifizieren, dann im Parlament – denn dies wird
nach wie vor der Diskussionsboden auch mit der Opposition sein – zu be-
sprechen und dann entsprechende Beschlüsse zu fassen. Die ÖVP wird
sich furchtbar schwer tun, wenn sich aus dieser Diskussion ergibt,
dass die Länder nur zögernd bereit sind, tatsächlich nur Sparmass-
nahmen zu treffen und dass es daher eigentlich notwendig wäre, eine
Kompetenzänderung herbeizuführen. Zur Aufbereitung einer solchen
Politik ist es meiner Meinung nach absolut notwendig, dass jedermann
in den Massenmedien seine Vorschläge wieder vorbringt, damit die Öffen-
tlichkeit sensibilisiert wird. Von rein propagandistischen Standpunkt
kenne ich eigentlich keinen besseren, der solche Forderung optisch
wirksam, wenn auch meistens unrealistisch, vorbringt als Weiser.
Da er als regierungsferne Stelle agieren will und auch grössten-
teils macht, wird, wenn er mit seinen Vorschlägen nicht durch-
dringt oder diese die ÖVP schädigt, wir dann in der Öffentlichkeit
die Diskussion führen müssen. Da die Länder auch gleichzeitig Mit-
glieder seiner Organisation sind, werden sich diese dann ganz
besonders dagegen wehren. Weiser selbst ist aber geschickt genug,
stets mit allen Beteiligten Einzelprobleme zu besprechen und deren
Zustimmung womöglich zu bekommen. Mit Sepp Wille hat er über den
Vorschlag stromintensive Betrieb nur im Sommer arbeiten zu lassen,
verhandelt. Angeblich erhielt er von dort die Zustimmung. Mit dem
Gewerkschaftsbund besprach er die Einsparungsmöglichkeiten und hat
nach seiner Meinung auch dort volles Verständnis gefunden. Ich
forderte ihn immer wieder auf, er soll mit dem zuständigen Minister,
insbesondere mit dem Finanzminister über die Abschreibungsmöglich-
keit und über die Zinszuschüsse und was er sonst alles vorsieht
Gespräche führen. Auch hier meinte er, er hätte mit Cort vom
Büro Androsch Details besprochen und die Zustimmung bekommen. Was
die Einsparung der Wärmedämmung usw. bei den Bauten, ganz besonders
bei den öffentlichen Gebäuden betrifft, verwies ich ihn auf Bauten-
minister Moser, den ich auch sofort verständigte. Abends beim Bun-
despräsidenten habe ich dann auch noch mit Verkehrsminister Lausecker
gesprochen. Ich nehme nicht an, dass Weiser sich tatsächlich immer
mit dem Minister unterhalten wird. Seine Taktik wird es nach wie vor
sein, irgend jemand vom Ministerium, womöglich Ministerbüros,
zu kontaktieren und dann zu sagen, ich habe sowieso mit allen ge-
sprochen. Verhandlungstaktisch und propagandistisch verhält sich
Weiser sicherlich sehr geschickt, geschickter als SChef Frank,
der neuerdings von Kreisky in der Regierungsvorbesprechung hart kriti-
siert wurde.
Kreisky erwähnte auch, dass Vockenhuber ihn Freitag abends
angerufen hat und mitteilte, dass er 1.000 Beschäftigte jetzt frei-
stellen muss. Im Radio hatte ich vorher gehört, dass EUMIG aber
bereit ist, im Juni den Leuten, die er wieder aufnimmt, alle Differenzen
als Einstellungsprämie zu bezahlen. Vockenhuber rechnet scheinbar
fest damit, dass doch ein Teil der Leute irgendwo anders sich Be-
schäftigung suchen werden und auch im Wiener Raum bekommt. Kreisky
forderte mich und den abwesenden Weissenberg auf sofort die Ver-
handlungen mit Vockenhuber zu beginnen.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte unmittelbar Gespräch mit Weissenberg
Vockenhuber und mir bei Weissenberg organisieren.
Am 22.11. werden Parteigespräche zwischen dem Präsidium der ÖVP und
SPÖ stattfinden. Drei Probleme wird Kreisky besprechen. Erstens
die Eigenmittelzuführung für die Verstaatlichte Industrie, zweitens
die zukünftige Energiepolitik und drittens den Taus-Brief, dass die
SPÖ mit der FPÖ und ÖVP eine Rentengarantie aussprechen sollte. In
dem Parteipräsidium werden deshalb Weissenberg und ich an dieser
Aussprache teilnehmen.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Termin reservieren.
Der Aussenpolitische Rat soll einberufen werden, um sich insbesondere
mit den Waffenlieferungen zu beschäftigen. Der Landesverteidigungsrat,
hat Rösch verlangt, müsste einberufen werden, um sich mit der Heeres-
dienstvorschrift zu beschäftigen. Am 10. und 11.1. wird im Renner-
Heim wieder eine Regierungsklausur erfolgen.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte Termin sperren.
Die Wirtschaftslage sieht Kreisky sehr schlecht, denn Rella geht
jetzt in Konkurs, die Vöslauer ist auch nicht zu sanieren, Moser
erwähnte, dass auch die Baufirma Porr wackelt und Kreisky zählte auf,
dass ausser ÖMV, Elin, Simmering-Graz-Pauker, ich ergänzte dann
noch, auch Siemens, dies die einzigen positiv abschliessenden
verstaatlichten Betriebe sind. Alle anderen werden auch heuer ein
riesiges Defizit haben.
Lanc berichtet von der zu erwartenden Demonstration bei der Er-
öffnung des Arlberg-Tunnels. Er meint auf Grund des § 21a der
Strassenverkehrsordnung könnte man Hindernisse wegräumen und dies
sollte diesmal geschehen. Kreisky bemerkt hier viel richtiger, man
soll den Demonstranten, wenn sie sich einer Anordnung widersetzen,
sofort den Führerschein abnehmen. Wenn auch Lanc recht hat, dass
dann die Bezirkshauptmannschaft entscheidet, ob es dabei bleibt und
wahrscheinlich den Führerschein den Leuten wieder zurückgibt, so
ist dies sicherlich die grösste Schockwirkung für die Demonstranten und
sie werden es sich redlich überlegen, ob sie es darauf ankommen lassen.
Gratz und Kreisky sind übrigens davon überzeugt, dass auf Tiroler
Seite man entsprechend gegen die Demonstranten vorgehen wird. LH
Wallnöfer möchte dies nämlich unter gar keinen Umständen. Auf der
Vorarlberger Seite bei Kessler ist man nicht sicher, ob man dort nicht-
sehr wohl mit solchen Demonstrationen gegen die Bundesregierung man
wohlwollender vorgehen wird.
Fischer teilt mit, dass Rudolf von Habsburg, der erst nach dem
Habsburggesetz geboren wurde, jetzt von diesen ausgenommen werden
will und daher keine Verzichtserklärung abgeben möchte. Da bis zum
30.11. noch die 6-monatliche Frist der Entscheidung lauft, muss bis
zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung auch tatsächlich fallen. Man
kommt überein, dass er eine solche Erklärung abgeben muss.
Pahr teilt mit, dass beim Bundespräsident, und er selbst auch, wegen
Begnadigung für den Mörder von Botschafterin Laube und deren Tochter
an ihn gerichtet werden. Pahr hatte – ich war selbst Zeuge – zuerst bei
Kirchschläger beim Rumänien-Besuch versucht zu klären, ob der Bundes-
präsident bereit ist, an die Türkei ein solches Ansuchen zu stellen.
Botschafter Laube selbst hat Pahr mitgeteilt, er legt keinen Wert
darauf, dass dieser Mann hingerichtet wird. Ich habe damals Kirch-
schläger schon meine Meinung gesagt und bin fest davon überzeugt,
dass ein solches Vorgehen die österreichische Bevölkerung nicht
begrüssen wird. Wir haben zwar keine Todesstrafe bei uns, aber
niemand wird verstehen, dass wir jetzt für diesen gemeinen Mörder
in der Türkei noch intervenieren. Pahr hatte deshalb auch noch mit
Broda gesprochen, der natürlich schon aus grundsätzlichen Überle-
gungen bereit war, bei der türkischen Regierung resp. dem türkischen
Justizminister, den er vom Europarat kennt, einen solchen Gnadener-
lass zu erwirken. Alle sind übrigens davon überzeugt, dass die Türkei
trotzdem das Urteil vollstrecken wird. Kreisky hat deshalb sofort vor-
geschlagen, man soll nicht wieder alles auf Broda abwälzen, sondern
es soll höchstens an die türkische Botschaft eine Note gesendet
werden, wo die österreichische Seite feststellt, sie hat kein
Interesse daran, dass der Laube-Mörder hingerichtet wird, Kreisky
hofft, dass diese Note nicht eine grosse Publicity bekommt. Man
wird sehen.
Löschnak erinnert neuerdings, dass die Weihnachtsbelohnung heuer
nicht erhöht werden soll und dass sich die Ministerien daran halten
sollten.
ANMERKUNG FÜR KAZDA: Wie sieht dies in unserem Ministerium aus?
Gehart und auch Klubobmann Fischer haben mir nach der Sitzung mit-
geteilt, dass Bandhauer eine gesetzliche Regelung braucht, um
die Abschreibung vom Kernkraftwerk Tullnerfeld entsprechend vor-
nehmen zu können. Da Bandhauer dies in den Initiativantrag von
der SPÖ reinbringen möchte, Fischer dies aber unter gar keinen
Umständen will, auch Kreisky lehnt dies ab, sollte eine eigene
gesetzliche Regelung vorbereitet werden. Dies betrifft zwar das
Finanzministerium, doch bin auch ich daran interessiert, ob tatsäch-
lich eine eigene gesetzliche Regelung notwendig ist. Der Handels-
ausschuss wird sich mit dem Initiativantrag am 12.12. um 16.00
Uhr beschäftigen.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte Termin sperren.
Landwirtschaftsminister Haiden wird jetzt nach Brüssel fahren
und befürchtet dort, dass er, da er auch den deutschen Landwirt-
schaftsminister Ertl trifft, wegen der Bier-Abschöpfung von diesem
gestellt wird. Ich erkläre ihm die Entwicklung dieser Bierabgabe
und verspreche ihm eine kurze Information.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte sofort für Haiden eine solche Information
ausarbeiten lassen.
Bei der Staatsbürgerversammlung auf der Wieden, die sehr gut besucht
ist, sind, wie mir der Obmann Windisch mitteilt, auch etliche Nicht-
genossen. Es kommt dann trotzdem zu einer verhältnismässig sehr zahmen,
allerdings länger andauernden Diskussion. Dadurch komme ich natürlich
zum Empfang des Bundespräsidenten zu spät, zeitgerecht aber noch für
die Tischreden. Der Pressereferent von Kirchschläger hat ihm vor-
geschlagen, den Empfang resp. das Essen als zur 60-Jahrfeier der
Republiksgründung zu erklären. Da Kirchschläger dieses Essen aber
aus ganz anderen Gründen, eventuell sogar zu einem wesentlich anderen
Zeitpunkt dieses Essen vorgesehen hat, wollte er sich dieser Notlüge
nicht bedienen. Er hat aber in der Wiener Zeitung vom 13.11. nach-
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gesehen, was es damals für Ereignisse gegeben hat. Humorvoll
schilderte er, wie alles andere wesentlich mehr herausgestrichen
wurde als dieses so wichtige Ereignis im Parlament resp. vor dem
Parlament in der Wiener Zeitung damals unter der Rubrik "aus der Monar-
chie" eine entsprechende unbedeutende Schilderung.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte die Wiener Zeitung vom 13.11.1918
auch für mich beschaffen.
Das wirkliche erfreuliche dieser Zusammenkunft war aber, dass alle
Broda herzlichst zu seiner Genesung gratulierten und alle sehr
erfreut sind, dass er diese sehr schwere Operation so gut über-
standen hat.
Den interessantesten Vorschlag oder Bemerkung machte Kreisky Pahr und
mir gegenüber, indem er meinte, er hätte sich lange überlegt und
sei jetzt zur Auffassung gelangt, dass die Minister kein Angeordneten-
mandat mehr behalten sollten. Für ihn ist jetzt die Frage, wie man
er dies am besten regeln könnte. Ich verwies ihn auf die jetzt in
der neuen Stadtverfassung der Gemeinde Wien mögliche zeitweise
Rücklegung des Gemeinderatsmandates. Ein wenig triumphierend konnte
ich Kreisky sagen, dass ich dies bereits immer schon, seit wir die
absolute Mehrheit haben, vorschlug und dass ich der Meinung bin, dass
dies aus verschiedensten Gründen die beste Lösung für den Minister,
aber auch für den nachrückenden Abgeordneten ist. Ich hoffe, dass
Kreisky diese Idee bald verwirklicht.
Tagesprogramm, 13.11.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)