Dienstag, 21. Juni 1977
Gen.Sekr. Effenberger und Dr. Hellar vom ARBÖ berichten mir über
die Verhandlungen mit dem ÖAMTC wegen Beilegung der offenen Fragen
zwischen den beiden Autoverbänden. Der ÖAMTC hat Dr. Hellar als
den Autor einer Strassenverkehrsordnungsausgabe geklagt, weil dieser
ohne Genehmigung eine Zusammenstellung mit all den Druckfehlern,
die drinnen waren, des ÖAMTC übernommen hat. Ausserdem ist die
Fraktion des ÖGB ebenfalls vor den Richter zitiert worden, weil
sie alle Funktionäre der Fraktion und Betriebsräte eine wenig miss-
zuverstehende Aufforderung geschickt hat, den ÖAMTC aus- und dem ARBÖ
beizutreten. Hier wurde insoferne geschickter agiert, als man
wenigstens nur als Service-Leistung den Angeschriebenen empfohlen
hat, die vorgelegt Drucksorte, welche den Austritt des ÖAMTC durch-
geführt hätte, zu benützen. Um all dies beizulegen habe ich Dr. Veith
den Generalsekretär des ÖAMTC, vor längerer Zeit besucht und aufge-
fordert, mit Effenberger Verhandlungen zu führen, um vielleicht alle
offenen Fragen aus der Welt zu schaffen. Der ÖAMTC wieder hat als
Hauptproblem, dass der ARBÖ die Garagen von der Gemeinde Wien angeb-
lich bekommt, während er gar nichts erhält. Tatsache ist, dass in
Gemeindebauten früher Abstellräume für Mopeds und Motorräder vorge-
sehen waren, die der ARBÖ mieten konnte. In der Zwischenzeit können
sich die Mopedfahrer, meistens junge Leute, diese Garagen gar nicht
mehr leisten und die Funktionäre des ARBÖ haben über all, wo es
ging, durch Aufbruch der Wand Autogaragen daraus gemacht. Meistens
allerdings nur für zwei bis 3 höchsten vier Wagen. Wenn man 400.000
Garagen rechnet, mit 20.000 m² so sieht man schon, wie wenig Autos
eigentlich dort untergestellt werden können.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte Termin mit Veith und Effenberger zwecks
Besprechung mit mir vereinbaren.
Der ARBÖ beschwert sich mit Recht, dass die vom Konsumentenbeirat empfoh-
lenen Schlichtungsstellen für Reparatur- und Autokauf-Streitigkeiten
in einzelnen Ländern tatsächlich errichtet und ausgebaut wurden,
in anderen fast nichts weitergeht. Die Innungen haben solche Schlich-
tungsstellen schon seit längerer Zeit und sollen nun durch Konsumenten-
vertreter ergänzt werden. Die Überlegung war, dass die AK oder der ÖGB
kaum die notwendigen Fachleute dafür haben werden und automatisch
damit ARBÖ-Funktionäre heranziehen werden. Darauf kann und will
ich keinen Einfluss nehmen. Wichtig erscheint mir aber, dass
tatsächlich die von mir in der Öffentlichkeit angekündigten Schlich-
tungsstellen so schnell wie möglich ergänzt werden und effektivere
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Arbeit leisten. Vor allem hat Effenberger recht, wenn er meint,
es müsste jetzt auch von Seiten des ARBÖ und aller anderen Inter-
essenvertretungen die bestehenden Schlichtungsstellen propagiert
werden, damit sich die Leute dorthin wenden.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte auf TO für nächstes Jour fixe setzen.
Im Ministerrat hatte ich überhaupt keine Vorlage und die Tagesord-
nung wurde auch so wie immer schnell und ohne Diskussion abgewickelt.
Humorvoll könnte man sagen, dass das wichtigste Ereignis war,
dass die Regierung wieder einmal, nachdem sie jetzt umgebildet wurde
– interessanterweise sprechen die Zeitungen von Kreisky III, wohl
wenn man die Änderungen während einer laufenden Legislaturperiode
zählt, dann es sicherlich schon wesentlich mehr Kreisky-Regierungen
gäbe, wenn man dagegen nur was glaube ich richtig ist, zählt, solange
eine Regierung als solche vom Bundespräsidenten neu vereidigt wird,
dann gibt es Kreisky III seit 1975. Wenn jemand abergläubisch ist und
alte Sprichwörter gelten lässt, dann heisst es alle guten Dinge sind drei.
Die Vorbesprechung zur Generalversammlung der ÖFVW mit Dr. Zedek, dem
geschäftsführenden Obmann, Zolles und Kübler, ergab dann auch bei
der Generalversammlung einstimmig festgestellt wurde, dass wir uns
doch für eine neue Unterkunft in Wien für die Zentrale umsehen müssen.
Das an und für sich gut geeignete Domizil in der Hohenstaufengasse, eine
zweckentfremdete Bank von Otto Wagner, wird, wie auch der Bautenver-
treter Fichtl dann in der Generalversammlung mitteilte, wahrscheinlich
erst in etlichen Jahren endgültig renoviert. Jetzt hat man erst Archi-
tekten bestimmt, wie z.B. Boltenstern, der die Renovierung durchführen
soll. Dies könnte von der ÖFVW noch abgewartet werden, wenn gleich-
zeitig eine Aussicht bestünde, dass die dort untergebrachten anderen
Dienststellen tatsächlich aus dem Haus ausziehen. Das BKA – verstaat-
lichte Industrie und ERP sollten in die Hofburg übersiedeln. Der neue
Sektionschef für beide Sektionen, Gatscha, der sicher sehr daran inter-
essiert wäre, aber die Bundesgebäudeverwaltung, das Denkmalamt erklärt,
dass in der Hofburg aus Denkmalschutzgründen eine solche Übersiedlung
wieder nicht möglich. Einstimmig wurde deshalb beschlossen, um ein
anderes Zentralgebäude sich umzusehen. Das Gebäude von Minerva in
der Zieglergasse ist jetzt mit 42 Mill. von der Gesiba angeboten. Dort
könnte nicht nur die Zentrale untergebracht werden sondern auch die Lager,
für die wir jetzt 1 Mill. S bezahlen müssen. Die Miete in der Hohenstaufen-
gasse ist mit 250.000 S sehr billig. Wenn das Haus gekauft wird, worauf
jetzt alle drängen, wird die Miete zwar wegfallen, dafür aber entsprechend
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hohe Installationen und Investitionen notwendig sein. Man schätzt
dass man mindestens 15 Mill. S auch dafür brauchen wird. Ich habe
mit dem Vertreter von Wien, Dr. Krebs, gesprochen, damit er versucht
mit seinen Funktionären bei der Gesiba eine entsprechende Preis-
reduktion oder, was noch besser wäre, irgendwo anders ein anderes
Projekt z.B. eine nicht mehr benötigte Schule für die ÖFVW zu bekommen.
Die Fremdenverkehrspolitik und der österr. Fremdenverkehrswerbungsbericht
wurde einstimmig, ja ich kann sogar sagen als eindeutig positiv zur Kennt-
nis genommen. Nur Dr. Oppitz von Salzburg meinte, die jetzt in Angriff
genommene neue Politik wie Verkaufswerbung, Reorganisation der Basis-
organisation zeige immer deutlicher, dass ein Realisierungsinstrument
für die Fremdenverkehrspolitik geschaffen wird, deren Zielsetzung
vielleicht sein könnte, die Länderkompetenz doch irgendwie aufzu-
weichen. Er sagte es nicht so deutlich, hat aber eine grundsätzliche
theoretische Diskussion beginnen wollen. Ich habe, ohne dass er
es vielleicht bemerkte dann durch beruhigende Erklärungen das Handels-
ministerium wird niemals die Kompetenz der Länder beschneiden wollen,
diese theoretische Diskussion abgeblockt. Man weiss nämlich nie, was
dabei herauskommt, ich verwies darauf, dass wir in der Praxis in den
vergangenen 7 Jahren und ganz besonders ich als Verantwortlicher
für das Handelsministerium immer wieder gezeigt haben, dass alle
Beamten stets unter Wahrung der Kompetenz der Länder jedwede Aktionen
und Aktivitäten ausschliesslich im Einvernehmen mit den Ländern resp.
Interessensvertretungen gestartet haben. Mein Vorschlag war daher
nicht jetzt in der theoretischen Diskussion sich womöglich zu ent-
zweien, sondern in der praktischen Arbeit zu demonstrieren, dass
die bis jetzt erfolgreiche Fremdenverkehrspolitik fortgesetzt werden
und verbessert werden soll. Interessant war noch der Punkt, wo Abg. West-
reicher aus dem Bericht von mir, dass jetzt 600 Mill. S für die ERP-
Ersatzaktion zur Verfügung stehen, meinte, dies wären nur 400 Mill. S
Der Finanzministeriumsvertreter Kaber hat sofort scharf dagegen Stellung
genommen und meinte, es wären 6 Tranchen, wenn auch nicht à 100 Mill.
sondern durch die Kreditkostenverteuerung ein bisschen weniger sicher-
lich aber nicht unter 85 Mill. S herauskommen. Der Obmann der Fremden-
verkehrssektion Scheiner meinte, mir gegenüber, es werden sicherlich
565 Mill. sein.
ANMERKUNG FÜR JAGODA UND HAFFNER: Bitte sofort die entsprechenden Be-
rechnungen anstellen und mit mir besprechen.
Vor der Sitzung habe ich mit Min.Rat Kaber vom Finanzministerium
noch geklärt, dass wenn wir das Budget von 220 Mill. dieses Jahr im
nächsten Jahr auf 240 Mill. S erhöhen, der Bund 12 Mill. mehr be-
zahlen muss und nicht wie jetzt auf Grund der Richtlinien bei einer
10 %-igen Kürzung der Subventionen im nächsten Jahr weniger bezahlen
würde. Kaber versicherte mir neuerdings, dass in der Herbstbesprechung
mit dem Finanzminister dies selbstverständlich berücksichtigt wird.
Bei den Landesfinanzreferenten hat es für den Länderanteil in diesem
Jahr schon Schwierigkeiten gegeben. Für das nächste Jahr die Budgeter-
höhung hat bereits die Landesfinanzreferenten beschäftigt und einen gemein-
samen Beschluss noch einmal diese Erhöhung mitzumachen am 8. Juli in einer
Sitzung der Verbindungsstelle der Bundesländer letzten Endes genehmigt.
Ich habe der Leitung der ÖFVW dringendst empfohlen für das nächste
Jahr die Budgets so zu erstellen, dass in Hinkunft nicht mit weiteren
Erhöhungen ohne weiteres gerechnet werden kann.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Kläre bitte fraktionell mit Zolles, wie wir
aus diesem Dilemma herauskommen können.
Seit 1969 wurden die Sitzungsgelder für das Direktorium mit 150.- S
festgesetzt nicht mehr erhöht. Jetzt wollte Hofrat Gaisbacher als
Ländersprecher, dass wir diese sofort auf 500.- S erhöhen. Er hat
seinen Antrag dann reduziert und war mit 150.- S Aufstockung zufrieden.
Ich weiteren Etappen soll man dann schön langsam auf die 500.- S
kommen. Da ich zwar niemals Sitzungsgelder solange ich noch im
Direktorium war genommen habe, auch der jetzige geschäftsführende
Obmann Zedek hält dieses Prinzip aufrecht, habe ich nur ver-
sucht die exorbitante Erhöhung von 150.- auf 500.- S zu verhindern, was
mir auch dann tatsächlich geglückt ist, weil Gaisbacher selbst gleich
seinen Antrag entsprechend reduziert hat. Die ganzen finanziellen
Probleme sind mir im Grund genommen zuwider. Typischstes Beispiel
ist, dass Prof. Bernecker aus dem Jahre 1958 noch offene Rechnungen
zurückzuzahlen hätte, 24.000 S. Seit dieser Zeit schleppen wir unklare
finanzielle Transaktionen mit und haben nun endgültig beschlossen,
auf diese zu verzichten. Bernecker hätte damals angeblich 3.500 S
pro Monat bekommen sollen, lieber auf diese verzichtet und dafür
andere Rechnungen gelegt, die durch keine Beschlüsse gedeckt waren.
Hier bin ich eigentlich immer lieber für saubere Lösungen. U.a. wurden
jetzt die beiden Geschäftsführer neuerdings bestellt und ihr Gehalt von
462.000 auf 532.000 im Direktorium erhöht, damit sind saubere Ver-
hältnisse geschaffen und bis 1980 die Geschäftsführung der ÖFVW
neuerdings festgelegt. Zolles ist der erste und Kübler der zweite.
Die Widerstände, die noch vor etlichen Jahren zu verzeichnen waren,
sind restlos weg, da sich insbesondere Zolles sehr gut bewährt hat.
Wenn ich bedenke, dass um Zolles durchzusetzen um keinen Krieg mit
der Handelskammer und den Ländern zu bekommen, ist sogar auf meine
Geschäftsführung als Obmann verzichtete und Zedek dafür einsetzen musste,
so bräuchte ich dies jetzt eigentlich gar nicht mehr. Eine Anfrage
in der letzten Generalversammlung, ob immer ein Vertreter der Handels-
kammer oder nicht auch ein Vertreter der Bundesländer als geschäftsführender
Obmann einmal fungieren könnte, habe ich so beantwortet, dass dies
selbstverständlich möglich sei, ich aber letzten Endes allein entscheide,
ob ich einen geschäftsführenden Obmann bräuchte und wollte oder nicht.
Da dies im Protokoll fehlt, habe ich es ausdrücklich von Würzl hineinrekla-
mieren lassen.
Vor der Klausurtagung in Baden haben die Vertreter der Fa. List unter
Führung des Obmannes der steirischen Landesexekutive des ÖGB bei
mir interveniert, dass Prof. Lenz nicht für die Kraftfahrzeugstudie
Kosten-Nutzen-Analyse Energiesparen herangezogen wird. Lenz hat 1,5 Mill.
S dafür bekommen und befindet sich in einem gewissen zwiespältigen Ver-
hältnis zu AFL. Die Firmenvertreter wieder müssen mit Lenz äusserst vor-
sichtig vorgehen, weil er öfters als Gutachter über ihre Projekte
entscheidet. Mit einem Gutachter will man es sich aber nicht ver-
derben, ja man will ihn nicht einmal ein klein wenig verärgern. Deshalb
ersuchten sie mich, ich sollte, ohne dass ihr Namen speziell genannt
wird, intervenieren, dass man doch die AFL heranziehen soll. Von
Sekt.Chef Frank haben sie wegen der Wasserstoffgewinnnung einen
Forschungsauftrag Antrieb für Motoren bekommen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte erkundige Dich wegen des Forschungsauftrages,
damit wir mit Frank dann darüber sprechen.
Vor der Klausurtagung gab es ein Präsidium der Partei und ich wurde
wegen der weiteren Vorgangsweise Kernkraftwerk Tullnerfeld dazu ge-
beten. Kreisky sagte gleich einleitend, er würde vorschlagen, dass der
Parteivorstand den Entwurf des Regierungsberichtes gründlich diskutieren
sollte. Da kaum anzunehmen ist, dass dies in so kurzer Zeit, die mehr oder
minder zur Verfügung steht, möglich sein wird, schlägt er jetzt gleich
vor, man sollte im Herbst dann die Diskussion darüber fortsetzen.
In der Öffentlichkeit müsste deswegen noch nicht der Eindruck ent-
stehen, dass die Partei oder der Parteivorstand nicht einig in der wei-
teren Vorgangsweise sei. Aus dieser Einleitung konnte ich bereits entneh-
men, dass nicht zu erwarten ist, dass mein Bericht über die Regierung noch
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zeitgerecht im Parlament eintrifft. Fischer hat mit Koren gesprochen
und dieser hätte ihm auch angedeutet, es sei nicht beabsichtigt,
im Juli und August über den Bericht zu verhandeln. Eine Permanent-
erklärung des Ausschusses, der sich damit beschäftigen wird, kommt
deshalb auch nicht in Frage. Androsch stand auf dem Standpunkt, alle
Abgeordneten sollen jetzt den Bericht inoffiziell bekommen und
ihn sich anschauen können. Czettel wieder meinte, wenn man im Sommer
sowieso nicht darüber diskutiert, dann sollte man ruhig zuwarten und
erst im Herbst die ganze offizielle Diskussion im Parlament durchführen.
Kreisky fragte mich zwischendurch wie es mit meiner Zeiteinteilung
steht. Ich habe dargelegt, dass wenn das Parlament länger und gründ-
licher zumindestens die Möglichkeit hätte, den Bericht zu diskutieren,
die Opposition sich nicht unter Zeitdruck fühlen könnte. Eine Ent-
scheidung müsste Ende des Jahres fallen, denn zu diesem Zeitpunkt wird
der Nulleistungskontrollbetrieb aufgenommen werden müssen. Bis jetzt
sind die Bauverzögerungen ausschliesslich auf das Konto der Bauunterneh-
mungen zurückzuführen. Wenn einmal aber die Bauformen, d.h. die KWU
sagen könnte, jetzt müsste ein weiterer Bewilligungsbescheid gegeben
werden und die Behörde verzögert, dann ist das Argument weg, dass
bis jetzt alles aus Sicherheitsgründen von der Behörde schärfer
verordnet wurde, aber die Bauverzögerung letzten Endes auf die
Firmen zurückzuführen ist. Kreisky meinte, wenn es bis Jahresende
Zeit hat, dann müsste es auch ohne weiteres noch im Herbst im
Parlament möglich sein, über die Bühne zu bringen. Insbesondere er-
innerte er neuerdings, dass die Lagerfrage noch immer nicht gelöst
ist und wie ich mir diese vorstelle. Ich erwiderte, dass auf Grund der
jetzigen Untersuchungsergebnisse, daß die Firma wahrscheinlich den
Truppenübungsplatz Allentsteig vorschlagen wird. Kreisky meinte ver-
ärgert, das Waldviertel wird radikalisiert von rechten Schülern und
Intellektuellen und da er sich überrumpelt fühlte, meinte er, das
wirst Du mir nicht machen. Genauso scharf antwortete ich, dass ich
prinzipiell überhaupt niemanden hineinlege sondern dass die politische
Entscheidung fallen muss, wo in Österreich gelagert wird und es wird
überall Schwierigkeiten geben. Wieder dann das leidige Argument
wir werden 1979 die Wahl verlieren, wenn wir hier hastig entscheiden
und Zeit dürfe keine Rolle spielen. Czettel unterstützt durch Androsch
wollte seinen alten Plan, man müsse durch Begleitmassnahmen entspre-
chenden Meinungsumschwung in den Lagergebiet bekommen. Kreisky ent-
wickelte dann, obwohl er zuerst meinte, man sollte sich Zeit lassen,
doch einen grossen Sanierungsplan für das Waldviertel. Der Bund und
die E-Wirtschaft sollten 1 Mia. S aufbringen. Ähnlich wie in Aichfeld-
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Murboden nur im Waldviertel für 150.000 Bevölkerung sollte ein
grosses Sanierungsprojekt den Bürgermeistern bei der nächsten
Aussprache mit Kreisky und Maurer vorgeschlagen werden. Durch das
Zelulose-Projekt, welches Kreisky gleich bei dieser Gelegenheit
mit beschliessen möchte, sollte eine Waldaufschliessung des Wald-
viertels erfolgen. In Krems soll eine neue Fertigung scheinbar von
der VÖEST errichtet werden. Das Land NÖ solle man nicht heranziehen
wie Androsch vorgeschlagen hat, denn damit wäre man vom Wohlwollen
Maurers abhängig. Ein Drittel die Elektrizitätswirtschaft, ein Drittel
der Bund und ein Drittel wären Mittel, die sowieso auch für das Wald-
viertel zur Verfügung gestellt werden müssten. Czettel ist mit dieser
Vorgangsweise sehr einverstanden, denn er hat jetzt über den Betrieb,
wo er Betriebsratsobmann ist oder war, Edelstahlwerke Ternitz festge-
stellt, dass viele verstaatlichte Industriebetrieb jetzt durch
Komponentenlieferungen zu Kernkraftwerken, die allerdings fast alle
exportiert werden, einen grossen Teil ihrer Beschäftigung darstellt.
Der Beschluss des Präsidiums lautete dann, dass morgen über den Regierungs-
bericht die Diskussion eröffnet wird und wenn es länger dauert, resp.
ich bin davon überzeugt auch wenn sie nur kurz ist, im Herbst
fortgesetzt werden soll. Wie ich anschliessend dann Heinz Fischer
sagte, kann mir auch diese Vorgangsweise recht sein, in einer
parlamentarischen Anfrage habe ich versprochen, bis in den Sommer
einen Bericht vorzulegen, dies ist indirekt jetzt insoferne erfüllt,
als ja alle Klubs jetzt einen solchen Entwurf haben. Was mich bei dieser
ganzen Angelegenheit nur nach wie vor stört, ist, dass ich immer als
der drängende dargestellt werde, der eigentlich für etwas, für das
ich gar nicht kompetent bin, mehr oder minder Verantwortung tragen
muss.
Die Diskussion über das Parteiprogramm begann über die Arbeitsunter-
lagen Kommission und humane Umwelt, wo Firnberg berichtete. Für mich
interessant war nur Seite 5 die Hinweise auf die Anwendung neuer
Technologie, gemeint ist die Kernkraftwerksproblematik, ohne dies
expressis verbis zu sagen, Kurz- und Langzeitwirkungen auf Mensch und
Natur zu berücksichtigen sind. Verlangt wird eine ausreichend sichere
um umweltfreundliche Energieversorgung. Ausbau von Alternativen und
sich erneuernden Energiequellen. An diesem Beispiel war mir schon
klar, dass auf der einen Seite keine konkreten Forderungen und sehr
konkrete Aussagen aufgestellt werden sollen, auf der anderen Seite
es aber nicht zu den sogenannten Leerformeln gehen soll. Hier den
Mittelweg zu halten, ist wahrlich schwierig. Dies ist auch mit
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einer der Gründe, warum ich mich so wenig für Programmdiskussionen
erwärmen kann. Noch typischer wurde diese Diskussion dann bei
der zweiten Arbeitsunterlage: demokratisierte Gesellschaft, die
Gratz referierte. Kopiert von der Helsinki-Konferenz gibt es dort
drei Körbe: Korb 1 – Demokratie und Mensch, Korb 2 – demokra-
tische Gesellschaft, Korb 3 – demokratische Rechtsordnung. Im Korb 2
ist die Selbverwältigung des Alltags und seiner Bewältigung in Zu-
sammenarbeit mit den öffentlichen Einrichtungen und eventuell
Reformen hingewiesen. Eine Verteilung von Arbeitszeit und Öffnungs-
zeiten als Beispiel wurden Abendstunden in Ämtern angeführt, führte
dann unmittelbar zu einer Ladenschlussdiskussion. Kreisky meinte,
erkennend, welche Gefahr hier droht, dass es übergeordnete Prinzi-
pien geben muss und hier sind die Organisation der Privatangestell-
ten auf dem Standpunkt, es dürfe sich nichts ändern, er selbst
bekenne sich jetzt dazu und möchte unter gar keinen Umständen,
dass aus dem Parteiprogramm entnommen werden könne, dass man
hier etwas ändern wollte. Androsch wies darauf hin, dass er jetzt
mit den Lohnsteuerämtern verhandelt, dass diese sich bereit
finden, während des grössten Antrages auch abends die Ämter offen
zu haben. Dallinger erwiderte dann, so etwas gibt es bei den
Privatangestellten, wenn man am Samstag Verkauf vor Weihnachten
denkt, schon lange. Nittel berichtete über seine Erfahrungen als
er glaubte, als er den Stadtrat-Posten übernahm, einen entsprechenden
Kompromissvorschlag machen zu können. Ich selbst erklärte nur, dafür
sei ich seit 1970 zuständig, was sofort allgemeine Heiterkeit
auslöste. Kreisky erklärte, das sei das erste Mal, dass ich eine
Zuständigkeit zugebe, denn bis jetzt – er spielte da sicherlich
auf die Energiesituation an – hätte ich immer und überall erklärt,
ich sei eigentlich gar nicht dafür zuständig. Was bekanntlich auch
stimmt. Ich verwies auf die Meinungsumfragen, die jetzt laufen
und dass dieses emotionelle Thema niemals so gelöst werden kann,
dass man erwarten dürfe, die Privatangestellten würden abweichen
Die linken Vertreter, junge Leute, die am Programm mitgearbeitet
haben, sind ja zur Parteivorstandssitzung eingeladen worden, ins-
besondere auch Matzner meinten im Parteiprogramm müsste man doch für
die nächsten 20 Jahre darüber etwas sagen können. Kreisky entschied
aber mit einem, wie ich glaube, wirklich guten politischen Finger-
spitzengefühl, dass auch nicht einmal andeutungsweise etwas darüber
im Parteiprogramm stehen sollte. Überhaupt musste ich feststellen,
dass in der Analyse aber auch in den Forderungen Kreisky eine sehr
geschickte Haltung und in meinen Augen verhältnismässig linke
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Stellungnahme einnimmt. Da er letzten Endes sich dann mit
einem kleinen Kreisksind im September, wie er sagte, auf
eine Woche zurückziehen wird, um die Formulierungen für den
Entwurf für den Parteitag endgültig zu machen, glaube ich,
dass letzten Endes dann doch ein verhältnismässig einheitlicher
Entwurf oder wenn man so sagen will ein Vorschlag aus einem Guss
kommen wird. Was beim letzten Parteiprogramm Kautsky machte,
wird diesmal halt Kreisky selbst machen müssen. Ich bin auch
überzeugt, dass er dies unbedingt will. Beneiden tu ich um
diese Arbeit aber keinen. Manche haben in den Pausen mir ein
wenig enttäuscht geklagt über die Art der Programmerstellung.
Da es von mir nicht das erste ist, sondern ich eigentlich seit 1975
das miterlebt habe, ist es für mich nichts Neues. Ich selbst
bin nicht frustriert, da ich mich ja seit 1945 niemals um die
Parteiprogramm-Arbeit in keiner Weise angenommen habe. Jedwede
Mitarbeit war für mich immer lästige Pflicht und keinesfalls
freudiges Ereignis. Ich sehe vollkommen ein, dass eine Partei
im Wandel der Zeit auch ihre Parteiprogramme ändern muss und
meistens geschieht dies dann auch beim Wechsel von Parteiführungen.
Die unmittelbare Politik beeinflusst ein Parteiprogramm und dies
habe ich seit meiner Kindheit verfolgt und erlebt, nur sehr wenig.
In vielen Fällen dient es ausschliesslich dazu, wenn irgendeine
konkrete Entscheidung dann zu fallen hat, dass sich der eine
oder andere auf ein Parteiprogramm beruft, um seinen Standpunkt
durchzudrücken. Da das Parteiprogramm aber niemals sehr
konkret ist, kann man viele Standpunkte damit vertreten. Dies
dürfe der tiefere Grund bei mir sein, warum ich mich für die
Parteiprogramm-Arbeit seit eh und je so wenig interessiere.
Tagesprogramm, 21.6.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 79. Ministerratssitzung, 21.6.1977
37_0751_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)