Montag, der 5. September 1977

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Montag, 5. September 1977

Beim Jour fixe griff ich sofort die Handelskammer und vor allem
den Wirtschaftsbund an, dass er scheinbar jetzt die Bergmann-Linie
eingeschwenkt ist, nämlich jederzeit und überall die Regierung
anzugreifen. Die Einführung der Importscheine, die die Handelskammer
verlangt hat, wird jetzt von einzelnen Gremien hart attackiert. Verant-
wortlich dafür für diese Unsinn, wie man sich ausdrückt, werde
ich gemacht. Mussil hat zwar erklärt. er wird mit seinen Leuten reden
und eine entsprechende Aussendung machen, geschehen ist nichts.
Ich empfehle ihnen, das Band über das Mittagsjournal, wo über die
Importscheine losgezogen wird, sich anzuhören. Die Preiserhebung
über die verschiedensten Gastwirte-Preise erklärt die Handelskammer,
dass sie falsch ist. Mussil spricht sogar von einer unseriösen
Verlautbarung, da die höchsten und tiefsten Preisen hätten
ausgeschieden werden müssen. Die statistisch einwandfreien Rechnungen
lehnt er glattweg ab. In der Frage der Mehrwertsteuer-Hinterziehung
habe ich objektiv erklärt, dass der Tatbestand bekannt ist
und aus Konkurrenzgründen immer mehr Unternehmer dazu übergehen,
die Mehrwertsteuer nicht zu verlangen und damit auch nicht abzu-
rechnen, man polemisiert seitens der Handelskammer gegen mich.
Dass Mock hier erklärt, ich würde nun auch die Konsumenten ver-
dächtigen, berührt weniger, aber dass die Handelskammer hier
mittut, ist mir unerklärlich. Sallinger schwächt ab, indem er
meint, er hätte jetzt innerhalb seiner eigenen Partei und auch
innerhalb der Handelskammer jetzt grosse Schwierigkeiten, weil
die radikalen Elemente immer mehr durchbrechen. Zeitungen fragen
ihn, ob die Sozialpartnerschaft damit gefährdet ist, was er
verneint. Kreisky dürfe nicht eine solche Pauschalverdächtigung
aussprechen und müsse endlich eine solche dezidierte Erklärung
abgeben. Die Presse schreibt leider oft falsch, z.B. die Handels-
kammer zitiert, die erklärt haben soll, schwarz arbeiten, rot wählen
hätte ich erklärt. Dies sei aber gar nicht durch die Handelskammer
in die Zeitung gekommen, sondern die Wirtschaftstreuhänder hätten
lt. heutigem Volksblatt eine solche Erklärung abgegeben.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte ergründe, wer von den Wirtschaftstreu-
händern eine solche Erklärung abgegeben hat.



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Sallinger befürchtet, dass bei dem Wiener Handelstag,
zu dem ich komischerweise vom Obmann des Wiener Handels,
Dr. Ebert ebenfalls eingeladen wurde, die Regierung hart
angegriffen wird. Er erklärt mir, er möchte dies nicht haben,
weshalb auch erst durch Intervention selbst zur Begrüssung er
das Wort bekommt. Da ich dort nicht reden kann, überlege
ich mir seine Empfehlung, überhaupt nicht hinzugehen. Sallinger
dürfte aber auch noch ein Interesse haben, das er mir selbst-
verständlich nicht sagt, nämlich dass ich mit der Handelskammer
offiziellen Ereignissen in Erscheinung trete. Als ich mich erkundige
und feststelle, dass ich gleichzeitig Präsidium auf der Landstrass
habe und dorthin gehen werde, ruft Sallinger sofort Präs. Dittrich
von der Wiener Kammer an und teilt ihm mit, dass ich nicht
erscheinen werde und alles vorgekehrt werden muss, damit dies
nicht womöglich von der Handelskammer Wien oder deren Organisa-
tionen kritisiert wird. Bezirksvorsteher Paulas vom Freien Wirt-
schaftsverband bestätigt mich nachmittags, dass es dort eine
Diskussion gegeben hat, ob man sich daran beteiligt und alle
froh sind, dass ich nicht hingehe.

Mussil ersucht mich, dass in der Budgetverhandlung die Stärke-
förderung im nächsten Jahr höher dotiert werden muss und gleich-
zeitig auch ein BÜG 1,7 Mill. S für die allgemeine Stärke-
förderung und 4 Mill. für die besondere notwendig wäre. Ich
erkläre ihm dezidiert, dass ich noch niemals vom Finanzminister
höhere Budgetposten verlangt habe, dies bei der Stärkeförderung
umso mehr, als ja der Finanzminister dafür zuständig ist
und ich nur die Durchführung resp. Abwicklung habe.

Sallinger und Mussil bestreiten ganz entschieden eine Verschär-
fung des Klimas zu wünschen oder gar vielleicht Bergmanns
Politik in die Handelskammer zu tragen. Nicht einmal im Wirt-
schaftsbund behauptet Sallinger orientiere man sich nach
Bergmann. Ich gebe zu, dass Sallinger jetzt in einer schwierigen
Situation ist, er sie nicht verursacht hat, wohl aber jetzt halt
schauen muss, wie er hinauskommt, ohne dass die Radikalen bei
ihm die Oberhand bekommen. Sallinger wird mit Benya über
dieses Problem eingehend sprechen. Für ihn war es zweifelsohne
auch ein harter Sommer.



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Mussil interessierte sich diesmal interessanterweise, was
wieder beim Journalistenfrühstück geschehen würde und ich
verwies nur, dass nicht allein nur die Autoimporteure-Preise
angegriffen werden sondern von mir auch auf die Preise der
neu eröffneten IKEA-Niederlassung im Shopping Center Süd.
Dort wurde gegenüber Schweden aber auch gegenüber Deutschland
höhere Preise von 31 – 41 % festgestellt. Im Pressefrühstück
musste ich dann darüber referieren, weil Wais mit Recht meinte,
er möchte sich hier ein wenig im Hintergrund halten, damit er
bei den dann notwendigen Recherchen wie auch bei den Auto-
preisen leichter durchkommt. Dafür habe ich volles Verständnis.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte die Autopreise gegebenenfalls von
Min.Rat Singer im einzelnen prüfen lassen.

Die Polen-Information interessierte glaube ich nicht besonders,
Fälbl berichtet auch wie ein richtiger Beamter, absolut korrekt
gar nicht auf zeitungsmässige Headlines ausgerichtet. In Polen
glaubt er allen Ernstes, wenn er ein Kabel sofort nach Unter-
zeichnung des dreiseitigen Vertrages schickt, dass man in
Österreich dann sofort über die Bedeutung dieses Vertrages auf der
ersten Seite berichten wird. Da hat er sich aber schwer getäuscht,
natürlich sieht er gar keinen Grund, deswegen seine Methode zu
ändern. Sekt.Chef Jagoda berichtet über die Reisebüro-Beschwerde-
stelle und der dafür zuständige Abteilungsleiter Ladstätter
ergänzt auf Anfragen.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Vielleicht könnten wir auch hier Min.Rat
Singer stärker einbauen.

Wanke hat vorgeschlagen, dass wir für theoretische Überlegungen
wegen der jetzt von mir seit Jahren propagierten sozialdemo-
kratischen Marktwirtschaft eine Arbeitsgruppe intern in unserem
Haus einsetzen sollten. Er selbst würde sich als Endformulierer
gerne zur Verfügung stellen, meint aber mit Recht, dass vorerst
Jüngere, die weniger belastet sind, die Arbeit machen müssten.
Ich teilte seine Meinung und wir kommen bei einer Besprechung
mit Wais überein, dass er, nachdem er auch für die Junge Generation
schon einmal eine solche Programmarbeit gemacht hat, den Vor-
sitz führen soll. Damit nicht die Rechten in dieser Arbeits-
gruppe zu sehr überwiegen, wird auch Kowalski als in der Partei
am weitesten links Stehender herangezogen. Einige meinen,


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dass durch sich die Arbeit erschweren würde, was ich ohne weiteres
zugebe. Trotzdem habe ich auch immer in der Arbeiterkammer getrach-
tet, Linke dabei zu haben, denn allzu gross ist die Gefahr, dass
man wirklich ein reiner Rechtsabweichler wird.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte die Arbeitsgruppe zu mir einladen.

Im Wiener Vorstand und dann auch im Wiener Ausschuss berichtet
Gratz über die Differenzen im Zentralsekretariat bezüglich des
Pressefonds. In einem Präsidium hat Gratz festgehalten, dass
die Wiener Bezirke nicht mit Erlagscheinen dazu aufgefordert
werden soll, weil man dadurch Spenden, die die Bezirke aber auch
die Wiener Organisation dringend benötigt, mit einer solchen
Aktion gefährden kann. Wien wäre sogar bereit gewesen, wenn die
Partei einen Betrag bräuchte, ihn direkt zur Verfügung zu stellen.
Die Erlagscheine, glaubt Gratz, würde man maximal 500.000 S in
Wien für den Pressefonds bekommen, und den würde die Wiener
Partei auch sonst zur Verfügung stellen. Mit Recht versucht jetzt
Gratz und vor allem scheinbar auch Edlinger, der Sekretär, die
Autonomie der Wiener Organisation stärker zu betonen und vor
allem gegenüber Zentralsekretären durchzusetzen. Da die Mitglieder-
zeitung aber bereits die Aufforderung enthält, man soll für den
Pressefonds spenden und beabsichtigt war, Erlagscheine beizulegen,
wird für die Wiener nur eine Allonge beigegeben, wo man aufge-
fordert wird, für nähere Information diese einzusenden. Hier
ein typisches Beispiel, wo es hinführt, wenn nicht vorher koordi-
niert wird.

Gratz berichtet über die Arena, wo durch Nichtkoordination zwischen
der Holding – sprich Stadtrat Mayr – und Pfoch auf der einen Seite
und der dafür zuständigen Stadträtin Sandner auch die unmöglichsten
Beschlüsse gefasst wurden. Die Holding hat bereit am 12. Mai den
Aufteilungsbeschluss gefasst und für das Kühlhaus, insbesondere
aber für die schwedische Firma Scania das Gelände geteilt. Sandner
hat erst am 15. Juli den Holdingbrief erhalten und natürlich hat
sie vorher mit der Arena-Vertretung schon bindende Absprachen
geführt. Ausserdem hat die Bürokratie des Rathauses, ein gewisser
Dr. Potdgowitsch, die Funktionäre nicht informiert, dass die
Arena-Vertreter mit abler Entschiedenheit die kleinste Lösung
abgelehnt haben und stets Hallen, eine davon ist in einwandfreiem
Zustand, zwei werden abgebrochen, und dieses Freigelände verlangt
haben.



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Die Teilung, die die Bürokratie vorschlägt, hat angeblich
auch für den Lagerhausbau gar keinen Sinn und wird von allen
abgelehnt. Jetzt hat man sich auf eine neue Teilung geeinigt,
wonach das Kühlhaus errichtet werden kann und die Arena-Ver-
tretung einverstanden ist. Da das Kühlhaus sich früher oder
später sich aber auch auf das Arena-Gelände ausdehnen wird, er-
scheint es zweckmässig, einen anderen Platz einvernehmlich mit
der Arena zu suchen. Der Vertreter der Jungen Generation, Edlinger,
aber auch der Vertreter der soz. Jugend, Woller, meinten, dass
eine Enquete jetzt klar und deutlich gezeigt hat, dass die
Jugend nur anzusprechen ist, wenn sie entweder in autonomen
Organisationen, wie die SJ eine sein soll und sein will, oder
in freier Initiative wie die Arena sich entwickelt hat, anzu-
sprechen ist. Solange diese Punkte nicht von der Partei be-
rücksichtigt werden, wird die Jugend abseits stehen.
Interessant für mich ist, dass es vor allem im Wiener Ausschuss
über die Arena, den Mietleih-Vertrag und die ganze Entwicklung
überhaupt keine Diskussion gegeben hat. Wenn sich Windisch
nicht zu Wort gemeldet hätte, wo auch er nur sagte, er sei
mit der Lösung einverstanden, im Wiener Ausschuss hat dann
Gratz auch einen grösseren politischen Bericht gebracht und
insbesondere auf die differenten Auffassungen und Diskussionen
zwischen den höchsten Spitzenfunktionären in der Sommerpause
verwiesen. Gratz meinte mit Recht, die soz. Partei ist eine
offene Partei, aber noch immer hat die Partei letzten Endes
zu entscheiden, und die Partei zu sprechen und nicht jeder
einzelne. Auch hier entwickelte sich nicht eine, wie ich
erwartet hatte, grosse Diskussion sondern aus dem 22. Bezirk
berichtete Schemer, dass die Vertrauenspersonen sehr verun-
sichert sind und Windisch meinte einmal mehr. die Partei
müsste schnell reagieren, wenn sie angegriffen wird. Der Vertreter
des Freien Wirtschaftsverbandes Balasz wies auf die Handels-
aktivitäten hin, meinte, die Nahversorgung könnte durch die
Streichung der Abschreibung für die Kombifahrzeuge, wenn auch
die echten Kombifahrzeuge der kleinen Gewerbetreibenden erfasst
werden, gefährdet sein und machte darauf aufmerksam, dass der
Handelstag am 13. September eine Kombiausfahrt, organisiert
vom Wirtschaftsbund durchführen wird. Gratz hatte mich in seinem
Referat schon aufgefordert, ich sollte als Wirtschaftsfachmann
zur Wirtschaftslage Stellung nehmen und ist nachher extra
noch zu mir gekommen und meinte, ich sollte seine Ausführungen
ergänzen.



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Mein Prinzip wird jetzt immer mehr, dass ich mich nur zu
Wort melde, wenn ich dazu aufgefordert werde. In diesem Fall
aber war Gratz glaube ich besonders daran interessiert, weil
er befürchtete, dass sich interessanterweise trotz des "heissen
Sommers" im Wiener Ausschuss keine Diskussion ergeben wird.
Selbstverständlich bin ich diesem Ersuchen sofort nachgekommen,
obwohl auch meine Ausführungen nur geringes Echo auslösten.

ANMERKUNG AN ALLE: Wie ist eure Meinung zu dieser zurückhaltenden
Polemik und ganz besonders mein System, nur über Aufforderung zu
reden.

Eine Gruppe von Genossen um Cap haben jetzt die Zeitung
TRIBÜNE gegründet. Darin sollen weder Parteiangestellte noch
Parteivorstandsmitglieder in die Leitungsgremien kommen können.
Edlinger sieht darin eine Fraktionierung und eine grosse Gefahr.
Ich teile seine Meinung, nichts wäre schlechter, als wenn wir
jetzt ein Organ einer Fraktion innerhalb unserer Partei hätten.
Bei uns kann wirklich jeder reden und wenn er einigermassen eine
brauchbare Idee hat, in unseren Organen schreiben.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Recherchiere, wer diese Leute sind und
versuche die beiden Exemplare, die bis jetzt erschienen sind, zu
bekommen.

In der Ministerratsvorbesprechung meinte Kreisky, nach jeder
Periode grösseren Erfolges hat die ÖVP versucht, eine Gelegenheit
die Regierung zu attackieren genützt und lange Zeit damit
nichts erreicht. Dies war 1974, als wir in unserem Index eine
über 10 %-ige Verbraucherpreisindexerhöhung genähert haben,
dies war 1975, als der Bauernsturm organisiert wurde, dies könne
man eben jetzt wieder feststellen. Echt gäbe es nur ein Budget-
problem und ein Zahlungsbilanzproblem. Dieses sei durch die
grossen PKW-Lieferungen, durch die Auslandsreisen und teilweise
auch durch die Kapitalflucht, die er im einzelnen glaubt feststellen
zu können, entstanden. Die Autoproduzenten beliefern Österreichs
bevorzugt, weil sie hier höhere Preise haben und es war voll-
kommen richtig, dass ich jetzt hier insbesondere auch bei den
Ersatzteilen angreife. Kreisky hat vom französischen Botschafter
eine Beschwerde bekommen, dass ich nur die französischen Autos
bis jetzt attackiert habe und insbesondere einen sehr scharfen
Brief gegen die französische Vertretung geschrieben habe.



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Er fragte, ob ich nur tatsächlich gegen Frankreich losgehe.
Was ich selbstverständlich verneinte.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte mit einer Darstellung und Fotokopien
aller Schreiben und Antworten Kreisky über unsere Autoaktion
informieren.

Das Budgetproblem sei durch die Steuerhinterziehung entstanden
und er beabsichtige sich nicht generell zu entschuldigen. Dass
er nicht eine Pauschalverdächtigung ausgesprochen hat und alle
Unternehmer meint, hat er bereits in einem zweiten Kronenzeitungs-
interview festgestellt. Die Presse beginnt jetzt die Zahlen der
Regierung anzuzweifeln und spreche von versteckter Arbeitslosigkeit
und falschen Budgetziffern usw. Die Banken verhalten sich illoyal
und machen Transaktionen, die nicht gerade dem Staatsinteresse
dienen. Die Steuerhinterziehung der Unternehmer wird von Prof.
Andree als Klopffechter der Handelskammer noch verteidigt. Alles
dies aber, nach Kreisky, wird der Partei weniger schaden, als
dass jetzt durch Geschwätzigkeit und Eitelkeit und starkes Geltungs-
bedürfnis, durch wenig Selbstkontrolle des eigenen Prestiges
einzelne nicht innerhalb der Partei sondern ausserhalb Diskussionen
auslösen. Er erwähnte Obenfeldner mit seiner Innsbrucker
Koalitionserklärung, die ihm bei der Gemeinderatswahl gar nichts
nützen wird, Sallinger der nach dem ersten Brief ihm dies erklärt
und dann jetzt neuerdings in der Presse erklärt, man müsse alle
Kräfte in der Sozialpartnerschaft und überhaupt zusammenfassen,
um das Problem zu lösen und insbesondere Kienzl, der der Regierung
vorwirft, schamlosen Dirigismus, eine verfehlte Steuerpolitik
und die Arbeitslosen nicht richtig zu bekämpfen. Wenn wie Kreisky
meint die Frage der Benya-Nachfolge, d.h. Präsidentenwahl,
jetzt über diese Methoden ausgetragen wird, dann wird die Re-
gierung und die Partei zu Schaden kommen. Leodolter wurde in
weitere Folge dann auch einmal kritisiert, weil sie die Erhöhung
der Geburtenbeihilfe von 16 auf 18.000 S und eine vierte Unter-
suchung durchzusetzen angekündigt hat. Leodolter konterte, meiner
Meinung nach zu recht, dass sie ja bei ihm gewesen ist, dieses
Programm vorgetragen und er gemeint hat, na ja mach wir es. Heute
meint Kreisky, er hätte damals nur gesagt, man muss sich das Ganze
anschauen und insbesondere mit Androsch besprechen. Der Vorschlag,
der übrigens vom ÖGB und AK -Frauen kommt, dürfte also Androsch
mit allen Mitteln bekämpfen. Teils bin ich überzeugt, weil er nicht


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von ihm kommt und teils, weil er wahrscheinlich wirklich jetzt
wenig Geld hat. Schon allein der Ersatz der Kinderabsetzbeträge
bei der Steuer durch die Direktsubvention durch den Familien-
lastenausgleich soll ihn wahrscheinlich längerfristig entlasten.
Dass die Vertrauenspersonen, wie ihm Blecha mitgeteilt hat,
am meisten irritiert, sind die Schulden, wie man die zurück-
zahlen soll. Sein einfacher Schlüssel ist, man muss eben jetzt
sparen, eine Steuersenkung sei auch jetzt nicht möglich
und man muss darauf hinweisen, dass z.B. die Summe der Lohn-
steuer sofort in die Sozialversicherung fliesst und damit
dem Arbeiter wieder zugute kommt. Seine Autosondersteuer sei
nach wie vor aktuell und er glaubt, dass dies die beste Lösung
sei, das Spitaldefizit zu decken, wenn die Landeshauptleute
zustimmen. Die eigene Autoproduktion würde nach wie vor nur
dann kommen, wenn ein Joint venture mit Porsche zustande kommt,
d.h. ein Austro-Porsche gebaut werden kann, obwohl ein teil
der Familienmitglieder dagegen ist und wenn ein maximaler
Absatz über eine anerkannte Organisation gefunden werden kann
Fiat, Renault, die Japaner interessieren sich jetzt allein
durch die Ankündigung mehr für den österreichischen Markt
und von Chrysler hat er Briefe, wo man ihm mitteilte, Porsche
könnte um 10.000 $ auch in Amerika verkauft werden. Die Schwierig-
keiten, den Austro-Porsche in Österreich zu erzeugen, liegt
derzeit bei den hohen Lohnkosten insbesondere hohen Lohnnebenkosten.
Broda meinte in der Diskussion, der Sommer-Medienleerlauf jedes
Jahr sei dann durch eine offensive Aktion immer von der Regierung
unterbrochen worden und Kreiskys Erklärung in Mallorca sei
ein solche erste Offensive gewesen und er begrüsse diese sehr.
Sinowatz meinte, im Sommer 1975 sei Taus - Busek gekommen und
man hätte geglaubt die soz. Partei sei weggetreten und dann
hätten wir die Wahlen gewonnen. 1976 sei die Reichsbrücke einge-
stürzt im Sommer und man glaubte, Gratz würde weggefegt werden,
genau das Gegenteil sei eingetreten. Ob die Propaganda
der ÖVP wegen der Schulden Erfolg hat, glaubt Sinowatz mit dem
Hinweis auf die burgenländischen Landtagswahlen 1968, wo die
VP die Verschuldung mit 32 Mio. S der SPÖ hart attackiert hat
und dann ein sehr schöner Wahlsieg Burgenlands erreicht wurde.
Viel mehr sensibilisiert sind die Vertrauensleute und die
Bevölkerung, wenn es um PKW d.h. um ihr Auto geht. Lanc ver-
wies darauf, dass die Zahlungsbilanzschwierigkeit daher kommt,
dass z.B. in der Schwachstromindustrie Telefontechnik heute


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die Internationalen, ob Siemens oder Philips usw. nur die
Entwicklung und Forschung in ihren Stammhäusern betreiben und
dann bei der Fertigung ein immer geringerer Auftragsanteil
an Österreich selbst erzeugt werden kann. Vertrauenspersonen
müssen als Transmissionsriemen dienen und die seien im Sommer
verunsichert worden. Kreisky meinte sofort, man müsse sehr
vorsichtig sein, er hätte Briefe bis nach Mallorca bekommen
die ihm zustimmend erklärte, dass er mit alle seinen Aussagen
richtig liegt. Nur die gehobene Schichte der Vertrauenspersonen,
die mehrere Zeitungen lesen, seien verunsichert. Wie die
Situation wirklich ist, kann man glaube ich kaum durch
einzelne Äusserungen und schon gar nicht durch Brief-
schreiben erfassen, denn dies sind immer nur aktive Einzelaus-
sagen, die Meinungsumfrage wird in der nächsten Zeit klar und
deutlich zeigen, wie wir wirklich liegen. Ich habe das Gefühl
wir liegen schlecht. Veselsky versuchte sich in einer wirtschafts-
politischen Erklärung, wo er sowieso ganz besonders darauf hinwies
wie sehr unsere Regierungspolitik erfolgreich ist, Österreich
sei nur durch seine Löhne, seine geringen Rohstoffe, durch seinen
kleinen Heimmarkt kein Anreiz mehr für Investoren aus dem
Ausland. Die Steuerbegünstigung wirke auch nur, wenn man Gewinn
macht, weshalb er vorschlägt, neue Produktion durch ein neues
Finanzierungsinstrumentarium zu schaffen. Kreisky replizierte
sofort, dass in diesem Fall zusätzliche Mittel der ÖNB in die
Wirtschaft gepumpt werden, dies ein monetaristischer Standpunkt
sei, der nichts bringt, ausser gegebenenfalls eine weitere
Inflation. Zweitens stellte er mit Recht fest, dass bis jetzt
noch kein einziges Industrieprojekt jemals an einer Finanzierungsfra-
ge gescheitert ist. Es gibt nur halt keine Industrieprojekte,
zumindestens glaubt Kreisky dies, das nicht durch Anstoss der
Regierung zustande kommt. Da er gleichzeitig zu mir gewandt meinte,
die Textil-Ost-Sanierung sei auch daneben gegangen, verwies ich
auf die Entwicklung des Dr. Fehrer, was Kreisky sehr interessierte
und von ihm auch sehr positiv aufgenommen wurde. Weissenberg
meinte, man müsste jetzt klären, nachdem die Arbeitslosenziffern
noch immer äusserst günstig sind und einen Beschäftigtenstand von
2 Mill. 793.000 erreicht haben, eine Zahl, die mir auch fast
unglaubwürdig erscheint, wie es jetzt mit der Aussage weiter
sein soll. Optimistisch für die Zukunft oder wie Kreisky dann
ausführte, sehr zurückhaltend? Kreisky ist fest davon über-
zeugt, dass in dieser Beschäftigtenzahl 15.000 Stahlarbeiter


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zuviel sind, die eigentlich abgebaut gehörten. Die von
ihm 1974 angekündigte Krise ist noch immer hier und wir
werden im Oktober erleben, dass unsere Arbeitslosenziffern
steigen und bis zum Winter 100.000 erreichen werden. Die
österr. Unternehmer rüsten sich nicht für eine wirkliche
grosse Investitionspolitik, z.B. hat er in Mallorca fest-
gestellt, dass Ranshofen nicht imstande war, eine grössere
Anzahl von Sonnenenergie, Wasseraufbereitungsanlagen zur
Verfügung zu stellen. Nicht einmal den Preis haben die
dortigen Vertreter gewusst. Androsch meinte, die internationale
Konjunktur sei flau, der österr. Kredit im Ausland exzeptionell
gut und wird bezüglich der Verbraucherpreise und der Inve-
stitionen neben der Beschäftigung äusserst günstig dastehen.
Das Leistungsbilanzdefizit aber auch der Budget sei
zu korrigieren, wenn man es jetzt in Angriff nimmt. Sozial-
leistungen könnten aber nicht erhöht werden, wenn die inter-
nationale Konjunktur sich nicht verbessert. Die grosse Gefahr
sieht er in den Abhebungen von Sparbüchern, die er in der
letzten Zeit feststellen konnte.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Min.Rat Müller soll feststellen, was
sich hier ereignet und ständig berichten.

Leodolter teilte mir nach dem Ministerrat überraschend mit,
dass die Kernkraftwerksgesellschaft dem Gesundheitsministerium
mitteile, die braucht weder ein Zwischenlager noch ein
Kompaktlager, sie hätte jetzt eine bessere Lösung gefunden,
sei Sekt.Rat Vychytil, ich weiss nicht von wem, mitgeteilt worden.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Wie ist es möglich, dass es zu solchen Er-
klärungen kommt, ohne dass wir etwas davon wissen.

Im Ministerrat wurde von Veselsky nur zur Rumäniendelegation
gefragt, ob mit der Delegationszusammensetzung auch die Frage
des Kanals der Donau ans Schwarze Meer gedeckt sei, was ich mit
absolut sofort beantwortete. Weissenberg hat dann noch bei der
Berichterstattung über die Arbeitsmarktsituation darauf
verwiesen, dass heuer mehr Lehrstellensuchende bis jetzt
schon untergebracht werden konnten, angeblich 78 % seien gedeckt
zum Unterschied vom Vorjahr wo nur 75 % gedeckt werden.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte auch hier die Ziffern und Bericht von
der Abteilung zeitgerecht vorlegen lassen.

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Tagesprogramm, 5.9.1977

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)

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Tagesordnung 85. Ministerratssitzung, 5.9.1977

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38_0992_04
Tätigkeit: JG


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Unterrichtsminister


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Sozialminister
      GND ID: 118806904


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
        GND ID: 119083906


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: VzBgm.in Wien
          GND ID: 119366355


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: SChef HM
            GND ID: 12195126X


            Einträge mit Erwähnung:
              GND ID: 119100339


              Einträge mit Erwähnung:


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Finanzminister
                  GND ID: 118503049


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: SJ Wien


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Gesundheitsministerin


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Sekt.R Gesundheitsministerium


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: GF ÖVP


                            Einträge mit Erwähnung:
                              GND ID: 129507873


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Präs. Wr. HK


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                                  Tätigkeit: Beamter HM; evtl. Falschschreibung


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                                    Tätigkeit: Obmann SPÖ-Mietervereinigung, SPÖ-Wieden


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                                      GND ID: 118756265


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Justizminister


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                                          Tätigkeit: MR HM


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Wr. Wirtschafts- u. Finanzstadtrat


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: Abg. z. NR, Klubobmann, ÖVP


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                                                Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                                                  GND ID: 1017902909


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                                                    Einträge mit Erwähnung:


                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                        Tätigkeit: Beamter HM


                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                          Tätigkeit: Beamter HM, Fraktion soz. Beamter im HM


                                                          Einträge mit Erwähnung:
                                                            Tätigkeit: Textilmaschinenfabrik Linz


                                                            Einträge mit Erwähnung:
                                                              Tätigkeit: Beamter HM


                                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                                Tätigkeit: Wr. Vize-Bgm., SPÖ


                                                                Einträge mit Erwähnung:


                                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                                    Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


                                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                                      Tätigkeit: Wr. ÖVP-GR-Abg., Obmann Sekt. Handel Wr. HK, Vizepräs. VKI


                                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                                        Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


                                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                                          Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                                          GND ID: 118566512


                                                                          Einträge mit Erwähnung:
                                                                            GND ID: 12254711X


                                                                            Einträge mit Erwähnung:
                                                                              Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


                                                                              Einträge mit Erwähnung: