Montag, 20. Juni 1977
Bei der Aussprache mit dem sambesischen Wirtschaftsminister und seiner
Begleitung hat LWM Haiden die Rinderfarm vereinbart und ich be-
sprach das Kohlenbeförderungsprojekt von Austro-Mineral. Kreisky
bestätigte beim Essen durch einen Brief die Errichtung der Rinderfarm
durch die Entwicklungshilfe, ein Vertragsentwurf, wie er für die anderen
Länder gilt, wurde beigeschlossen. Für Austro-Mineral wurde ebenfalls
von der Entwicklungshilfe die zweite Tranche 1 Mill. $ Kredit zu den-
selben begünstigten Konditionen gegeben wie die erste Tranche, die
bereits vereinbart ist.Auch dies wurde in einem Brief bestätigt,
wobei auf die endgültige Summe von 38 Mill. S noch 3 Mill. S als
Geschenk von der Entwicklungshilfe gegeben wird. Die Sambesen wünschen
noch einen langfristigen, womöglich unverzinslichen Kredit für
Ankauf von Commodities und Kunstdünger. Ich erkundigte mich bei
der österr. Kontrollbank und erfuhr, was ich allerdings schon wusste,
dass die Sambesi die schlechtesten Zahler sind, das derzeitige Obligo
beträgt 45 Mill.. S der Österr. Kontrollbank. Castellez und Haschek
meinte, sie könnten bis zu 250 Mill. S für 12 Monatskredite, wenn es
die Regierung unbedingt wünscht, zur Verfügung stellen. Das grosse
Problem ist, dass bereits bei den jetzt aushaftenden Krediten der
Österr. Kontrollbank man damit rechnen muss, dass ca. 1 Mia. S derzeit
schon nicht rückgezahlt werden. U.a. wurde beim Nordkorea Moratorium
bekommen haben, im Kongo von der VÖEST eine Raffinerie errichtet,
die zu zwei Drittel fertig gebaut ist und sich jetzt herausstellt,
dass die dafür notwendig Elektrizität nicht zur Verfügung steht. Man
muss daher zuwarten, bis ein Flusswasserkraftwerk errichtet wird.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte erkundige Dich unauffällig, was im
Kongo wirklich passiert ist.
Beim Essen resp. dann nach der Ministerratsvorbesprechung habe ich
Kreisky und Rösch über die Wünsche der Sambesen informiert. Ein
Kredit wurde dann nicht mehr vereinbart, Kreisky ist auch davon abge-
kommen scheinbar von der Steyr-Daimler-Puch-Gesellschaft Waffen-
und Gerätelieferungen ohne einen Gewinnaufschlag zu verlangen, weil
Präs. Kaunda ja auch diese nicht bezahlen kann. Kaunda hat aber
übrigens noch dezidiert erklärt, er lässt sich von den Amerikanern
nichts geben, die einige Möglichkeit wäre, dass Österreich liefert
und die Amerikaner uns bezahlen. Etwas sehr kompliziert, sehr ver-
strickt, glücklich bin ich, dass ich nicht diese Waffenlieferungen
mit ihrer Problematik lösen muss. Ich wüsste dafür keinen Ausweg.
Beim Jour fixe erwähnte Sallinger, dass Lohberger, Zentralheizungs-
installateur, 200 Beschäftigte, Export ca. 30 Mill., ein Drittel
direkt, 2/3 angeblich über Händler, erklärt haben soll, er braucht
einen Dienstpass und wenn ihn die Handelskammer nicht ausstellt,
dann würde er sich direkt über Sozialisten an das Handelsministerium
wenden. Einen weiteren Dienstpass will die Firma Baumgartner, die
Swarovski-Verkehrssicherungs-Einrichtungen erzeugt. Ich kam mit Sal-
linger und Mussil überein, dass wir an dem jetzigen System der Dienst-
pässe-Ausstellung festhalten. Die Handelskammer wird restriktiv
vorgehen und genau prüfen, ob ein Dienstpass unbedingt erforderlich
ist.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte alle Anträge der Handelskammer zur
Begutachtung schicken.
Mussil wollte allen Ernstes für die 35.000 S, die ich der
Handelskammer für die Erhebung des Konsumentenbeirates Ladenschluss-
frage bei Handelsbetrieben zuschiesse, auch die darauf entfallende
Mehrwertsteuer. Ich lehnte dies aus prinzipiellen Gründen ab, weil
es sich doch indirekt um eine Subvention handelt und ich mir nicht gut
vorstellen kann, dass wir Subvention plus Mehrwertsteuer bezahlen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH UND WAIS: Bitte das im Beirat klarstellen, weil
angeblich von Haus aus bereits für diese Art der Berechnung grosse
Sympathien ja fast Zusagen gemacht wurden.
Natürlich kam Mussil auf die Auseinandersetzungen wegen der letzten
Besprechung über die automatische Lizenzierung für Bekleidung und Tex-
tilien zu sprechen. Mussil musste auch gegenüber Sallinger zugeben,
dass der Vorschlag der Handelskammer ungünstig gewesen ist und eine
Diskriminierung des Westens dargestellt hätte. Mussil meinte, der
Einzige, der hier objektiv von seiten des Ministeriums gehandelt
hat, war Min.Rat Bachmayer. Bei den anderen incl. meiner Person be-
steht eine ungeheure Aversion gegen die Vorschläge der Handelskammer.
Die nicht immer sachlich begründet sind. Ich versuchte, ihm das
Gegenteil zu beweisen, weil die Vorschläge der Handelskammer schon
immer als undurchführbar bezeichnet wurden und die Vertreter der
Handelskammer gar nicht bereit sind, auf andere Vorschläge ein-
zugehen. Dies wird die Handelskammer früher oder später selbst ein-
sehen.
Bezüglich der Ölmühle wird die Handelskammer jetzt trachten, die
Händlergruppe und die Mischfuttererzeuger ebenfalls in das Projekt
einzubeziehen. Mit Unilever zusammen glauben sie, einen entsprechenden
Gegenpart gegen die Landwirtschaft – Wohlmeyer – und auch dem Konsum
darzustellen. Mussil war sehr verwundert, von mir zu erfahren, dass
die Arbeiterkammer und der ÖGB einsehen, dass es bei einem schwedi-
schen Schutzsystem für Österreich auch zu einer Erhöhung der Ver-
braucherpreise kommen wird.
Für das Berufsausbildungsgesetz, wo eine weitere Sitzung mit Hof-
stetter, Mussil und mir vereinbart wurde, ist die Handelskammer
bereit, den Vorsitz in den Lehrlingsstellen an einen Beamten des
Ministeriums resp. der Landesregierungen für die Landesbeiräte
abzutreten. Zur Auflösung des Lehrverhältnisses braucht der Lehrling
in Hinkunft nicht mehr 3 Monate zuwarten, wenn der Unternehmer löst,
soll allerdings nicht das Einigungsamt angerufen werden können.Die
Bildungsfreistellung der Ausbildner könnte solange nicht im Berufs-
ausbildungsgesetz geregelt werden solange nicht die gesamte Bildungs-
urlaubsfrage endgültig geklärt ist. Der Lehrherr soll aber verpflich-
tet werden, entsprechende Ausbildungsmöglichkeiten den Ausbildnern
zu verschaffen. Die Internatskosten, derzeit zur Hälfte zwischen
Eltern und Lehrherrn nach Beistellung der vollen Lehrlingsentschädigung
geregelt, sollen so geändert werden, dass zuerst doch ein Taschengeld
von 10 % für den Lehrling zur Verfügung gestellt wird und dann der
Rest nach Einbehalt der Lehrlingsentschädigung zu einem Drittel von
den Eltern und zu zwei Dritteln von den Lehrherren bezahlt werden
soll.
Beim Pressefrühstück berichteten Vertreter des Landwirtschaftsministe-
riums und Bautenministeriums über die Wasser- und Seenreinhaltung.
Das wirklich Problem ist, dass noch immer für 3 Mia. S Anträge für
die Seenreinhaltung nötig sind, schon jetzt aber so grosse Belastungen
für die Anrainer erwachsen, dass diese kaum bezahlt werden können.
Wenn der Rückzahlungsbetrag über 16.– S pro m³ liegt, soll in Hinkunft
die 25-jährige Laufzeit der Kredite bis zu 50 Jahren ausgedehnt werden
können. Im Extremfall gibt es jetzt Belastungen von 56 S pro m³ Abwasser.
Unsere Seenaktion mit 10 Mill. S, wenn auch nur für die Anschlussgebühren,
die viele auch nicht leisten können, ist wirklich nur ein Schlag ins
Wasser. Hier könnte man sagen "Abwasser". Kanawal von der Presse wollte
unbedingt wissen, wieviel heuer für die Seenreinhaltung zur Verfügung
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gestellt werden kann. Zum Glück hat der Beamte des Bautenministeriums
nicht konkret geantwortet, sondern sich auf die nächste Sitzung ausge-
redet. Überhaupt erklärte ich, sind die Forderungen an den Wasser-
wirtschaftsfonds seit jeher wesentlich grösser gewesen als er auch
nur trotz der Milliardeneinsätze zur Verfügung stellen kann. Die
Vorbelastungen und Zusagen gehen weit über die Rückflüsse hinaus.
Darüber beginnen aber jetzt einige Unternehmer aber auch Gemeinden
ganz einfach nicht mehr zurückzuzahlen, weil sie, wie sie sagen, dies
finanziell nicht mehr verkraften können. Wie Bautenminister Moser
mit dem Problem fertig wird, ohne dass es zu einer kräftigen Erhöhung
seiner Einnahmen kommt, weiss ich auch nicht. Kreiskys Idee mit dem
Wasserschilling, den wir zuerst entsprechend propagieren müssten, damit
die Bevölkerung einsieht, dass hier etwas geschehen muss, ist auch wieder
leise entschlafen.
Magister Unterberg, der die Berechnungen über die Zollabsenkung
für Waren aus der EG ab 1. Juli durchgeführt und daher auch in der
Pressekonferenz dargelegt hat, hat so ziemlich alle restlos verwirrt.
Halusek, Kronen-Zeitung wollte wissen, ob die Lebenshaltungskosten
dadurch zwischen 1 und 4 % im Juli gesenkt werden könnten. Davon
kann überhaupt keine Rede sein, erwiderte ich sofort, denn die vorge-
legten Unterlagen zeigen, dass der Ab-Grenze-Preis nur eine ent-
sprechende Berechnung der Zollsenkung ermöglicht, wie er sich aber
auch die Verbraucherpreise auswirkt, kann niemand jetzt sagen, ja
selbst nicht einmal für die vier anderen Etappen, die wir bereits
durchgeführt haben, genau feststellen.
Würzl berichtete dann über die Ergebnisse der bulgarisch-österr.
FV-Gemischten Kommission. In Wirklichkeit auch dort viel Lärm oder
wenn man es anders ausdrücken will, viel Aufwand um Nichts. Diese
ganzen Gemischten Kommissionen verursachen im wahrsten Sinne des
Wortes nur Kosten und deren Nutzen ist gleich Null.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Versuche bitte immer wieder Wege zu besprechen,
wie man von diesen Gemischten Kommissionen überhaupt wegkommen könnte.
Präs. Weiss von der Verbundgesellschaft verständigte mich, dass bei
der Aufsichtsratssitzung die Frage der Vorstandsbezüge zur Sprache
kommen könnte. Ich selbst habe ihm sofort erklärt, dass ich bereit
bin, eine entsprechende Erhöhung der Vorstandsbezüge in den
Sondergesellschaften und bei der Verbund zuzustimmen, wenn gleichzeitig
die Frage der Einbehaltung der Aufsichtsratsentschädigung für
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Vorstandsmitglieder zumindestens etappenweise gelöst wird.
Weiss war sehr verwundert von mir zu hören, dass bis in die
Fünfzigerjahre die Abfuhr an die Verbundgesellschaft bestanden
hat. Er stimmte glaube ich mit meiner Auffassung überein und wird mit
den Direktoren ein diesbezügliches Gespräch führen und mir entspre-
chende Vorschläge unterbreiten.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Wo bleibt die Berechnung von Erbacher und
Bandhauer zu diesem Vorschlag?
Der bulgarische Botschafter Ganowski geht jetzt nach Sofia zurück
und meinte, während seiner Tätigkeit sei es doch gelungen, die
Konzeption, österr. Firmen mit bulgarischen auf Drittmärkten
nicht nur zu verankern sondern auch in der Praxis durchzuführen.
Hier gibt er sich aber einer Illusion hin, denn natürlich werden
diesbezügliche Gespräche zwischen Firmen geführt in der Praxis aber
wird es kaum zu irgendwelchen Abschlüssen kommen. Neuerdings
urgierte ich die Beizanlage für die VÖEST, weil Minister Christow
bei seiner Durchreise Meisl gegenüber erklärte, Österreich sei
zu teuer und hätte kaum eine Chance, den Zuschlag zu bekommen.
Ganowski selbst ist glaube ich jetzt auch schon amtsmüde, denn
er meinte, hier könne man kaum mehr etwas machen. Interessant war, dass
er noch den 2-Mia.-S-Kredit, den Österreich Bulgarien eingeräumt hat,
erwähnte und gleichzeitig aber sagte, die Rückzahlung von Krediten
resp. grössere Importe Bulgariens nach Österreich wird immer schwie-
riger. Hier wollte er die Perspektiven wissen. Ich habe ihm ziemlich
reinen Wein eingeschenkt.
Präs. Leberl mit Hofrat Fichte und Soos besprach mit Plesch und mir
Personalprobleme. Hofrat Fichte soll jetzt dem Vizepräsidenten
Schmeiser als Techniker nachfolgen. Personaleinsparungen beim
Patentamt seien unmöglich, weshalb Leberl beabsichtigt, sogar
mit Kreisky über dieses Problem zu sprechen, wenn ich dagegen
nichts einzuwenden habe. Ich erklärte sofort, wenn er sich davon
etwas verspricht, kann er dies ruhig tun, zweckmässig ist nur abzuwarten,
ob tatsächlich die Vereinbarung von Sekt.Chef Schipper mit dem BKA
hält, wonach wir nächstes Jahr nur 2 Dienstposten anstelle der
1 %-igen Quote einsparen müssten. In diesem Fall würden wir gigantisch
gut abschneiden und das Patentamt müsste natürlich überhaupt keine
Personaleinsparung vornehmen. Die Reisekosten des Patentamtes werden
heuer überzogen werden, weshalb eine Zahlung von der Zentralleitung,
wo ein starkes Überschussbudget bei Reisekosten haben, unter dem
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Titel "gewerblicher Rechtsschutz" möglich sei.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte diese Möglichkeit prüfen.
Zum europäischen Patentamt in München möchte Leberl in Hinkunft
mit Dienstwagen reisen, weil dies wesentlich billiger allerdings auch
bequemer kommt als mit der Bahn. An und für sich ist dagegen nichts
einzuwenden, ganz besonders wenn dann womöglich 2 oder gar 3 Beamte
gleichzeitig fahren. Voraussetzung dafür ist dann allerdings, dass
im Ministerrat diese Reisen genehmigt werden, was interessanterweise
bis jetzt bei den Patentamtsreisen stets erfolgt ist. Kreisky
hat überhaupt noch niemals, Reisen die das Handelsministerium beantragt
hat, beanstandet.
Die Besprechung mit Sekt.Chef Frank über den Regierungsbericht
Kernenergie, die dann noch mit Satzinger, Burian und Bandhauer
und Wais fortgesetzt wurde, zeigte mir klar und deutlich, dass
es äusserst schwer ist, diese komplizierte Frage, resp. die techni-
schen Probleme, wie ich immer sage, watscheneinfach oder teppensicher
darzustellen. Wärmepumpen z.B. sind im Stande durch das Wärmegefälle von
8 % auf 2 % entsprechende Aufheizung der abgegebenen Wärme um
25 % durchzuführen. Die Wärmeabgabe beim Kernkraftwerk Tullnerfeld,
wo von 45° ich weiss nicht vielleicht auf 20° herabgekühlt werden
muss und wird, kann aber jetzt technisch nicht mehr genützt werden.
Meine technischen Kenntnisse sind eben unzulänglich, weshalb ich
mich auch in diesem Fall ausschliesslich auf die Gutachten und
Informationen der Fachleute verlassen muss. Um wieviel kompli-
zierter ist dann erst das Getriebe eines Kernkraftwerkes. Hier
hat Kienzl wirklich recht, der immer wieder sagt, wir sind eine
Gesellschaft, die von Experten geführt wird und man muss sich auf
jeden einzelnen verlassen können. Dies gilt, wenn ich mit dem Zug
wohin fahre, dann begebe ich mich in die Hand des Experten oder
Fachmannes, Zugführer und alles was drum und dranhängt und genau
dasselbe gilt für Kernkraftwerke.
Die Ministerratsvorbesprechung war diesmal ungeheuer kurz, Kreisky
erwähnte nur, dass der Energieverbrauch beim Bund wieder um
3,1 % gestiegen ist und daher keinerlei Einsparungsmassnahmen dort
scheinbar greifen. Gen.Dir. Weiser hat ihm jetzt bereits die ersten
Informationen wegen des Kuratoriums Energiesparen gegeben und
Kreisky meinte, man müsste das in einer gewissen Regierungsferne
durchführen. Auch die neuen Vorschläge, die Parteien und Sozialpartner
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jetzt stärker einzuschalten, Taus hat ein diesbezügliches
Kuratorium vorgeschlagen, findet scheinbar nicht den eindeutigen
Zuspruch Kreiskys. Allerdings hat er sich überhaupt nicht mit dem
Problem beschäftigen wollen sondern ist dann gleich zu einem
Vorschlag eines gewissen Werner Reiss übergegangen, ein internationales
Kulturzentrum zu errichten. Reiss ist so wie Büchele von der katholi-
schen Sozialakademie ein wenn man so sagen kann Linker oder
Aufmüpfiger Jesuit, der diese Aktivität entfalten möchte.
Kreisky wird am 1.7. nach Bonn fahren zu einem Empfang den
Schmidt dort gibt, um mit ihm und ganz besonders VW-Vertreter
Schmücker über die PKW-Produktion in Österreich noch einmal
zu reden. Da Kreisky auch fragte, wer die neue Reichsbrücke bezahlen
wird und Moser sofort antwortete, der Bund, wenn auch vorfinanziert
durch die Gemeinde, ergab sich mit Gratz dann eine Diskussion,
wie diese Brücke ausschauen soll, resp. wer letzten Endes be-
stimmt. Gratz meinte, die Jury hätte den ersten Preis jemandem
gegeben, der überhaupt ein Projekt eingereicht, das der
Auslobung nicht entspricht. Er selbst meinte, der ÖGB müsste sich
jetzt einigen, Benya sei für eine Stahlkonstruktion, VP Böck
für eine Betonbrücke. Dies ist sicherlich ein guter Gag, denn
nicht nur beim ÖGB sondern überall gibt es geteilte Meinungen.
Beide – Bauen und Stahlkonstruktion – haben Unterbeschäftigung und
reissen sich natürlich über diesen bedeutenden Brückenauftrag.
Moser und Gratz werden mit Kreisky, davon bin ich überzeugt,
dann die entsprechenden Projekte noch einmal durchbesprechen
und wie immer die Entscheidung ausfällt, sie wird heftigste
Kritik auslösen. Zumindestens bei dem anderen Teil, der nicht
zum Zuge gekommen ist.
Eine längere und härtere Diskussion gab es zwischen Kreisky
und Haiden wegen der Bergbauernförderung. Ein Bergbauern-Komitee
der ÖVP hat bei Kreisky vorgesprochen und Haiden meinte, deren
Forderung würde über 1 Mia. S kosten. Deshalb wird Haiden, resp.
wollte Haiden die Bauernvertreter auffordern, sie sollten jetzt
endlich danach trachten, dass auch die Länder dieselbe Leistungen
den Bergbauern gegenüber erbringen. Kreisky meinte, das sei nur ein
Hinausschieben, man könne zwar nicht mehr machen als man jetzt
schon im Budget vorgesehen hat, seinerzeit wurde auf seine An-
regung 300 Mill. gegen den Widerstand von Weihs sogar eingeführt
und jetzt müsste man halt ein neues Paket präsentieren. Die
Stimmenverluste, die Kreisky durch die Kernkraftwerkszustimmung
erwartet, müssten kompensiert werden, dies könnte nur durch Neben-
erwerbs- und Bergbauern geschehen.
Bei unserer Akademiker-Diskussion au der Landstrasse hatten
wir nicht zuletzt um die Stimmung dieser Intellektuellen zu
erforschen diesmal ausschliesslich die Kernkraftwerksproblematik
auf die Tagesordnung gesetzt. Heindl konnte als Gag einleitend sagen,
man sieht wie alles bei uns planmässig gestaltet wird, denn die
vor Monaten durchgeführt Einladung trifft sich jetzt sehr
gut, weil morgen und übermorgen im Parteivorstand über dieses
Problem von mir referiert und dann letzten Endes beschlossen werden
soll. Ich hatte in meinem Referat eigentlich, weil ich entspre-
chenden Widerstände erwartete, mehr oder minder immer beide
Standpunkte – der Kernkraftwerksgegner und der Kernkraftwerks-
befürworter – dargelegt. Interessanterweise hat es dann in der
Diskussion ausschliesslich KKW-Befürworter gegeben. Entweder sind
die anderen die schweigende Mehrheit, wie dies auch bei dem
Meinungsumfragen immer wieder herauskommt, oder dieser intellektuelle
Kreis, der Heindl und mich jetzt schon jahrzehntelang kennt, hat
soviel Vertrauen zu dem, was wir sagen, dass sie dies als richtig
und gegeben hinnehmen. Über diese Diskussion war ich das erste Mal
wirklich persönlich sehr überrascht.
Tagesprogramm, 20.6.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)