Freitag 10. Feber u. Samstag 11. Feber 1978
Der Kurier bringt einen Artikel, dass die Personalvertretung
ablehnt, mit Plesch weiter zusammen zu arbeiten. Gleichzeitig
wird mir von der Personalvertretung ein Brief übergeben, wo die
Disziplinarfälle aufgezählt werden. Der Kurier ruft mich an
und fragt, was ich zu diesen Anschuldigungen sage. Vorerst drücke
ich meine Verwunderung aus, dass in der letzten Zeit alles zuerst
der Presse mitgeteilt wird, bevor ich die Anschuldigungen auch nur
gehört habe. Meine stereotype Auskunft ist deshalb, die ganze Frage
wird genau geprüft. SChef Kazda wird von mir ersucht, aktenmässig
alles gewissenhaftest zu prüfen, weil ich befürchte, dass früher
oder später die Oppositionspartei im Parlament die ganze Affaire
aufgreifen wird, da sie kaum Chancen gehabt hat, meine Personal-
politik, die ihr sicherlich genauso zuwiderläuft wie der Handelskammer,
ernstlich anzugreifen, wird jetzt – davon bin ich überzeugt – versucht
werden, jede Kleinigkeit entsprechend hochzuspielen. SChef Kazda
erklärt mir ausdrücklich, es besteht keinerlei Grund auf Grund des
Briefes, bevor nicht die Untersuchung abgeschlossen ist, irgendwelche
Massnahmen zu setzen.
Herr Stutterich, österr. Direktor des neuen Kaufhauses ABM auf der
Mariahilfer Strasse, nach seiner Aussprache Schweizer Bürger, und vor
allem der Vertreter der 38 Junior department stores in der Schweiz,
Cavelti, versichern mir, dass sie nur zur Erstausstattung des ABM-
Marktes so viele Schweizer Waren hatten. Jetzt kaufen sie immer mehr
österreichische Waren und dies nicht nur für den Markt in der
Mariahilfer Strasse und für Shopping City Süd, sondern auch für
ihre Schweizer Geschäfte. Er gibt uns eine lange Liste von österr.
Firmen und Waren, die noch vergrössert wird. Derzeit kauft er für
4 Mio Schweizer Franken für Österreich und für 10 Mio Schweizer Fran-
ken für die Schweizer Geschäfte. Bei einem Umsatz von 450 Mio
Schweizer Franken in der Schweiz ist dies nicht besonders viel, aber
ein sehr guter Anfang. Im Halbjahr wird er uns einen entsprechenden
Bericht geben.
ANMERKUNG FÜR WAIS UND BURIAN: Bitte ständig Kontakt halten.
SChef Jagoda berichtet mir, dass er prüfen liess, wie wir die No-
velle für das Preisregelungsgesetz in die Begutachtung schicken
sollten. Er ist so wie ich davon überzeugt, dass auch unsere Anfrage,
ob wir ein allumfassendes Preisstabilisierungsgesetz ins Parlament
bringen sollen, wie dies vor zwei Jahren auch geschehen ist, garantiert
eine negative Stellungnahme von den meisten zur Begutachtung berech-
tigten Stellen bekommen werden. Jagoda möchte deshalb in die Novelle
eine zweite Liste von Waren und insbesondere Dienstleistungen aufnehmen,
die bei gewissen hohen Preissteigerungsraten in die amtliche Preis-
regelung einbezogen werden könnten. Von diesem Vorschlag ersuche ich
ihn, sollten wir schleunigst wieder abgehen, denn darin sehe ich
nicht nur eine grosse Gefahr eines Streites mit der Bundeshandels-
kammer über den Umfang dieser Liste, sondern auch überhaupt keine
Möglichkeit, eine solche im Parlament mit 2/3-Mehrheit zu beschliessen.
Die einzige Möglichkeit erblicke ich darin, einen Paragraph so aus-
zugestalten, dass er verfassungsrechtlich die Zustimmung des Ver-
fassungsdienst bekäme, d.h. eine zwar sehr unbestimmte, aber doch der
Verfassung entsprechend determiniert zu sein, ohne taxativ die Waren
und Dienstleistungen aufzählen zu müssen. Ich gebe mich keiner
Illusion hin, dass wir die grössten Schwierigkeiten mit einer notwendi-
gen Novelle zum Preisgesetz bereits im Begutachtungsverfahren haben wer-
den und bei den Verhandlungen im Parlament auf den entschiedenen Wider-
stand der ÖVP stossen werden.
Hirsch teilt mir mit, dass Präs. Leberl mit dem Präs. der Handelskammer
Sallinger und Gen.Sekr. Mussil, jetzt aber in Funktion als ÖVP-Abge-
ordnete, wegen des europäischen Patentübereinkommens eine eingehende
Besprechung geführt hat und beide den Standpunkt teilen, die Ratifi-
zierung dieses Übereinkommens sollte jetzt ins Parlament gebracht
werden. Leberl hat auch mit den Vorsitzenden des Handelsausschusses,
Abg. Staudinger, Gespräche vereinbaren. Hirsch meint, Leberl ist
nicht sehr glücklich, diese Einzelgespräche zu führen, denn seiner
Meinung nach ist im Begutachtungsverfahren die Zustimmung aller
mit Ausnahme der Patentanwaltskammer erfolgt und es gibt keine Not-
wendigkeit mehr, Detailverhandlungen mit einzelnen Gruppen darüber
zu führen. Diese Meinung teile ich deshalb nicht, weil, wie sich
jetzt herausstellt, bei den Kündigungsverhandlungen über Formvor-
schriften auch alle beteiligten Stellen in der Begutachtung zugestimmt
haben und jetzt im Parlament immer wieder Schwierigkeiten bei der
Beschlussfassung entstehen. Da ich wegen dieser Materie niemals einen
Mehrheitsbeschluss herbeiführen möchte, bleibt allen nichts anderes
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übrig, als vorbereitende Gespräche mit jeden Parlamentarier, der
nicht von herneherein überzeugt ist, dass unser Weg der richtige
ist, zu führen.
ANMERKUNG FÜR HIRSCH: Bitte mit Abg. Heindl die weitere Vorgangsweise
abstimmen.
Botschafter Gmoser geht nach Argentinien, Geschäftsträger Hohenfell-
ner nach Kuba. Beide haben nicht zuletzt durch unsere Round Table-
Gespräche, die wir jeden abgehenden Botschafter geben, erkannt,
dass die wirtschaftspolitischen Aktivitäten das wichtigste ist . Gmoser
hofft zwar, dass er die Wiener Staatsoper nach Buenos Aires bringen
kann, ohne dass dafür zusätzliche Budgetmittel aufgebracht werden
müssen. Seine Hauptaufgabe sieht er aber darin, die Wirtschafts-
beziehungen, die mit dem ganzen südamerikanischen Raum unbedeutend
sind, wesentlich zu verbessern. Hohenfellner wieder hofft dasselbe
für Kuba. Beide fragen an, ob ich bereit bin, einer eventuellen Ein-
ladung der dortigen Regierungsstellen Folge zu leisten. Ich ersuche
sie, diesbezüglich keine Aktivitäten zu entfalten, weil ich ent-
sprechende Einladungen schon seit Jahren besitze, dafür aber wahr-
scheinlich in absehbarer Zeit keine Möglichkeit sehe. Für mich ist
es optisch günstiger, niemals am amerikanischen Kontinent während
meiner Ministerzeit gewesen zu sein, als ein einziges Land besucht
zu haben. Eine Selektion könnte nur so erfolgen, wenn ich in einem
dieser Länder einen Vertrag zu unterzeichnen hätte. Nur in diesem
Fall kann ich, ohne dass andere beleidigt wären, begründen, warum
ich gerade dieses Land und nicht das andere besucht habe.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Kläre einmal, wo wir solche Verträge zu unter-
zeichnen hätten.
Zum ersten Mal wurde ich von einem Interview im ungarischen Fern-
sehen überrascht. Der Reporter, der mir vorher selbstverständlich
auch wieder seine Fragen sagte, die ich gar nicht wissen wollte,
hat dann im Laufe der Reportage doch sich so beweglich gezeigt, dass
er auch andere Themen angeschnitten hat. Am interessantesten für
mich war, dass er – und dies erstmalig, seitdem ich mit Staatshandels-
ländern Interviews gebe – auch kritische Fragen gestellt. Für mich
war dies eine interessante Erkenntnis über die ungarische Entwick-
lung.
MR Würzl teilt mir mit, dass er jetzt bei der Tagung in Paris
neuerdings von den anderen Ländern zum Präsidenten der Internat.
Tourismusorganisation vorgeschlagen wird. Er möchte diese Funktion
noch einmal übernehmen, obwohl er zeitlich beschränkt nur zweimal
im Jahr nach Paris gefahren ist. Ich erkläre ihm, dass ich dagegen nichts
einzuwenden habe, mache aber darauf aufmerksam, dass im immer stärkeren
Masse seine Abwesenheit aus Wien von den verschiedensten Leuten –
und nicht nur seiner Abteilung kritisiert wird. Würzl gibt dies un-
umwunden zu und meint, er würde sich bemühen, die Aktivitäten auf ein
Minimum zu beschränken. Gleichzeitig informiert mich Würzl, dass wir
für die Buchungsaktion START, die dem Vorarlberger Rechenzentrum
1.5 Mio Schilling bis jetzt gekostet hat, 500.000 Schilling a conto
geben soll. Die allgemeine Zimmerreservierung ADZ hat grosse Schwie-
rigkeiten, in Deutschland die entsprechenden Regionen zu erfassen.
Da an das System 600 deutschen Reisebüros angeschlossen sind, kann
diese Entwicklung in Deutschland dem System angeblich nichts anhaben
und für Österreich von umso grösserer Bedeutung werden. Im ADZ ist die
Deutsche Bundesbahn, die Lufthansa und die grosse Reiseorganisation
TUI mit je 25% beteiligt, aber auch das deutsche Reisebüro Neckermann,
GUT usw. sind zwar mit geringerem Anteilen, aber dennoch ebenfalls
an ADZ beteiligt. Wie immer es also in der Bundesrepublik weitergeht,
wenn das System nicht zusammenbricht – und darüber besteht keinerlei
Befürchtungen – wird die Computerreservierung für Österreich von
grosser Bedeutung. Ich stimme im Prinzip zu, dass wir diese A-conto-
Zahlung leisten, da es für unsere Versuchsgemeinden von grösster Bedeu-
tung ist, dass das System so schnell als möglich eingeführt wird.
Beim Jour-fixe mit AK und ÖGB verlangen beide eine endgültige
Klärung der Elektrizitätspreiserhöhung. Schmidt, ÖGB, meint, wir sollten
unbedingt für den höheren Stromverbrauch über 3.000 kW-Stunden pro
Haushalt einen höheren Tarif verlangen. Die Arbeiterkammer, Maurer,
die ursprünglich eine solche Idee vorgeschlagen hat, ist jetzt auf
Grund von Erhebungen in Vorarlberg und Tirol, wo die Haushalte bis zu
6.000 kW-Stunden verbrauchen, sehr skeptisch hier tatsächlich eine
solche Strompreisprogression einzuführen. Am liebsten wäre beiden,
wenn ich die Grundgebühr abschaffen würde und es in Hinkunft nur mehr
Arbeitspreise gäbe. Dazu sehe ich auch keine Möglichkeit, zu einer
einvernehmlichen Lösung zu kommen. Ich sehe schon, wenn letzten Endes
alle Möglichkeiten durchdiskutiert sind, wir, so wie das letzte Mal,
nur mehr eine perzentuelle Erhöhung des Arbeitspreises vornehmen und
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Grund- oder Leistungspreis unverändert lassen. Dadurch wird zwar
keine progressive Strompreispolitik eingeleitet, wohl aber die
Degression, die derzeit herrscht, ein wenig vermindert. Zöllner hat
wieder mehr eine originelle Idee. Da nach Mitteilung der OÖ Arbeiter-
kammer die Öl- und Benzinpreise überhöht sind und ich nach seiner Auf-
fassung unbedingt in der nächsten Zeit entsprechende Senkungen
preisrechtlich dekretieren müsste, soll ich den Heizöl-Schwer-Preis
insbesondere für die Elektrizitätswirtschaft senken und dadurch
könnte überhaupt auf eine Strompreiserhöhung verzichtet werden.
Nach Auffassung Zöllners muss ich in der nächsten Zeit eine Korrektur
der ÖMV und RAG, sowie aller internationaler Gesellschaften verlangten
Preise amtlich herbeiführen. In einer heftig geführten Diskussion
setze ich der Arbeiterkammer und ÖGB auseinander, wie schwierig es
ist, selbst SChef Jagoda davon zu überzeugen, Aktivitäten zu setzen,
die rechtlich einwandfrei sein müssen. Das Preisgesetz ist vollkommen
unzulänglich. Die Amtshaftung könnte hier am ehesten zu tragen kommen,
weshalb alle Beamten vor nicht einwandfreien Massnahmen zurück-
schrecken. Allein die Einbeziehung von Gas in die amtliche Preis-
regelung macht jetzt die grössten Schwierigkeiten. Die ÖMV ist bereit,
bis zur letzten Konsequenz den Abwehrkampf zu führen. Da der Gewerk-
schaftsbund und die Arbeiterkammer dem Finanzminister durch Erhöhung
der Bundesmineralölsteuer mehr Einnahmen , die allerdings ja für den
Strassenbau zweckgebunden sind, verschaffen wollen, darf ich jetzt
keinerlei amtliche Preisregelungen und Korrekturen vornehmen. Dies
sehen letzten Endes sogar Schmidt und Zöllner ein. Nur wenn der
Finanzminister, der von der Arbeiterkammer und insbesondere Gewerk-
schaftsbund auf diese Möglichkeit bereits im Vorjahr aufmerksam
gemacht wurde, auf ihren Vorschlag eingeht, kann ich, wenn die ÖMV
trotz Mineralölsteuererhöhung eine solche auf die Preise überwälzen
möchte, zu diesem Zeitpunkt dann entsprechende preisgesetzliche Mass-
nahmen setzen. Da ich in dieser Auseinandersetzung nicht einsehe,
warum ich mich sowohl mit AK und ÖGB als auch mit der ÖMV zerstreiten
soll, verständige ich in Anwesenheit noch aller Jour-fixe Teilnehmer
GD Bauer von der ÖMV und ersuche ihn, sich mit den Konsumentenvertre-
tern zusammenzusetzen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte lass Dir berichten, was dabei herauskommt.
Finanzminister Androsch hat mich in einem Schreiben ersucht,
Bruchreis doch in die Entliberalisierung im Rahmen des GATT
einzubauen. Seiner Meinung nach hat die Arbeiterkammer gegen
eine solche Vorgangsweise nichts einzuwenden. Zöllner, den ich
mit diesem Standpunkt konfrontiere, behauptet sofort das Gegen-
teil. Die Arbeiterkammer hat grösste Bedenken, Bruchreis zu
entliberalisieren, da insbesondere die Handelskammer für die
Brauindustrie für 15.000 Tonnen eine kontingentmässige Ausnahme
wünscht. Wesentlich mehr Bruchreis wird jetzt ebenfalls nicht ein-
geführt. Andererseits aber hat Androsch recht, wenn er darauf hin-
weist, dass wir jetzt einen Aussenschutz von 623 Schilling pro
Meterzentner festlegen, gleichzeitig aber durch die Tatsache, dass
im GATT mit 7 Schilling pro mq die GATT-Bindung existiert, diese
Schutzmassnahme vollkommen wirkungslos ist.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Lass prüfen, wie weit wir aus diesem Dilemma
einen anderen Ausweg finden können.
Die Frage der Vorlage aller BÜRGES-Fälle, die die Obergrenze von
2.5 Mio Schilling, die auf 3.75 erhöht werden sollen, im Beirat
anordnen sollen, wird zwischen Frau Goldmann und SChef Jagoda unter
Zuziehung von Zöllner und Schmidt, ÖGB, noch einmal verhandelt werden.
Der Freie Wirtschaftsverband möchte nicht so weit gehen wie die
Arbeiterkammer-Vertreterin.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte kläre, was Goldmann wirklich beabsichtigt.
Schmidt macht mich aufmerksam, dass der ÖGB niemals zustimmen wird,
dass die Chemie-Facharbeitergewerkschaft die Welser Papierfabrik
tatsächlich übernimmt. Der Umsatz ist von 420 Mio auf 400 zurück-
gegangen, ein negativer cash flow von 50 Mio Schilling zeigt die
tatsächliche Situation. 1977 wurden 68 Mio Schilling Defizit und
1978 werden es auch mindestens 60 Mio Schilling sein. Niemand kann
dort positiv wirtschaften, selbst wenn er keinerlei Abschreibungen
verdienen muss. Die Betriebskosten können durch die schlechten
Preise und die alte Fabrik nicht mehr erwirtschaftet werden. Schmidt
fragt noch ironisch, ob die Lebensmittelarbeitergewerkschaft eben-
falls beabsichtigt, die Ankerbrot-Fabrik zu übernehmen. Ich erkläre
sofort rundwegs, dass eine solche Absicht nicht besteht und von
mir sicherlich nicht akzeptiert werde.
Nach einem Diskussionsvormittag, Fischer, Busek, Hanreich,
Samstag im Europahaus Linzer Strasse, habe ich Gelegenheit, mittags
mit Fischer über die weitere Vorgangsweise im Parlament bezüglich
der Kernenergie zu sprechen. Fischer ist auf Grund der Beschlüsse
des ÖVP-Bundesparteivorstandes ein wenig optimistischer. Ich selbst
erklärte ihm, bin über diesen Beschluss sehr positiv überrascht.
Natürlich ist diese Schwamm-, um nicht zu sagen Leerformel, wir
brauchen die Kernkraft – und wenn alle Sicherheitsvorkehrungen
inkl. der Endlagerung gelöst sind, kann Zwentendorf in Betrieb
gehen, keineswegs noch gesichert, dass tatsächlich nach Baufortschritt
verlauf in absehbarer Zeit die Nulleistung von Leodolter genehmigt
werden kann. Da die ÖVP formal, aber ähnlich der der SPÖ ist, wird
es ausschliesslich bei der Bundesregierung liegen, zu entscheiden,
wann die Zwischen- und Endlagerung von Atommüll als gelöst betrachtet
werden kann. Da Kreisky sowieso nicht beabsichtigt, diese Ent-
scheidung dem Parlament zu überlassen, sondern er immer wieder
erklärt, dies sei eine Frage der Exekutive, wird meiner Meinung
nach in ein paar Monaten, je nach Baufortschritt früher oder später,
Leodolter diesbezüglich endgültig zu entscheiden haben. Fischer
ist nach wie vor sehr skeptisch, dass nicht im Laufe der parlamen-
tarischen Verhandlungen neuerdings grosse Schwierigkeiten von seiten
der ÖVP kommen. Ich erkläre ihm, dass derzeit die Schwierigkeiten
der ÖVP von unseren Leuten gemacht werden. Blecha erklärte meiner
Meinung nach voreilig, die ÖVP macht einen Eiertanz, die AZ bringt
Samstag eine Karikatur, wo Sallinger unter dem Stuhl, auf dem Taus
sitzt, die Brennstäbe ablegt. Diese kleinen Nadelstiche können meiner
Meinung nach die Atmosphäre sehr vergiften und zu einer weiteren
Verschlechterung des Verhandlungsklimas führen. Die einzig positive
Aussage war die des Klubobmanns Fischer, die ich auch sehr begrüsst
habe. Er teilt mir mit, dass er nach Rücksprache mit Präs. Benya
genau einen solchen Eindruck erwecken wollte, weil er auch über-
zeugt ist, dass wir nur auf dieser Basis zu einer, wenn auch noch
so schwachen Lösung und Vereinbarung über eine Entschliessung kommen
können. Fischer fragt, wie diese Entschliessung aussehen sollte.
Natürlich wäre uns und insbesondere Leodolter, die ja letzten Endes
den Bescheid ausfertigen muss, mehr geholfen, wenn in dieser Ent-
schliessung nicht nur drinnen steht, dass wir Kernkraft brauchen
und Tullnerfeld in Betrieb gehen kann, wenn alle Sicherheitsvorkehrungen
eingehalten und die End- und Zwischenlagerung gelöst ist, doch können
wir von der ÖVP nicht mehr verlangen, als selbst Kreisky nicht be-
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reit war, im sozialistischen Parteivorstand zu beschliessen.
Die Entschliessung, die letzten Endes das Parlament hoffent-
lich fassen wird, kann nicht weitergehen, sollte aller-
dings auch nicht noch schwächer gefasst sein. Die Regierung
wird sowieso damit noch die grössten Schwierigkeiten haben,
die Inbetriebnahme von Zwentendorf zu rechtfertigen. Tag für
Tag rücken wir nämlich den Zeitpunkt näher, wo die KWU zwar
mit fast 2-jähriger Verspätung, aber dann doch die technische
Fertigstellung zum Probebetrieb melden wird. Ab diesem Zeit-
punkt wird die eindeutige Schuld der Verzögerung dann bei der
Bundesregierung resp. Gesundheitsministerium liegen. Ich wünschte
mir von Fischer nichts anderes, als dass bis zu diesem Zeitpunkt
womöglich schon das Parlament die Debatte beendet und eine
Entschliessung ähnlich des Beschlusses des SPÖ-Parteivorstandes
und des ÖVP-Parteivorstandes gefasst hat. Mehr zu erwarten, wäre eine
glatte Illusion.
Tagesprogramm, 10.2.1978