Mittwoch, der 7. Juni 1978

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Mittwoch, 7. Juni 1978

Dir. Berchtold von den Vorarlberger Kraftwerken erkundigte sich bei
mir, wann er den Orden, welchen ihm der Bundespräsident vor
längerer Zeit verliehen hat, überreicht bekommt. Ich erklärte
ihm, dass ich noch immer kein Untersuchungsergebnis wegen der
Beschuldigung, die Vorarlberger gegen ihn erhoben haben, besitze.
Er behauptete, dass sein Nachfolger Dr. Reich von den Illwerken
dieses Material nur deshalb mir übergeben hat, damit er meine
Stimme bei der Vorstandsbestellung bekommt. Ich sollte den
Rechtsanwalt Dr. Schönherr, der die Materie wegen der Auseinander-
setzung mit den Deutschen RWE genau fragen. Ich habe mit diesem
Kontakt und Berchtold sieht ein, dass das Schiedsgerichtsverfahren
RWE Vorrang hat.

ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte wenn Frank das nächste Mal bei mir
ist, erinnern.

Bei meiner Begrüssungsansprache zum Jubiläumsverbandstag 25 Jahre
Elektrizitätswerke ging ich selbstverständlich auf die Kern-
kraftwerksdiskussion ein. Ich ersuchte, man sollte diese sachlicher
führen, insbesondere im Hinblick auf die Frage der Sicherheit
des Kernkraftwerkes. Selbstverständlich ist es das gute Recht der
Opposition, die Regierung zu kritisieren. Die Sicherheit aber
wurde in den 65 Stunden Unterausschuss-Diskussion eindeutig klar-
gestellt. Selbst die grössten Atomgegner haben erklärt, dass
die Betreiber in Deutschland erklären, die österr. Aufsichtsbehörde,
das Gesundheitsministerium ist das strengste, das sie kennen.
Ich achte die Meinung der Atomgegner, auch dann, wenn sie meistens
nur emotionell begründet werden kann. Nur gewisse Fakten sollte
man ausser Streit stellen, wie dies ja auch innerhalb des Unter-
ausschusses geschehen ist. Gen.Dir. Erbacher ging dann in seiner
Festansprache auch auf das Problem Kernkraftwerke ein und meinte,
wenn Tullnerfeld nicht in Betrieb geht, dann hätte dies für
die Elektrizitätswirtschaft die Folge, andere Projekte zurück-
stellen zu müssen. Mein Vorschlag ihm gegenüber, der Bauindustrie
klarzumachen, dass dies selbstverständlich Konsequenzen in ihrer
Beschäftigung in der E-Wirtschaft hat, wurde so wenigstens andeutungs-
weise von ihm erwähnt. Mit Präs. Weiss der Verbundgesellschaft,
führte ich ein Gespräch über diese unglückselige Diskussion und
Entwicklung. Weiss versicherte mir, er hätte sein Möglichstes


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getan, allerdings jetzt mit Abg. König gesprochen und dieser
sei sehr beeindruckt gewesen und hätte seine Meinung, fast würde
ich sagen "wieder einmal", geändert.

Gen.Dir. Wolfsberger verständigte mich abends, er hätte mit
Taus eine Aussprache gehabt und ihn auch auf die besondere
Schwierigkeit hingewiesen. Taus erklärte ihm, er würde jetzt
Bundeskanzler Kreisky besuchen und dort würde man den Weg
zu einer Formulierung der Entschliessung des Handelsausschusses
zu kommen, besprechen. Taus würde bereit sein, ein Formulierungskomi-
tee einzusetzen. Selbstverständlich berichtete ich sofort Kreisky
über diese Aussprache. Kreisky war darüber sehr erfreut und er-
kundigte, was es in meinem Ressort Neues gibt. Ich erzählte ihm
von der Festveranstaltung der Elektrizitätswerke, weil mir die
Kernenergiefrage als die derzeit wichtigste erscheint.

Gen.Dir. Scheichenost vom Metro, die jetzt auch Carrefour gekauft
haben, zeigte mir bei der Aussprache über meine Aktion "Kauft
österr. Waren", dass seine Zentrale in Deutschland dem österr.
Generalkonsul einen Brief geschrieben hat, wo diese sich bereit
erklärt, mehr österreichische Waren auch im Ausland zu kaufen.
In der Schweiz gibt es die internationale Einkaufsorganisation
in Zug, wo die Artikel, die woanders preiswert angeboten werden,
den anderen Ländern fast kaufverpflichtend mitgeteilt werden.
Diesen Brief hat Branchenreferent Goldmann durch Zufall in der
Aussenhandelssektion entdeckt. Dieser Organisationsmangel muss
bei uns abgestellt werden. Zwischen den einzelnen Sektionen besteht
viel zu wenig Kontakt.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte auf die Tagesordnung für die nächste
Sektionsleitersitzung setzen.

Scheichenost hat uns eine ganze Liste von Firmen und Artikeln
gegeben, die er sofort kaufen würde, um sein Cash and Carry-Sorti-
ment abrunden zu können. Bei Textilien, Ski, Skischuhe, Puch-
Fahrräder, wo über die internationale Einkaufsorganisation hundert-
tausend Stück verkauft werden könnten, weigern sich aber die
österr. Produzenten Metro zu beliefern. Ich erklärte ihm, ich
werde einen Brief an alle diese Firmen schreiben. Im Zuge der
Aussprache mit den österr. Grosshandelsorganisationen hat sich


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gezeigt, dass es zweckmässig ist, österr. Firmen auf gewisse
Liefermöglichkeiten aufmerksam zu machen. Scheichenost stellte
mit Befriedigung fest, dass es erst in der letzten Zeit ge-
glückt ist, österr. Bier in seine Metro-Märkte zu bekommen.
Dadurch ist der Import von deutschem Bier bei ihm um 80 %
zurückgegangen. Natürlich kam er auch auf die Ladenschluss-
regelung für SCS, insbesondere Carrefour zu sprechen. Er meinte,
diese Einkaufsstadt war für den Abendverkauf konzipiert und
kann daher niemals den Erfolg bringen, den sich die Geschäfts-
leute dort erwarten. Carrefour hat 170 Mill. S Verlust in den
eineinhalb Jahren und viele kleine Geschäftsleute sehen auch
keine Möglichkeit, länger dort noch Mieter zu sein. Ich liess
ihm, wie bei der seinerzeitigen Vorsprache vor zwei Jahren,
keinen Zweifel, dass ich an der Ladenschlussregelung nichts
ändern werde, was er mit grossem Bedauern zur Kenntnis nahm.

Der Schweizer Journalist Bigler, der insbesondere für die
Kronen-Zeitung immer Interviews macht, interessierte sich
bei meinem Interview wie alle Schweizer, mit denen ich bis
zu tun gehabt habe, insbesondere über die Kriegserlebnisse.
Er selbst meinte, er sei zum Unterschied von mir kein Pazifist,
bewundert scheinbar aber meinen Lebensgang und war besonders
interessiert an meiner militärischen Tätigkeit auch als Hilfs-
krankenpfleger. Das Interview sollte wegen des österr. Fremdenverkehrs
erfolgen, und ich bin sehr gespannt, was letzten Endes dabei
herauskommen wird. Erfreulich für mich war, dass er erklärte,
die ÖFVW ist die beste der Welt.

In der Paritätischen Kommission, wo ich den Vorsitz für Kreisky
führen musste, standen ursprünglich nur zwei Lohnfreigaben für
Metallarbeiter, Chemiearbeiter und Lebensmittelarbeiterbranchen
zur Debatte. Die Tagesordnung wurde aber dann mit einer ganzen
Reihe von Baustoffpreis-Anträge ergänzt. Da die Präsidenten
vorher schon genau festgelegt hatte, auf welchen Prozentsatz
sie sich einigten, im Grossen und Ganzen ca. 3 %, war es
für mich auch als Vorsitzender ein Leichtes, die Tagesordnung
sehr schnell abzuwickeln, da ich diese Organisation seit
ihrem Bestehen genau kenne, ist es mir natürlich überhaupt
ein Leichtes, die Verhandlung zu führen und die einzelnen


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Stellungnahmen schon bevor sie ausgesprochen sind, zu
erahnen.

Spanische Journalisten interessierten sich auch für unser
soziales Klima, die Sozialpartnerschaft und waren daher sehr
interessiert an der gerade vorher abgewickelten Sitzung der
Paritätischen Kommission deren Funktionsweise kennenzulernen.
Bezüglich der Verhandlungen Spaniens mit der EFTA habe ich
mich über Michitsch und Raaber, die bei den Journalisten
anwesend waren, genau informiert. Obwohl Österreich den Vorsitz
in der EFTA jetzt führt und sehr bestrebt war, die besondere
Vereinbarung mit Spanien durchzubringen, ist es letzten Endes
an der mangelnden Verhandlungsinstruktion der spanischen
Regierung an ihre Delegation nach Meinung Michitsch's ge-
scheitert. Zwischen dem Aussenministerium und dem Handelsmini-
sterium in Spanien gibt es scheinbar grosse Differenzen.
Die Journalisten haben bestätigt, dass es grösstenteils an
der spanischen Seite lag, dass trotz Vorsitz Österreichs
Aussenminister Pahr, an einer Lösung brennendst interessiert
ist, nicht gelungen ist, eine solche zu finden. Für Paper-pulk
wollten die Spanier im letzten Moment 12.000 Monatstonnen
Kontingente gegenüber den Skandinaviern einführen, das ist
die Hälfte der jetzigen Lieferungen. Bei landwirtschaftlichen
Verarbeitungsprodukten wollen sie 12 Positionen, darunter Schoko-
lade u. Backwaren, ausnehmen. Nicht bereit waren sie, eine EFTA-
Regelung für Wettbewerbsfragen, was geschieht mit staatlichen
Beihilfen, mit der Umsatzsteuer usw. aufzunehmen. Die EFTA
war bereit, über alles zu reden und selbstverständlich auch
die Zollkonzessionen, die man in der Tokio-Runde machen wird,
als Basis anzuerkennen. Was nottut wäre, jetzt sofort schriftliche
Vorschläge für die Ende Juni stattfindende Sitzung von spani-
scher Seite vorzulegen, damit noch unter unserem Vorsitz viel-
leicht doch ein Arrangement möglich ist. Die Finnen als nächste
Vorsitzende sind nicht so brennend interessiert mit Spanien
zu einer Lösung zu kommen wie gerade Österreich. Ich erklärte den
Journalisten, dass die hauptsächlich auf politischem Background
beruht. Österreich und insbesondere die Gewerkschaftsbewegung,


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der ich angehöre, hat sich gegen eine Regelung mit dem Franco-
Regime ganz entschieden ausgesprochen. Der jetzigen demokratischen
Regierung und dem demokratischen Spanien müsste man aber die
Chance unbedingt geben. Die Journalisten wollten auch meine
Stellungnahme zur spanischen Gewerkschaftsbewegung, ich unter-
schied streng zwischen den demokratischen Organisationen, die
wir auch von der internationalen Union der Lebensmittelarbeiter
in der Franco-Zeit entsprechend unterstützten und den autoritären.
Mit dieser Teilung waren sie sehr einverstanden. Sie haben mit
den kommunistischen Gewerkschaften, die natürlich die stärksten
in Spanien sind, jetzt ganz grosse Schwierigkeiten.

Mit Plesch erörterte ich die Frage, wie wir aus dem Dilemma
Untersuchungsbericht, Beruhigung der Personalvertretung, heraus-
kommen könnten. Die formellen Fehler sind geschehen, lassen
sich nicht mehr aus der Welt schaffen und bringen mich in eine
sehr schwierige Lage. Alle, die direkt und indirekt davon betroffen
sind, müssen jetzt ein einziges Ziel haben, wie diese Frage gelöst
werden kann, ohne dass es zu einem offenen Krieg kommt. Persön-
liche Ressentiments müssen zurückgestellt werden. Um erfolgreiche
Politik, auch Personalpolitik machen zu können, muss eine Zusammen-
arbeit zwischen allen Beteiligten – Büro, Sektion, Personalvertre-
tung, zumindestens bei einem Minimum gefunden werden. Momentan
sehe ich eine solche Lösung nicht. Die ganze Frage wird mir
noch grosse Schwierigkeiten bereiten.

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Tagesprogramm, 7.6.1978


Tätigkeit: Branchenreferent HM


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Dir. Illwerke


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: ehem. ÖVP-Verkehrsminister, Präs. Verbund


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: GD Illwerke


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Chef Energiesektion


          Einträge mit Erwähnung:
            GND ID: 118756265


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Schweizer Journalist, Kronen-Zeitung


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: MR HM


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: GD Verbund


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Beamter Sekt. I HM


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: GD Siemens Österreich


                      Einträge mit Erwähnung:


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Büro des Bundesministers (Sekretärin)


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Rechtsanwalt


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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                                Tätigkeit: Beamter HM


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                                  Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., Personalchef Unilever


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                                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                                    GND ID: 118566512


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: GD Metro Österreich


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