Freitag, der 26. August 1977

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Freitag, 26. August 1977

Dir. Kreutler kommt von der ÖMV jetzt zu Semperit und wird dort
den "Nicht-Reifen-Sektor"-Divisionär, d.h. von der Produktion bis
zum Verkauf betreuen. Dies ist eine sehr schwere Aufgabe, weil
er höchst defizitär ist. Die Freizeitartikel haben sicherlich eine
grosse Zukunft, doch konnte in der Vergangenheit die Gewinne von
der Reifenproduktion diesen Sektor subventionieren. Das Werk in
Wimpassing ist zweifelsohne sehr unrentabel. Mit Kreutler disku-
tierte ich aber, da er sich ja erst bei Semperit umsehen muss,
wie es mit dieser Firma weitergehen soll. Kreutler war sehr er-
staunt, dass der neue Generaldirektor bis jetzt überhaupt noch keinen
Kontakt mit mir gesucht hat. Kreutler teilte mir dann noch mit,
dass die ÖMV einen verstärkten Marktanteil im Import und vor allem
Verkauf von Ölprodukten durch die Internationalen nicht so kritisch
beurteilt wie die Ziffern ergeben würden. Ausgelöst wurde diese
Tendenz, als Anfang des Jahres der zweite Siebenjahres-Lohnverarbei-
tungsvertrag nicht sofort zustande kam. Erst nach schwierigen und
langwierigen Verhandlungen einigte man sich auf 2,8 Mill. t bei
einem Zukauf von 1,8 Mill. t der Internationalen bei der ÖMV.
Die Lohnverarbeitungsspanne von 165 S/t blieb unverändert. Geändert
wurde nur, dass eine bessere Ausbeute von Weissprodukten vereinbart
wurde. Heizöl schwer hat bis jetzt 42 – 44 % betragen und wird sich
um ca. 4 % verringern.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Dies müsste sich auch in der Kalkulation nieder-
schlagen.

Botschafter Karski kam wegen des Programms meines Polenbesuches.
Er wollte von mir Details resp. Spezialwünsche wissen. Ich erklärte
ihm sofort, dass es mir ganz egal ist, wie der Besuch abgewickelt
wird. Ich bin mit jeder Programmfolge einverstanden. Natürlich war
sein Hauptgrund, nur zu erfahren, welche Punkte ich zusätzlich auf
die Tagesordnung bringen werde, resp. um mir mitzuteilen, auf was die
Polen den grössten Wert legen. Auf der einen Seite wollte Karski,
dass ich alle Fragen incl. der Finanzierung ausräume, auf der anderen
Seite hätte er natürlich am liebsten, dass alle diese grossen
Projekte wie z.B. weitere 800 Megawatt Stromlieferungen zwischen
dem Ministerpräsidenten Jaroszewicz und Bundeskanzler Kreisky im
September vereinbart werden. Auch für das neue grosse Projekt
Steyr-Daimler-Puch - Polmot weitere Milliarden S Kredit mit gleich-
zeitiger Abnahme von Lastkraftwagen, einer gemeinsamen Moped-Produktion


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und viele andere sollten die Kreditkonditionen neu geregelt
werden. In Wirklichkeit kommt es den Polen ausschliesslich darauf
an, Geld für die innerpolnischen Schwierigkeiten zu bekommen.
Castellez von der Österr. Kontrollbank informierte mich dann
nachmittags, dass die Polen jetzt bereits mit fast 25 Mia. S
bei uns in Kreide stehen, resp. Kreditzusagen haben. Dies ist
von einer Gesamtsumme von 120 Mia, die die österr. Kontrollbank Export-
förderungskredite garantieren resp. geben kann, eine irrsinnig
hoher Anteil und fast viermal so gross wie die anderen Staaten
den Polen gegeben haben. Castellez sagt mit Recht, wir können
nicht die Home-Costs den Polen ebenfalls mit Krediten finanzieren.
Andererseits gibt Castellez zu, dass die Polen nicht einmal die
ihnen schon jetzt zugesagten Kreditrahmen ausnützen können, weil
sie die 10 % Anzahlung nicht zusammenbringen. Zum Glück habe
ich bei allen bisherigen Verhandlungen sowohl polnischen Ministern
aber ganz besonders dem Botschafter Karski immer wieder erklärt,
dass ich weder für die Kreditgewährung noch für die Kreditabwicklung
zuständig bin. Dafür ist ausschliesslich die Kontrollbank zuständig
und kompetent der Finanzminister. Castellez teilte mir auch mit, dass
die Haftungsrahmen absolut befriedigend erhöht wurden. Ein wirk-
liches Problem gibt es nur mit der Nationalbank, die für die
kleineren und mittleren Betriebe die Rediskontmöglichkeit nicht er-
höhen will. Hier ist der Rahmen 3 Mia. plus 1 Mia. Sonderkontingent
und dies müsste zumindestens um eine weitere Milliarde aufge-
stockt werden. Kienzl von der ÖNB hat mir allerdings immer wieder
erklärt, die Banken wären liquid genug, um diese Finanzierung
durchführen zu können. Die ÖNB kann nicht auf der einen Seite
restriktiv Kreditgeld und Währungspolitik betreiben und auf der
anderen Seite jedem Wunsch der Bank sofort nachkommen und Rediskont-
zusagen machen, die nicht dann unter den Limes fallen.

Betriebsratsobmann Rauscher von Fohnsdorf ruft bei mir an und
beschwert sich bitter, dass Sterk am 18. in der Kleinen Zeitung
über die Rohstoffbilanz geschrieben hat. Dort hält er fest,
dass wir derzeit 2/3 importieren müssen und meint dann, durch
die Schliessung von Fohnsdorf wird sich die Situation noch ver-
schlechtert. Natürlich kommen jetzt die Kumpel zu dem B-Rat und
meinen, wie kann ein Ministerialrat, der bei den Schliessungsverhand-
lungen sich immer so positiv dafür ausgesprochen hat, jetzt schreiben
und bedauern, dass die Rohstoffbilanz sich dadurch verschlechtert.
Ich machte Rauscher klar, dass wir auf der anderen Seite, um unsere


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Rohstoffbilanz zu verbessern, neue Bergbaue erschliessen. Unrentable
muss man aber leider unter Versuch, den dort Beschäftigten andere
Arbeitsplätze zu verschaffen, zeitgerecht sperren.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Sterk soll eine diesbezügliche Darstellung
für Rauscher mir vorlegen.

Beim Jour fixe mit AK und ÖGB kam primär die politische Situation
zur Sprache alle sind einer Meinung, dass in den letzten Wochen
das ständige "in die Presse gehen", Fernseh-Aussagen usw. die
nicht koordiniert sind und wo jeder jetzt scheinbar beginnt, seine
Meinung hinauszuposaunen, für die soz. Partei tödlich ist.
Unsere Funktionäre und noch viel mehr die Mitglieder und wahr-
scheinlich auch die Wähler sind gewohnt, dass diese Partei
eine einheitliche Sprache spricht. In meinen Augen geht diese Frage
noch viel tiefer. Bis jetzt hat die ÖVP während des ganzen Jahres
und meist auch sogar noch im Sommer, wenn sie sich überhaupt
geäussert hat, vollkommen unkoordinierte Stellungnahmen hinaus-
gegeben. Aus jeder Ecke Österreichs wurde dann irgendeine Äusserung
laut. Bei uns war es im Prinzip nur so, dass Kreisky auch im Urlaub
es nicht lassen konnte, wenn irgendein Journalist ihn besuchte
und jetzt sogar schon auf Telefonanruf zu jedem Problem seine
Stellungnahme abzugeben. Die Zeitungen sind nämlich während der
Urlaubszeit besonders happig darauf, Neuigkeiten Informationen
und am liebsten natürlich Gegensätze zu hören. Die Folge davon
ist, dass natürlich sofort der Eindruck entsteht, hier ist eine
Partei total zerstritten. Bis jetzt war es nämlich gang und gäbe,
dass man zwar auch die Presse informiert hat, aber jeder in seinem
Ressortbereich und vor allem nicht mit kritischen, nicht abge-
sprochenen Problemen. Solange nämlich jeder nur in seinem Ressort-
bereich geblieben ist, kann und hat es keine Gegensätze geben.
Selbstverständlich nimmt man immer an, dass der Ressortzuständige
die bestmögliche Lösung für die Partei und Regierung präsentiert
und dies sowieso zwischen den einzelnen Regierungsmitgliedern
abgesprochen ist. Dies ist nämlich der ganz grosse Irrtum in der
öffentlichen Meinung seit dem Jahre ich weiss nicht wann, wahr-
scheinlich nicht erst seit 1970. Solang jede Regierung ihre Mit-
glieder in ihrem Ressortbereich allein entscheiden lässt, wie
dies ja bis jetzt im Grossen und Ganzen geschehen ist, solange
scheint die einheitliche starke nach aussen hin vor allem einmal
solidarisch auftretende Regierung einen ungeheuren Eindruck zu
machen. Dies hat sich leider jetzt in den letzten Monaten rapid


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verschlechtert und geändert. Androsch dürfte wegen der schlechten
Budgetsituation Kreisky über die Tatsache informiert haben, dass
die Mehrwertsteuer nicht das Präliminare bringt und grössten-
teils durch die einreissende Methode "Brauchen Sie eine Rechnung"
tatsächlich heute jedermann feststellen kann, dass Mehrwert-
steuer hinterzogen wird. Kreisky platzt damit bei einem Zeitungs-
interview mit der Kronenzeitung heraus. Hätte es der Finanzminister
gesagt, hätte er es wahrscheinlich anders formuliert und als
Ressortzuständiger hätte man es ihm nicht so übel genommen wie
jetzt Kreisky. In dieser Beziehung geht es jetzt Schlag auf Schlag
für die ÖVP. Diese hat sich nämlich jetzt um Bergmann geschart
in einem Punkt gefunden, wo immer eine Schwäche der Regierung auf-
taucht, erst gar nicht viel zu fragen und zu koordinieren, wie sie
vorgehen soll, sondern jeder schlägt sofort zurück. Gegen die
Steuerverleumdung wendet sich daher nicht nur Sallinger und Igler
und Mussil sondern auch Mock und Taus und ich weiss nicht wer
sonst noch alles, greifen sofort ein und an. Wenn wir das berühmte
verflixte siebente Jahr besser überstehen wollen und in Hinkunft
nicht so wie dies letzten Endes jeder bisherigen Regierung in
Österreich gegangen ist, die einheitliche Aussage verlieren wollen,
dann muss hier sehr bald ein Wandel Platz greifen.

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Tagesprogramm, 26.8.1977


Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


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    Tätigkeit: MR HM


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      Tätigkeit: stv. Außenhandelsminister
      GND ID: 127276920


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        Tätigkeit: Direktor Kontrollbank


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          Tätigkeit: IV, GD Wr. Schwachstromwerke (WSW)


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            Tätigkeit: ÖMV, Dir. Fa. Semperit


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              GND ID: 1017902909


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                Tätigkeit: poln. Min.präs.
                GND ID: 128630841


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                  Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                    Tätigkeit: GF ÖVP


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                      Tätigkeit: Abg. z. NR, Klubobmann, ÖVP


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                          Tätigkeit: Bundeskanzler
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                              Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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