Donnerstag, der 12. Jänner 1978

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Donnerstag, 12. Jänner 1978

IBM feiert seinen 50. Betriebsgründungstag in Österreich. Vom
Bundespräsidenten abwärts wurde alles eingeladen. Die Firma hat
um die Führung des Staatswappens angesucht. Der Bruder des dafür
im Ministerium zuständigen Beamten ersuchte um Intervention in
der Handelskammer, damit dort auch die Zustimmung gegeben wird.
Angeblich hat der Präsident der Wiener Handelskammer abgelehnt,
weil das Unternehmen an der Protestkundgebung gegen das Mass-
nahmenpaket in Oberlaa nicht teilgenommen hat. Ich rief sofort
Präsident Sallinger an, sprach mit Gen.Sekr. Mussil, der den
Fall nicht genau kannte und trotzdem selbstverständlich die
Zustimmung gab.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte kläre mit unserem Beamten, ob tatsächlich
der Sachverhalt, wie Feltl schildert, zutrifft.

Seit in der Zeitung stand, dass Kreisky und ich in die UdSSR
fahren, melden sich immer mehr Unternehmer, die ebenfalls bei
der Delegation dabei sein wollen. Jetzt war es Bundesrat Pisec,
der viele Geschäfte mit der UdSSR macht, der ausdrücklich er-
suchte, mitgenommen zu werden. Ich verweise alle an MR Fälbl.

Die Delegation der Papierindustrie unter Führung von Präs. Stepski
sprach neuerdings wegen Hilfsmassnahmen vor. Bei 4 Gesprächen mit
den Sozialpartnern gelang es keine einvernehmliche Stellungnahme
zu erzielen. Gegen die 250 Mio Schilling Frachtstützung spricht
sich insbesondere die Arbeiterkammer aus, weil sie darin ein ge-
fährliches Präjudiz für alle anderen notleidenden Industrie-
zweige wie Stahl, Chemie, Bekleidung, Textilien usw. sieht. Die
Papierindustrie meint aber, dass sie durch die Diskriminierung
als sensibles Produkt im EG-Abkommen, wo sie ca 250 Mio Schilling
Zoll mehr zu bezahlen hat, mit Recht diese Summe verlangen kann.
Ich versuche den Vertretern klarzumachen, dass kaum eine Aussicht
besteht, diesen Punkt durchzusetzen. Auch der Finanzminister
wird kaum 250 Mio Schilling aufbringen. Auch dann nicht, wenn
die Papierindustrie nachweist, dass die Zolleinnahmen durch die EG-Re-
gelung in Österreich noch immer 100 Mio Schilling beträgt. Immer
mehr Papier wird nämlich aus Deutschland importiert. Die Papier-
industrie möchte dann noch in das Sonderunterstützungsprogramm


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SOG für vorzeitige Pensionierung einbezogen werden. Davon
würden 300 bis 400 Arbeiter betroffen, die dann schon frühzeitig
in Pension gehen könnten. Die Papierindustrie würde in diesem
Fall ein Sozialprogramm mit Sozialfonds mit der Gewerkschaft doch
im Speziellen vereinbaren. Hier sehe ich eine gewisse Möglichkeit,
mit dem Sozialminister zu sprechen und diesen Punkt durchzusetzen.
Die Papierindustrie möchte weiters einen Zinsenzuschuss für 3 Mia
Schilling. Hier verweise ich sie auf die generelle Möglichkeit,
im Rahmen des 10 Mia Schilling Investitionsprogramms der Bundesre-
gierung unterzukommen. In England zahlt die Papierindustrie angeb-
lich nur 4% Zinsen für Kapital. Um eine Strukturbereinigung mit
entsprechender Unterstützung, d.h. Abfertigung für stillgelegte
Unternehmen zu erreichen, schlage ich vor, man sollte prüfen,
ob es nicht möglich ist, ähnlich der Mühlenwirtschaft ein dies-
bezügliches Gesetz zu schaffen. Mit Recht wird mitgeteilt, dass
die grossen Einheiten der Papiererzeugung zum Unterschied von
den kleineren der Mühlenindustrie nicht sterben können, weil die
Kosten für die Liquidation sehr hoch sind. Für die Welser
Papierfabrik müssten 60 Mio Schilling aufgebracht werden, 15 Mio
allein für die dort Beschäftigten. Da der Papierpreis und ins-
besondere der Zellulosepreis sehr gefallen ist, ergibt sich jetzt
eine unmögliche Ertragslage und noch viel schlimmer, eine voll-
kommen deroutierte Papierpreissituation. Einzig und allein
Rotopapier hat noch einen günstigen Preis, weil dort nicht eine
so starke Überkapazität besteht. Rotopapier und Zellulose war
bis jetzt immer preisgleich, jetzt kostet Zeitungspapier Roto
7 Schilling pro Kilo und für gebleichte Zellulose, die teurer sein
müsste als Rotopapier, wird 4.60 Schilling am Markt erlöst. Ausser
den Importen aus skandinavischen Staaten war es bis jetzt trotz
meiner Intervention nicht möglich, mit den Rumänen zu einer Verein-
barung zu kommen. Die Rumänen sind nicht einmal bereit, mit der
Papierindustrie Gespräche aufzunehmen. Ich versprach neuerdings den
Rumänen zu schreiben oder sonst irgendwie zu intervenieren.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mit Fälbl über diesen Fall Gespräch
führen.

Herr Prinzhorn von der Firma Hamburger ersucht mich um Intervention,
damit in Wien eine Anlage zur Altpapiergewinnung aufgestellt wird.
Die Investitionen für diese Grossanlage würden 60 Mio Schilling


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betragen. In grösseren Städten hat man bereits zur Entlastung der
Müllverbrennungs- und Deponieanlagen mehrere solche Sortieranlagen –
in Rom z.B. 4 Stück. Stadtrat Nittel ist dieser Idee aufgeschlossen,
MR Gröger erklärt mir, dass in Wien die Deponien voll und die
Verbrennungsanlagen auch bereits am Ende ihrer Kapazität angelangt
sind. Trotzdem gibt es noch immer im Rathaus Beamte, die der
Verbrennung den Vorrang geben, da die Aussortierung natürlich grosse
Kosten verursacht. Vom volkswirtschaftlichen Standpunkt ist aber ein
Aussortieren der wieder zu verwertenden Altstoffe wie Öl und Papier
vorzuziehen.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte Schreiben an Nittel Montag mir mitgeben,
da ich ihm bei den Wiener Ausschuss treffe.

Konsul Eisenberg und sein Schwiegersohn sowie sein Wiener Vertreter
intervenieren neuerdings wegen der Vietnam-Geschäfte. Eisenberg
erwartet, dass Österreich sich an der grossen Finanzierungsaktion
anderer Länder für Vietnam mitbeteiligt. Kanada, Belgien, Frank-
reich, Italien geben über 10 Jahreskredite zu äusserst günstigen
Zinssätzen mit Grant, also auch Geschenken. Für die Eisenbahn
z.B. müssen die Vietnamesen nur 15% Anzahlung leisten, 10 Jahre
bekommen sie dann zinsenfrei einen Kredit und für die weiteren 10
Jahre wird 1% für einen gewissen Teil Zins gerechnet und der Misch-
zinssatz liegt nicht einmal bei 3%. Ich erkläre Eisenberg sofort,
dass ich mir nicht vorstellen kann, dass wir solches Geld zu der-
artigen Konditionen zur Verfügung stellen können. Dafür allerdings
ist die Kontrollbank zuständig. Eisenberg erklärt nur, dass Haschek,
mit dem er gesprochen hat, sicher ausserstande erklärte, eine solche
Finanzierung zu ermöglichen. Eisenberg frägt mich, wie der Bundes-
kanzler Kreisky, der ihn ersucht hat, eine entsprechende Eisenbahn-
projekt-Lösung für Afrika zu finden, die Finanzierung dort hätte vor-
nehmen wollen. Auch darauf konnte ich ihm keine Antwort geben.
Sicher kann das Bundeskanzleramt über die Entwicklungshilfe eine
gewisse Verbilligung in Aussicht stellen. Auf derartige Konditionen
kann aber meiner Meinung nach Österreich niemals einsteigen.
Eisenberg möchte nicht nur die Stahl- und Eisenindustrie und vor
allem auch die Waggonbauindustrie, die Traktorenproduktion und
Lieferung usw. nach Vietnam bringen, sondern hat jetzt neue Projekte
wie z.B. auch Glaserzeugung im Auge. Da in Österreich der Glas-
arbeiter, wie ihm die Firma Stölzle mitteilt, 80 Schilling pro


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Stunde verdient, in Vietnam aber der Arbeiter 16 Dollar pro
Monat, so ergibt sich aus den Löhnen ein grosser Produktions-
vorteil. Die Vietnamesen wollen aber nicht eine Floating-Anlage,
sondern eine Glasfabrik im herkömmlichem Sinne, wie wir in auch
in Österreich gehabt haben. Vietnam will für sich selbst und
eventuell für Nachbarländer entsprechende Glasproduktion aufnehmen,
weil sie gute Silikate als Rohstoff besitzt. Ich kann mir nicht
gut vorstellen, dass man auf längere Sicht gesehen eine Fenster-
glasproduktion aufnimmt, die nicht auf Floating-Basis aufgebaut
ist. Auf alle Fälle erwarten aber auch hier die Vietnamesen
entsprechende günstige Kredite. Die Amerikaner werden den Vietnamesen
2,5 Mia Dollar Wiedergutmachung zur Verfügung stellen. Allerdings
gibt es dort den Streit, dass die Vietnamesen diese Wiedergut-
machung sofort wünschen, die Amerikaner dagegen wollen diesen Be-
trag erst bezahlen, bis eine diplomatische Anerkennung erfolgt
ist. Eisenberg ersucht mich, ob ich ihn unterstützen würde, einige
seiner Mitarbeiter zu österreichischen Staatsbürgern zu machen.
Ich erkläre mich dazu prinzipiell bereit. Als dritte Frage wird
von Eisenberg die Ölmühlenerrichtung neuerdings zur Sprache gebracht.
Das Projekt wurde, um es den österreichischen Verhältnissen anzu-
passen, von 500.000 Tonnen auf 350.000 Tonnen reduziert. Jetzt
glaubt Eisenberg, müsste endlich eine entsprechende Beschluss-
fassung erfolgen. Vom Standpunkt des Handelsministeriums erkläre
ich ihm sofort, wird keinerlei Widerstand oder Hemmnisse dem Projekt
entgegengebracht. Ob Eisenberg mit der Unilever oder mit der Agrar-
und Konsumgruppe allein diese Fabrik bauen wird, ist mir ganz egal.
Die Landwirtschaft verlangt nur vorher, bevor sie überhaupt an
eine Konkretisierung des Projektes schreitet, eine entsprechende
aussenwirtschaftliche Absicherung. Diese hat die Arbeiterkammer
schon akzeptiert, die Landwirtschaft möchte aber scheinbar eine
vollkommene Fettmarktordnung. Hier wird es noch Schwierigkeiten
geben. Eisenberg muss deshalb insbesondere beim Landwirtschafts-
minister resp. beim Finanzminister intervenieren, damit dieser
die entsprechenden aussenwirtschaftlichen Absicherungsgesetze als
Abgabengesetze in die Regierung bringt. Eisenberg erklärt, er ist
sofort bereit, den Schlaglohn von 20 Dollar, den die Ungarn an-
bieten, plus der Fracht, die die Fahrt nach Ungarn kostet und das
Öl von Ungarn zurück, ebenfalls zu akzeptieren.

ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte haltet diese Äusserung fest und
konfrontiert damit die österr. Projektträger.



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In der Lebensmittelarbeitergewerkschaft habe ich eine Aussprache
mit den Betriebsräten der Konsum und CO-OP Betriebe. Die Zentral-
konsumorganisation der Genossenschaften kann nicht sofort mit einer
zentralistischen Lösung aufgebaut werden. Deshalb werden die ein-
zelnen Genossenschaften in 5 Regionen zusammengefasst. In jeder
dieser Region wird ein Aufsichtsrat bestellt werden. Die Vorsitzenden
dieses Aufsichtsrates sollen angeblich ehrenhalber diese Funktion
übernehmen. In der Region Ost wird NR Hobl den Vorsitz führen. Im
zentralen Aufsichtsrat werden 50 Delegierte plus 1/3 der Betriebs-
räte, also 75, eine unmöglich grosse Organisation sein. Innerhalb
der Gewerkschaft und der einzelnen Betriebe ergibt sich daraus
eine eigene Organisationsschwierigkeit. Der Vertreter des grössten
Betriebes der Konsumgenossenschaft Wien, Serini, hat sich mit den
anderen Betrieben zerstritten, weshalb es äusserst schwierig ist,
eine gemeinsame Lösung zu finden. In den schon seit Jahrzehnten be-
stehenden Konsumausschuss ist er nicht bereit, unter den jetzigen
Bedingungen beizutreten. Trotz stundenlanger Diskussion können wir
zu keiner Lösung kommen und müssen wegen der Vorstandssitzung dann
einen weiteren Termin vorsehen.

ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Blümel vereinbaren.

Bei der AEZ-Diskussion kommt es immer mehr zu Detaildiskussionen
über Wiener Probleme. Der härteste Punkt war die Wohnungsfrage und
die Bautätigkeit in Wien, insbesondere die Einsturzgefährdung
einzelner Projekte und ganz besonders des Weststadions. Die Bundes-
probleme versuche ich zwar immer wieder spezifisch in die Dis-
kussion zu bringen, doch gibt es die alte Erfahrung, dass die
unmittelbar letzten in der Zeitung beschriebenen schlechten Punkte
die Grundlage der Diskussion im AEZ bilden. Da das Weststadion
brandneu ist, wird natürlich dort am meisten kritisiert. Für die
Wiener Wahlbewegung kann ich mich daher im AEZ noch auf einiges
gefasst machen. Trotzdem glaube ich, dass diese Art der Diskussion
ungeheuer wirksam ist. Z.B. hat mir jetzt jemand gesagt, er träfe
mich schon 6–7 mal hier, meint aber, ich müsste alle Wochen
dort zur Diskussion zur Verfügung stehen.

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Tagesprogramm, 12.1.1978

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: MR HM


Einträge mit Erwähnung:
    GND ID: 1017902909


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: GD Kontrollbank
      GND ID: 170084094


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: HK, Evidenzbüro für Außenhandel, Wr. ÖVP-Bundesrat


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: MR HM


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Beamter HM


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Büro des Bundesministers (Sekretärin)


              Einträge mit Erwähnung:
                GND ID: 124729509


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                    Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                      Tätigkeit: SChef HM
                      GND ID: 12195126X


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                        Tätigkeit: Präs. Vereinigung d. öst. Papierindustrie


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: LUGA-Zentralsekretär


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                            Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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                              Tätigkeit: BRO KGW


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                                Tätigkeit: Vermittler von Geschäften, öst. Generalkonsul in Seoul, Südkorea


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                                  Tätigkeit: Bundeskanzler
                                  GND ID: 118566512


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                                    Tätigkeit: Beamter HM


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                                        Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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