Donnerstag, 25. August 1977
Stadtrat Mayr hat die Möglichkeit, im Alberner Hafen eine grössere
Firma anzusiedeln. Dieses aus der Nazizeit schon bestehende Industrie-
gebiet wurde bis jetzt aber nicht genützt, weshalb im Laufe der
Jahrzehnte dort Dutzende Bäume gewachsen sind. Jetzt musst er für
die Ansiedlung entsprechende Baumschlägerungen vornehmen. Seine Be-
hörde in der Stadt Wien hat es ihm genehmigt, die Naturschützer Beru-
fung eingelegt und jetzt liegt das ganze beim Landwirtschaftsminister
zur Entscheidung. Der Beamte dort hat aber dort, wie mir Mayr mitteilt,
sofort das Handelsministerium gefragt, ob überhaupt eine Ansiedlung
notwendig ist, ob ein entsprechender Betrieb dort angesiedelt werden
soll, für mich ist es unwahrscheinlich, wieviel Bürokraten oft Wege
finden, andere Ministerien einzubeziehen, mitzubeschäftigen, um ein
scheinbar objektiveres Urteil dann fällen zu können. Vielleicht aller-
dings hat Stadtrat Mayr die ganze Sache mir auch anders dargestellt
als sie in Wirklichkeit ist. Auf alle Fälle wurde ich jetzt einmal
aufmerksam, dass wir auch hier eine Kompetenz haben, von der ich
bis jetzt wahrlich nichts gewusst habe.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte prüfe, wer diesen Fall bearbeitet hat,
und lass Dir referieren.
Präs. Benya, der in Kleinkirchheim immer seinen Urlaub verbringt,
hat dort – wie ich feststellen konnte – sich für eine Frühstückspension
eingesetzt, dass man als Krisenfall versucht eine Versteigerung zu
verhindern. Wie ich feststellen konnte, hat die BAWAG für 3,6 Mio. S
Kredit gegeben, die Pension selbst aber nur 150 volle Belegstage und
einen Umsatz von 280.000 S. Damit können nicht einmal die Zinsen
bezahlt werden, die die BAWAG jetzt angeblich auf 11,75 % hinaufge-
schraubt hat. Ich ersuchte Mag. Matzka, der jetzt die Förderungsabteilung
vertritt, den Fall mit der BAWAG neuerdings zu besprechen, denn eine
Lösung kann nur zustande kommen, wenn die BAWAG entsprechend grosse
Abstriche ihrer Forderungen macht und wenn gleichzeitig die Kärntner
Landesregierung entsprechende Zuschüsse gibt. Matzka teilte mir bei
dieser Gelegenheit mit, dass heuer 21 Sicherungsfälle mit 5,6 Mio. S
positiv erledigt wurden bei ungefähr 40 Einreichungen. Im Vorjahr war
für die dieselbe Anzahl noch 10 Mio. S erforderlich. Daraus sieht
man deutlich, dass infolge der geringeren Mittel weniger Zuschüsse
pro Fall gegeben werden konnten. Zum Glück haben wir jetzt seit
1. März wirklich nur mehr, wie auch vor Einführung der Existenz-
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sicherungsaktion neue Richtlinie, wo tatsächlich nur für
Solidaritätsfälle entsprechende Zuschüsse gegeben werden.
Von 40 eingereichten Fällen sind jetzt zwei in Bearbeitung,
weil alle anderen auf Grund dieser neuen Richtlinien ausschal-
ten. Jetzt gibt es nur mehr für Todesfälle, Brand usw. entsprechende
Zuschüsse. Wie mir Gen.Dir. Flöttl dann am Abend noch mitteilte,
wäre er bereit, 1 Mill. S nachzulassen, wenn das Ministerium und
das Land über 700.000 S Zuschuss gewährt.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Vielleicht kann man noch eine andere Stelle
oder den Schwiegervater zur Zahlung veranlassen.
Der für das Handelsministerium zuständige Volksanwalt Dr. Zeillinger
ist in Begleitung seiner Sekretärin Dr. Schmidt gekommen, um
einen Antrittsbesuch zu machen. Bei dieser Gelegenheit vereinbarten
wir gleich, dass büromässig Dr. Wais mit Dr. Schmidt, die er aus
seiner Studienzeit sehr gut kennt, den Kontakt halten wird und vor
allem einmal die Einzelfälle durch ihn im Haus bearbeitet und
verteilt werden sollen. Wir haben bis jetzt bei der Volksanwalt-
schaft sehr gut abgeschnitten, wir sind eines der Ministerien,
das erst einen Fall gehabt hat, der nebenbei bemerkt sofort positiv
erledigt werden konnte. Insgesamt wurden aber nur 15 Fälle
bis jetzt an die Volksanwaltschaft herangetragen. Ich fürchte,
dass die wesentlich stärker wird werden, wenn die durch Betriebs-
genehmigungen gestörten Anrainer oder nucht nichtgenehmigte
Gewerbegenehmigungen den Weg zur Volksanwaltschaft finden werden.
Interessant war, dass ich z.B. Zeillinger darauf aufmerksam
machte, gestern mit einem Intervenienten wegen einer Gewerbe-
genehmigung gesprochen zu haben und erwarte, dass er zur Volks-
anwaltschaft gehen wird. Zeillinger teilte mir mit, dass er
bereits heute bei ihm gewesen ist und er ihm sagen musste, dass
er keine Möglichkeit sieht, ihm zu helfen, Trotzdem vereinbarten
wir, dass wir vor jeder Intervention verständigt werden, damit
wir noch einmal dem Intervenienten klar machen, warum es auch
vom Standpunkt des Handelsministeriums, obwohl schon die Volksan-
waltschaft entschieden hat, dass hier nichts zu machen ist, nicht
anders entscheiden können. Frau Dr. Schmidt wird uns deshalb jeden
Fall zur Kenntnis bringen. Die Volksanwaltschaft hat jetzt 14
Beamte, drei Funktionäre, Vertreter aller drei Parteien. Eine
typisch österreichische Lösung, von der ich sehr gespannt bin,
wie sie sich in der Praxis nach längerer Zeit bewähren wird.
Jetzt momentan kann man natürlich noch gar nichts sagen, Zeillinger
meinte, ein gewisser Rückstau vorhanden ist, und vor allem einmal
zuerst auch die Querulanten als erstes versuchen, ihre Probleme
auch bei der Volksanwaltschaft anhängig zu machen. Zeillinger
war sehr verwundert, dass die Bürokratie in den Ministerien
nicht mehr Widerstand oder Schwierigkeiten ihnen macht. Dies hätte
ich am wenigsten an seiner Stelle befürchtet. Die Bürokratie ist
viel zu feig, um sich als Ganzes und schon gar nicht der einzelne
dagegen zu wehren. Wenn heute in gewissen Ländern die Volksanwalt-
schaft abgelehnt wird, so deshalb weil dort die Funktionäre,
Landeshauptmann oder Stadträte dagegen sind, die eine solche
ausserbürokratische Kontrolle nicht wünschen.Die Bürokratie
findet sich glaube ich sofort mit dem Schicksal einer Kontrollbehörde
ab.
Mit Sekt.Chef Wanke besprach ich seine Personalsituation. Er hat
mit Recht eine ganze Liste von Wünschen für Plesch vorbereitet.
Als neue Idee wird er jetzt ein Organisationshandbuch in seiner
Sektion einführen. Dadurch werden Runderlässe, die Preglau heraus-
gegeben hat und die grosse Aufregung auch bei der soz. Fraktion
ausgelöst haben, hinfällig. Auch wird dort dann genau die Unter-
schriftsermächtigung und vor allem auch alle sonstigen anstössigen
Praktiken genau geregelt. Wenn sich dieses Organisationshandbuch
in der Industriesektion bewährt, müsste man überlegen, ob wir dies
nicht in jeder Sektion dann, natürlich nur wenn der Sektionsleiter
zustimmt, einführen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte prüfe diesen Gedanken.
Reg.Rat Elsinger hat mit Marsch und Puffler die neue Informations-
tätigkeit über die Öl- und Ölprodukteeinfuhr und -verbrauch für das
Pressefrühstück besprochen. Bis jetzt war es so, dass monatlich
nur die entsprechenden Ziffern über den Pressedienst hinausgegangen
sind. Da vom Pressedienst leider nur einzelne Zeitungen und dort
nur oft wirklich die trockenen Zahlen verwendet werden, erschien
es mir vor längerer Zeit schon zweckmässig, die Daten aufgearbeitet
im Pressefrühstück zu präsentieren. Ich kann mir sehr gut vorstellen,
dass diese genau dieselben Interessen erwecken wie unsere FV-Ziffern.
Elsinger hat mit Recht mir gegenüber allerdings darauf hinge-
wiesen, dass z.B. jetzt durch die stärkere Importtätigkeit der
Internationalen man aus diesem Ziffern herauslesen kann, dass
die Verkaufspolitik der ÖMV nicht sehr glücklich gewesen sein muss.
Ähnlich wie es bei den Fremdenverkehrsziffern negative geben kann,
könnte jetzt bei den Verbrauchsziffern die ÖMV-Politik kritisiert
werden. Dies glaube ich muss man in Kauf nehmen, obwohl ich überzeugt
bin, dass vor allem am Anfang kaum jemand von den Redakteuren sich
hier besonders aktiv betätigen wird. Ich bin eher überzeugt, dass
sie unsere aufgearbeiteten Ziffern mit den Waschzetteln ganz einfach
abdrucken. Dies erscheint mir aber wichtig, denn niemand soll be-
haupten, wir hätten unserer Informationspflicht nicht Rechnung ge-
tragen.
Die Haller Zentralheizungsbau GesmbH, die früher 150 Beschäftigte
hatte, jetzt aber immerhin noch 87, muss in einen aussergerichtlichen
Ausgleich gehen. Bei der Ärzteringsiedlung haben sie 29 Mio. S investiert
und der Torso kann dort nicht fertiggebaut werden. Ing. Bacher hat mir
mitgeteilt, dass wenn sie jetzt nicht den Auftrag von der Postspar-
kasse, wo sie Billigstbieter mit 16 Mio. S waren, bekommen, dann
ist ihre Existenz gefährdet. Ich versprach ihm, dort zu intervenieren,
habe aber gleichzeitig festgehalten, dass jede öffentliche Stelle,
ja selbst auch ein Privater einer Firma, die in Ausgleich gehen muss,
kaum irgendwelche Aufträge gerne gibt. Bacher hat aber, wie er mir
erklärte mit 10 Mill. S bei der Raika Oberalm, resp. bei der Volksbank
Zwettl erklärt zu haften. Die Firma hat mir sogar die Kalkulations-
unterlagen überlassen, damit ich die Seriosität ihres Anbotes
prüfen kann. Bacher hat mir auch freimütig gestanden, bei der Kran-
kenkasse 1,5 Mill. S und im Finanzamt 1,6 Mio. S Schulden zu haben.
Trotzdem glaubt er, einen 70 %-igen Ausgleich zustande zu bringen,
75 % der davon Betroffenen – Kasse und Finanzamt scheiden ja aus –
die werden immer zu 100 % befriedigt, hätten bereits zugestimmt.
Die Firma hat jetzt auch die Produktion von Sonnenkollektoren be-
gonnen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Versuche bei dem Wissenschaftsministerium für
diese Tätigkeit vielleicht eine Subvention herauszuschinden.
Mit Heindl besprach ich die politische Situation.Wanke und auch ich
mussten ihm zustimmen, dass ein gewisser Umschwung bei den Unter-
nehmern jetzt festzustellen ist. 1976 hat durch den Konjunkturauf-
schwung die Unternehmerschaft einheitlich wieder durch starke Inve-
stitionen gezeigt, dass sie von der Schwarzmalerei der Schwarzen
gar nichts hält. Jetzt hat Heindl den Eindruck aber beginnen die
Unternehmungen Zurückhaltung sich aufzuerlegen. Investitionen werden
neuerdings überprüft und zurückgestellt, die Stimmung der Unternehmer
wird zusehend schlechter. Von der Bürges, wo die Klein- und Mittel-
betriebe um Investitionszuschüsse ansuchen, habe ich ja noch keinerlei
diesbezügliche Mitteilungen. Theoretisch müsste auch in der Industrie-
sektion unser Frühwarnsystem bereits schon irgendetwas anzeigen.
Ich fürchte nur, dass dies eben alles noch nicht so richtig klappt.
Vielleicht auch in Hinkunft gar nie ordentlich funktionieren wird.
Feststeht für mich, dass einige Grossinvestitionen die Lage
überdecken können. Auf dem Bausektor war es in den vergangenen Jahren
deutlich erkennbar, dass die Grossbauaufträge die grossen Baufirmen
verhältnismässig gut beschäftigt hat und die kleineren und mittleren
Baumeister eben durch den Ausfall der Einfamilienhausbauten usw.
ja teilweise auch durch Gewerbe- und Industriebauten angeblich schlecht
beschäftigt waren. Interessanterweise sind aber nicht die Massenkonkurse
in dieser Branche dann eingetreten. Klein- und Mittelbetriebe können
sich viel länger über Wasser halten als dies bei Grossbetrieben der
Fall ist. Dies zeigte sich auch deutlich in der Fremdenverkehrsbranche.
Die Flexibilität der Kleinbetriebe soll man nicht unterschätzen
allerdings auch nicht überfordern.
Dir. Nentwich von der GKT teilt mir mit, dass er jetzt den gewünschten
Brief der Frau Schmitz als Sprecherin der im Hungerstreik befindlichen
Frauen gerichtet hat. Darin hat er nur bestätigt, dass die Brennstäbe nicht
im Werk sind, ein Probebetrieb daher jetzt gar nicht aufgenommen werden
könnte und wenn der mit Jahresende beginnen sollte, dann genau nach den
Auflagen und Genehmigungen des Gesundheitsministeriums vorgegangen wird.
Gesundheitsminister Leodolter hat ein Schreiben, dessen letzte Fassung
ich im Wortlaut nicht kenne, ebenfalls den Frauen zustellen lassen.
In den Massenmedien wurde dann verbreitet, dass sie sich verpflichtet
hat, solange keine Betriebsgenehmigung für den Probebetrieb zu geben,
solange nicht dies nicht das Parlament entschieden hat. Da dies
entgegen der mit ihr besprochenen Formulierung von gestern Abend ein ganz
anderer Text wäre, muss ich mir dieses Schreiben sofort verschaffen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ledolter einen solchen
Brief herausgegeben hat. In diesem Fall würde sie zwar nur das
wiederholen, was auch Kreisky angeblich bei einer parlamenta-
rischen Anfrage schon so dezidiert erklärte, doch würde sie
als die dafür zuständige Ministerin in ein furchtbares Dilemma
kommen, wenn das Parlament gar nicht oder erst auf die lange Bank
schiebend sehr spät überhaupt eine Behandlung oder Entscheidung
trifft.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte Anfragebeantwortung Kreisky und Brief
Leodolter besorgen.
Tagesprogramm, 25.8.1977