Sonntag, 11. September 1977
Bei meinem Pflichtbesuch auf der Wiener Messe, hauptsächlich
natürlich den ausländischen Ausstellern gewidmet, konnte ich
im Burgenland-Pavillon, den wir durch Zufall als erstes be-
sichtigten, auch in Rust eine solche neue Siedlungsidee im
Schilfgürtel finden, wie ich sie gestern in Reisenberg fest-
gestellt hatte. Wenn die Landschaft nicht zersiedelt werden
soll, dann müsste hier für den Zweitwohnungsbesitzer eine ganz
systematische Untersuchung und eigentlich Lenkung für NÖ
und Bgld. erfolgen. Die Wiener werden sonst früher oder später,
wenn es ihre finanzielle Situation erlaubt und dies trifft heute
bei immer mehr Wienern zu, mit Zweitwohnungen das Land förmlich
überschwemmen. Während es früher noch die alten Bauernhäuser
waren, die man insbesondere von Kleinhäuslern aufkaufte, so geht
der Trend heute verständlicherweise mehr zu neuen Projekten mit
neuen Häusern. Nur wer viel Geld hat, kann sich ja eine Bauernwirt-
schaft leisten, denn das Erhalten kostet ihn natürlich unvergleich-
lich mehr als wenn er eine Zweitwohnung oder ein Zweithäuschen
irgendwo am See besitzt. Durch Anlage von künstlichen Seen
müsste es daher möglich sein, ohne die Landschaft sehr zu zerstören
entsprechende Siedlungsgebiete zu schaffen. Zu Untersuchen wä-
re, wie weit man sie fremdenverkehrsmässig nutzen kann.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Besprich mit Würzl, welche Möglichkeiten
wir hier einer Untersuchung haben.
Der Besuch der Wiener Herbstmesse, die am Samstag nicht sehr gut ge-
wesen ist, war am Sonntag prächtig. In der Früh ein wenig regne-
risch und nachher Wetterbesserung veranlasste viele Wiener
die Messe zu besuchen. Da diesmal nach vielen Jahren erstmals
wieder die Wiener Messe zwei Samstage und Sonntage
offen hat, verteilt sich das Publikum wahrscheinlich auf beide
Wochenenden. Ausserdem war es erstmalig, dass am Samstag
bereits die Messe eröffnet wurde und die Wiener haben sich
sicherlich noch nicht darauf eingerichtet. Innerhalb der Aus-
steller gibt es eine geteilte Meinung, ob dies zweckmässig ist.
Ich glaube für die Aussteller, die mit landwirtschaftlichen Pro-
dukten zu tun haben, sicherlich, denn die Bauern kommen eben am Wo-
chenende lieber nach Wien als unter der Woche. Für die Aussteller,
die Lebensmitteln verkaufen, die sogenannte Fress-Strasse ist dies
38-1030
überhaupt eine Existenzfrage, denn nur am Wochenende machen
sie den guten Umsatz. Die echten Aussteller aber wieder sind,
davon bin ich überzeugt, an diesen beiden Wochenenden nicht
interessiert, denn sie müssen ihr Personal dort parat halten,
wenn überhaupt werden höchstens Auskünfte verlangt und selten
Geschäfte abgeschlossen. Die Kosten aber für Samstag/Sonntag-
Personal sind überproportional hoch. Für mich ist diese
neue Regelung persönlich sehr angenehm, denn ich kann in
Hinkunft am Sonntag nach der Eröffnung dann immer gleich
meinen obligatorischen Messe-Rundgang machen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte automatisch immer jetzt einplanen.
Bei den einzelnen ausländischen Ständen habe ich dann mit den
Botschaftern, die sogar meistens anwesend waren, gleich über offene
Probleme gesprochen. Insbesondere nützte ich beim DDR-Stand
die Möglichkeit auf mein Schreiben wegen der notwendigen Schuh-
exporte in die DDR hinzuweisen. Botschafter Schramm wird diesen
Wunsch weitergeben, er hoffte sogar, dass in Leipzig jetzt bei
der Messe eine entsprechende Kontaktaufnahme und vielleicht
sogar ein Abschluss schon möglich sei. Der csl. Botschafter,
der jetzt nach Prag zurückgeht, verabschiedete sich gleich bei
mir. Neu war, dass die Südtiroler jetzt auch in Wien eine
gemeinsame Kollektivausstellung haben, das Gewerbe und einige
andere Betriebe haben sich zusammengeschlossen, um auf der Wiener
Messe Kontakte herzustellen. Interessant und neu für mich war, dass
Elin, die ich dann zuletzt besuchte, 10.000 Kühlschränke aus
Polen bezogen hat unter 2.000 S und auch eine grössere Anzahl
von Bügeleisen um 60.- S eingekauft hat. Bei diesen Preisen
gibt Elin selbst zu, kann nicht einmal das Material gedeckt
sein. Die Ware ist aber funktionstüchtig, der Eisschrank sogar
ein Zweistern-Gerät und wird von den Konsumenten gerne gekauft.
Angeblich hat die DDR jetzt einen noch billigeren Eisschrank
angeboten. Auf dem Fernseh-Sektor hat Elin jetzt wieder mit den
Finnen einen Vertrag, wo sie äusserst günstig und preiswert
finnische Farbfernseher kaufen kann. Elin entwickelt sich schön
langsam zu einer richtiggehenden Handelsgesellschaft. Ich halte
diese Politik trotzdem für richtig, denn solange Elin selbst
produzierte, hat sie damit immer nur Defizite gemacht. Jetzt hat
sie durch ihre geschickte Handelspolitik zusätzliche Einnahmen,
die sie oft dringend braucht, weil ihre Produktion auf dem Elektro-
sektor wahrlich oft grosse Lücken in ihr Budget reisst.
Das letzte Beispiel ist sicherlich Altenwörth. Wenn ich das
nächste Jahr mehr Zeit zum Messe-Besuch habe, weil Sonntag
ich nicht so gedrängt bin, sollte ich doch wenn mich österr.
Firmen einladen, auch diese Stände besuchen. Man bekommt dort doch
an Hand von praktischen Darlegungen und vor allem von Informationen
der dortigen Mitarbeiter mehr Neuigkeiten mitgeteilt, als wenn
man nur mit dem Vorstand verhandelt. Zweckmässig wäre es, wenn
die Fachreferate und auch die einzelnen Länderreferenten, die
vielleicht solche Informationen besitzen, diese zeitgerecht mir
mitteilen würden, damit ich dann beim Messe-Besuch eine
entsprechende Diskussion mit den dafür verantwortlichen abführen
könnte. Ich bin allerdings nicht ganz sicher, ob unser Haus überhaupt
etwas von diesen so wichtigen Entwicklungen erfährt, resp. weiss.
ANMERKUNG AN HAFFNER UND PLESCH: Prüft bitte, ob ein solches
System möglich ist aufzubauen.
Bei meinem Referat in Wiesen hat vorher LAbg. Bgm. Peck
von Andau ein bisschen demagogisch aber sehr geschickt auf die
ÖVP und deren Agrarpolitik hingewiesen. er behauptete z.B., dass
die Präsidentenkonferenz und die anderen Funktionäre des
Bauernbundes ständig nur in der Welt herumfahren, um sich
alles anzusehen, aber in Wirklichkeit gar nichts machen, um die
Agrarsituation der Bauern zu verbessern. Nur Studienreisen, keiner-
lei Erfolge. Die Ostliberalisierung bei Obst und Gemüse schob er Mit-
terer in die Schuhe, indem dass dieser ein diesbezügliches Gesetz
im Parlament eingebracht hat. Weshalb jetzt eine gesetzliche
Verpflichtung für mich bestand. Sein Wunsch, ich würde dann im
Detail dazu Stellung nehmen, konnte ich beim besten Willen
nicht entsprechen, denn sonst hätte ich ihn desavouieren müssen.
Auf die Agrarsituation und ganz besonders aber was an Preiserhöhungen
zu unserer Zeit den Bauern gewährt wurde, ging ich selbstver-
ständlich im Detail ein.
Auch bei der Wählerversammlung in Rust habe ich die Landwirtschaft
besonders hervorgestrichen, überall herrschte eine gute Stimmung.
Da ich ja mein Referat stets mit zwar für mich schon uralten
Gags für die Zuhörer aber immer neue lustiges Stories sind,
auflockere, herrscht nicht nur gute Stimmung sondern auch eine
aufgelockerte lustige Atmosphäre. Die Burgenländern sind sehr opti-
mistisch und wenn es nach den Versammlungen geht, haben sie tat-
sächlich allen Grund dazu. Die ÖVP dagegen hofft, so wie
38-1032
Burgenland 1968 bei den Landtagswahlen das Fanal für die
Alleinregierung Klaus gewesen ist, dass diesmal sich dasselbe
wiederholt nur der Anfang vom Ende der Regierung Kreisky.
Dieser Landtagswahl kommt tatsächlich eine auch für die Bundes-
politik ungeheure Bedeutung zu. Ich bin eigentlich persönlich
sehr überrascht, dass ich so wenig wie scheinbar auch alle
anderen Minister eingesetzt werde. Noch mehr überrascht bin
ich allerdings über die Gastfreundschaft. In Wiesen erhielt ich
Ananas, in Rust einen Erntekorb. Wenn ich mich auch bei
meinem Referat sehr bemühe, Diskussion gibt es nämlich im Burgenland
nie, trotzdem ich die Funktionäre vorher immer auffordere, eine
solche zu machen, so viel Anerkennung habe ich mir
wirklich nicht verdient. Die bgld. Gastfreundschaft geht wirklich
über alles. Am meisten sind sie immer dann enttäuscht, dass ich
nicht zum Essen bleibe, nach der Wahl wird man die Ergebnisse
genau analysieren, jede Partei wird alles für und wider ins Treffen
führen, warum sie gewonnen oder verloren hat. Für uns steht diesmal
glaube ich aber wirklich sehr viel auf dem Spiel.
Tagesprogramm, 11.9.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)