Dienstag, 5. September 1978
Vizekanzler a.D. Häuser hatte ich seinerzeit versprochen in pri-
vaten Angelegenheiten meine Verträge betreffend nichts zu unter-
nehmen, ohne ihn vorher kontaktiert zu haben. Häuser ein alter
KZ-ler und guter Freund von mir, war nämlich erschüttert, wie
wenig ich mich in der Sozialpolitik wirklich auskenne und wie
noch weniger ich meine eigenen Angelegenheiten vertrat. Als ich
durch ein Versehen – ich will es so bezeichnen – in der Arbei-
terkammer zeitweise nicht einmal versichert war, als ich durch
Quittieren des Dienstes in der Arbeiterkammer dann ausschied,
hat er sogar ohne meine Initiative mit Präs. Benya meine Anstel-
lung beim Gewerkschaftsbund zwecks Weiterverbleiben in der Ge-
bietskrankenkasse alles für mich geregelt. Damals schon war
Häuser's Standpunkt, ich bin jahrzehntelang Funktionär der Ge-
werkschaftsbewegung, mein Dienstverhältnis geht nur den ÖGB
etwas an und sonst niemand. Ich schilderte ihm den Fall bis ins
letzte Detail und er meinte seelenruhig, wie ich ihn kannte, hier
hat die Wiesinger aus gerechter Empörung einen Fehler gemacht,
dass sie mit Tozzer überhaupt gesprochen hat, aber sein Stand-
punkt bleibt nach wie vor unverändert, dies geht niemand etwas an.
Ich erklärte Häuser, dass ich die ganze Angelegenheit mit Benya aber
auf alle Fälle besprechen werde, was er für gut empfand. Vor der
Regierungsklausur habe ich dann Benya den Fall auch im Detail ge-
schildert und alle Unterlagen gezeigt, der übrigens genau dieselbe
Meinung wie Häuser vertrat, die übrigens alle, mit denen ich darüber
sprach, teilten, ich habe Tozzer nicht geantwortet und ich sollte daher
gar nichts mehr unternehmen. Ich werde mich deshalb an den Rat aller
dieser meiner Freunde halten.
In der Ministerratsvorbesprechung hat Kreisky selbstverständlich
für ihn, teilweise sicherlich auch für uns, mit der Auseinander-
setzung Israels begonnen. Er hat einem ansehnlichen Journalisten
ein einwandfreies Interview gegeben, nachher aber noch weitere Ge–
spräche geführt. Dort hat er festgestellt, dass ein kleinlicher
Krämergeist in Israel herrscht, eine Million Araber man nicht in
einen Staat einschliessen kann, da muss ein Polizeistaat werden
und sich nicht auf Soldatenstärke verlassen soll, dies sei eine
kurzsichtige Politik. Begin hat durch einen persönlichen Angriff
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darauf reagiert. Kreisky hat in Mallorca Gelegenheit gehabt mit
verschiedensten Leuten zu sprechen, denn Camp David ist jetzt
die letzte Chance. Begin will sich darauf überhaupt nicht vor-
bereiten, nur hingehen. Oppositionsführer Peres wollte mit ihm
Vereinbarungen treffen, aber man hat sich nicht – wie Begin be-
hauptet – auf die 5 Punkte geeinigt. Sadat hat eine generöse Formel
schon akzeptiert, dass international anerkannte Grenzen Israel
sichern sollen. Der Negev würde bei Israel bleiben. Eine nicht
international anerkannte Grenze ist die Westbank, wo man einver-
nehmlich eine Grenze festlegen müsste. Der Streit bei der UNO-
Resolution 242 ist, ob die Territorien zurückzustellen sind
oder Territorien zurückzustellen sind. Über diese Schwierigkeiten
könnte man hinwegkommen. Begin dagegen möchte nur eine beschränkte
Autonomie für 5 Jahre Überwachungsphase zugestehen. Ist Camp David
ein Erfolg, dann wird sich Kreisky selbstverständlich entschuldigen.
Ist es ein Mißerfolg, dann hat er mit seiner Argumentation recht
und gar keinen Grund sich zu entschuldigen. Die Volkspartei wünscht
einen aussenpolitischen Ausschuss, der für 15. September vereinbart
wird.
Die LKW-Frächter werden am 15. September mit Androsch und Lausecker
mit der Handelskammer die Refundierung, die eigentlich schon im
Prinzip vereinbart ist, endgültig fixieren. Lausecker berichtet,
dass die freien Verbände auf Härte spielen und die Abschaffung der
Steuer verlangen. Kreisky besteht aber darauf, dass deren Führer
Bosch zumindestens über die Handelskammer zugezogen wird. Wenn die
Handelskammer ihn nicht in die Delegation aufnimmt, dann ist eben
Angelegenheit der Handelskammer. Kreisky befürchtet ausser den
Frächtern weitere poujadistische Bewegungen der Unternehmer. Bei
Lanc hat der Verein der LKW-Fahrer ein Statut eingereicht, wo er
als überbetriebliche Gewerkschaft sich bezeichnen will. Bis 12.9.
muss Lanc entscheiden und möchte diesen Passus verbieten. Kreisky
meint, mit Vereinsstatuten hätte man noch niemals einen Kampf ge-
winnen können. Mit Vereinsgesetzen könnte man ihnen nicht beikommen.
Ich verwies darauf, dass ein Verfassungsgerichtshofentscheid hier be-
reits schon sich für den Gewerkschaftsbund entschieden und günstig
präjudiziert hat. Broda dagegen meint unbedingt, man sollte nicht
untersagen, sondern wie Kreisky nur eine Rechtsbelehrung geben.
Firnberg regt auf Anfrage Kreisky an, es soll nicht die Studien-
gesellschaft Seibersdorf die schwach und mittelaktiven Abfälle
verarbeiten, sondern ein eigener Verein gegründet werden. Kreisky
betont neuerdings, wie gut es war, dass man mit Iran über Müll-
ablagerung nicht konkret abgeschlossen hat, denn die Entwicklung
in Persien bestätigt seine Auffassung, dass der Schah nicht imstande
sein wird, dieses Problem, aus inner- und aussenpolitischen Gründen
seine schwache Position betreffend, durchzustehen. Trotzdem soll
aber selbstverständlich weiter mit Iran verhandelt werden. Die
Amerikaner haben ja bekanntlicher Weise nur Iran als mögliche Lager-
stätte uns gegenüber bezeichnet.
Kreisky fragt mich, wie es mit Glanzstoff St. Pölten weitergehen
soll. Ich bemerke, dass unsere Industriesektion sich sehr bemüht
hat, die Investorenberatung aber bisher kein positives Ergebnis
zeitigte. Kreisky meint, zwei neue Betriebe müssten anstelle der
Glanzstoff nach St. Pölten kommen, da diese nicht mehr zu retten ist.
Kabinettschef Gehart von ihm macht mich anschliessend aufmerksam,
dass der Generaldirektor der Glanzstoff 10 Mio Schilling als Über-
brückungshilfe vom Bund verlangt hat und dies ihm angeblich zuge-
sagt wurde. Eine Aussprache mit Weissenberg ergab, dass dieser aus
den Arbeitsmarktförderungsmitteln ausserstande wäre, einen solchen
Betrag freizumachen. Er hat grosse Schwierigkeiten, die 70 Mio,
die Kreisky Eumig versprochen hat, flüssig zu machen, er sieht sich
auch ausserstande die Wünsche von der Firma Heid auf Zuschüsse zu erfüllen.
Weissenberg hat jetzt schon kein Geld mehr, obwohl wir eine äusserst
günstige Arbeitsmarktsituation haben. Über 2,805.000 Beschäftigte,
14.000 Inländer mehr als im Vorjahr, 15.000 Gastarbeiter weniger,
d.h. in Summe also 30.000 Inländer heuer mehr beschäftigt als im
Vorjahr. Mit 35.000 Arbeitslosen, 1,3% eine optimale Lösung. Wenn
sich im nächsten Jahr die Arbeitslosenziffer verschlechtert, dann
braucht er die ganze Reserve des Arbeitslosenfonds, um Arbeitslosen-
gelder auszuzahlen.
Auf Anfrage Kreisky, was mit der Obersteiermark jetzt bezüglich der
Strassen endlich geschehen soll, schlägt Moser vor, 500 Mio Schilling
pro Jahr, Androsch meint ein 5-jähriges Prinzipium. Auch mit der
steirischen Landesregierung sollte endlich diese Probleme da oben
lösen. Die steirische Landesregierung möchte aber keinerlei Ver-
pflichtungen eingehen, je nicht einmal für die Umfahrung Kapfenberg,
ähnlich der Judenburg-Kindberg und Mürzzuschlag, irgendwelche Zuschüsse
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geben.
Nussbaumer ersucht, dass jetzt die Investitionsgenehmigung mit
Zinsenzuschuss und sowie heuer 50 Mio, nächstes Jahr 60 Mio
ERP-Kredit genehmigt werden. Insgesamt macht die Investition für
die Videorecorderfabrik 1,2 Mia Schilling aus. Androsch verlangt
das nächste Mal vom ERP-Büro eine bessere Vorbereitung. Als Nachtrag
wird aber selbstverständlich diese äusserst wichtige Investition,
wo der Aufsichtsrat am 15. extra nach Wien kommt, um hier alles zu
beschliessen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH UND HAFFNER: Bitte die AFM-Zuschüsse und Indu-
strieinvestitionenansätze zusammenstellen lassen.
In der Regierungsklausur, die sehr verspätet begann, weil Kreisky
noch andere Besprechungen, u.a. auch mit dem Bundespräsidenten, hatte,
gab er zuerst eine politische Analyse. Die Zeitungskampagne, die
Massenmedien, die sich im Sommer immer mehr aufschaukelten, wenn einer
ein Problem schon als erledigt betrachtete, hat eine andere Zeitung
darüber geschrieben und das Ganze neuerdings aufgerührt, ist in
seinen Augen nur eine Bestätigung der Wahlkampfführung, die er immer
vorausgesagt hat. Unsere Beschäftigungssituation 2,8 Mio ist äusserst
günstig, die Inflation, lieber gesagt Indexsteigerung, mit 3% ein-
malig, der Aussenhandel, wo es jetzt sogar gelingt in die EG stärker
zu exportieren, beachtenswert. Die Amerikaner belegen jetzt den
Osten mit Embargo, wo auch wir entsprechende grössere Absatzmög-
lichkeiten dadurch bekommen könnten. Cincinnati hat jetzt in
Österreich investiert, Rotax bekommt eine Aufgabe, die bis jetzt die
Kanadier hätten erfüllen sollen. Nur Vöslau sei fraglich und daneben
gegangen. Steyr-Daimler-Puch und BMW wird jetzt eine Dieselmotor-
fertigung aufnehmen mit Unterstützung der Arbeitsmarktförderung.
Philips Videorecorder, 1,2 Mia Schilling Investition, für Wien und
für Wiener Wahlkampf von grösster Bedeutung. Für all diese Massnahmen
braucht man viel Geld, weshalb eine Steuersenkung, die der ÖGB zwar
berechtigt fordert, nur sehr klein ausfallen kann. Er möchte trotz-
dem sein Steuerguthabenprojekt, welches in Deutschland sich gut be-
währt hat, weiter untersucht haben, denn in 2-3 Jahren, meint er, stellt
sich dieselbe Frage. Wenn die Steuer zu gering ist, dann wird sie eine
kontraproduktive Wirkung haben. Androsch soll ermächtigt werden, mit
dem ÖGB darüber zu verhandeln. Die Budgetsituation hat die Arbeit
von Seidel genau gezeigt, die übrigens Androsch dort erstmalig verteilt,
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aber der Beirat bringt nichts Neues. Androsch hat ihm vorgeschlagen,
was er dann übrigens auch im Detail noch wiederholt, dass es not-
wendig ist, damit ja nicht der Eindruck entsteht, dass wir nur mehr
das 79er Budget machen, ab 1980 jetzt eine Budgetkonzeption auszu-
arbeiten. Kreisky selbst wird den Vorsitz in einer Kommission führen.
Die Budgetsanierung, davon soll man allerdings nicht mehr sprechen,
sondern Konsolidierung, könnte nur durch eine verstärkte Eigenvor-
sorge herbeigeführt werden. In der Vergangenheit war dies nicht
möglich, weil Österreicher keine Reserven gehabt haben wie die
Schweizer, Amerikaner oder Schweden. Jetzt ist es aber ganz anders.
Siehe die steigenden Sparguthaben. Eigenversorgung wäre bei der
Sozialversicherung bei Abbau der .........stützung bei Grund-
nahrungsmitteln innerhalb 3 Jahren. Nächstes Jahr werden z.B. die
Pensionisten wieder 6,5 % Rentenerhöhung bekommen bei knapp über
3% Lebenshaltungskostensteigerung, weshalb man so schnell als möglich
die Subventionen wegbringen müsste. Ein wichtiger Punkt sei auch
die Ausgliederung von Eisenbahn, Post aus dem Budget. Hier ist eine
Kommission mit Kreisky, Androsch, Löschnak, Lausecker usw. zu
bilden. Auf dem Budgetsektor und in der Budgetpolitik müsste eine
Trendumkehr sichtbar werden. Einsparung bei Schulbüchern, die von
465 Mio 72 auf 980 Mio 78 angewachsen sind, obwohl Sinowatz mit
Recht sagt, dass hier schon wesentliche Einsparungen durchgeführt
wurden. Ähnlich ist es bei Schulfahrten, die 140 Mio Schilling 71
und jetzt 2 Mia 370 Mio betragen. Hier werden allerdings Gemeinden,
u.a. auch Wien, mit ihren Verkehrsproblemen teils saniert. Zuletzt
werden 2 Kommissionen für die Steuer beschlossen: eine, die beim
Finanzminister tagen wird und entsprechende Vorschläge über Steuer-
senkung 1.1.1979 ausarbeiten und eine zweite grosse Steuerreform, die
Kreisky führt und wo auch über Erhöhung des Spitzensteuersatzes von
62% derzeit verhandelt werden soll. Den zweiten Vorsitz soll man
sogar Broesigke von der FPÖ anbieten. In der grossen Steuerkommission
will Kreisky aber mindestens 3 junge, an dem Programm der Soziali-
stischen Partei mitwirkende – wie ich sagen würde – Linke aufgenommen
werden.
Bezüglich der Spitzeneinkommen und der Politikerbezüge wird von
Kreisky vorgeschlagen die Privilegienkommission, die seinerzeit
den Vorschlag für die Politiker erarbeitet hat, wieder zu aktivieren.
Der Präsident der Notariatskammer Wagner als Vorsitzender wird von
ihm wieder aufgefordert werden, im Lichte der Entwicklung und ins-
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besondere auch der jetzigen Diskussion zu prüfen und neue Vor-
schläge zu machen. Für die Inkompatibilität soll ebenfalls eine
eigene Kommission eingesetzt werden, die unter Vorsitz von
Aussenminister Pahr steht und 3 Staatsrechtler angehören sollen.
Pahr hat sich seinerzeit damit beschäftigt und es wäre unzweckmässig
Beamte, freie Berufe, Richter oder gar Auswärtige mit einer solchen
Aufgabe zu betrauen. Dort wäre auch zu prüfen die Offenlegung der
Vermögensverhältnisse. Für die nächsten Wahlen 79 soll im Frühjahr
sehr zeitig ein Parteitag einberufen werden, der sich mit dem Ent-
wurf einer Wahlplattform beschäftigen soll. Vor den letzten Wahlen
soll genau wie seinerzeit in der Opposition, aber auch vor 1975
die Sozialistische Partei genau sagen, was eigentlich auch an Be-
lastungen bevorsteht. Der Wahlkampf wird jetzt bereits vorzubereiten
sein, da ihn die ÖVP jetzt schon führt, auch teils mit dieser Wahl-
plattformsdiskussion von unserer Seite geführt werden. Der engere
Wahlkampf kann nur im September dann im nächsten Jahr abgeführt wer-
den, weil die Wahlen wieder am ersten Sonntag im Oktober stattfinden
werden.
Androsch wird in der Diskussion als erster Redner von Kreisky
aufgefordert Stellung zu beziehen. Er legt umfangreiches Material
vor, unter anderem eine sehr gute Zusammenstellung über die Wirt-
schaftsdaten und die Budgetsituation. Er ist fest davon überzeugt,
dass die 50 Mia Budgetdefizit zu verkraften sind und dass man, wenn
jetzt entsprechende Massnahmen gesetzt werden, auch mit den 80er-
Jahre-Budgets fertig wird. Das Massnahmenpaket hat gegriffen, der
Aussenhandel hat sich verbessert, die PKW sind zurückgegangen,
die Stabilität ist sehr erfolgreich. Dadurch ist natürlich die Bud-
geteinnahme entsprechend ausgeblieben. Die Mehrwertsteuer und u.a. auch
die Lohnsteuer und Einkommensteuer sind zurückgeblieben. Durch Minder-
einnahmen und durch Mehrausgaben bei Preisstützungen, Zinsenzuschüsse,
notwendige Hochbauten und die beiden Frachtenbahnhöfe Kledering und
Fürnitz in Kärnten werden Mehrausgaben von 3–4 Mia heuer noch er-
wachsen. Insgesamt wird daher das Bruttobudgetdefizit von 40,5 Mia
um 10 Mia grösser werden, das Nettodefizit von 24 Mia ebenfalls um
10 Mia auf 34 Mia steigen. Umschichtungen muss es geben. Die Pen-
sionsversicherung hat 60 1,6 Mia, 70 10 Mia Zuschüsse gebraucht,
heuer 26 Mia. Die Beamtenforderungen, das Defizit der Betriebe ÖBB
16 Mia, alle Betriebe zusammen 17,8 Mia angestiegen, wo durch Aus-
gliederung 6 Mia Schilling im Budget erspart werden könnten, müsste
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durchgeführt werden. Der Finanzausgleich, der, wenn er nicht
mit der ÖVP vereinbart werden kann, dann ganz einfach der alte
verlängert werden soll. Alles das bringt zusätzliche Belastungen
des Budgets. In der Diskussion wird von allen festgehalten, dass
man sich bemühen wird die Probleme zu lösen. Benya meint, dies
müsste möglich sein, die Lohnsteuersenkung muss nur kommen, auch
dann, wenn sie einen kleinen Betrag nur erbringen wird. Für die
kleineren Einkommen ist dies äusserst wichtig. Dallinger berichtet,
dass es möglich war, einstimmige Beschlüsse in der Gewerkschaft zu
erreichen, als die Pensionsversicherung der Angestellten 3 Mia
den Arbeitern überwiesen hat und auf 875 Mio, die sie bekommen
sollten, dann zugunsten der Arbeiterversicherung verzichtete.
Wirklich interessant ist nur noch in der langen Diskussion die
Ausführung Kerys, der meint, in der Kampagne gegen Androsch hätte
es an Solidarität der SPÖ gemangelt. Dafür bekam er insbesondere
von den Länder-Sozialisten demonstrativ Beifall. Lausecker und
Löschnak, die sich genau im Beamtenrecht auskennen meinen, der
einzige Privilegienabbau für Beamte als Politiker wäre, diese in
den zeitlichen Ruhestand zu versetzen. Dies ist auch die Kreisky-
Idee. Im Detail muss sie aber noch verhandelt werden, denn die
Gewerkschaftsfunktionäre der Bahn und Post können nicht als Pensionisten
diese führen. Broda teilt mit, dass das Mediengesetz jetzt sehr
bald im Parlament beschlossen werden soll, was Kreisky zur Unmuts-
äusserung veranlasste, dies hätte er schon so oft versprochen.
Seiner Meinung nach sollten die Privilegien im Verwaltungsbereich
alle fallen, mit Ausnahme von Verhaftung von Abgeordneten. Auch er
stellt fest, dass in der Kampagne gegen Androsch, die eine Vernichtung
nicht nur seiner politischen Karriere, sondern überhaupt ihn moralisch
fertig machen wollte, zu wenig getan wurde. Dies ist eine indirekte
Kritik an Kreisky, der sich dazu aber überhaupt nicht äussert. Da
der Bundespräsident für 7 Uhr zu den Regierungsabendessen eingeladen
wurde, Kreisky aber diesen Tagesordnungspunkt unbedingt abwickeln
will, habe ich mich überhaupt nicht zu Wort gemeldet, was übrigens
auch andere Regierungsmitglieder nicht taten. Der Eindruck für mich
war, dass es in dieser Regierungssitzung primär um Sachprobleme
gegangen ist und dies halte ich für äusserst günstig. Ausser Kery
und Broda hat niemand auch nur das Problem Androsch berührt. Durch
die Sachdiskussion habe ich den Eindruck erhalten – und bei mir hat
sich die Auffassung verstärkt – dass dies der einzige Weg ist, über
schwierige Phase, die dieser Sommer wieder einmal gebracht hat, hin-
wegzukommen. Auch im letzten Sommer, erinnere ich mich, war es so,
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dass tatsächlich Probleme ausgebrochen sind, die man gar nicht
erwartet hat. Interessant für mich war, dass ja auch in diesem
Sommer nicht die ÖVP eine Kampagne gestartet hat und geführt hat,
sondern die Massenmedien. Wenn Kreisky nicht im Land ist, dürfte
tatsächlich ein gewisser Informationsnotstand für die Massen-
medien bestehen und diese greifen dann Probleme auf, dies sie natürlich
breitwalzen. Infolge Kontaktmangel ergeben sich dann Situationen
wie in diesem Sommer. Mit Hilfe der Sacharbeit kann man sie wahrschein-
lich am ehesten überbrücken.
Auch im III. Bezirk in unserem Bezirksausschuss gibt es jetzt natür-
lich als Sachproblem Nr. l die Gemeinderatswahlen. Die Berichte,
Vorbereitungen, Massnahmen, die zu setzen sind, überdecken alles.
Mein politischer Bericht war deshalb, wie nicht anders zu erwarten,
gar nicht heiss umstritten. Kritisiert wurde nur, dass wir wieder
nur Kommissionen einsetzen, denen man eigentlich Aufträge erteilen sollte,
und was vielleicht noch viel wichtiger ist, Termine geben müsste.
Eine solche Terminisierung erscheint mir nicht sehr zweckmässig.
Die Kommissionen selbst, wie z.B. die Steuerprivilegienkommission
wird, so nehme ich an, ja von den Zeitungen jetzt getrieben werden.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man nur die Politiker attackiert,
solange man weiss, die Politiker müssen sich dagegen wehren und
dann, wenn das ganze Problem der Privilegienkommission übertragen
ist, diese in Ruhe arbeiten, oder vielleicht noch besser gesagt,
ruhen lässt. Mein Eindruck ist, dass es vielleicht möglich ist,
durch Versachlichung all dieser Fragen aus der schwierigen Situation,
in der wir uns zweifelsohne derzeit befinden, wieder herauszukommen.
Tagesprogramm, 5.8.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 129. Ministerratssitzung, 5.9.1978
44_0966_03Nachtrag TO 129. Ministerratssitzung, 5.9.1978
hs. Notizen (Nachtrag TO MR-Sitzung Rückseite)