Mittwoch, der 11. Oktober 1978

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Mittwoch, den 11. Oktober 1978

Die sozialistische Fraktion und Führung des Heilbäder- und
Kurorteverbandes, an der Spitze der Bürgermeister von Bad Ischl,
Saller, sprachen bei mir neuerdings wegen des 300 Millionen
Dollarkredites an Ungarn vor. Saller war bereits von Dr. Haffner
über diesen Kredit genau informiert worden. Trotzdem wollten
sie durch die feierliche Vorsprache sich die Möglichkeit schaffen,
beim nächsten Kurorte- und Heilbädertag, der noch in dieser
Woche stattfindet, darauf hinweisen zu können, daß sie mit mir
persönlich auch noch einmal dieses Problem besprochen haben.
Sie waren sehr erfreut, von mir dezidiert zu hören, daß keinerlei
Absicht besteht, dem Wunsch der Ungarn auf Auslastungsgarantie
zu entsprechen. Ich habe vor, ihnen noch mit dem Generaldirektor
des Hauptverbandes Dragaschnig, den sie übrigens auch nachher
besuchten und von mir eine diesbezüglich Terminvereinbarung
mit ihm wünschten, der neuerdings erklärte, daß eine Auslastungs-
garantie für den österreichischen Hauptverband überhaupt nicht
in Frage kommt. Ich erklärte ihnen dann nur zusätzlich, daß
für die Sozialversicherungsträger eine Entsendung in das Ausland
nur dann in Frage kommt, wenn entsprechende Heilmöglichkeiten
in Österreich nicht gegeben sind. Dies gilt, soweit mir bekannt
ist, nur für Israel, Totes Meer und vereinzelt in wirklich ganz
seltenen Fällen für europäische Heilbäder. Die Delegation war
mit der Aussprache sehr zufrieden. Für mich war es wieder einmal
ein Beweis, daß wir viel zu wenig kooperieren. Hätte die ÖVP-
Fraktion, sei es im Verband, sei es auch bei anderen Gelegenheiten
und Organisationsveranstaltungen, nicht sich dieses Problems ange-
nommen, hätten wir wahrscheinlich unsere Vertreter überhaupt
nicht informiert. Was wir brauchen, ist einen besseren persön-
lichen Kontakt.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte überlege dir, wie im Fremdenverkehr
mit unseren Leuten in den Ländern wir besser kooperieren.



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Im Klub der SPÖ hat Kreisky das politische Referat gehalten. Er
beschäftigte sich nur mit ORF und den Wahlergebnissen. Alle anderen
Probleme wird er bei der Klubtagung behandeln. Bezüglich ORF,
Bacher-Bestellung, schilderte er den Hergang, allerdings von seiner
Sicht. Die Bestellung Oberhammers, den er persönlich nicht kannte
und der ihm von Leuten empfohlen wurde, war nicht die glücklichste.
Er erwähnte, daß er schon öfter auf Personalempfehlungen rein-
gefallen ist. Heindl und ich sind ja der Überzeugung, und diese
Aussprache bestätigte es uns neuerdings, daß er sich zuerst
Leute empfehlen läßt und dann über diese Empfehlung nicht glück-
lich ist. Da es mir bei ähnlichen, Gott sei Dank nur sehr seltenen
Fällen auch schon passierte, kann ich seine Situation verstehen.
Aus dieser Fehlbesetzung, in meinen Augen allerdings auch aus
der Fehlkonstruktion des Rundfunk-Gesetzes ergibt sich eben dann
für uns politisch gesehen eine tragische Situation. Neuerdings
kann ich nur wiederholen, was ich schon öfters abdiktiert habe,
es ist gar nicht wichtig, im Einzelfall bei einem Sachproblem
diese oder jene Entscheidung zu treffen, wirklich von Bedeutung
ist nur die richtigen Leute auf den richtigen Platz zu bringen.
Sind aber dann Leute in Position und machen die nichts anderes
als sachliche Fehler, dann ist es meistens so, daß sie von einer
Gruppe abgelehnt, von einer anderen Gruppe gehalten werden. Geht
diese Entwicklung bis in die Spitze der Parteiführung, dann
kann aus dieser Gruppenbildung eine Personaldiskussion ent-
stehen, die in Wirklichkeit verheerend sein kann. Bei Oberhammer
ist sie sogar für unsere Parteiführung und Einigkeit katastrophal.
Da dieser Fall seit 1968/69 der einzige ist, welcher zwischen
Benya und Kreisky kein einvernehmliches Vorgehen nach außen hin
dokumentierte, gibt es jetzt sehr unangenehme Spannungen. Über
die Wahlergebnisse hat Kreisky nur negativ berichten können,
in der Steiermark eine Katastrophe verhindert, aber doch große
Einbußen im obersteirischen Raum mit unerwarteten Gewinnen in
der Oststeiermark und in Wien der Erdrutsch mit den Wahlenthal-
tungen. In der Steiermark ist es für mich gar keine Frage, daß
wir eben in kleineren Gemeinden, vielleicht auch durch unsere
Agrarpolitik, gewinnen und in größeren Städten, vielleicht auch


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allerdings auch durch unsere Politik, bei unseren Wählerschichten
verlieren. Dies gibt mir eigentlich immer mehr zu denken. Eine
Politik zu betreiben, die sich gegen die Kernschichten der
eigenen Partei, zumindestens in deren Augen, richtet und solche
Wahlergebnisse zeitigt, ist genau das, was ich immer befürchtete.
Regierungsverantwortung heißt selbstverständlich, daß man nicht
ausschließlich für seine eigenen Leute oder Wählerschichten
arbeiten darf. Da man aber doch immer wieder dann glaubt Ent-
scheidungen treffen zu müssen, die von den eigenen Leuten ver-
standen werden, obwohl sie sich direkt oder indirekt gegen deren
Interessen richten, gehen eben nur bis zu einem gewissen Grad.
Wo die Grenze ist, läßt sich aber sehr schwer feststellen. Kleine
Grenzüberschreitungen werden sogar wahrscheinlich auch noch ak-
zeptiert. Kommt es aber dann zu größeren, dann kann es einem pas-
sieren, daß die Reaktion in einer Aktion bei den nächsten
Wahlen sich niederschlägt: Stimmenthaltung oder, wo es gar Wahl-
pflicht wie in der Steiermark gibt, Protestwahl. Unerklärlich
ist es mir nur, und dies müßte eben dann wirklich eine genaue
Analyse einmal herausarbeiten, wohin sich diese Protestwähler
wenden. In Wien war es ganz klar, da haben sie sich der Wahl
enthalten.

Anschließend an Kreisky hat dann Androsch sein Budgetproblem
und natürlich einleitend ein wenig die wirtschaftliche Lage
besprochen. Anschließend mußte dann noch Pansi die Fragestunde
erörtern und die Redner einteilen, so daß sich letzten Endes
überhaupt keine Möglichkeit für eine Diskussion ergab. Fischer
fand dies selbst als äußerst unbefriedigend, weshalb er vor-
schlug am nächsten Tag eine halbe Stunde vor Sitzungsbeginn
eine Diskussion abzuführen. Wenn unsere Genossen in dem Klub
und ich weiß nicht wo sonst noch in Spitzengremien keine
Möglichkeit bekommen ihre Meinung zu sagen, wenn man auch
so will den Dampf abzulassen, wird dies auf die Dauer nicht
gut gehen.

Die Aussprache Androsch und ich mit der Ölwirtschaft verlief
wie erwartet. Bauer hat mich vorher noch einmal konsultiert


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und meinte, er bräuchte noch entsprechende Zeit, um mit den
Internationalen die endgültige Vorgangsweise zu besprechen.
Androsch hat deshalb auch einleitend auch nur gesagt, ja er
erwartet eine Kooperation, wie dies auch ganz besonders bei der
Mehrwertsteuer-Einführung der Fall war. Dort dürfte er damals
den Ölfirmen entsprechende Zugeständnisse gemacht haben. Er
erklärte auch im Einzelnen, warum die Regierung eine Mineralöl-
steuer-Erhöhung vorsieht, obwohl er davon budgetmäßig gar
nichts hat, durch die Zweckbindung geht alles in den Straßenbau.
Er schlug den Ölfirmen auch vor, daß jetzt 30 Groschen die
Mineralölsteuer erhöht werden soll, wobei er bemerkte, über die
Höhe könne man eventuell noch kleinere Korrekturen vornehmen.
Die Regierung erwartet, daß trotzdem der de facto Preis, sprich
Super-Benzin von 7.– S im nächsten Jahr unverändert bleibt. Dies
Ganze gilt mit der clausula sic stantibus. Gen.Dir. Bauer,
aber auch dann andere Sprecher meinten, das müsse man sich alles
noch genau überlegen. Die Multis-Vertreter sehen aber keinerlei
Möglichkeit eine solche Mineralölsteuer-Erhöhung aus ihren
Spannen zu tragen. Sie erwarten außerdem eine Rohölpreiserhöhung
durch die OPEC und vor allem ein Anziehen des Dollars. Hier
gilt eben, meinte Androsch, die clausula sic stantibus. Gen.
Dir. Bauer verwies dann noch auf die Mitteilung der Handels-
kammer, daß eine Belastung des Handels, sprich Tankstellen usw.
durch eine Mineralölsteuer-Erhöhung nicht erfolgen dürfe, da
über dieses Problem noch in der Bundeshandelskammer Gespräche
stattfinden, außerdem aber die Ölfirmen unter sich jetzt über
die Wünsche der Bundesregierung beraten wollen und müssen, wurde
die Sitzung für Freitag, 9.00 Uhr, Finanzministerium vertagt.

ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte Termin vormerken!

Sekt.Chef Kazda teilt mir mit, daß sie jetzt unser Budget
für Inlandsreisen erschöpft ist. Er wird daher neuerdings mit
den Sekt.Chefs Verhandlungen aufnehmen, um diese Reisen mehr
und stärker einzuschränken. Bei Inlandsreisen haben wir zwar
die Möglichkeit durch Virement die notwendigen Gelder aus


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anderen Budgetposten zu nehmen. Über die Entwicklung bin ich
aber gar nicht erfreut. Selbstverständlich kriegt Kazda von mir
jedwede Unterstützung, um diese verheerende Entwicklung zu
bremsen.

In der Paritätischen Kommission muß ich wegen Verspätung Kreiskys
den Vorsitz übernehmen. Der einzig interessante Punkt ist die
Erhöhung des Semmelpreises für maschingeformte Semmeln von
1,10 S auf 1,20 S ab 1. Februar. In der Vorbesprechung der Prä-
sidenten hat es darüber einen heftigen Streit gegeben. Die
Arbeiterkammer, Dr. Zöllner, wollte nicht die, wie ich glaube, einzig
mögliche Lösung 10 Groschen akzeptieren. Darüber hinaus wollte
die Handelskammer bereits den 1. Jänner und nach langwierigen
Verhandlungen hat man sich dann doch auf 1. Februar geeinigt.

Vizepräsident Seidl von der Handelskammer war jetzt in China
und hat dort festgestellt, daß größere Aufträge nach Österreich
kommen werden. Auf der einen Seite sind die Chinesen an der
Ausdehnung ihrer Stahlproduktion sehr interessiert und die VÖEST
wird einen größeren Auftrag bekommen. Auf der anderen Seite
kaufen sie jetzt in größerem Maße, z.B. bei Lenzing, Zellwolle
und weitere Halbfabrikate werden wahrscheinlich noch von ihnen,
insbesondere Edelstahl usw. bestellt. Seidl sieht die einzig
große Gefahr darin, daß es nicht gelingen wird die Importe
aus China wesentlich zu erhöhen, dadurch muß es zu einer Un-
balance im Handel kommen und die Chinesen werden dann früher
oder später diese Aufwärtsentwicklung unseres Exportes wieder
stoppen. Seidl meint, daß man mit Transithandel in China einiges
erreichen könnte und erwartet die Unterstützung des Handels-
ministeriums.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte diesbezüglich von der Handels-
sektion Kontakt aufnehmen lassen.

Geschäftsführer Zolles, Österreichische Fremdenverkehrswerbung,
hat den bekannten Dichter H.C. Artmann für einen Text und den
Maler Bugatti für die Graphik je 10.000 S zusätzlich bezahlt


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und dadurch ist ein Österreich-Bücherl entstanden. Bei der Prä-
sentation war es dann möglich nach der Abstimmung im Plenum
über den Beharrungsbeschluß Arbeiterkammergesetznovelle dort
schnell hinzueilen. Durch reinen Zufall hatte ich am Vortag
spät abends noch einen Teil der Artmann-Sendung gesehen. Dadurch
konnte ich mit den Künstlern, Bugatti hat einmal eine Aus-
stellung mit Lütgendorf gemacht, doch auch einige persönliche
Gespräche führen. Daß Künstler es im Fernsehen auch nicht ein-
fach haben, konnte ich dabei feststellen. Artmann beklagte sich
bei mir, daß ihn der Reporter reinlegen wollte. Da er gerade
von einer Reise mit seiner 18-jährigen Freundin zurückgekommen
ist, die, wie er sagte, 5 Kilo bei den paar Tagen, wo sie in
Triest waren, zugenommen hat, beschwerte er sich bei mir, daß
der Reporter unbedingt auch darüber berichten wollte. Dies sei
aber nicht wegen seiner Frau, die meint, er hat sich damit schon
abgefunden, aber wegen der Schwiegereltern äußerst unangenehm.
Interessant war, daß sich Artmann als gläubiger Mensch be-
zeichnete, geboren im Waldviertel, aber in Alt-Österreich, wie
er sich ausdrückte, beheimatet. Seine Bücher werden in Ungarn,
Tschechien, Italien, d.h. an die angrenzenden Staaten in deren
Sprachen übersetzt und gern gelesen. Englisch meint er, kommt
er gar nicht an und in Amerika verstehe man ihn sowieso nicht.
Ich persönlich bin eigentlich sehr froh, daß ich mit diesen
Künstlervölkchen sehr wenig, um nicht zu sagen gar nichts, zu tun
habe. Auf deren Mentalität und deren Lebensweise, oft vielleicht
sogar auf ihre Lebensphilosophie, von ihrer politischen Ein-
stellung ganz zu schweigen, könnte ich mich nur sehr schwer
einstellen.

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Tagesprogramm, 11.10.1978


Tätigkeit: GD Lenzing AG, Vizepräs. HK, AR-Präs. OÖ. Ferngas


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
    GND ID: 119083906


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Schriftsteller


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: GD ÖMV


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Bgm. Bad Ischl (OÖ)


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Finanzminister
            GND ID: 118503049


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Hauptverband SV-Träger


              Einträge mit Erwähnung:


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: -obmann


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                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                    GND ID: 118566512


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: AK


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                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Künstler (Maler?)


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                              Tätigkeit: MR HM


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                                Tätigkeit: ORF-Generalintendant


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                                  Tätigkeit: Büro des Bundesministers (Sekretärin)


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                                    Tätigkeit: Direktor ÖFVW


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                                      Tätigkeit: HM


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                                        Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                        GND ID: 102318379X


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