Mittwoch, der 15. Juni 1977

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Mittwoch, 15. Juni 1977

Bei der Sektionsleitersitzung berichtet Sekt.Chef Schipper,
dass bei den Dienstpostenplanverhandlungen für 1978 das
Handelsministerium nur 2 Dienstposten verlieren würde. Das
wäre gegenüber den neuen, wenn man die 1 %-ige Kürzung, die
im Ministerrat beschlossen wurde, ein wesentlich günstigeres
Ergebnis. Entweder hat die Bürokratie im BKA und Finanzmini-
sterium noch nicht zur Kenntnis genommen, dass auch 1978 1 %
gekürzt werden soll oder sie haben von ihren Ministern resp.
Bundeskanzler noch keine entsprechende Weisung oder, was ich am
ehesten glaube, die Beamten sagen sich, das ist ja nur eine
allgemeine Richtlinie und wir verhandeln für jedes einzelne
Ministerium doch individuell nach dessen Bedürfnissen und Mög-
lichkeiten. Für mich ist es immer wieder frappierend, wie
selbständig die Bürokratie nach wie vor agiert. Sicherlich ist
jeder Minister froh, wenn sein Präsidium ein günstiges Ergebnis
erzielt als in allgemeinen Beschlüssen, die doch jeder mehr
oder minder zwangsläufig zur Kenntnis nehmen muss, entspricht.
Wirklich behindert durch einen solchen Einsparungsbeschluss
wird ja nur dass Mehraufnahmen weitestgehend gestoppt werden.
Z.B. hat das BKA den Wünschen des Patentamtes, zusätzliche
Beamten zu bekommen, eben nicht zugestimmt.

Da ja die Aufgabe der Sektionsleiterbesprechung hauptsächlich darin
besteht, zusammenfassende Berichte der einzelnen Sektionen zu
geben und weniger Grundsatzdiskussionen zu führen, wie wir
sie einmal mit dieser Besprechung beabsichtigten, kommt es
meistens auch bei den einzelnen Punkten nur zu kurzen Dis-
kussionen zwischen dem Sektionsleiter und mir. Da Sekt.Chef
Frank aber über den Entwurf eines Bergbauförderungsgesetzes be-
richtete, wo eine Ausdehnung auf andere als jetzt vorgesehene
Materialien erfolgen soll, warnte ich dringend eine solche
Politik vorzuschlagen. Ich kann mich noch sehr gut erinnern,
wie die ÖVP bei dem neuen Bergbauförderungsgesetz vor Jahren
auch versuchte eine Ausdehnung zu erreichen und die SPÖ mit Recht
abgelehnt hat, weil dadurch weitere Mittel hätten bereitgestellt
werden müssen, die Oppositionspartei wäre dann in der glücklichen
Lage gewesen, immer wieder darauf hinzuweisen, dass zu wenig für
z.B. Magnesit geschehen ist. Frank möchte unter allen Umständen,
dass Wolfram, Uran und ich weiss nicht was noch für Produkte noch


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jetzt aufgenommen werden, weil er eine sicherlich sachlich
begründete umfassende Rohstoffpolitik betreiben möchte. Die
Schwierigkeiten wird es dann geben, wenn dieser Entwurf in
die Begutachtung geht, das Finanzministerium ablehnt, ich
würde es nämlich als Finanzminister auch so machen, und dann
die ÖVP die beste Gelegenheit hat, auf die Gegensätze zwischen
den Ministerien hinzuweisen.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte kläre, wie das Finanzministerium
über diese Frage denkt.

Mir vollkommen unerklärlich war, dass Frank dann noch berichtete,
dass er gegen die Idee des Aussenministeriums und Bundeskanzler-
amtes ist, in der Belgrader Konferenz eine Energie-Initiative zu
entfalten. Er glaubt, dass Österreich besser fährt, wenn es
bilateral mit den Oststaaten seine Energieproblem versucht zu
lösen und jedwede Internationalisierung, die verhältnismässig
guten österr. Vorteile aus den bilateralen Verträgen nur schädigen
kann. Ich musste Frank andeuten, dass diese seine Stellungnahme
auf die schärfste Ablehnung von Kreisky und Pahr stösst. Ich
selbst habe Pahr immer wieder erklärt, dass hauptsächlich die
Personalfrage ein aktives, einfallsreiches Mitarbeiten der
Energiesektion der Grund der Ablehnung von Frank ist. Jedermann
weiss, dass von solchen internationalen Initiativen im Grunde
genommen doch gar nichts übrig bleibt als Absichtserklärungen.
Warum Frank diesen Krieg mit BKA und AM begonnen hat, ist mir
nicht ganz klar. Durch weit über seine Verpflichtung hinaus-
gehende Tätigkeit für den Bundeskanzler in Fragen der Energie-
versorgung, Informationstätigkeit für die Aufklärungskampagne,
in Hinkunft wahrscheinlich auch Kuratorium für Energiesparen
usw., hat er sich einen blendenden Ruf als Fachmann und initiativer
Beamter geschaffen, jetzt setzt er nicht zuletzt wegen seiner
sturen Haltung alle diese positiven Ergebnisse für seine Person
aufs Spiel. Dass er noch in der Sektionsleitersitzung darüber berichtet,
ist mir ein Rätsel, nachdem ich einige Mal im Tagebuch darüber
berichtet habe.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Hast Du mir ihm überhaupt nie darüber ge-
sprochen?

Präs. Leberl berichtet ebenfalls über Aktivitäten, die ich für
problematisch halte. mit Hilfe von Entwicklungsgeldern werden
jetzt entsprechende Kurse für Lizenzfachleute in Österreich abgehal-
ten.



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Leberl ist sehr erstaunt, dass sich dafür 50 Bewerber melden,
obwohl nur 16 – 18 untergebracht werden können. Für mich
ist dies ganz klar, dass Entwicklungsländer, wenn sie nur den
Transport für Beamte zahlen müssen, die dortige Bürokratie
selbstverständlich diese Gelegenheit nützt, um in Wien kosten-
los einen entsprechenden Kurs mitzumachen. Leberl glaubt, dass
damit diesen Entwicklungsstaaten positive Hilfe gegeben wird, weil
sie imstande sind, dann aus dieser Lizenz Kenntnis für ihre
Entwicklung entsprechende Vorteile zu ziehen. Ich dagegen fürchte,
dass diese Staaten dann erwarten, wenn Österreich ihnen schon
einen ersten kleinen Schritt geholfen hat, dass sie dann entspre-
chende Unterstützung materieller Art in jeder Beziehung bekommen
um eben womöglich zur Errichtung eines eigenen Patentamtes
und weiss nicht was nicht noch alles umfangreiche Hilfe bekommen.
Leberl möchte gerne mit mir einmal über dieses Problem sprechen.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte Termin vereinbaren.

Die Arbeitsbauernbündler haben beschlossen, dass sie heuer
keinen Antrag auf Getreidepreiserhöhung stellen wollen. Sie
sehen vollkommen ein, dass es heuer wahrscheinlich unmöglich
sein wird, so wie dies bis jetzt alle Jahre geschehen ist,
tatsächlich eine Getreidepreiserhöhung durchzuführen. Nach
ihren Überlegungen muss die Überschussproduktion zu einer
neuen Getreidekonzeption führen. Nachdem aber jetzt die Prä-
sidentenkonferenz einen diesbezüglichen Antrag gestellt hat,
wollen von der Regierung sie wissen, ob tatsächlich diese
Politik durchgehalten wird und dieses Jahr keine Getreide-
preiserhöhung von der Regierung genehmigt wird. Ansonsten
glauben sie nämlich, dass sie in eine schlechte optische Situa-
tion kommen und würden im letzten Moment noch ebenfalls einen
Antrag stellen. Der Allgemeine Bauernverband hat z.B. ebenfalls
jetzt Kalkulationen ausgearbeitet, wonach nicht nur um 20 Groschen
wie die Präsidentenkonferenz sondern fast um 1.- S der Getreide-
preis erhöht werden müsste. Dass sich das Allgemeine Bauernverband
nicht einmal an das Schema hält, was die Bauern untereinander
einmal abgestimmt haben, ist noch eine weitere Spezialität
dieses allerdings bis jetzt noch nicht offiziell eingereichten
Antrages. Ich versicherte den Arbeitsbauern-Vertretern, dass
ich nicht daran denke. Die berechtigte Befürchtung, die aller-
dings die Arbeitsbauernbündler haben, ist, dass Kreisky dann
aus irgendwelchen Gründen doch im letzten Moment dem Bauernbund


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eine entsprechende Zusage macht. Ich konnte ihnen daher nur
empfehlen, dass sie mit Haiden, mit dem sie schon einen Termin
vereinbart haben, aber ganz besonders auch mit dem Bundeskanzler
über dieses Problem persönlich zu sprechen. Ich selbst muss nämlich
zugeben, dass eine gewisse berechtigte Befürchtung besteht,
bei einem Agrargipfel dann doch irgendeine Kompromisslösung auch
am Getreidesektor gesucht wird. Ich empfahl ihnen aber ganz
besonders, die Vorsprache, die sie jetzt durchführen, als
Aktivitäten für die Bauern dazustellen, ohne dass eben ein
konkreter Antrag auf eine gewisse Preiserhöhung gestellt
werden muss. Wichtiger als nämlich wirklich eine vielleicht um
10 Groschen angehobener Getreidepreis ist die Frage, nach welchem
System in Hinkunft diese Überschussproduktion an Getreide ent-
weder eingedämmt werden muss oder man Mittel und Wege findet,
um die Überschüsse wegzubringen. Für mich gibt es nur die
eine Möglichkeit, den Getreideweizen-Qualitätsanbau ausdehnen
und die Füllweizen-Produktion durch Absenken des Preises letzten
Endes auf Futtermittelpreis über den Markt entsprechend einzu-
schränken. Dies ist für Arbeitsbauernbündler ein furchtbares
Konzept, weil gerade meistens ihre Mitglieder, die weniger
Qualitätsweizen dafür aber umso mehr Füllweizen produzieren,
am meisten betroffen werden.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Hier müsste ein Agrarprogramm für die Klei-
neren andere Auswege aufzeigen.

Der neue rumänische Botschafter Groza war ehemaliger Energieminister
in Rumänien, spricht sicherlich sehr gut Deutsch, wie ich aus Bemer-
kungen entnehmen konnte und legt natürlich grössten Wert darauf,
die Wirtschaftsbeziehungen zwischen unseren beiden Ländern
zu verbessern. Jeder neue Botschafter glaubt, wenn er diesen
Posten antritt, dass er grosse Ergebnisse in seiner Periode
erzielen wird. Tatsächlich haben wir jetzt den Rumänen wegen
der Erdbebenkatastrophe die Exporte von jedweden Produkten nach
Österreich in jeder Beziehung mit Ausnahme von ein paar Textilien
freigegeben und machen keinerlei Schwierigkeiten. Nachdem es sich
hier um eine befristete Freigabe für das Jahr 1977 handelt, sehe
ich schon die Schwierigkeiten auftauchen, wenn wir dann wieder
unsere mehr oder minder indirekte Schutzpolitik gegenüber Rumänien
einschlagen werden.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Lass bitte einmal feststellen, wie wir ihnen
wirklich konkret jetzt auf diesem Gebiet entgegengekommen sind.



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Red. Bohatsch vom Profil wollte bei einem Energie-Interview seine
Auffassung bestätigt, und als dies nicht gelang, zumindestens durch
Fangfragen durchsetzen. "Kreisky hat vor der Sozialpartnerschaft, die
sich für die Kernenergie ausspricht kapituliert." Ich erklärte ihm
sofort, dass er ein Interview mit mir machen will und nicht über
mich mit Kreiskys Ansicht. Die Linie des Profil ist Anti-Kernkraft-
werke, weshalb ich natürlich bei diesem Interview sehr vorsichtig
sein musste. Bohatsch erklärte zum Schluss, er wäre gerne bereit,
das Interview, wie er es jetzt drucken will, mir vorzulegen. Ich
verwies ihn an den Regierungsrat Puffler, der während der ganzen Aus-
sprache dabei war.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Lass Dir von Puffler dann den Text vorlegen.

Personalvertreter Dr. Herold berichtet mir neuerdings über die
Verhandlungen mit der WIGAST wegen der Werksküche. Am liebsten wäre
den Personalvertretern der 5 Ministerien wenn wir eine eigene Küche
machen würden. Für maximal 400 Bezieher derzeit kann sich dies aber
auch nicht annähernd rentieren. Darüber gibt es noch die Schwierig-
keit, dass sie eine Aufstockung von 15 Dienstposten verlangen würden,
die den Einkauf, das Kochen und das Verteilen durchführen müssten.
Mein Vorschlag war daher, man sollte versuchen, an irgendeine Küche
z.B. der Landwirtschaftsschule oder sonst wo sich versuchen anzuschliessen.
Für die Bediensteten des Handelsministeriums, ca. 20 gehen essen, gäbe
es vielleicht sogar die Möglichkeit, in der Küche der Aussenhandels-
stelle am Rochusplatz mitzukochen.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte versuche eine Möglichkeit, wenn die
Wigast tatsächlich aussteigt.

Bei meinem Besuch der Fa. Teich konnte ich zu meiner Überraschung
feststellen, dass gegenüber dem letzten Besuch im Vorjahr dort weitere
Expansionspläne nicht nur bestehen sondern auch durchgeführt werden.
Für diese einzige Fabrik in dieser Gegend im Pielachtal ist eine
gute Beschäftigung ungeheuer wichtig. Da 80 % der Produktion ex-
portiert werden, muss sich die Fa. furchtbar anstrengen, weil durch
die Wechselkurspolitik harter Schilling sie sich nur schwer auf dem
Markt behaupten können. Ihr härtester Konkurrent am Inlandsmarkt
ist eine Wiener Firma, die sich jetzt aber auch, weil sie keine Aus-
dehnungsmöglichkeit hat, nach NÖ absetzt. Turnauer, der Besitzer des
Werkes, der allerdings jetzt in Kanada weilt, ein grosses Forschungs-
labor und Entwicklungsabteilung in einem neuen Haus aufgebaut.



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Turnauer hofft, dass ihm auf diesem Verpackungssektor dasselbe
glückt wie seinerzeit auf dem Lacksektor bei Stollack. Ich kann
dies nur ebenfalls für die dortigen Gegend und insbesondere für
die dort Beschäftigten wünschen. Bei solchen Besuchen und Aussprache
mit den Betriebsräten kommt es mir immer mehr zu Bewusstsein, wie
sehr solche örtlichen Betriebe regionale Bedeutung haben, die man wahr-
scheinlich oft vom zentralen Standpunkt aus leicht vergisst.
Makroökonomisch mögen die 600 dort Beschäftigten, ob die Firma
existiert oder nicht, gar keine Rolle spielen, mikroökonomisch
gesehen wäre es dort eine Katastrophe, wenn dieser Betrieb sperren
müsste. Gott sei Dank ist dort davon nicht die Rede, sondern ganz
im Gegenteil, man wird trotz des harten Konkurrenzkampfes wie
alle fest überzeugt sind, überlegen und sogar noch expandieren.
In den Ansprachen wurde dargelegt, dass man durch die Auszeichnung
mit dem Staatswappen in dieser Politik bestärkt wird. Meine Ein-
stellung dazu ist höchstens: wenn es nichts nützt, schaden wird
es sicherlich nicht, obwohl ich das dort natürlich nicht erklärte.
Bestätigt wurde mir einmal mehr, dass die legerere Vergabepraxis
in meinen Augen besser ist als die von meinen Amtsvorgängern
so restriktiv betriebene Vergabepolitik. Damals waren es wirklich nur
wenige Firmen, wie viele davon Protektionskinder waren, kann ich nicht
feststellen, die in den Genuss gekommen sind, sollte man einmal durch
eine Analyse feststellen.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte lass Dir die Änderung der Vergabepolitik
und die diesbezüglichen Ziffern erklären.

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Tagesprogramm, 15.6.1977


Tätigkeit: Reg.R HM


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    Tätigkeit: Präs. Patentamt


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      Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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        Tätigkeit: MR HM


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          Tätigkeit: Personalvertreter HM


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            Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


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              GND ID: 1017902909


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                  Tätigkeit: rumän. Botschafter


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                    Tätigkeit: Industrieller


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                      Tätigkeit: Chef Energiesektion


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                          Tätigkeit: Bundeskanzler
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