Donnerstag, 8. Juni 1978
In der BÜRGES wurde von der Geschäftsführung festgestellt,
dass wieder ein starkes Ansteigen der Ansuchen um Investitions-
kredite festzustellen ist. Die Gewerbestrukturverbesserungs-
aktion wird statt 4 Mia im Vorjahr heuer 4.5 Mia Schilling
betragen. Die Stamm-BÜRGES statt 700 Mio 1 Mia., Fremdenver-
kehrssonderkredit statt 400 Mio 600 Mio und die Komfortzimmer-
aktion wird Prämien statt 72 Mio 75 Mio in diesem Jahr ausma-
chen. Nur die Betriebsneugründungsaktion, wo wir Budget 30 Mio
vorgesehen haben, werden heuer höchstens die Hälfte benötigt werden.
Jagoda erklärte mir, dies ist darauf zurückzuführen, dass man
mit der Aktion zu wenig attraktiv ist. Die Steiermark, Nieder-
österreich, Wien und auch Oberösterreich haben zwar als Länder
Interesse gezeigt, sich mit der zentralen Aktion der BÜRGES zu
koppeln, doch dürfte es auch hier nicht zu einem wesentlichem
Anstieg kommen. Nur Tischler, Gemischtwarenhändler, Friseure
und einige andere Branchen haben sich für diese Aktion interessiert.
Budgetmässig werden wir mit den Ansätzen auskommen, erfreulich
ist, dass die Banken durch eine Inseratenkampagne ihre Kunden auf
diese Aktionen besonders aufmerksam gemacht haben. Zum Unterschied
von der grossen Kreditaktion des ERP und der Investitionskredit,
wo es nur sehr zögernd zu Investitionskreditansuchen kommt, lauft
also bei den Klein- und Mittelbetrieben alles bestens. Einmal mehr
konnte ich dort feststellen, dass alle Schwarzmalerei, alles
Gerede, die Klein- und Mittelbetriebe seien jetzt so stark belastet
und wollten nicht mehr investieren, allen schlechten Prognosen
zum Trotz diese sehr wohl ihre Ausrüstungen und Einrichtungen
wesentlich verbessern.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Unbedingt in einem Pressegespräch des erste
Halbjahr, welches so gut für uns abschneidet, durch die BÜRGES ER-
ÖRTERN LASSEN!
Das Rudolfspital , insbesondere der neue zukünftige Direktor
Prim. Huber, legten grossen Wert darauf, dass das Präsidium des
III. Bezirkes der SPÖ dem Rudolfspital einen Besuch abstattet. Der
jetzige Direktor, Prof. Kyrle, hat uns dann auch empfangen und
durch das Spital geführt. Der Bau, aber noch vielmehr die Ein-
richtungen waren für mich sehr beeindruckend. Der Hochbau hat
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gegenüber dem alten Rudolfspital , welches über 1000 Betten
gehabt hat, jetzt nur mehr etwas über 800. Da die Patienten
aber jetzt in 6- resp. 3-Bettzimmern liegen, ist dies für diese
günstiger. Im alten gab es Säle mit 30 Betten und natürlich
viel aufwendiger. Die Oberschwestern, mit welchen wir dann auch
diskutierten, sagten mit Recht, dass der planmässige Schwestern-
stand noch nicht erreicht ist, obwohl eine Schwesternschule dem
Rudolfspital angeschlossen ist und auch ein Schwesternheim
existiert, ist es überhaupt nur möglich mit Malaysiern usw., d.h.
mit Ausländern die Sollziffer zu erreichen. Anders sieht es bei
Ärzten aus. Das Rudolfspital ist jetzt sogar noch ein Lehrspital
für Studenten geworden und Stadtrat Stacher hat bereite angekündigt,
dass noch ein zusätzlicher grösserer Trakt kommen wird. Im Betrieb
stellt sich jetzt heraus, dass die Organisation, die man gewählt
hat, nicht gerade die günstigste ist. Die Primarien der Abteilung
sitzen alle mit ihren Chefzimmern in einem Stock, sind von ihren
Abteilungen jetzt also isoliert und klagen, dass sie weniger
Kontakt haben als früher. Die 195 Ärzte sind zwar jetzt alle in
den Hochtrakt beisammen, wie eben das ganze Spital in den Hochtrakt
beisammen ist, doch sind sie mehr isoliert als früher, als das
Spital sich, wenn man so sagen kann, pavillonweise wesentlich
getrennter war. Die medizinisch-technische Ausrüstung ist für mich
als Laie sehr beeindruckend gewesen. Eine Laserstrahlenoperation,
die man mir vorführte, eine bestens ausgerüstete Intensivstation,
welche mit den modernsten Instrumenten bestückt, wirklich sehr
beeindruckend. Das Hauptproblem aber diskutierten wir dann –
und unser Ärztevertreter in der Partei, Dr. Scholz, der als Gynäkologe
selbst auch in den verschiedensten Spitälern operiert, sagte mit
Recht, dass das ganze System reorganisiert gehört. Die Spitäler
sind viel zu lange mit Patienten belegt, die längst in häusliche
Pflege gegeben werden könnten, die praktischen Ärzte weisen ausser-
dem Patienten in Spitäler ein, die sie ohne weiteres noch zu Hause
behalten könnten oder ambulant behandelt werden könnten. Dieses
Problem liegt aber an dem Honorarsystem der Kasse. Zum Glück habe
ich mit diesem Problem nichts zu tun. Dass man eine bessere Lösung
anstreben muss, war mir aber schon seit längerem klar. Nur welche
kann ich auch nicht sagen.
Das Gespräch mit den Vertretern der Firma LÖWA, Dr. König, Haupt-
geschäftsführer Falke, bracht zu sofortige Zustimmung, so wie Gern-
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gross, eine Österreichwerbewoche zu veranstalten. Dies hat die
Firma vor längerer Zeit schon beabsichtigt und wollte auch sogar
Bundesländerwochen einführen. In ihren Superläden Wertkauf,
aber auch in anderen Supermärkten soll dies jetzt starten. Die
Importe betragen zwar nur 10%, doch kann sich die Geschäftsführung
vorstellen, dass nicht nur bei den Lebensmitteln, wo der Anteil
eben nicht mehr beträgt, sondern insbesondere in non food Artikel
wie Spielwaren, Geschirr aus Ungarn, Glühlampen aus Polen we-
sentlich grössere inländische Abnahme möglich sind. Zuletzt haben
sie jetzt mit der Vöslauer auf Wirkwaren und Strumpfhosen grössere
Kontrakte abgeschlossen. Die Firma wollte heuer eine französische
Woche starten, hat diese aber nicht zuletzt wegen der Kampagne
"Kauft österreichische Qualität" diese auf das Jahr 1979 verschoben.
Die Firma hat allerdings die Absicht bezüglich Ostimporte ihre
bisherige Politik fortzusetzen. Sie meinte mir gegenüber mit Recht,
dies sei für den Zahlungsausgleich und für die Exportmöglichkeit
der österr. Wirtschaft von grösstem Interesse auch für die österr.
Unternehmen. Dies wußte ich und habe sofort zugestimmt. Alle Gerüchte,
dass die Firma LÖWA jetzt Verkaufsabsichten hat und dass ihr deut-
sches Mutterhaus Tengelmann sich aus Österreich zurückziehen
möchte, stimmen nicht. Ganz im Gegenteil, in Oberlaa wird jetzt
von Steyrermühl das Gebäude gekauft, der Umsatz soll von 2 Mia in
den nächsten Jahren auf 3 Mia erhöht werden und ca 1000 Beschäf-
tigte werden jetzt durch ein neues System ihren Arbeitsplatz
gesichert bekommen. Jetzt errichtet die LÖWA als Anti-Hofer-
Aktion eine sogenannte Zielpunkt-Kette. Dort sind Selbstbedienungs-
läden mit 250 qm, derzeit 8 eigene, 14 unter Vertrag, mit je 5 Be-
schäftigten. 1000 Artikel, meistens alle österr. Markenartikel,
bringen angeblich befriedigende Umsätze. Die Firma legt grössten
Wert darauf, mit dem Handelsministerium in Hinkunft guten Kontakt
zu haben und Mag. Goldmann wird von ihnen als die Vertrauensperson
akzeptiert. Das gute Verhältnis ergibt sich letzten Endes daraus,
weil ich damals bereit war, im Burgenland ihren Wertkauf zu er-
öffnen, wo ich mit Doro-Kaffee aufgewogen wurde. Man sieht, dass
solche persönliche Initiativen und Unterstützungen eines Ministers
sich bei Firmen dann in Kontaktfreudigkeit niederschlagen. Ich
habe ihnen daher auch sofort zugesagt, dass ich bereit bin, ihre
Zentrale Oberlaa dann zu eröffnen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte die notwendigen Vereinbarungen dann
treffen.
Dr. Löwy der eine Fremdenverkehrszeitung jetzt selbständig
herausgibt, hat zumindestens bei der Aufnahme immer wieder
festgestellt hat, dass ich für die Fremdenverkehrswirtschaft
sehr viel getan habe, was, wie er sagte, auch von den Gegnern
anerkannt wird, doch müsste noch einiges geschehen. Formell wäre
nach seiner Meinung ein eigenes Ministerium oder zumindestens
der Name Fremdenverkehr im Ministeriumtitel dringendst notwendig.
Er anerkannte alle unsere Massnahmen, meinte nur, es sollte mehr
für die Einsaisonbetriebe z.B. Kärnten geschehen. Da eine Abgren-
zung aber zwischen Ein- und Saisonbetrieb äusserst schwierig
ist, dies zweifelsohne nicht regional gleich ist, es gibt in
Einsaisonregionen gut geführte Betriebe und in Zweisaisonen-Regionen
oft schlechte, die zugrunde gehen, habe ich einen anderen Vor-
schlag wiederholt. Wenn die Gewerkschaft früher oder später imstande
sein wird, eine generelle Schulungswoche als bezahlten Urlaub
durchzusetzen, dann soll man an der Hotelier jetzt schon alles
daran setzen und vorbereiten, damit diese dann in ihren Betrieben
abgehalten wird und nicht eigene Schulungsheime errichtet werden.
Mit dieser neuen Idee gab sich Löwy zufrieden. Eine breite Dis-
kussion nahm die Computerbuchung durch die Aktion START ein. Er
meinte, ob ich die AUA und die Wiener Buchungssysteme genauso
unterstützen würde wie START. Ich erklärte, dass mir jede zukunfts-
trächtige Organisation recht ist, denn die Computerbestellung kommt
früher oder später. Österreich wird dadurch nicht an einen Reise-
veranstalter TUI Deutschland ausgeliefert, sondern wir würden
uns bei jedem beteiligen, wenn dadurch mehr Gäste nach Österreich
gebracht werden. Bezüglich der Investitionstätigkeit Österreichs
im Fremdenverkehr in Ungarn, Hotels, Kaufläden, Infrastruktur usw.,
konnte ich ihm aufklären, dass es sich hier nicht um eine spezifische,
mit österreichischen Subventionen finanzierte Konkurrenz in Ungarn
handelt, sondern um das alleinige Bestreben, über die Aussenhandels-
finanzierung selbst in einem grossen Rahmen von 300 Mio Dollar,
Bauexporte zu finanzieren. Der hauptsächlichste Grund ist nicht die
Kooperation mit Ungarn um ein Konkurrenzland im Fremdenverkehr
besser zu unterstützen, sondern freie Baukapazitäten österreichischer
Unternehmer im Nachbarlande günstiger einzusetzen.
Im Vorstand der Lebensmittelarbeiter diskutierten wird die
Marktordnungsgesetze und insbesondere die neue Novelle zum Mühlen-
gesetz, ebenso natürlich die jetzt laufenden Untersuchungen über
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den Milchpreis, Getreide-, Mehl- und Brotpreis. Die Verhandlungen
auf diesem Gebiet sind nicht nur was die Preise betrifft äusserst
langwierig und schwierig, sondern noch vielmehr was die Lohnver-
handlungen betrifft. Die zu erwartenden Schwierigkeiten müssen aber
in nächster Zeit gelöst werden, denn mit 1. Juli sollen ja die
neuen Preise alle in Kraft treten. Die Bäckermeister fürchten am
meisten, dass der Semmelpreis zu diesem Zeitpunkt von der Paritä-
tischen Kommission wird nicht genehmigt werden, weil, wie ich
feststellte, nur einmal im Jahr die Preise erhöht und der Semmel-
preis mit 1. August des vorigen Jahres erhöht wurde.
Eine erste Aussprache mit Wirlandner, Kienzl, Lacina, Grünwald,
Schmidt, Wanke, Burian und mir ergab, dass es wirklich sehr
notwendig ist, entweder für den Gewerkschaftskongress im September
nächsten Jahres, oder wenn dies nicht opportun ist, für unsere
eigenen Interessen ein konkreteres Wirtschaftsprogramm festzulegen.
Im Parteiprogramm wurde selbstverständlich die Wirtschaft ent-
sprechend berücksichtigt, doch handelte es sich dort um wahrscheinlich
in 20 Jahren in Kraft stehendes, sehr generell gehaltenes, weit in
die Zukunft reichendes Programm. Was nottut und was gerade ich
immer wieder vertrete, ist, dass wir kurzfristig sagen sollten,
was innerhalb der nächsten 4 Jahre z.B. geschehen müsste. Wanke
hat zwar hier wieder einen umfangreichen Katalog aufgestellt, der
sogar noch durch Schmidt ergänzt wurde, sodass wir sehr umfassende
Aussagen von der Planung bis zur Währungs-, Finanz- und Budget-
politik alles umfassen wird. Darüber bin ich nicht sehr glücklich,
weil dieses so umfangreiche Gebiet dann auch ein sehr umfangreiches
Programm bedingen wird. Froh war ich schon, dass es mir wenigstens
geglückt ist, das Mitbestimmungsproblem als sozialpolitische Frage
auszuklammern. Auf was es mir aber besonders ankommt ist, dass wir
den Markt stärker in den Mittelgrund stellen, weshalb ich ja
auch als Gegengewicht die ÖVP-Propaganda gegen das marxistische
neue Parteiprogramm – fast ahnend, dass dies kommen wird – schon
seit Jahren von sozialdemokratischer Marktwirtschaft rede. Sollte
es in diesem Programm zu keinem deutlichen alleinigen Untermauern
dieses Begriffes kommen, so werde ich auf alle Fälle sicher eines
erreichen, dass dieses wesentlich mehr wirklichkeitsbezogene, den
österreichischen Verhältnissen entsprechende Programm den Markt
wieder in den Mittelpunkt stellen wird, weil er ihn stellen muss.
Die Erfahrung unserer 8-jährigen Regierungstätigkeit muss sich ja
letzten Endes auch in programmatischen Erklärungen niederschlagen.
Wirlandner hat nun mit Recht aufgezeigt, dass es schwierig sein
wird, wenn wir auf Grund unserer Erfahrung jetzt in diesem kurz-
fristigen Programm Änderungen vorschlagen werden müssen, die gegen
die jetzige Praxis, insbesondere Geld-, Kredit- und Budgetsystems, im
Gegensatz steht. Da der Kongress unmittelbar vor den Nationalrats-
wahlen ist, werden wir in den Formulierungen daher sehr vorsichtig sein
müssen. Als ersten Schritt wird Schmidt jetzt einmal mit Präs.
Benya reden, ob der Gewerkschaftsbund überhaupt Interesse hat,
dass wird ein solches Programm erarbeiten. Ich bin fest davon
überzeugt, dass dies der Fall ist. Sollte dies aber wider Erwarten
nicht der Fall sein, stört es mich persönlich auch nicht, denn
dann könnten wir uns umso leichter und stärker auf meine ursprüng-
liche Idee – die Untermauerung der sozialdemokratischen Markt-
wirtschaft – beschränken.
Die Wiener Konferenz brachte nur 2 Referate. Gratz über das Programm
der Wiener, welches er nicht im Detail erörterte, sondern, da er
schon einmal darüber referiert hatte, nur auf Grund dieses Programmes
sich mit der ÖVP auseinandersetzte. Benya wieder sollte ein
wirtschaftspolitisches Referat halten und hat die Leistungen der
Wiener Stadtverwaltung der vergangenen Legislaturperiode ge-
schildert. Die Kandidatenliste wurde beschlossen, der formelle
Hauptgrund dieser Wiener Konferenz. Es gab keinen einzigen Dis-
kussionsredner, obwohl heute gar keine Weltmeisterschaftsfussball-
spiel-Übertragung war.
Meinen kurzfristigen Besuch bei der Heurigenveranstaltung des Verbandes
der Elektrizitätswerke benützte ich dazu, um von Gen.Dir. Erbacher
das Ergebnis der Aufsichtsratsbesprechung in der GKT zu erfahren,
Einstimmig – GD Gruber von der NEWAG war sogar ein bedeutender
Fürsprecher – wurden die Verhandlungen über die Müll- oder abge-
brannten Brennelementelager in Ägypten begrüsst. Geklärt muss nur
werden, ob die Amerikaner dem zustimmen, derzeit lehnen sie es
ja entschieden ab und wie die technische und finanzielle Abwicklung
erfolgen soll. Auf alle Fälle werde ich eine Antwort auf meinen
Brief so zeitgerecht bekommen, dass bei der Anwesenheit des Vize-
ministerpräsidenten Sultan die Verhandlungsbasis gegeben ist.
GD Wolfsberger erzählte mir, dass bei der Aussprache Taus
mit Kreisky beide Seiten festgestellt hatten, es soll der
Beschluss im Parlament erst bei der Anwesenheit Kreisky's
erfolgen, d.h. mit Ende des Monats, was übrigens jetzt sowieso
schon beabsichtigt war. Betrüblich für mich war, dass man erklärte,
man wird 2 Entschliessungen wahrscheinlich zur Abstimmung bringen.
Stimmt diese Information, dann hat das Gespräch gar nichts ergeben,
denn die ÖVP wird sich in diesem Fall zwar verschwommen für die
Kernkraft aussprechen, aber die ganze politische Belastung und Ver-
antwortung ausschliesslich auf die SPÖ abwälzen. Innerhalb der Fach-
welt wird sie dadurch als unseriöse Partei dastehen, was sie aber
hofft, dafür bei den nächsten Wahlen doch etliche 10.000 Stimmen
zu gewinnen oder zumindestens nicht zu verlieren. Unsere ganzen
Bemühungen, unser ganzes Taktieren wäre daher, wenn es so kommt,
umsonst gewesen.
Donnerstag, 8. Juni 1978
In der Beiratssitzung der Bürges berichteten die Geschäftsführer,
dass sich die Anträge in den letzten Monaten wesentlich verstärkt ha-
ben. In der Gewerbestrukturverbesserung werden wir anstelle der
4 Mia im Vorjahr 4,5 Mia heuer erreichen. Für die Stammbürges
700 Mill. auf 1 Mia, Fremdenverkehrssonderkreditaktion statt
400 heuer 600 Mill. Bei der Komfortzimmer-Aktion werden die
Prämien, 72 Mill. im Vorjahr, heuer auf 75 Mill. anwachsen. Nur die
Betriebsneugründungsaktion wird statt der im Budget vorgesehenen
30 Mill. nur 15 Mill. verbrauchen. Jagoda erklärte mir, er wird
mit den Ländern jetzt neuerdings Verhandlungen führen, ob wir nicht
doch eine gemeinsamen Aktion zustandebringen. Steiermark, NÖ,
Wien und auch OÖ sollen an einer solchen interessiert sein. Wenn
man bedenkt, dass die Grosskreditaktionen im ERP und in der
Investkredit überhaupt nur sehr zögernd anlaufen, ist dieser Erfolg
der Bürges umso höher einzuschätzen.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte in einem der nächsten Pressegespräche
die Geschäftsführer über den Erfolg berichten lassen.
Das Rudolfsspital ist jetzt nach über 10-jähriger Bauzeit endlich
fertig und der zukünftige Direktor legte grossen Wert darauf, dass
das Präsidium der Landstrasse, ich nehme eher an, ich persönlich,
dem Spital einen Besuch abstatten sollte. Der jetzige Leiter
Prof. Kyrle hat dort die Laser-Chirurgie eingeführt und man
demonstrierte mir natürlich eine Operation. Wichtiger war aber
die Aussprache mit den Oberschwestern, weil ich grössten Wert
darauf legte zu demonstrieren, dass unser Ärzte-Mann in der Partei
Dr. Scholz, der übrigens ein sehr guter Gynäkologe ist und auch
dort gutes Ansehen geniesst, mit dem neuen Leiter Prim. Huber
und insbesondere den Oberschwestern guten Kontakt hat. Interessant
ist nur, wie ständig die Ansicht für eine zweckmässige Gestaltung
des Spitals sich wandelt. Im alten Rudolfsspital waren die einzelnen
Abteilungen in eigenen Trakten untergebracht, die Primarien mitten
in ihrem Arbeitsgebiet. Jetzt hat man ein Hochhaus gebaut, für
Direktion und Primariate ein eigenes Stockwerk, doch sind sie
natürlich jetzt von ihren Ärzten und Oberärzten getrennt. Früher
hatte des Rudolfsspital über 1.000 Betten, jetzt hat es über
800, nebenbei bemerkt, das ist schon wieder zu klein und soll aus-
gebaut werden, doch die Kommunikation funktioniert schlechter als
früher.
Früher die alte Erfahrung, trotz Funktionsplan, trotz entsprechender
Absprache mit den Ärzten immer wieder dann Fehlkonstruktionen.
Die technische Ausrüstung des Spitals ist gigantisch, die Intensiv-
station ein Operationstrakt mit 8 Operationssälen, Zentralröntgen-
anlage usw. wirklich auf dem modernsten Stand. Übereinstimmend aber
von allen, Ärzten und Schwestern, die Forderung, das ganze System
müsste reformiert werden. Mit 195 Ärzten, fast auf 4 Patienten ein Arzt,
ist das Spital jetzt schon zu klein, auf Gängen darf nicht gelegt
werden, was früher üblich war, die kleineren 6-Bett-, 3-Bett- und
1-Bett-Zimmer machen wesentlich mehr Arbeit als früher die Säle mit
über 30 Betten, die Anzahl der Schwestern nur durch malaysische
überhaupt möglich den Sollstand zu erfüllen, der frühestens in einem
Jahr erreicht sein wird. Das wirkliche Problem aber, eine phanta-
stisch eingerichtete Küche, durch scheinbar aber doch mangelnde
Organisation und vor allem zu geringem Verpflegssatz ständige Be-
schwerden der Patienten über die Verpflegung. Bin ich froh, dass
dies nicht meine Probleme sind.
Die Firmenleitung von Löwa, Dr. König und Hauptgeschäftsführer
Fahlke, erklärten sich sofort bereit, bei der Aktion österreichische
Waren mehr zu forcieren mitzutun. Sie werden eine Österreich-Werbung
ähnlich der Gerngross-Woche einführen. Sie wollten sogar Bundes-
länder-Wochen starten, doch haben sie kein entsprechendes Material
von den Bundesländern bekommen. Im Frühjahr wollten sie eine franzö-
sische Woche machen, haben diese aber nicht zuletzt durch unsere
Aktion "Kauft österr. Qualität" auf das nächste Jahr verschoben.
Die Importe betragen angeblich nur 10 %. Auf dem Nicht-Lebensmittel-
sektor, das neudeutsche Wort "Non-Food", beziehen sie Spielwaren,
Geschirr aus Ungarn, Glühlampen aus Polen. Sie wären interessiert,
mehr österreichische Waren zu kaufen, wenn entsprechende Anbote
vorlägen. Jetzt haben sie z.B. mit der Vöslauer über ihre Wirkwaren-
produktion einen Riesenkontrakt abgeschlossen. Bezüglich der
Ostimporte meinte Herr König mit Recht, dass es im Interesse des
Zahlungsbilanzausgleiches gelegen ist, dass wir sehr wohl von diesen
Staaten Konserven und sonstige Agrarprodukte beziehen. Grosse Liefer-
möglichkeiten gibt es dort sowieso nur gering. Die Behauptung, dass
ihr deutsches Mutterhaus Tengelmann sich aus Österreich zurückziehen
will, d.h. verkauft, stimmt überhaupt nicht. In Oberlaa haben sie
jetzt Steyrermühl erworben, hoffen dadurch mit diesem Zentralbüro
und Zentrallagerstätte den Umsatz von derzeit 2 Mia in der nächsten
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Zeit auf 3 Mia zu steigern. Löwa hat derzeit 1.000 Beschäftigte.
Seine neue Aktion Zielpunkt-Kettenläden mit 250 m², mit 1.000
Artikeln, meistens Markenwaren, richtet sich sozusagen gegen Hofer.
Eine Art Anti-Hofer-Aktion. Derzeit sind 8 Zielpunkt-Ketten
vorhanden, 14 unter Vertrag. Diese Geschäfte haben nur 5 Be-
schäftigte und sollen angeblich auch rentabel arbeiten. Vizebür-
germeister Pfoch hat ihnen in einem neuen Viertel ein Geschäft ge-
geben und sie hoffen, dass dies nicht das einzige und letzte ist.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mich bei der nächsten Wiener Vor-
standssitzung daran erinnern, dass ich mit Pfoch spreche.
Den guten Kontakt mit den Löwa-Herren habe ich dadurch erreicht,
dass ich vor einiger Zeit ein Wertkauf-Superladen in Oberwart,
Burgenland, eröffnete, wo man mich sogar mir Doro-Kaffee aufge-
wogen hat. Die Leitung erklärte sich sofort bereit, alle In-
formationen weiterzugeben, Wünsche dann mit unseren Herren zu
besprechen und Magister Goldmann wurde als Kontaktmann von ihnen
sofort akzeptiert.
Dr. Löwy, der eine Fremdenverkehrszeitschrift jetzt allein heraus-
gibt, anerkannte, dass noch niemals so viel für den Fremden-
verkehr geschehen ist und dass ich selbst bei den Gegnern als
guter Fremdenverkehrsminister bekannt bin. Primär wollte er
wissen, warum wir nicht ein eigenes Ministerium haben oder
zumindestens in unserem Titel, Handel, Gewerbe und Industrie,
"und Fremdenverkehr" aufnehmen. Ich verwies darauf, dass man
sich früher um den Fremdenverkehr überhaupt nicht gekümmert hätte
und ich sogar sofort ein Gruppe installiert hätte. Bezüglich
seiner Kritik, dass wir noch immer Giesskannen-Subventionsmethode
haben und nicht z.B. die Ein-Saison-Betriebe mehr fördern,
konnte ich ihm nachweisen, dass es unmöglich ist, die genaue Ab-
grenzung zwischen Ein-Saison- und Mehr-Saison-Betrieben zu finden.
Ausserdem gibt es in Ein-Saison-Regionen gutgehende Hotels,
Pensionen und Gaststätten und in manchmal Zwei-Saison-Betriebe,
welche zugrundegehen. Es liegt also daher nicht allein schliess-
lich an dem Nachteil, wenn man nur ein Ein-Saison-Betrieb ist,
ob man tatsächlich positiv abschliesst oder nicht, sondern an
der Tüchtigkeit des Unternehmers. Bezüglich der Frage, was für
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die Ein-Saison-Betriebe geschehen sollte, machte ich ihn auf
meinen längere Zeit zurückliegenden Plan aufmerksam, dass wenn
es zu einem Schulungsurlaub für alle Beschäftigten kommt, die
Gewerkschaften werden diesen früher oder später doch durchsetzen,
man jetzt schon die Vorbereitungen treffen sollte, damit dann
nicht eigene Gewerkschaftsschulungsheime errichtet werden, sondern
ausserhalb der Saison insbesondere die Ein-Saison-Betriebe für
Schulungen herangezogen werden. Die Handelskammer macht hier viel zu
wenig vorbereitende Aktivität für diese Frage.
Die Kritik, dass das Handelsministerium nur die Aktion START von der
TUI und von den Vorarlbergern unterstützt, konnte ich dahingehend
aufklären, dass wir vom Handelsministerium nur ein Interesse haben,
die Computerbestellung so schnell wie möglich auch in Österreich
einzuführen. Mir ist jede Reisebüroorganisation recht und jedes System,
welches dazu führt, dass wir zeitgerecht Anschluss an diese moderne
Buchung finden, die früher oder später so wie in Amerika jetzt schon
in Europa gang und gäbe sein wird. Die Frage, warum wir das Reisebüro-
gesetz noch nicht im Ministerrat eingebracht haben, beantwortete ich
dahingehend, dass noch immer versucht wird, auf freiwilliger Basis
eine Lösung zu finden, ohne dass wir ein Gesetz brauchen. Ich bevor-
zuge nämlich im Prinzip immer die freiwillige Vereinbarung ohne
gesetzlichen Zwang, hier z.B. auch die Frage des Messe-Gesetzes.
Bezüglich der Kritik, dass wir die ungarische Fremdenverkehrswirt-
schaft jetzt mit 300 Mill. $ unterstützen und für die österr. Heilbäder
nichts tun, konnte ich ihm erklären, dass es sich dabei um einen
Exportkredit handelt, der für die österr. Bauwirtschaft gegeben wird,
um dort ihre nicht im Inland ausgelastete Baukapazität einsetzen
zu können. Es ist besser, man baut in Ungarn, also im Nachbarland,
als in Afrika oder Asien, wo es wesentlich grössere Schwierigkeiten
gibt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Versuche, mit Löwy Kontakt zu halten und
kläre, in welchem Auftrag er diese Zeitschrift herausgibt.
Im Zentralvorstand der Lebensmittelarbeiter diskutierten wir über
die Marktordnungsgesetze und ganz besonders über das Mühlengesetz
sowie über die Preisverhandlungen bei Milch und Getreide. Die Lohn-
verhandlungen auf diesem Sektor gestalten sich äusserst schwierig.
Früher einmal haben die Unternehmer grössten Wert darauf gelegt,
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Zug um Zug-Lösung, d.h. wenn eine Lohnbewegung genehmigt wurde
und sie dann abgeschlossen wurden, dass sofort auch die Preis-
verhandlungen über dieses Produkt so geführt werden, damit auch
zum gleichen Zeitpunkt der neue Preis in Kraft treten kann.
Jetzt ist es fast so, dass sie am liebsten hätten, dass die
Preise erhöht werden und die Lohnbewegungen, wenn überhaupt,
so zu einem späteren Zeitpunkt erst abgewickelt werden. Die
Hauptschwierigkeit sehe ich primär darin, dass man sich überall
mit wesentlich geringeren Raten zufriedengeben muss. Selbst wenn
aus der alten Getreidepreiserhöhung des Vorjahres schon eine
80-Groschen-Brotpreiserhöhung resultiert und aus der Lohnver-
handlung eine weitere Preiserhöhung kommen würde, weiss jeder,
dass wir in so einem grossen Ausmass den Brotpreis gar nicht
erhöhen können. Daraus ergibt sich in den nächsten Wochen eine
sehr schwierige Verhandlungssituation.
Mit Wirlandner, Schmidt, Kienzl, Grünwald, Lacina, Wanke und
Burian besprach ich die Möglichkeit, wie wir ein Programm basierend
auf meinem Schlagwort "sozialdemokratische Marktwirtschaft" er-
stellen können. Primär kommt es mir weniger auf die programma-
tische Erklärung als auf die theoretische Fundierung dieser
Politik an. Durch den Parteitagsbeschluss über das Wirtschafts-
kapitel des Parteiprogrammes versucht jetzt die ÖVP in Wirtschafts-
kreisen uns nicht nur als Marxisten hinzustellen, sondern auch
als Dirigisten, Marktausschalter, Verstaatlicher – mit einem Wort
alles was, wie die Soziologen sagen, negativ besetzt ist, zu
identifizieren. Sie wünscht für sich die positiv besetzten Fakten
wie Leistungsgesellschaft, sie bezeichnet es als Mittelstand,
soziale Marktwirtschaft usw. Dass sie in der Praxis ganz anders
handelt, zeigt eindeutig ihre Politik, soweit sie eine solche machen
können, z.B. in dem agrarischen Sektor die Marktordnung. Schon
allein aus propagandistischen Gründen scheint es mir deshalb
notwendig, auf Grund der Erfahrungen, die wir jetzt in den acht
Jahren Handelsministeriumspolitik gemacht haben, ein der Praxis
entsprechendes Modell entgegenzustellen. Schmidt muss aber für
den Gewerkschaftskongress im nächsten Jahr entsprechende Vorarbei-
ten leisten und möchte dies natürlich daher auch mit dieser
Arbeit verbinden. Dagegen ist gar nichts einzuwenden, Schmidt muss nur
vorerst klären, ob Benya überhaupt so etwas will. Da Weissenberg,
sein sozialpolitischer Theoretiker, erklärt, er hätte alles schon
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gesagt, bevor er Minister wird, muss er eben als Minister schauen,
wie er all diese Pläne verwirklicht, auf dem Bildungssektor es
auch niemand gibt, der überwältigend neue Programm konzipieren könnte,
so wird zu klären sein, wie die Wirtschaftspolitik sich in die
Vorarbeit für den Bundeskongress 1979 einordnen lässt. Die
Hauptschwierigkeit liegt darin, dass unmittelbar nach dem Gewerkschafts-
kongress die Nationalratswahlen sind und wir unter gar keinen Um-
ständen den Fehler machen dürfen, der gegnerischen Seite entsprechendes
Propagandamaterial gegen die Partei oder gar das Parteiprogramm zu
liefern. Wir einigten uns daher darauf, dass wir ein kurz-
oder mittelfristiges Programm für 4 Jahre machen, welches ergänzend,
aber keinesfalls kontra den Parteiprogrammaussagen sein dürfte.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte verschaffe das ganze Material und schicke
es nicht nur an Wirlandner, sondern an alle Beteiligten.
In der Wiener Konferenz gab es zwei Referate, Gratz über das Pro-
gramm der Wiener und Benya dann über die Leistungen der Stadt-
verwaltung. Benya hat mit Recht darauf verwiesen, wie sehr von den
Massenmedien ständig nur kritisiert und wie wenig positiv berichtet
wird. Dieses frontale Angehen der Massenmedien kann sich wirklich
nur Benya leisten. Jeder andere Politiker, der eben nicht Gewerk-
schaftsbundpräsident ist, würde schon längst von diesen Massen-
medien vernichtend kritisiert werden und ihm daher seine politische
Aussage wesentlich ständig negativ kommentiert. Auf kaltem Wege
hätte man ihn schon längst ruiniert. Das zeigt einmal mehr für
mich, welche politische Bedeutung der Gewerkschaftsbund-Präsident
überall hat.
Tagesprogramm, 8.6.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)