Montag, 12. September 1977
Beim Jour fixe mit der Handelskammer bemerkte ich beim Eintritt
ins Zimmer von Sallinger, dass er gerade am Telefon mit irgend
jemand brüllte, scheinbar wegen der Demonstration. Sallinger ist
sehr nervös und sehr verärgert. Natürlich habe ich sofort darauf
Bezug genommen und gemeint, das war der grösste Fehler, den die
Wirtschaft jemals begangen hat, ohne zu verhandeln, ja jetzt
sogar noch die Verhandlungen abzulehnen. Gen.Sekr. Schüssel vom
Wirtschaftsbund erklärte er, das Gesetz muss weg, d.h. die
Strasse diktiert jetzt welche Gesetze in Österreich gemacht
werden sollen oder nicht. Mussil versuchte zu erörtern, dass die-
ses Gesetz schlecht sei und für sie unakzeptabel, weshalb sie zu
diesen Massnahmen greifen mussten. In den erläuternden Bemerkungen
steht, dass es 400 bis 500 Mio. kostet, jetzt sagt Androsch 1 - 1.5 %
des Bruttonationalproduktes, die letzte Ziffer sogar angeblich 11 Mia.
Ich rief sofort an und meinte ihre Behauptung 17 Mia. sei ja eine
Hausnummer, die durch nichts zu belegen sei. Der Gesetzesentwurf
muss aus mehreren Teilen zusammengestückelt sein, denn die mir von
Mussil gezeigte Fotokopie lasst deutlich die einzelnen zusammenge-
klebten Teile erkennen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Ich möchte sofort den uns zugeschickten Origi-
nalentwurf des Finanzministeriums sehen.
Mussil war sehr erstaunt von mir zu hören, dass ich morgens in
der Gewerkschaft über dieses Problem mit meinen Kollegen diskutiert
habe. Erstens wundert er sich, dass ich täglich in die Gewerk-
schaft gehe, zweitens aber noch viel mehr, dass dort gar nicht
die Absicht besteht, ihre Demonstration zu stören. Rundwegs er-
klärte ich ihm, nachdem die Bauern demonstriert haben, wenigstens
allerdings nachdem schon Verhandlungen begonnen hatten, der Wirt-
schaftsbund jetzt demonstriert ohne Verhandlungen abzuwarten, wird
die Arbeiterschaft in Zukunft, wenn sie Kampfmassnahmen wegen Er-
folglosigkeit von Verhandlungen setzt, keinerlei Rücksicht mehr
auf die Einwände der Unternehmer – man sollte doch alles fried-
lich zu lösen – hören. Sallinger ist besonders verärgert, weil der
Redakteur Nagiller vom Fernsehen, Kreisky von einem Ultimatum resp.
von einer Entschuldigung, die die Wirtschaft von ihm verlangt,
gesprochen hat. Im Vorstand des österreichischen Wirtschaftsbundes
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war ausschliesslich die Diskussion, ob es nicht sogar genügt
wenn Kreisky klarstellt, dass er nicht die gesamte Wirtschaft
unter der Steuerhinterziehung meinte. Diese Formulierung war aber
zu weich, weshalb sie als einziges dann verlangen, er möge diese
Behauptung zurücknehmen. Sallinger meinte ein Bundeskanzler kann
sich nicht entschuldigen und daher wurde auch gar nicht erwartet
dass er sich entschuldigt. Noch weniger war die Rede von einem
Ultimatum. Wir kamen sofort auf die Angriffe der Handelskammer
wegen der Handelsspannen der Autoimporte und Fahrzeugreparaturen
resp. Ersatzteile bei der Preiserhebung über Fremdenverkehr und
vor allem die Angriffe wegen der Einführung der Importscheine bei
Textilien und Bekleidung zu sprechen. Ich erklärte Mussil, dass ich
nicht bereit bin dies hinzunehmen. Nur um die Lage nicht weiter
anzuheizen und zu verschärfen, setze ich von dieser wöchigen
Pressekonferenz die Erhebung über Fahrschulen ab. Auch dort gibt
es Differenzen bis zu 90 %. Mussil meinte, wir sollten alles momentan
jetzt ruhigstellen. Dies kann ich deshalb nicht akzeptieren, weil
gerade jetzt die Angriffe gegen mich laufen.
Mussil ersuchte mich – und Sallinger vor allem wollte, dass ich
die Frage des Holzwirtschaftsrates jetzt auf 2 Monate zurückstelle.
Sie können momentan die Arbeiterkammer nicht aufnehmen, da sind
sie eher dafür, den Holzwirtschaftsrat aufzulösen. Ich erklärte
ihnen dezidiert, dass dies sehr leicht sei, denn der Holzwirt-
schaftsrat hat eine vollkommen ungesetzliche Praxis, der Bescheid
ist nicht gehörig kundgemacht usw.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte die Sitzung mit der Begründung
wir studieren den Tatbestand noch genauer, 2 Monate verschieben.
Mussil intervenierte, dass Wakolbinger jetzt nicht das grosse
Silberne, sondern das grosse Goldene bekommt, das auch er hat.
Er sieht keinerlei Schwierigkeiten weil er sozusagen als General-
sekretär das grosse Goldene hat, dann Wakolbinger nicht auch den-
selben Orden bekommen sollte.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte setze dich dafür ein, dass Wakolbinger
der sich tatsächlich verdient hat, auch das grosse Goldene bekommt.
Im Pressegespräch berichtete ich über den Streit mit dem Obmann
der Sektion Gewerbe, Fuchs, bezüglich der Handelsspannen und der
Erhebung des Wirtschaftsforschungs-Institutes. Frau Dkfm. Kohlruss
war wieder gekommen, um ihre Studie zu erörtern. Ich hätte nicht
erwartet, dass sie sich so mutig noch einmal stellt. Natürlich
kam gleichzeitig auch die Konzeption der weiteren Verhandlung über ein
Preisgesetz zur Sprache. Ich bin sehr gespannt, was die Zeitungen
dazu sagen werden. MR Gröger berichtete über die Altstoff-Fibel
und über den grossen Erfolg, den wir erreichen konnten. Auf diesem
Gebiet sind wir glaube ich tatsächlich erfolgreich, insbesondere
wenn die Gemeinde Wien jetzt die 1000 Container aufstellt. Reg.Rat.
Elsinger berichtet über die Verbrauchsziffern bei Öl und Ölprodukten
und ich ergänzte, dass auch bei der elektrischen Energie nur ein
2.3 % Zuwachs in den ersten 7 Monaten zu verzeichnen ist. Sofort kam
der Einwurf von den Redakteuren, wozu brauchen wir dann den Gen.Dir.
Weiser für ein Sparkomitee, wenn jetzt Optisch ein so guter Erfolg
erzielt wurde. Dies ist allerdings in meinen Augen – und erklärte
dies den Redakteuren – eine reine Frage der Witterung. Die
Industrie hat 4.2 % Produktionszuwachs gehabt und noch immer gilt
dort noch die Korrelation 1 : 1, d.h. auch der Stromverbrauch hat sich
dort um 4.2 % erhöht. Der geringe Zuwachs ist ausschliesslich auf
die Witterungsverhältnisse im heurigen Frühjahr zurückzuführen.
Die Kooperative Longo, die bei uns in Eisenkappel Kärnten, jetzt
einen Bauernhof erworben hat und dort mit 8 Leuten eine Österreich-
filiale sozusagen errichtet, möchte vom Handelsministerium eine
Information, ob sie nicht nur ihre dort erzeugten Produkte ver-
kaufen darf, was ja ohneweiters geht, sondern auch z.B. von
Frankreich Wolle zukauft, die sie hier verarbeiten wollen um dann
abzusetzen. Nicht nur landwirtschaftliche Produkte sollen vertrieben
werden, sondern auch Schallplatten, Bücher usw. Ich erklärte sofort,
dass sie in diesem Fall als Gewerbebetrieb gelten und entsprechende
Voraussetzungen mitbringen, resp. Gewerbescheine erlangen müssen.
Plesch wird sich mit ihnen im Detail noch unterhalten, da auch die
Tochter Windhabs daran beteiligt ist. In Frankreich und in der
Schweiz, also insgesamt in allen ihren Stützpunkten und ihren
Basislager sind ca. 100 Kommilitonen. Interessant für mich war die
Aussprache insofern, als sie selbst zugegeben haben, jetzt kapita-
listische Methoden anwenden zu müssen, weil sie ihre Idee, nur mit
ihren Produkteverkauf finanzieren können.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte lass sie genau informieren.
Der Assessor von der Provinz Friaul-Venezien Stopper und Präs.
Caidassi von der Triester Handelskammer kamen mit einer ganzen
Delegation, wie dies bei der Wiener Messe jetzt schon Tradition
ist. Wir unterhielten uns über die wirtschaftlichen Möglichkeiten
insbesondere da Österreich im Hafen Triest jetzt schon einen
26 %-igen Anteil ausmacht. Die wichtigste Frage war, da Jugoslawien
eine Transitsteuer für Transporte erhebt und noch immer österreichi-
sche Waren über Jugoslawien, sei es dann in die jugosl. Häfen, je sogar
nach Triest gehen, ob hier nicht doch im stärkeren Masse der Direkt-
verkehr zwischen Österreich und Italien gefördert werden kann. Dazu
wird insbesondere der Ausbau der Autobahn – jetzt von Udine
nach Carnia und dann bald nach Tarvisio beitragen. Moser hat ihnen
versichert, dass ich bereits den Präsidenten der Region mitteilte,
dass die österreichische Autobahn zeitgerecht an Arnoldstein ange-
schlossen wird. Italien interessiert sich auch für die Kohlen-
Pipeline von Polen nach Österreich und ich schlug ihnen vor, sie
sollten sich mit Rosenstrauch zusammensetzen, damit sie ebenfalls
im Komitee, resp. der Studiengesellschaft mitwirken. Triest baut jetzt
den grossen Holzhafen aus, weitere 120 qm und könnte sich vorstellen
dass österreichische Importeure, entweder für Österreich oder für
Drittländer exotische Hölzer dort lagern. Ablehnen musste ich den
Wunsch von Friaul, mit Kärnten ähnlich dem Nord-Südtirol-Accordino-
Abkommen, ein solches ebenfalls zwischen den beiden Provinzen Kärnten
und Friaul zu schliessen. Ich erklärte, dass wenn nicht Accordino
schon unmittelbar nach dem Krieg geschlossen worden wäre, jetzt recht-
lich gar keine Möglichkeit mehr besteht, weil dies eindeutig gegen
unsere Verfassung verstösst. Die auf der Messe ausgestellten Gewerbe-
betriebe als Zulieferanten, hier sind nur 30, in Summe gibt es 1000,,
haben sicherlich Möglichkeiten auch nach Österreich zu exportieren.
Die LKW-Transporte von Italien nach Österreich funktionieren sehr
schlecht, weshalb sie bei der Handelskammer in Kärnten und bei LH
Wagner vorgesprochen haben. Lloyd Triestino bringt jetzt von
Südafrika Bananen und möchte diese in Kühlcontainer gleich bis
zum Verteilungszentrum nach Wien liefern. Dies halte ich nicht
für sehr zweckmässig, weil letzten Endes dann die Bananen über ganz
Österreich gestreut werden müssen, es daher in meinen Augen zweck-
mässiger ist, dieses Verteilungslager woanders zu errichten. Im
Interesse des Fremdenverkehrs sollten die Segelklubs von Österreich
und Italien engeren Kontakt halten. Ebenso wäre es zweckmässig, wenn
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der Luftverkehr zwischen Österreich und der Provinz Friaul verstärkt
wird. Hier verwies ich auf die Schwierigkeiten, die sich durch
Alitalia und die AUA ergeben werden. Am meisten erfreut waren die
Italiener zu hören, dass ich zu ihrer Tavola rotonda nach Como
komme, auch dann wenn der italienische Handelsminister dort nicht
erscheint. Scheinbar gibt es mit ihm Terminschwierigkeiten. Neuer-
dings wurde ich zu einem Besuch Triests offiziell eingeladen,
ich verwies darauf, dass ich erst kurz, allerdings privat in Triest
gewesen bin und nur wegen Zeitmangel mich nicht bei den Präsidenten
Caidassi oder dem Assessor oder dem Präsidenten der Region gemeldet
habe.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Sollte ich nächstes Jahr nach Italien fahren,
dann werde ich wohl einen Besuch in Triest einbauen müssen.
Botschafter Grubmayr aus Bagdad und MR Fälbl besprechen die
weitere Vorgangsweise mit dem Irak. Der Irak möchte jetzt dringend
die Gemischte Kommission in Bagdad einberufen. Er erhofft sich eine
endgültig positive Zusage für ihren Wunsch 32 Experten, die aller-
dings nicht mit konkreten Aufträgen von Firmen geschickt werden,
zu erhalten. Derzeit hat Böhler für Strassenbaumaschinen 2 Experten.
Einer davon hat Grubmayr erzählt, will jetzt unbedingt zurück,
denn er arbeitet im Kurdengebiet. Das letzte Mal hat man einen
LKW mit Toten an ihm vorübergeführt, er fühlt sich daher nicht mehr
sicher. Wenn die Experten dort allerdings zurückgezogen werden,
geht ein zukünftiger Auftrag garantiert verloren. Hoesch hat
70, Schoeller-Bleckmann 15, Ruthner 2 Experten noch unten. Trotz
grösster Anstrengung meldet sich in Österreich niemand. Die grossen
Projekte, die VÖEST-Alpine angeboten hat, wurden zurückgestellt
weil man jetzt momentan die Petrochemie bevorzugt und dort die
Japaner, Franzosen und andere zum Zug kommen. Nur ein Treibstoff-
tank-Angebot von Waagner-Biro kann eventuell abgeschlossen werden
und für Ruthner eine Wasseraufbereitungsanlage. Das von Lintl
offerierte Radio und Fernsehzentrum, wo die Planung allein schon
120 Mio. Schilling kosten würde, wird von den Irakern nicht mehr
verfolgt. Es ist richtig, dass sie in dem Fall vertragsbrüchig sind,
weil über die Planung bereits ein Vertrag unterschrieben ist. Die
Iraker hätten aber mit diesem grossen Zentrum den ganzen arabischen
Raum bedienen können und nicht nur ihr Land allein. Wir einigten
uns dahingehend, dass Grubmayr, wenn er zurückkommt, mit dem
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Handelsdelegierten Schmiermaul den Irakern klarmachen wird, dass
sie jetzt mit einen Fachmann die Expertenfrage so vorbereiten, dass
im nächsten Jahr eine Gemischte Kommission mit meiner Anwesenheit
in Bagdad abgehalten werden sollte.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bei dieser Gelegenheit würde ich dann die
Emirate, Saudi-Arabien und ich weiss nicht was sonst noch für
arabische Staaten, besuchen.
Der ungarische Vizeminister Kovacs mit einer Delegation von Ungarn
inkl. Handelsrat Mádai, aber auch von Olioprot der Vertreter Wenzel,
sprachen wegen der weiteren Möglichkeiten des österr.-ungar. Handels
bei mir vor. Interessanterweise kam er gar nicht auf das Pflanzenöl-
projekt zu sprechen, das erwähnte ich bei der Einleitung und dann
auch zum Schluss. Er berichtete nur, dass das Handelsvolumen sich um
17 % erhöht, was sie sehr befriedigt, 80 Kooperationen, wovon
35 Maschinen umfassen, sehr befriedigt arbeiten wegen der Zölle § 6
nicht zufrieden sind und 2 Projekte, nämlich Invertzucker, wo Kreisky
einen Brief an Lázár geschrieben hat, nicht zustande kommen werden
und auch nicht eine Preßstuhlfabrik , wo eine österr. Firma wahrschein-
lich Pini & Kay, den Namen hat er allerdings nicht genannt, nicht zum
Zug kommt, weil die Finnen wesentlich billiger sind, Zum ersten Mal
wurde mir gegenüber von den Ungarn jetzt zugegeben, dass durch das
Freihandelsabkommen Ungarn, Finnland, eine österr. Firma benach-
teiligt wird, weil diese 10 % Zoll bezahlen muss und daher auf
alle Fälle zu teuer ist.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Hillebrandt soll einen ganz genauen Bericht
über diesen Fall vorlegen.
Über die Pflanzenölfabrik schlug ich dann vor, sollte man nicht,
wie eine Vorbesprechung auf Beamtenebene ergeben hat, nur überlegen
österreichische Raps-oder Sonnenblumen in Ungarn verarbeiten zu
lassen, sondern auch den umgekehrten Weg zu prüfen. Diese Möglich-
keit besteht nicht mehr weil die Ungarn bereits mit einer neuen
Fabrik im Theiss-Raum begonnen haben. Die Ungarn erwarten bezüglich
der Donnerstag-Delegation von Staatssekretär Juhas wegen der Lignit-
Kohle, dass Österreich von Ungarn nur die Kohle kauft und keines-
falls jetzt die Möglichkeit besteht, dass Ungarn mit uns ein Kraft-
werk errichtet. Gerade an einer solchen Kooperation wäre ich aber
besonders interessiert gewesen. Die Kohlenvorkommnisse für das
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erste 300-MW-Werk an der ungarischen Grenze wird sicherlich von
Österreich allein vor 30 Jahre gedeckt werden können. Jetzt verstehe
ich auch, warum die Ungarn bei den Besuchen von S.Chef Frank in
Budapest immer nur von einen Kohlenliefervertrag gesprochen haben.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Lass von der Verbund prüfen, wann ein solches
Kohlenkraftwerk im Hinblick auf die Zusage gegenüber den Polen,
überhaupt erst möglich ist.
In der Ministerratsvorbesprechung habe ich vorher Aussenminister
Pahr das Problem mit den tschechischen aber auch ungarischen neuen
langfristigen Handelsabkommen erörtert. Das Aussenamt verlangt dezidiert
Texte, wo diese Oststaaten im Hinblick auf die Helsinki-Vereinbarung
Informationen geben sollen, die die ganz entschieden ablehnen. Statistik
über Produktion, Volkseinkommen, Verbrauch und Produktivität, Aus-
senhandelsstatistik, mögliche Nutzung von Informationen über allgemeine
Ausrichtung der staatlichen Wirtschaftspläne und Programme, Planungs-
prioritäten, wirtschaftliche Marktbedingungen usw. Pahr selbst hat
sofort zugegeben, dass dies ganz unmöglich ist und dass er selbst
grosse Schwierigkeiten hat mit den jetzt von seinen Beamten gefor-
derten Wünschen hinsichtlich der Durchführung der Helsinki-Beschlüsse.
Ich habe ihm einen entsprechenden Vorschlag, den wir den Bulgaren ge-
macht haben und von dort akzeptiert wurde, ebenfalls übergeben und
er wird mir Bescheid sagen, ob in diesem Sinne verhandelt werden soll
und kann. Er hat nur grosse Sorge, dass Fälbl ihn und seine Beamten
zu allen Sitzungen einlädt. Dies konnte ich sofort entkräften und
erklärte, alles wird interministeriell besprochen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte sorge dafür, dass tatsächlich immer
der Aussenamt eingeladen wird.
Kreisky selbst erörterte seine Konzeption für die nächstwöchige
Regierungsaussprache am Kahlenberg. Mitarbeiter dürfen nicht mitge-
nommen werden, sie müsste draussen warten. Kreisky meint, man müsste
eine kleine Arbeitsgruppe dann bilden und er wird der Vorsitzende
sein, denn die müssten jetzt die Massnahmen ausformulieren, die
längere Gültigkeit haben sollten. Keinesfalls geht es an, dass wir
nach 3 Monaten dann wieder dieses Konzept ändern. Eine Steuerreform
kommt vor den Wahlen nicht in Frage. Die Regierung hat ihre Moral
verloren wenn sie vor den Wahlen Steuersenkung macht, wenn man nicht
einmal weiss, wo die Bedeckung dafür herkommen soll. Benya hat zwar –
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und von seinem Standpunkt als Gewerkschaftspräsident zurecht ge-
fordert, 1979 soll eine Steuersenkung erfolgen. Benya kennt aber
den Standpunkt von Kreisky. Kreisky hat heute eine Versammlung bei
3000 Eisenbahnern gehabt und dort eine gute Stimmung angetroffen.
Kreisky meint jetzt, es hat dort sicherlich keine Diskussion
gegeben, schon aus dem Applaus heraus kann er ablesen, wie sehr
die Arbeiter noch hinter der Regierung stehen. Ob er tatsächlich
ein solche Gefühl entwickeln kann bezweifle ich zwar, doch die
nächsten Meinungsumfragen werden alles zeigen. Die Zahlungsbilanz
kann nur saniert werden, wenn direkte Massnahmen getroffen werden.
Entweder Reduzierung der Käufe, oder so teuer machen, dass der Staat
in dem Fall gleich entsprechend grosse Einnahmen hat. In Dänemark
hat man eine Abgabe, wo das Auto so teuer kommt wie der Preis des
Wagens. Gegebenenfalls könnte man einen dritten Mehrwertsteuersatz
einführen. Androsch war nicht anwesend. doch hat er gestern mit
ihm, wie er erklärte, stundenlang darüber gesprochen. Auch die
Auslandsreisen müssten plafondiert werden. Derzeit kann jeder 26.000
Schilling Devisen von der Bank abheben. Seiner Meinung genügen voll-
kommen 20.000. Die Summe der Ausgaben von 23 Mia. Schillingen
kann nicht für Auslandsreisen allein gedient haben, sondern hier
handelt es sich um einen Geldtransfer. Juwelier Haban soll angeb-
lich 50 Mio. Schilling in die Schweiz gebracht haben. Die Wirtschafts-
prognosen sind wieder falsch die WIFO muss das BNP von 4.5 auf 4 %
reduzieren. Er selbst hat seinerzeit schon gemeint, 3 sei das Maximum
das wir erreichen werden. Es gibt in der Welt schon bessere Modelle
die werden in Österreich aber nur nicht angewendet. Er möchte keine
dramatischen Massnahmen wie in Skandinavien, aber die verstaatlichte
Industrie muss jetzt Verkäufe zu Verlustpreisen tätigen. In Wirk-
lichkeit müssten von der verstaatlichten Industrie 15.000 Beschäftigte
entlassen werden. Er ist es letzten Endes der immer wieder Unter-
nehmer verhält, Investitionen zu tätigen. So war es bei Vockenhuber
in Fohnsdorf, bei der VÖEST-Alpine in Zeltweg über die Bergbau-
maschinen, wo am Anfang nicht einmal 100 Mio., die bereitgestellt wur-
den, von der VÖEST beansprucht wurde. Jetzt geht es um das Zellstoff-
projekt, wo ich sofort zustimmte, dass dies in meinen Augen eine
Möglichkeit ist und um Austro-Porsche, wo ich meinte, hier müsste
die Vertriebsfrage geklärt werden. Kreisky stimmte insoferne zu
als er meinte, Kreysler hätte ihnen jetzt mitgeteilt, 10.000 $
Autos seien leicht zu verkaufen, doch ist er nicht sicher ob Chrysler
auch einsteigt. Er verlangt jetzt – wer immer den Wagen produzieren
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möchte und vertreiben möchte – ein Joint venture. Wenn schon
kein Austro-Porsche gebaut wird, so ist es immerhin möglich, dass
Renault jetzt in Gleisdorf einen Teilbetrieb macht und auch ein
italienischer Konzern sich dafür interessiert. Diese Information
über die Aktivitäten der Regierung in der nächsten Zeit ist insbe-
sondere was das Programm betrifft als strengst vertraulich zu be-
handeln.
Nach den morgigen Ministerrat erwartet er, dass die Presse ihm
fragt, wie es jetzt in Österreich mit dem Terrorismus weitergehen
wird. Insbesondere steht noch das oberstgerichtliche Urteil über
die Terroristin Boock aus. Er meint Lanc müsste sich jetzt den
Kopf zerbrechen, wie wir gegebenenfalls Massnahmen in Österreich
treffen, die sich von den deutschen wesentlich unterscheiden
müssen. Vielleicht ist es zweckmässig, so wie bei der Gendarmerie
auch bei der Polizei eine besondere Abteilung für Terrorbekämpfung zu
errichten. Jetzt gibt es eine Welle für die Todesstrafe. Er meint
politisch wirksam ist aber nur ein Gegenstromsystem, d.h. über dieses
Problem dürfe man dann erst diskutieren, keinesfalls aber die Todes-
strafe propagieren bis dieser Terror in Deutschland abgeflaut ist.
Was die österreichische Wirtschaftsbund-Demonstration betrifft, so
wird er nicht nachgeben. Nur was der Freie Wirtschaftsverband
erkämpft, das wird von der Regierung auch dann akzeptiert. Das
Demonstrationsrecht wurde von uns für die Menschen erkämpft und
nicht für Fahrzeuge. Trotzdem wird er die Delegation empfangen,
ihnen auch vorschlagen, es soll ein Schiedsgericht darüber ent-
scheiden, ob er die Wirtschaft beleidigt hat oder nicht. Vor den
Österreichischen Wirtschaftsbund-Demonstranten empfängt er eine
freiheitliche Abordnung, weil diese an der Demonstration nicht teil-
nehmen.
Haiden berichtet über den grünen Plan. Die Landwirtschaft hat
um 12 % im Durchschnitt im Vorjahr einen grösseren Erlös. Die Berg-
bauern sogar um 25 %. Das Realeinkommen gegen 1970 der Bauern ist
um 38 % gestiegen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte eine Zusammenstellung über Realeinkommen-
steigung der einzelnen Gruppen machen lassen.
Lanc verwies darauf, dass die Volksanwälte jetzt 7.000 Schilling
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Repräsentationskosten und 6.000 Schilling für KFZ-Pauschale
weil sie mit dem eigenen Auto fahren, bekommen sollen. Kreisky
verwies darauf dass ein Präsidialpauschale für die 19 Beschäftigten
die in der Volksanwaltschaft tätig sind, nicht möglich ist und
vor allem man nicht im vorhinein sagen kann, dass sie ihr eigenes
Auto für den Dienst benötigen. Er plädiert deshalb die ganze Sache
noch einmal zurückzustellen.
Bei der deutschen Botschaft traf ich den Präsidenten von Baden-
Würtemberg, Dr. Eberle. Er legt grössten Wert darauf auf bessere
Kontakte zwischen der österreichischen Wirtschaft und seinem Land.
Ohne sich in den Austro-Porsche einmischen zu wollen, verwies
er darauf, dass es ungeheuer problematisch ist, ein solches Auto
zu bauen. Er hat die schlechtesten Erfahrungen mit diesbezüglichen
Ansätzen. Natürlich hat sich in Deutschland jetzt in seinem Land
einige Autofirmen durchgesetzt, doch ein neues würde er sich nicht
getrauen zu beginnen. Der deutsche Botschafter Grabert verwies dann
darauf, dass es dringend notwendig ist, dass die Deutschen ent-
weder mehr Zulieferungen zu uns geben und damit die österreichischen
Exporte nach Deutschland vergrössern, oder überhaupt dazu beitragen
dass das Handelsbilanzdefizit zwischen Deutschland und Österreich
abgebaut wird. Grabert hilft uns zumindestens optisch in dieser
Frage sehr viel. Leider ist der praktische Erfolg sehr gering.
Tagesprogramm, 12.9.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)