Samstag, der 18. Juni 1977

37-0732

Samstag, 18. Juni 1977

Der ASKÖ hat im Radstadion, welches auf mich einen ungeheuren
Eindruck gemacht hat, eine Veranstaltung und er suchte Minister,
wenn möglich bei Siegerehrungen anwesend zu sein und diese durch-
zuführen. Nicht nur, was ich für selbstverständlich erachtete,
war der Präsident des ASKÖ Minister Lanc anwesend, sondern zu meiner
grössten Überraschung auch Rösch. Das Radstadion ist wirklich eine Wucht,
die Frage wird nur sein, wie man entsprechende Kriterien hinbringt
und die Bevölkerung daran zu interessieren. Die Siegerehrungen der
Minister machen dies sicherlich nicht aus.

Die Besprechungen mit den Präsidenten Kaunda, Sambia und vor allem
dann beim Essen mit dem Wirtschaftsminister Mulemba bestätigten
die schwierige Situation, in der sich der Staat befindet. Kaunda
ist daran interessiert, entsprechende Wirtschaftshilfe zu bekommen,
noch wichtiger aber erscheint ihm, Waffen und Gerät für die Ver-
teidigung zu bekommen, denn er erwartet in kürzester Zeit eine
Explosion im südlichen Afrika. Kreisky offerierte ihnen bei der
offiziellen Sitzung, eine Musterfarm, wie wir sie auch in Ägypten,
Tunesien und sonstwo mit Entwicklungshilfegeldern zur Verfügung
gestellt haben. Der Rückgang unserer Exporte auch Importe ist
auf den Verfall des Kupferpreises zurückzuführen. Vor zwei Jahren
noch 140 Mio. sind wir jetzt auf 50 Mio., was Ein- und Ausfuhr be-
trifft, zurückgegangen. Mulemba hat mir dann beim Essen im Detail
geschildert, was dies für das Land bedeutet. Die einzige Einnahmen-
quelle und die grösste ist und bleibt Kupfer. Ein Land x-mal grösser
als Österreich und nur mit 5 Mill. Einwohnern steht vor unlösbaren
Infrastrukturproblemen. Die paar Srrassen, die sie mühsam aufgebaut
haben, sind durch die politischen Ereignisse gesperrt. Die ein-
zige Verbindung zu einem Hafen ist die Eisenbahnlinie bis Akadarem Salam, welche die Chinesen gebaut haben. Die Chinesen haben dafür
einen Kredit zur Verfügung gestellt, ohne Verzinsung, 10 Jahre rückzahlungs-
frei und sehr langfristig genau wusste er es nicht, aber er schätzte
30 – 50 Jahre. Ähnliche Unterstützung erwarten sie sich vom Westen.
Kreisky hat im kleinsten Kreis dann Pahr und mir erzählt, er hätte
unter 4 Augen vom Präsidenten erfahren, dass diese einen Überfall
auf ihren Staat erwarten. Deshalb sollten wir ihnen auch Waffen
und Munition zur Verfügung stellen. Patronen, Minen, aber auch
Panzer sollen verhandelt werden. Da sie kein Geld haben,
möchte Kreisky, dass z.B. Steyr-Daimler-Puch Waffenlieferungen wie
Panzer und sonstiges zu Selbstkosten, d.h. ohne Gewinn gibt.



37-0733

Diesbezügliche, Verhandlungen sollten aber erst dann beginnen,
bis Kaunda, der die Waffen und Geräte unbedingt noch in der Praxis
sehen will, sich endgültig dazu entschlossen hat. Ich habe Rösch
noch abends sofort verständigt, dass am Montag eine Demonstration
in der Heereskraftfahrschule Baden erfolgen soll. Rösch meinte
mit Recht, dass dafür wenig Zeit jetzt zur Vorbereitung gegeben ist,
Kreisky und Pahr waren der Meinung, das Militär müsste sowieso scheinbar
in ständiger Alarmbereitschaft sein und könnte überhaupt kein
Problem darstellen, eine solche Veranstaltung zu organisieren.

Alle Reden insbesondere des Präsidenten waren sehr lang und beschäf-
tigten sich immer wieder mit der politischen Situation und der
Apartheid-Politik Südafrikas. Wirklich neu und auch für mich beeindruckend
war, bevor er dann beim Festbankett seinen Begleiter ersuchte, zu
ihm zu kommen und sie stimmten dann ein Freiheitslied für Afrika an.
Der Präsident hat vorgesungen und alle haben im Chor dann eingestimmt.
Beeindruckend für mich war weder der Text, den ich ja kaum verstand,
wohl aber die verhältnismässig schönen Stimmen, die zweistimmig
im wahrsten Sinne des Wortes überall auftreten konnten. Eines ist mir
vollkommen klar, die afrikanische Seele verstehe ich nicht. Voraussetzung
dafür ist aber auch, dass man sie genauer kennt. Handaufhalten bedeutet
bei ihnen, wie man mir erklärte, nicht, man will mehr sondern heisst
man bedankt sich dafür. Blick niederschlagen heisst nicht, man ist
verlegen oder man hat sogar gelogen sondern Respekt vor der Person,
mit der man spricht. Immer wieder dasselbe, man weiss zu wenig über das
Volk, man hat keine Zeit, sich im Detail damit zu beschäftigen, wes-
halb ich persönlich daraus nur eine Konsequenz ziehe, nur nicht schnell
urteilen, weder für die Schwarzen noch für die Weissen schon gar nicht
aber gegen die Schwarzen, schon gar nicht gegen die Weissen. Richtig
ist andererseits, dass Kaunda mit Recht sagt, alles was in Afrika
geschehen ist, war zu spät und deshalb meist schmerzvoll und
blutig. Ob sich dies ändern wird?

Beim Gala-Dinner traf ich Präs. Minkowitsch und Parteiobmann Taus.
Ich machte sie darauf aufmerksam, dass ich am gestrigen Tag noch
den Vorentwurf des Regierungsberichtes den Klubs übersendet habe.
Taus meinte, die ganze Diskussion über die Kernkraftwerke hätte man
sich ersparen können, wenn man gleich zielstrebig und eindeutig
von seiten der Regierung vorgegangen wäre. Ich verwies als Entlastung
drauf, dass es innerhalb der Parteien Pro- und Kontra-Ansichten
bei der Kernkraft gibt, bei uns z.B. ist der härteste Verfechter


37-0734
dagegen Paul Blau, der mich, wie ich nebenbei bemerkte, schon als
Obmann der soz. Jugend vor 30 Jahren gestürzt hat. Taus bemerkte,
dass es ganz uninteressant ist, was Paul Blau und andere denken,
entscheidend ist, ob die Regierung insbesondere der Bundeskanzler
klar und deutlich entscheidet. Dieser Prozess ist eingeleitet und
wird in der nächsten Zeit abgeschlossen. Ich hoffe, dass es auch im
Parlament gelingen wird, eine diesbezügliche Entscheidung herbeizuführen.
Taus erwiderte, dass dies weder in der Vergangenheit noch in der
Zukunft so war oder sein wird. Scheinbar gibt es für ihn persönlich
in dieser Frage kein Problem. Wie weit er sich in seiner Partei
allerdings mit seiner klaren Haltung durchsetzen wird, wird für mich
erst die Zukunft zeigen.

37_0731_01

Tagesprogramm, 18.6.1977


Tätigkeit: Präs. Bauernbund
GND ID: 118894366


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Chefredakteur AZ, ÖGB-Bildungsreferent


      Einträge mit Erwähnung:


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Bundeskanzler
          GND ID: 118566512


          Einträge mit Erwähnung:


            Einträge mit Erwähnung:
              GND ID: 118756265


              Einträge mit Erwähnung: