Freitag, der 11. November 1977

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Freitag, 11. November 1977

Eine sehr hübsche junge Richterin im Presseprozess Zucker-
industrie gegen Stern hat mir zwar diese eine Stunde Zeugen-
einvernahme erträglicher gemacht, aber deswegen keineswegs
angenehmer. Es ist das zweite Mal, dass ich als Zeuge vor Gericht
stehe. Das erste Mal ist mir noch in unangenehmster Erinnerung,
da ich damals im Streit eines Villenbesitzers gegen die Kritzen-
dorfer Gemeinde aussagen musste. Der damalige Verteidiger des
Klägers war ungeheuer aggressiv, Ende der Vierzigerjahre hatte
der Besitzer die Rückgabe seiner Villa, die als Nazi-Eigentum
beschlagnahmt war und der SJ als Schulungslager übertragen wurde,
mich als Zeuge geführt, da ich das erste Wiener SJ-Jugendlager
durch Wochen hindurch geleitet hatte. Damals konnte ich über
die inneren Rechtsverhältnisse nichts aussagen, was den Kläger
sehr ärgerte. Diesmal war es von der Sache her leichter. Die
Materie hatte ich einigermassen noch im Kopf, ausserdem war
jetzt meine Zeugenstellung doch wesentlich anders. Der Vertreter
der Zuckerindustrie erklärte sofort, der hätte keine Frage an
mich, denn er hätte mich überhaupt nicht als Zeuge geführt. Der
Vertreter von Stern wollte natürlich seine These unter allen
Umständen durch Zeugenaussagen bestätigt haben. Es gibt einige
unglückliche Aussendungen der Zuckerindustrie und ich bin gar
nicht so sicher, ob Stern tatsächlich wegen Ehrenbeleidigung ver-
urteilt wird. Wenn man bedenkt, wie lange ein solcher Prozess
sich dahinzieht, wieviel Aufwand dafür geleistet werden muss, und
wie doch verhältnismässig unsicher der Prozessausgang für einen
scheinbar klaren Fall ist, bestätigt mich in der Meinung, die
ich seit eh und je habe: Der schlechteste Vergleich ist besser
als der gewonnenste Prozess.

Die Einkäufer von Saab und Volvo, die mit fast einem Dutzend Leuten
gekommen sind, um mit Österreich zwischen Firmen Kontakte aufzu-
nehmen, waren mit der Organisation sehr zufrieden. Saab hofft
noch immer, dass wir die Kampfflugzeuge Viggen kaufen und wollen
jetzt schon durch entsprechende Kompensationsverhandlungen und
Kooperation und Lieferverträge eine Art Vorleistung erbringen.
Ich dagegen habe sie primär darauf aufmerksam gemacht, dass für
alle Autoexporteure nach Österreich die Notwendigkeit und Verpflich-
tung besteht, Bestandteile, Halbware usw. bei uns zu kaufen.



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Das Überraschende für mich war, dass alle deutsch gekonnt haben
daraus ist ersichtlich, welchen hohen Standard die Einkäufer
in Schweden in der Privatindustrie haben.

ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte alle Aktivitäten für Auto-
gegenlieferungen aktenmässig festhalten lassen.

Beim Volvo-Verkaufsgespräch ist auch deren Vertreter Denzel
aufgetaucht. Er erzählte mir, dass jetzt die Schuhfabrik, die
von 175.000 auf 385.000 Paar von ihm ausgeweitet wurde, die Be-
schäftigung um 300 sich erhöhte von Volvo an Hatschek von 700.000
skr., das sind 2,8 Mill. S verkauft wurde. Allerdings musste der
Käufer auch 80 Mill. CA-Kredit übernehmen. Denzel hat die Werk-
zeugmacherei von den seinerzeitigen Juniorwerken gekauft und wird
dort einen Prototyp für Volvo erzeugen, er hofft auf Unterstützung
durch die Arbeitsmarktförderung. Da dieses Projekt strengst
vertraulich ist, weiss ich nicht, wie er diese Klippe umschiffen
wird. Denzel hofft noch immer, dass er mit Unterstützung von Kreisky
und Sallinger und Benya, ich habe ihm auch entsprechende Hilfe
zugesagt, den schon gekündigten Vertrag zwischen BMW und Denzel
neuerdings ändern könnte. Denzel läuft hier sicherlich einer Illu-
sion nach. So wie bisher bekommt er aber selbstverständlich
jedwede Unterstützung von mir in seinem hoffnungslosen Kampf
gegen wie er sich ausdrückt unverschämten Kapitalisten Brandt.

Die Verleihung des Staatspreises für Verpackung gab mir die
Möglichkeit, neuerdings auf die Problematik der Einwegflasche
hinzuweisen. Der Leiter des Instituts für Verpackungswesen an der
Wirtschaftsuniversität Dr. Ketzler hielt über dieses Problem
auch den Festvortrag. Schön langsam sieht man überall ein, dass
jetzt wirklich der letzte Augenblick war, vor einer Fehlentwicklung
nicht nur zu warnen sondern auch alles zu unternehmen, dass
diese nicht eingeschlagen wird. Die Verpackungsindustrie hat
seit 1975 eine gewisse Stagnation zu verzeichnen. Meine Aufforderung
an die anwesenden Verpackungsfachleute war, das Image, daß in der
Wegwerfgesellschaft die Verpackung nur so aufwendig gemacht wird,
um Sozialprestige und bessere Warenanpreisung zu erreichen, zu
zerstören. Zweckmässige Kosten sparende schöne und vor allem
produktnotwendige Verpackung muss das Ziel sein. dafür wurde
auch der Staatspreis zum 21. mal von mir vergeben.



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ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Sollte man nicht nach diesen Grund-
sätzen unsere Staatspreise mehr ausrichten und vor allem einmal
propagandistisch mehr in Erscheinung treten?

Mit Dir. Himmer von Porsche Österreich habe ich telefonisch unsere
Recherchen wegen Ansiedlungsmöglichkeiten von VW besprochen.
Dr. Grünwald, ÖIAG meint, der beste Betrieb wären die Wiener Metall-
werke am Donaukanal, die Handelskammer Dr. Gleissner hat erklärt,
er wird sich sehr bemühen und bis zum nächsten Jahr entsprechende
koordinierte Listen vorlegen, doch hat Dr. Maier vom Fachverband
für Metallindustrie zwei Firmen Brevillier und Urban in Neunkirchen
und eine kleine Firma, die ich nicht kenne, jetzt schon sehr konkret
vorgeschlagen, wo der Unternehmer brennendst daran interessiert wäre.
Himmer wird jetzt bei einer Besprechung in Kassel mit dem Chefeinkäufer
Münzner versuchen herauszubekommen, was VW konkret beabsichtigt.
Wieviele Arbeitsstunden, wieviele Beschäftigte, welche Produkte sie
konkret in Österreich erzeugen resp. im Joint venture oder Kooperation
kaufen wollen.

Dir. Bandhauer, Verbund und Gmeinhart, TKW, informierten mich, dass
sie jetzt mit der Energieversorgung Schwaben einen 20-jährigen Ver-
trag abschliessen wollen, um eine 50 %-ige Kapitalbeteiligung für
Zillergründl und Zemmkraft zu erreichen. Gmeinhart braucht jetzt dringend
300 Mill. S in den nächsten Jahren, um die 150 Beschäftigten – Bauarbeiter -
über den Winter und auch sonst weiterhin beschäftigen zu können.
Ich habe ihm volle Unterstützung zugesagt und Bandhauer war darüber
nicht sehr glücklich. Ich bin aber fest überzeugt, dass die finanzielle
Lösung für alle Probleme, die wir in der Vergangenheit gehabt haben,
vom Bandhauer letzten Endes dann doch gefunden werden konnte. Auch hier
gilt wirklich der Grundsatz, an der finanziellen Frage ist noch kein
Projekt gescheitert.

Mit Oberösterreich gibt es jetzt wegen eines Syndikatsvertrages bezüg-
lich der Aufsichtsratssitze.eine schwere Auseinandersetzung. Sowohl die
ÖVP als auch die SPÖ, LH-Stv. Hartl haben sich ganz entschieden
dagegen ausgesprochen, dass jetzt bei der Aufsichtsratsreduzierung
die Oberösterreicher nicht entsprechend vertreten sind. Ich gab
Bandhauer und Wais Pleinpouvoir, durch Austausch von Bundesver-
tretern mit Landesvertretern diesen Syndikatsvertrag einhalten zu können.
Mir persönlich kam es nur darauf an, die entsprechenden Aufsichtsratsitze


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zu verringern und das Mehrheitsverhältnis der Sozialisten herzu-
stellen.

Beim Jour fixe mit AK und ÖGB berichte ich über die neuen Vorschläge
von Einkaufsdirektor Münzner, VW und über die Verhandlungen mit
Volvo- und Saab-Delegation. Wenn der Austro-Porsche nicht kommt,
so ist doch die jetzt seit Jahren betriebene Bemühung, ausländische
Autofirmen zum Einkauf in Österreich zu veranlassen, dadurch wesent-
lich gefördert worden. Dkfm. Marsch berichtet von der OECD
Prüfung über Österreich und seiner Diskussion in Paris mit den Prüfern.
Da die Prüfer der OECD durch die jahrelange Tätigkeit Marsch genau
bekannt sind, ist es ihm gelungen, so wie der gesamten österreichischen
Delegation einige unangenehme Punkte abzuschwächen. Interessant für
mich ist nur, dass die OECD-Prüfer auf dem Standpunkt stehen, dass
der zu harte Schillingkurs eine der Ursachen unserer Handelsbilanz-
und insbesondere Zahlungsbilanzkrise sind. Kreisky wird sich
bestätigt fühlen.

Kienzl vermutet, dass die 2 Mia. S, die Polen jetzt als ungebundenen
Finanzkredit neuerdings bekommen soll, von den Polen auch dazu ver-
wendet werden können, um in Drittländern Maschinen und Ausrüstungen zu
kaufen, damit endlich die Kooperation mit Steyr-Daimler-Puch, die
nur sehr zögernd anläuft, wie vorgesehen dann endlich beginnen könnte.
Ich erkläre den Genossen sofort, dass Kreisky zwar keine Bedenken
hat, den Kreditrahmen der Polen neuerdings um 2 Mia. zu erhöhen,
doch habe ich entgegen der Information des polnischen Botschafters
Karski an Kienzl es so verstanden, dass dafür österreichische Produkte
gekauft werden können. Es würde sich demnach um einen nicht auf die
Firma gebundene wohl aber an österreichische Einrichtungen gebundene
Einrichtungen handeln und nicht wie Karski behauptet, um einen
ungebundenen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Fälbl soll dies bitte feststellen.

Die Arbeiterkammer und der ÖGB wären einverstanden, dass die
Wirtschaftsdelegationen auf Grund von bilateralen Verträgen in
den Oststaaten nicht alle Jahre sondern nur routinemässig alle
2 Jahre durchgeführt werden sollten. Sie wollen dies bei einer
Präsidentenbesprechung ventilieren. Wenn die Interessensvertretungen
einen solchen Vorschlag mir machen würden und gleichzeitig auch
alle Ministerien dem zustimmten, dann könnte man vielleicht versuchen,


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bei den Oststaaten eine solchen Rhythmus durchzusetzen. Die
Verkleinerung der Delegation ist ungeheuer schwierig, trotz
Sparappells ist mir dies bei der nächsten Delegation nach
Berlin zu DDR-Verhandlungen nicht geglückt. Jetzt stellt
sich heraus, dass Sekt.Chef Meisl auf ärztliche Empfehlung
gar nicht daran teilnimmt und selbstverständlich diese unintere-
ssanten Verhandlungen auch von Min.Rat Hillebrandt allein
geführt werden können. Hätte ich bei der Besprechung über die
Zusammensetzung der Delegation dem Finanzministerium wegen
der Nationalbank und dem Landwirtschaftsminister wegen seines
Teilnehmers erklären können, dass wir vom Handelsministerium
auch auf einen Mann verzichten, dann wäre es vielleicht möglich
gewesen, die Delegation wirklich entsprechend zu reduzieren.
Die Hauptschwierigkeiten liegt aber darin, dass in so einem
Fall sofort die Oststaaten darin eine gewisse Diskriminierung
ihrer Aktivitäten im Westen sehen könnten.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte vielleicht doch bei einem der
Oststaaten mit solchen Überlegungen zu beginnen und inoffiziell
Gespräche darüber führen.

Bezüglich des Strompreisantrages von über 6 %, den ich den Inter-
essenvertretungen mitteile, wird übereinstimmend festgehalten,
dass nur eine Strompreiserhöhung für einen Mehrverbrauch in
Frage kommt. Jedwede andere Erhöhung für einen Normalverbrauch
wird von der AK und dem ÖGB ganz entschieden abgelehnt.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte diese Stellungnahme ganz klar auch
Burian mitteilen.

Die Fa. Warchat hat im Auhof eine ganz neue Reparaturwerkstätte
errichtet. Ing. und Frau Koch sehen ihr Lebenswerk darin,
obwohl sie keine Kinder haben, die bestausgerüstete Mercedes-
Werkstätte zu besitzen. Die Mercedes-Vertreter haben bei den
Eröffnungsansprachen dies auch bestätigt. Ich hätte angenommen,
dass zu diesen 40 Mill. S Investition Mercedes wenigstens einen
Kredit gegeben hätte. Nicht einen einzigen Groschen sagte mir
Frau Koch. Ganz im Gegenteil, so muss sogar noch die Mercedes-
Reklame bezahlen. Die Anlage ist wirklich technisch bestens aus-
gerüstet und auch grössenordnungsmässig sehr gut dimensioniert.
Typisch nur wieder für die Gemeinde Wien, ursprünglich war


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eine Zufahrtsstrasse, die schon bestanden hat, als für den
Betrieb richtig und notwendig erkannt, in der Planung, ohne
dass die Betriebsinhaber verständigt wurden, hat dann die
Strassenverwaltung über Nacht, ohne jemanden zu verständigen,
die Strasse aufgelassen.

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Tagesprogramm, 11.11.1977

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
GND ID: 119083906


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: SChef HM
    GND ID: 12195126X


    Einträge mit Erwähnung:
      GND ID: 119100339


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Beamter HM


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: GD Verbund


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: GD Porsche Österreich


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: MR HM


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Büro Staribacher; ÖIAG
                GND ID: 1053195672


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Einkaufsvorstand VW


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: stv. Außenhandelsminister
                    GND ID: 127276920


                    Einträge mit Erwähnung:
                      GND ID: 1017902909


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: MR, Büro des Bundesministers


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: MR HM


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Gebrauchtwagenhändler


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Dir. TKW


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                                Tätigkeit: Sekretär Institut für Verpackungswesen


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                                  Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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                                    Tätigkeit: Außenhandel BWK


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                                      Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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                                        Tätigkeit: Beamter HM


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                                          Tätigkeit: Bundeskanzler
                                          GND ID: 118566512


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: oö. LH-Stv., SPÖ


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                                              Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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