Dienstag, der 31. Oktober 1978

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Dienstag, 31. Oktober 1978

In der Ministerratssitzung berichtete Kreisky über seinen Eindruck
von der Klubtagung der ÖVP. Seiner Meinung nach ist die Linie be-
züglich der Kernkraft vollkommen desorientiert. Es wurde keine
neue Empfehlung beschlossen, sondern der ursprüngliche Beschluss
der ÖVP-Bundesparteileitung wiederholt. Der Energiesprecher König
hat zwar die Inbetriebnahme im jetzigen Zeitpunkt durch ein nein
zur Volksabstimmung ebenfalls bekräftigt, meint aber, wenn die
Sicherheitsfragen geklärt sind, könnte man Zwentendorf in Betrieb
nehmen. Für mich ist die Situation vollkommen klar. Die ÖVP kann ihre
eigenen Leute genauso wenig wie die Sozialistische Partei auf eine
Linie vergattern. Die Meinungen in der Frage Kernenergie gehen eben
klar durch alle Parteien. Soweit ich mit Leuten ins Gespräch komme,
und dies geschieht jetzt bei doch einigen Bezirkskonferenzen, so
wird mir zwar teils in der Diskussion, aber vielmehr noch in kleineren
Kreisen immer wieder gesagt, dass es falsch war, von der Sachent-
scheidung auf eine politische Entscheidung umzuschwenken, Kreisky
hat in diesem Fall sicherlich nach Meinung vieler Genossen einen
grossen Fehler begangen. Ich beurteile die Situation insoferne
anders, als meiner Meinung nach von der Politisierung einer solchen
Frage niemals Abstand genommen werden kann. Es ist eine Illusion zu
denken, dass es innerhalb einer Demokratie Fachfragen gibt, die
nicht automatisch politisiert werden. Allein durch die Tatsache,
dass die Parteiführer früher oder später gezwungen sind, freiwillig
oder durch entsprechende Reporterfragen in den Massenmedien irgendeine
Stellung zu beziehen, ergibt sich automatisch, dass dann die Frage
verpolitisiert wird. Die Demokratie, insbesondere in der letzten
Zeit entwickelt sich immer mehr zur Personenpolitik, weshalb Aussagen
dieser Personen automatisch eine Stellungnahme der Partei inkludieren
und damit eine Verpolitisierung eintritt. Erschütternd für mich, in
welch rapidem Masse die Sachdiskussion jetzt durch eben politische
Diskussion und, wenn man so sagen will, dann auch immer mehr demago-
gische Diskussion abgleitet. Gesundheitssprecher Wiesinger behauptet
glattwegs, dass durch die Inbetriebnahme von Zwentendorf die Ar-
beitsplätze von St. Andrä und Voitsberg gefährdet sind. Er berücksichtigt
nicht, dass wir gerade in Voitsberg III mit dem neuen Kraftwerk und
der Neuerschliessung des Kohlengebietes wirklich zusätzliche Ar-
beitsplätze geschaffen haben. Bei einer Preisverleihung in der Ersten


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treffe ich Sinowatz, der mir triumphierend mitteilt – und dies
zu recht – dass jetzt die Bundespartei die burgenländischen
Zwentendorf Ja-Plakate übernommen hat. Die zentrale Parteiorgani-
sation hat hier nach seiner Meinung und auch vieler anderer
leider versagt.

Weissenberg teilt mit, dass die ersten Hochrechnungen ergeben haben,
dass wir mit Ende Oktober 54.602 Arbeitslose verzeichnen, um 14.517
mehr als im Vormonat und um 5.898 mehr als im Vorjahr. Die Arbeits-
losenrate ist 1,9 %, um + 0.2 % mehr als im Vorjahr. Die Ergebnisse
sind meiner Meinung nach noch immer äusserst günstig. Gastarbeiter
wurden um 2.500 im Oktober weniger beschäftigt als im Vormonat und
um 17.000 weniger als im Vorjahr. Diese Gastarbeiterreserven können
daher meiner Meinung nach auch für inländische Arbeitsplätze im
nächsten Jahr herangezogen werden.

Der Weltspartag hat eine richtige Völkerwanderung der Bevölkerung
zu den Sparkassen und Banken, aber auch der Politiker ausgelöst.
Ich habe selten so viele Politiker, insbesondere auch Minister bei
einem Weltspartag getroffen als heuer. Die Institute haben die Ge-
wohnheit, kleinere, manchmal auch wertvollere Geschenke, herzugeben.
Es ist eine menschliche Schwäche, dass man hier eben, wenn man etwas
bekommt, es gerne einsammeln geht. Ich nehme mich davon gar nicht
aus. Mit Nationalbankpräsident Koren kam ich bei diesen Spaziergängen
ins Gespräch und wir unterhielten uns über die weitere Dollarent-
wicklung. Er ist auch davon fest überzeugt, dass die Talfahrt des
Dollars weitergeht, weil weder die Federal Reserve Bank, noch die
Administration in Washington Interesse daran hat, diese Politik zu
ändern. So oft Präsident Carter irgendwelche Erklärungen zur Be-
ruhigung abgibt, ist die Reaktion, dass der Dollar besonders stark
sofort weiter fällt. Mit Präs. Koren kam ich auch wegen der Gastgeschen-
ke ins Gespräch. Koren versprach mir, er wird Auftrag geben, dass die
alten Stiche, welche die Nationalbank liegen hat und von ihren Kupfer-
stechern zur Übung geschaffen wurden, jetzt neue Drucke angefertigt
werden. Diesbezüglich habe ich auch mit GD Kienzl gesprochen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mit Büro Koren und Kienzl weitere Ge-
spräche führen.



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Der grosse Vorteil des Weltspartages, ausser dem Geschenkesammeln,
liegt darin, dass ich für die Volkshilfe Landstrasse ebenfalls immer-
hin einen ganz ansehnlichen Betrag von 5.000 Schilling kassieren
kann.

Im Präsidium-Vorstand Sektionsleiter und Ausschussitzung mussten wir
unsere personellen Probleme auf der Landstrasse endgültig regeln.
Obwohl wir uns dafür verhältnismässig viel Zeit vorgenommen haben,
musste ich feststellen, dass es doch nicht so sang- und klanglos über
die Bühne ging, wie vielleicht viele erwartet haben. Wir hatten zum
Schluss dann im Ausschuss als beschliessendes Organ die notwendige
Mehrheit, es gab höchstens immer 3 Stimmen, die gegen den Vorschlag des
Präsidiums waren. Entscheidend für mich aber war, dass es nicht ge-
glückt ist, die Gewerkschaft stärker einzubinden. Im Präsidium
hatten wir den Fehler gemacht, in das Klubpräsidium der Bezirksräte
keinen Gewerkschaftsvertreter zu nominieren. Da sich die Gewerkschafts-
fraktion sich scheinbar doch Hoffnungen machten, dass sie hier stärker
berücksichtigt wurden, gelang es mir zwar noch im Vorstand auch den
Gewerkschaftsvertreter NR Kapaun von den Strassenbahnern in Erdberg zu
einer Zustimmung zu bringen, wobei er sich allerdings vorbehält, mit
seinen Genossen noch vor der Ausschussitzung reden. Die einstimmigen
Beschlüsse des Präsidiums und Vorstandes konnte ich zwar dann auch
präsentieren, musste aber nach einer längeren Rücksprache mit den Ge-
werkschaftsleuten feststellen, dass diese auf einen Stellvertreter im
Klubpräsidium verzichten. Sie sehen keine Notwendigkeit. In Wirklich-
keit ist mir vollkommen klar, dass sie verärgert sind und deshalb die-
ses Vermittlungsangebot, welches Heindl geglaubt hat finden zu können,
glattwegs ablehnten. Da ich jetzt auch in einigen anderen Bezirken
Bezirkskonferenzen mit Wahlen miterlebt habe, ging es auf der Land-
strasse doch verhältnismässig klanglos über die Bühne. Glücklich
bin ich aber über diese Entwicklung wahrlich nicht. Zum Glück haben wir
jetzt in dem neuen Bezirksrat fast die Hälfte neue Leute und ich hoffe,
dass es glücken wird, aus diesen ein einheitlicheres Team zu schmieden
und dann bei der nächsten Legislaturperiode die entsprechenden guten
Leute in die guten Positionen zu bringen. Die jetzige Garnitur ist sicher-
lich nicht optimal die Beste.

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Tagesprogramm, 31.10.1978

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Tagesordnung 137. Ministerratssitzung, 31.10.1978


Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
    GND ID: 102318379X


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg., KAD AK


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Bundeskanzler
        GND ID: 118566512


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: US-Präs. 1977-81


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: MR HM


            Einträge mit Erwähnung:
              GND ID: 119100339


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Unterrichtsminister


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Sozialminister
                  GND ID: 118806904


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., Personalchef Unilever


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.


                      Einträge mit Erwähnung: