Freitag, der 14. April 1978

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Freitag, 14. April 1978

EWG-Direktor Duchateau und vor allem der Österreich-Referent
Slingerland waren zu Besprechungen mit den österr. Stellen nach
Wien gekommen. Botschafter Seyffertitz, unser Missionschef in
Brüssel, und Meisl veranlassten, dass vorher mit mir eine Aussprache
stattfand. Duchateau teilte mir konträr zur Auffassung Kreisky
mit, dass der Gipfel in Kopenhagen eine ganz neue Richtung in der
Wirtschaftspolitik der EG bedeutet. Details konnte oder wollte er
nicht sagen, seiner Meinung nach wir nur nicht allein die EG-Staaten,
sondern auch das Verhältnis zu den EFTA-Staaten sich jetzt auf ganz
andere ökonomische Basis stellen. Für Österreich wäre es wichtig,
in Arbeitsgruppen für die einzelnen Produkte und nicht nur allein
in der Gemischten Kommission auf Grund des Arrangement-Vertrages
unsere Wünsche zu besprechen. Ich schlug sofort in diese Kerbe und
meinte, dass der Vertrag zwar eingehalten wird, aber dass von dem
Geist dieses Vertrages, die Integration zu fördern, die Entwicklung
voranzutreiben, derzeit nichts zu bemerken ist. Dies ganz besonders
auch für die von ihm erwähnten Spezialbesprechungen für Papier, Stahl
Textilien und am allermeisten für die landwirtschaftlichen Produkte.
Hier meinte Duchateau, dass Gundelach, der Landwirtschaftskommissär,
sich sehr bemühen wird. Ein weiteres Problem, das er angeschnitten
hat, was die Studie über die Wegekostenabgeltung für die Gastarbeiter-
route. Dies sollte keinesfalls mit irgendetwas junktimiert werden.
Für die Kommission ergibt sich jetzt aber ein spezifisches Problem,
dass nämlich der Italiener Natali wünscht, dass die Gastarbeiterroute
nicht durch Österreich nach Jugoslawien, sondern nach Triest und von
dort erst nach Jugoslawien weitergeführt werden soll. Slingerland
interessierte sich ganz besonders, ob Österreich Kontingente ein-
führen wird und durch Prüfung jetzt der Importware non-tariff barriers
errichten würde. Quoten, erklärte ich, seien ausser bei landwirtschaftl.
Produkten und Billigstimporten nicht beabsichtigt, die Kontrolle der
Importwaren auf Einhaltung der österr. Vorschriften ist keine
Diskriminierung, sondern nur eine Gleichstellung.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Die Äusserung über Gastarbeiter-Route soll
an Moser weitergegeben werden.



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Im Kernkraftwerksunterausschuss wurde jetzt wieder die Minister-
befragung fortgesetzt. Hubinek, ja sogar Scrinzi versuchten auf
meine Schmähtour einzusteigen, was mir nur sehr recht ist, weil
es die Verhandlungen doch wesentlich auflockert. Ihre Frage,
sie haben mich ganz verwirrt, mein sofortiger Zwischenruf: ich bedauere,
wenn nur in der Kernkraftfrage, Scrinzis Bemerkung: ich bitte um
Aufklärung, allerdings nur in der Kernkraftfrage usw. lockert
das an sich sonst mit tierischem Ernst dort herrschende Klima
wesentlich auf. Ernst wurde für mich die Frage allerdings, als
Wiesinger versuchte nachzuweisen, dass das Ministerium in der Frage
des Cogema-Vertrages nicht nur säumig, sondern fahrlässig gehandelt
hat. Unbedingt wollte er mir nachweisen, dass die Gesellschaft den
Aufarbeitungsvertrag scheinbar mit Zustimmung von mir oder
einer anderen Person bezüglich der Übernahme der Spaltprodukte ab-
geschlossen hat. Das Bemühen der ÖVP geht eben dahin, die Schuld
und das ganze Risiko der Regierung anzulasten. Nentwich und Stau-
dinger
, die beiden Direktoren, haben mir nachher zugeflüstert, ein Brief,
den sie an das Ministerium gerichtet haben, und den ich zugegebener-
massen dort von ihnen das erste Mal sah, sei nicht beantwortet worden,
obwohl Sekt.Chef Frank erklärte, alle schriftlichen Unterlagen werden
dem Ausschuss zur Verfügung gestellt. Eine sofortige Überprüfung ergab,
dass vor zwei Tagen aktenmässig die Antwort tatsächlich an die
GKT abgesendet wurde. Als ich dies Nentwich mitteilte, erzählte
er mir, dass während meiner Abwesenheit Leodolter einmal mehr
klar und deutlich gesagt hat, dass eine Betriebsbewilligung erst
erfolgen kann, wenn eine geschlossene Entsorgung vorliegt. Nentwich
meinte, unter diesen Umständen können sie nicht nur Cogema-Vertrag
nicht einhalten, sondern er muß gegenüber seiner Gesellschaft
sofort die Einstellung des Baues beantragen. Ich erklärte ihm sofort,
dass im Prinzip es ganz klar ist, das Gesundheitsministerium kann
gar keine andere Stellungnahme einnehmen, da dies letzten Endes
auch der Bundeskanzler dezidiert erklärt hat. Wie die einzelne
Wortwahl Leodolters war, weiss ich nicht. Gegen was ich mich nur
mit aller Entschiedenheit wehre, ist, dass nicht nur die ÖVP, sondern
vielleicht jetzt auch unsere eigenen Leute anfangen, die Frage so
darzustellen, als wäre Leodolter schuld. Das Versäumnis der Kern-
kraftwerksbauer und -betreiber über die Entsorgung ist seit
den ersten Verhandlungen 1969 allgemein bekannt. Was sich sowohl


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Leodolter als auch ich mich bemühen ist, Schritt für Schritt die
Inbetriebnahme von Zwentendorf zu ermöglichen. Wenn die GKT darauf
Wert legt, irgendeine Auflage oder einen Bescheid zu bekommen,
die expressis verbis festlegt, dass sie für die Endlagerung allein
verantwortlich und die und die Auflagen damit verbunden sind, z.B.
nicht nur standortbezogenes Projekt oder Auslandslagerung, sondern
auch noch vielleicht ins Detail gehend, dann kann sie dies sofort
haben. Wie dann die Gesellschaft allerdings diese Bescheide und
Auflagen erfüllt, weiss jetzt wirklich niemand. Ich habe mich schon
sehr geärgert, dass – obwohl sich alle Stellen bemühen – die Ge-
sellschaft scheinbar glaubt, in den unklaren Äusserungen von Beamten
oder in der Nichtbeantwortung sofort ihrer Schreiben sei ein böser
Wille gegen diese Gesellschaft zu erkennen.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte kläre, was diese neue Politik der GKT
soll.

Zur 50-Jahr-Feier nach Neudörfl der Fa. Stecker-Wolf wurde ich des-
halb eingeteilt, weil Wolf, angeblich ein Schulkollege von der
technischen Mittelschule Arsenal, in der ich auch drei Semester
studierte, war. Natürlich habe ich bei meiner Ansprache, bei der
auch die bgld. Prominenz schwarz und rot gut vertreten war, darauf
hingewiesen, dass Wolf die Ingenieurlaufbahn einschlug, ich aber
wegen politischer Betätigung damals aus der Schule hinausgeschmissen
eben dann Politiker wurde. Wer den besseren Teil gewählt hat, wird
sich zeigen. Mir unerklärlich ist, dass doch ein verhältnismässig
kleiner österreichischer Betrieb, 180 Beschäftigte, imstande ist,
europaweit mit seinen Steckern anzukommen. Angeblich hat er durch
die harte Konkurrenz 4 Jahre keine Preiserhöhung vornehmen können,
expandiert aber noch immer und ist in Europa das 3. Land in dieser
Produktion. Geärgert hat mich nur, als ich dann von LR Vogl
und KAD Kapaun erfuhr, dass er ausgesprochen gewerkschaftsfeindlich
eingestellt ist. Ich erklärte ihm sofort freimütig vor den beiden,
hätte ich dies früher gewusst, wäre ich gar nicht gekommen. Da er
auch um die Verleihung des Staatswappens angesucht hat, machte ich ihn
aufmerksam, ich sehr wohl dieses Wappen ihm geben würde, denn
er ist ein in der Branche führendes Unternehmen, doch erwarte ich, dass
er nächstens endlich Betriebsräte wählen lässt. Nicht dass er es
verhindert, wie der Handelskammer-Direktor vom Burgenland sofort fest-
stellte, aber sicherlich seinen ganzen Einfluss geltend macht, dass
eben kein Betriebsrat zustandekommt.

ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte AK Burgenland und Metallarb.-Gewerkschaft
diesbezüglich kontaktieren.

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Tagesprogramm, 14.4.1978


Tätigkeit: EWG-Österreich-Referent


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: ital. Landwirtschaftsminister, EG-Kommissar


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: dän. EG-Agrarkommissar


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.
        GND ID: 102071865X


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Industriesteckvorrichtungen Wolf, Neudörfl


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Gesundheitsministerin


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg., KAD AK


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Chef Energiesektion


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Techn. GF KKW Tullnerfeld GmbH


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: MR HM


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Dir. Beziehungen EG-Kommission


                        Einträge mit Erwähnung:
                          GND ID: 1017902909


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: MR, Büro des Bundesministers


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: bgld. Finanzlandesrat


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                                Tätigkeit: FPÖ-Politiker


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                                  Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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                                    Tätigkeit: Kaufm. Dir. KKW Tullnerfeld GmbH


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                                      Tätigkeit: Bautenminister


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                                        Tätigkeit: Botschafter


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                                          Tätigkeit: Bundeskanzler
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