Mittwoch, 25. Mai 1977
Die Fraktionssitzung der Delegierten der Lebensmittelarbeiter-
gewerkschaft verlief ungeheuer ruhig. In meinem politischen Referat
wies ich auf die Differenzen der Personaldiskussion, die eigentlich
die öffentliche Meinungsmacherpresse ORF den Parteien aufzwingt,
hin. Es wird jetzt personifiziert. In unserer Partei die differenten
Auffassungen über die Verwendung von Atomstrom. Durch die Äusserung
von Gratz als Landeshauptmann – man müsse an die zukünftigen Genera-
tionen denken und er sei für eine Verschiebung der Inbetriebnahme
unseres Kernkraftwerkes im Tullnerfeld – und der Gegenäusserung von
Androsch, der mit Recht meint, man kann diese Milliardeninvestition
nicht still liegen lassen, wird sofort wieder eine Profilierungs-
oder Nachfolgediskussionen der beiden Kronprinzen. Verständlich
dass die ÖVP ganz besonders die Landes- und Parteisekretäre bei ihrer
Tagung versuchten, diesen wirklich nur sachlichen Gegensatz zu
einer Personaldiskussion in unserer Partei umzufunktionieren. Dies
müssen sie besonders deshalb tun, weil innerhalb ihrer Partei sehr
wohl jetzt eine Personaldiskussion wieder ausgebrochen ist, die wie
der Kurier mitteilt, verheerende Folgen für ihre Parteimitglieder und
Funktionäre haben muss. Parteiobmann Taus hat vielleicht nicht in
den Worten, die der Kurier und das Profil geschrieben haben, Gespräche
mit Sallinger geführt. wo er Personalkombinationen angestellt hat.
Die ÖVP hofft und hat gute Aussichten, den Präsidenten der ÖNB
wieder zu bekommen. Kloss, der jetzige Präsident geht früher oder
später in Pension. Koren rechnet auf diesen Posten und hat auch
gute Aussichten. Ich entnehme dies einer Bemerkung Kreiskys, dass
Koren ein sehr tüchtiger und guter Mann ist, die dieser schon vor
längerer Zeit bei einer Regierungsvorbesprechung fallen liess.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass in einem Gespräch zwischen
Sallinger und Taus nicht zuletzt wegen der Schwierigkeiten, die die
Nachfolge Korens im ÖVP-Klub auslösen wird, der Wirtschaftsbund
wünscht seinen Kandidaten Präs. Graf von der Bgl. Handelskammer,
der ÖAAB wünscht diesen Posten zu erobern und denkt sicherlich an
Abg. Gruber aus Oberösterreich, was natürlich dort wieder eine
Personaldiskussion, um nicht zu sagen Streit ergeben wird. Kann
diese Frage bis nach den Wahlen aufgeschoben werden, dann kennt man
das Ergebnis der Stärke der ÖVP und kann anders disponieren als
jetzt. Da diese Überlegungen wieder einem Teil der führenden Leute
der ÖVP nicht passt, haben sie durch Information von Kurier diese
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heftigen Angriffe auf Taus ausgelöst. Der Kurier sprach davon, dass
Taus den Posten der ÖNB, haben möchte. Ich bezeichnete dies als
Posten-"Grapsen " und dass dies Fahnenflucht sei. Jetzt musste sich
Taus entsprechend dagegen wehren, hatte keine andere Möglichkeit,
als eben alles abzustreiten. Damit hat er wieder die Ehre der
Redakteure vom Kurier beleidigt, da diese nicht als Lügner dastehen
wollen und nur ausgelöst, dass jetzt umso heftiger die Kampagne
über die Personaldiskussion geführt wird. Payrleitner und Rabl,
wirklich Proponenten der ÖVP-Politik innerhalb des Kuriers haben
die schärfsten Attacken geritten, die man sich vorstellen kann.
Was die Massenmedien anrichten könnten, zeigt anderseits der Muni-
tionsskandal Lütgendorf. Nur durch die Berichterstattung wurde
meiner Meinung nach dieses Problem auf von Lütgendorf selbst so
unglücklich hochgespielt, dass er sich in seinen eigenen Aussagen
jetzt verfangen hat. Für Kreisky und für uns wurde das jetzt
wirklich ein Personalproblem, was sicherlich aber früher oder
später gelöst wird. Wichtiger als diese Personalfragen erschien
mir, obwohl sie natürlich ein guter Aufhänger waren für mein
Referat, die wirtschaftspolitische Situation insbesondere vom
sozialistischen Gesichtspunkt aus zu beleuchten. Die Sicherung
des Arbeitsplatzes war und ist für uns das Wichtigste. In der
ÖVP-Zeit ist es dieser nicht geglückt, weshalb auch der Versuch
Korens, jetzt so glorreich diese Zeit darzustellen, misslingen
muss. 1967 war die Rezession wesentlich geringer in Westeuropa
und die Folgen in Österreich viel deutlicher spürbar. Schmitz
hatte damals unmittelbar vor der Rezession ja schon bei ersten An-
zeichen noch immer seine Steuersenkungspolitik durchgeführt statt
durch Ausgaben des Staates die Wirtschaft anzukurbeln, resp. in
diesem Fall damals noch auf dem hohen Niveau zu halten, glaubte
er durch Steuersenkungen und damit Einkommensverbesserung der Be-
völkerung zusätzliche Nachfrage zu schaffen. Die Reaktion war, dass
insbesondere die Schwerindustrie zu wenig Aufträge hatte und
grössere Arbeitslosigkeit zu verzeichnen war. Koren fand dann einen
ausgelaugten Staatshaushalt vor, musste, um das Budget zu sanieren,
dann mit Paukenschlag Steuererhöhungen – Einkommen-, Lohn-, Auto-
sondersteuer, Alkoholsteuer usw. – einführen. Natürlich ver-
suchte er dann auch durch Kapitalmarktgesetze Ansätze einer pro-
duktiven Arbeitsmarktförderung usw. die Wirtschaft wieder anzukurbeln.
Diese Politik kam aber zu spät und hatte bereits in der Bevölkerung
Eindruck erweckt, die ÖVP kann doch nicht besser wirtschaften als
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die Sozialisten, was letzten Endes meiner Meinung nach zum Wahl-
sieg 1970 der Sozialisten führte. Diesen Fehler dürfen wir nicht
wiederholen, weshalb ich in meinem Referat besonders herausstrich,
dass die Budgetsanierung der wichtigste Punkt im jetzigen Wirt-
schaftsgeschehen ist. Ich habe volles Verständnis dafür, dass
die Arbeiterschaft und dies wahrscheinlich sogar mit Recht eine
Steuersenkung von ihrem individuellen Standpunkt, d.h. von der
Belastung des einzelnen Arbeiters, verlangt. Der Zeitpunkt ist
aber jetzt noch nicht gekommen, wo wir dies durchführen können.
Was mich am meisten verwundert hat, ist, dass es darüber dann keine
richtige Diskussion gab. Entweder habe ich die Genossinnen und
Genossen überzeugt oder sie resignieren. Der einzige Diskussions-
beitrag kam von unserem Salzburger Obmann Suko, der meinte, man
sollte nicht immer von der Sicherung der Arbeitsplätze reden, sondern
von der Vollbeschäftigung. Unter Sicherung der Arbeitsplätze ver-
stehen die Arbeiter, nicht wie es jetzt ständig geschieht durch
Investitionen der Unternehmer, Arbeitsplätze in den Betrieben ständig
eingespart werden. Die Umschichtung, wie wir sie jetzt auch in der
Nahrungsmittelindustrie stärker denn je bemerken, wird zwar von den
Arbeitern zur Kenntnis genommen, führt aber dazu, dass Arbeitsplätze
z.B. in der Brauerei Stiegl, wo er Betriebsratsobmann ist, ständig
eingespart werden. Ich gab ihm in dieser Beziehung recht, habe
aber grosse Bedenken von Vollbeschäftigung zu reden, obwohl wir
diese jetzt mit 1,7 % Arbeitslosenrate wirklich erreicht haben.
Hier gibt es aber dann wieder die differenten Auffassungen, wann
ist Vollbeschäftigung. In Amerika hat jetzt der Economic Adviser
des Präsidenten Carter – Schultze – erklärt, das Ziel der
amerikanischen Regierung sei, die Arbeitslosenrate auf 4,75 %
zu senken. Beveridge hat seinerzeit erklärt, 3 % sei Vollbeschäf-
tigung und Beveridge gilt als der Vater der Vollbeschäftigungs-
theorie. Amerika wird weniger die 4,75 % Durchschnittsarbeits-
losigkeit verheerend sein, sondern die regionale Streuung und ins-
besondere die rassische Komponente dieser Durchschnittsziffer.
4,75 % bedeutet, dass in den grossen Industriestädten, New York, Chi-
cago, Detroit usw. die Arbeitslosenrate wesentlich höher liegen
wird, da am flachen Land wesentlich geringere Arbeitslosen zu
verzeichnen sind und zu verzeichnen sein werden. Für die Neger
aber bedeutet das eine ganz besonders hohe Arbeitslosenrate
von 20 % und mehr. Aus diesem Grund ist daher auch dieser Begriff der
Vollbeschäftigung nur sehr vorsichtig zu verwenden.
Bei der Diskussion über unsere neue Geschäftsordnung ergab
sich sofort die Frage, wer aller im Zentralvorstand vertreten
sein soll. Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg und der Be-
setzung Österreichs wurde die erste Geschäftsordnung dahin-
gehend geschaffen, dass im Zentralvorstand nur Wiener Delegierte
sassen, damit man ohne besondere schwierige Anreisemöglichkeiten
ein beschlussfähiges Organ hatte. Natürlich haben die Bundes-
länder im Laufe der Zeit immer stärker in den Zentralvorstand
hineingedrängt. Jetzt haben wir auch aus OÖ und Stmk. Vertreter,
Salzburg wollte nun schon seit längerer Zeit ebenfalls im Zentral-
vorstand vertreten sein. Da in diesem Fall aber dann unsere
Gesamtvorstandssitzung, wo wir ja aus allen Bundesländern unsere
Vertreter haben, früher oder später überflüssig würde, wurde als
Ausweg festgelegt, jedes Land, das 3.000 Mitglieder hat, soll
auch Sitz im Zentralvorstand haben. Suko hat mit Recht sofort
festgestellt, dass es selbst für Salzburg unmöglich sein wird,
diese 3.000 Mitglieder zu erreichen. Theoretisch wäre dies
möglich, weil sie jetzt schon 2.800 haben, in der Praxis aber
wird dies kaum möglich sein. Die Salzburger haben aber dann
doch auf ihren Antrag verzichtet und so kam es zu einem einstimmige
Beschluss über die Geschäftsordnung, auch dann während unseres
Verbandstages.
Die Verbandstag-Eröffnung gestaltete sich wesentlich anders
als z.B. die der Metallarbeiter. Demler, unser Jugendsekretär,
hatte eine wirklich sehr unkonventionelle Eröffnung vorgeschlagen
und sie dann auch letzten Endes durchgesetzt. In einer Tonbildschau
wurde sehr konkret, sehr aktuell die Situation der Lebensmittel-
arbeiter geschildert. Ein jüngerer Pop-Sänger mit eigener Gitarren-
begleitung hat dann einen modernen Gewerkschaftssong auf unseren
Verbandstag vorgetragen. Warum wir zusammenkommen, warum wir eine
Gewerkschaft brauchen und wieso noch immer so viele abseits
stehen. Nicht nur ich war von dieser Eröffnung gerührt und be-
geistert sondern Weissenberg, unser prominentestes Mitglied,
das wir zur Begrüssung eingeladen hatten, hat nachher gesagt, dies
war die schönste Eröffnung, die er jemals erlebt hat. Auch unsere
Ehrengäste unterschieden sich wesentlich von den Metallarbeitern.
ZS Blümel hat, wie er mir jetzt erst nachher gestand, z.B. auch
die Wünsche der Sozialattachés, an unserem Gewerkschaftstag teil-
zunehmen, glattweg abgelehnt. Er möchte, und dafür habe ich
volles Verständnis, dass unsere Gewerkschaftstage sich dadurch
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auszeichnen, dass sie wirklich reine Arbeitstage sind,
mit wenig Pomp, wo wir sozusagen unter uns bleiben. Am
meisten z.B.Freut ihn, dass es jetzt möglich war, durch
die Unterbringung aller unserer ausländischen aber auch in-
ländischen Delegierten im Tourotel den letzteren ein an-
ständiges Quartier zu bieten. Bis jetzt war es meistens so,
dass wir doch getrennte Quartiere hatten und dann unsere
inländischen Delegierten zum Unterschied von den ausländischen
mit minderen Hotels vorlieb nehmen mussten. Benya wird ein
Referat auf unserem Verbandstag halten, weshalb Vizepräsident
Böck für den ÖGB uns begrüsste. Der Arbeiterkammertagspräsident
von Wien Czettel war noch auf dem Metallarbeitergewerkschaftstag
beschäftigt, weshalb Vizepräsident Mück für die Kammer ebenfalls
nur begrüsste. Fast könnte man sagen, immer die zweite Garnitur.
Für die Ausländer sprach dann der Sekretär der IOL Gallin,
der insbesondere auf den Kampf der IUL gegen die Multis hin-
wies. Gallin ist glaube ich unser linkester Vertreter, den
wir überhaupt in unseren Organisationen der Lebensmittelarbeiter
weltweit haben. Sein Glaube an den Kampf mag aufrichtig und ehrlich
sein, seine Methode glaube ich aber ist wirklich schon ein wenig
überholt. Vielleicht ist dieser Eindruck von mir aber bedingt,
dass wir es uns doch in Österreich mit den Internationalen Multis
besser arrangieren als in anderen Ländern. Vielleicht aber – und
das möchte ich gar nicht abstreiten – erkennen wir in Österreich
die Gefahr, die von diesen Multis ausgeht und die insbesondere
Gallin und manche andere Organisationen besonders stark sehen,
nicht so richtig. Weissenberg hielt dann seine Begrüssungs-
ansprache, die sicherlich der Höhepunkt war und die darin
gipfelte, dass er die Politik fortsetzen wird und die Angleichung
der Arbeiter an die Angestellten jetzt durchziehen möchte.
Selbstverständlich bekam er dafür entsprechenden Applaus, ins-
besondere als er auf den Gegensatz und die Angriffe des General-
sekretärs Mussil von der Handelskammer auf ihn persönlich
und auf seine Sozialpolitik zu sprechen kam. Ich konnte Weissen-
berg nur versichern, dass ihn im Kampf gegen die Handelskammer
ihn jeder einzelne und voll unterstützen wird. Weissenberg
zeichnete eine Reihe von verdienten Funktionären der Lebensmittel-
arbeiter mit staatlichen Orden aus. Er meinte zu recht, wie immer
man zu den Orden stehen mag, eines steht fest, jetzt bekommen
sie auch Arbeiter in einem Ausmass, wie es dies früher überhaupt
nicht gegeben hat und dies mit voller Berechtigung.
Anschliessend folgten die Berichte des Koll. Blümel für
den Zentralvorstand, Koll. Deutsch über die Geschäftsordnung,
die einstimmig dann ohne Diskussion angenommen wurde, Balaz
über die Finanzsituation und Beitragserhöhung, die der
Gesamtvorstand seinerzeit provisorisch beschlossen hat und
die auch jetzt der Verbandstag einstimmig ohne Debatte ge-
nehmigte. Bei dieser Gelegenheit sagte ich zu Deutsch, der
neben mir sass, da werden uns die ausländischen Delegierten
darum beneiden, denn immer wieder teilen uns unsere Kollegen,
die ich zu diesem Verbandstagen schicke mit, wie sehr dort die
Beitragserhöhung harte Diskussionen und Kampfabstimmungen aus-
lösen. Kollegin Mucha berichtete über die Frauen und meldete
einmal mehr den Wunsch an, dass wir uns eine Frauensekretärin
leisten sollten. Abgesehen davon, dass wir gar keine wirklich
tüchtige Kollegin hätten, die wir für diese Arbeit anstellen könnten,
haben wir mit der Bestellung eines neuen Jugendsekretärs schon
grosse Schwierigkeiten mit dem ÖGB. Demler berichtete dann über
die Jugendarbeit und insbesondere Koll. Göbl, der neue Bildungs-
sekretär über seine Auffassung von Bildungsarbeit. Er hat mit
Recht, als er den Bericht gegeben hat, darauf hingewiesen, dass
wegen des Bildungsurlaubes es Schwierigkeiten gibt, die Frei-
stellung der Funktionäre zu erreichen, weshalb unsere Bildungs-
tätigkeit eigentlich zurückgegangen ist, was die Anzahl der
Kurse und auch der Teilnehmer betrifft. Umso mehr kommt unserer
Tätigkeit bei den Wochenendschulungen grosse Bedeutung zu, weil
hier insbesondere die Kollegen aus dem Gewerbe und Jugendliche
daran teilnehmen können. Im Industriebetrieb ist es eine Frage,
ob der Gewerkschafter und Funktionär sich gegen den Unternehmer
durchsetzen kann, damit er eine entsprechende Freistellung be-
kommt. Im Gewerbe ist es allein nicht nur der Unternehmer sondern
auch die anderen Kollegen, die ja dann die Arbeit des auf Schulung
befindlichen machen müssen, die sich gegen die Delegierung eines
Wochenschulungskurses wehren. Hier kann nur die Wochenend-
schulung Abhilfe schaffen. Dies bedeutet aber für unsere Funktio-
näre eine zusätzliche Belastung und ich kann verstehen, dass
daher diese neue Methode nicht begeistert aufgenommen wird.
Ich selbst muss gestehen, dass ich früher viel öfter auch bei
Wochenendschulungen in den Bundesländern gewesen bin und dass
ich in den letzten Jahren überhaupt keine mehr bei den Lebens-
mittelarbeitern gehalten habe. Vielleicht schont man mich, weil
man sagt, ich habe sowieso viel anderes zu tun. Vielleicht aber
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ist auch hier eine gewisse Lethargie zu bemerken.
Abends gab der Bürgermeister einen Empfang im Rathaus mit einem
herrlichen Buffet, Tanzmöglichkeiten, so dass unsere Delegierten
wirklich davon begeistert waren. Ich selbst war aber sehr
müde, weshalb ich bereits vor 10 Uhr mit Blümel die gastliche
Stätte verliess. Auf der Heimfahrt diskutierten wir noch den
Verbandstag und Blümel bemerkte mit Recht, dass dieser ihn
nicht befriedigt. Bis jetzt sagt er, hat er keine Farbe,
auch in meinen Augen verläuft er viel zu perfekt und viel
zu wenig stimmungsvoll.
Bei der Verabschiedung des bras. Ministers Ueki hat dieser
neuerdings sein grosses Interesse für die Umspeicherwerke Öster-
reichs bekundet. Ich habe ihm sofort erklärt, wenn er das
nächste Mal nach Österreich kommt, bin ich gerne bereit, ent-
weder unser grosses Pumpspeicherwerk in Rodund, Vorarlberg
oder das letzte in Malta, Kärnten, zu zeigen. Ich versprach ihm,
die Unterlagen, Prospekte aller unserer Pumpspeicherwerke
zu schicken. Der bras. Botschafter ersuchte, dass ich ihm
dieses Material zur Verfügung stelle, damit er es an den
Minister weitersenden kann.
ANMERKUNG FÜR WAIS UND WIESINGER: Bitte Material besorgen
und mit dem Handelsministerbegleiter des Ministers Ueki
besprechen.
Porsche Austria, Himmer hat für Münzner, den Einkaufsvorstands-
direktor von VW und seine Begleitung, lauter Prokuristen, ein
Essen im Imperial gegeben. Ich nützte die Gelegenheit, um mit
Münzner unter vier Augen zuerst – Himmer kam erst später dazu –
das Austro-Porsche-Projekt zu besprechen. Vom ihm erfuhr ich,
was ich eigentlich erwartete, dass VW nicht bereit ist, einzu-
steigen. Münzner wollte sich natürlich nicht endgültig fest-
legen, wie sein Chef Vorstandsdirektor und Generaldirektor
Schmücker Geist, der ihn diese Woche noch besucht, die Ab-
lehnung beibringen wird. Geist und Schmücker kennen sich von
Rhein-Stahl und Geist behauptet, sie seien gute Freunde. Das
Ergebnis wird aber sein, dass VW weder seinen Vertrieb noch
sein Service zur Verfügung stellt, um den Austro-Porsche welt-
weit zu vertreiben und zu betreuen. VW wird mit Audi 100 ein
ebensolches Modell in Zukunft produzieren, was dem Austro-Porsche
entspricht. Bei den jetzigen Kalkulationen für den Audi hat
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sich schon herausgestellt, dass er knappest in Amerika nur
verkauft werden kann und liegt um 30 % unter dem Preis von
Autro-Porsche. Da die Vertriebs- und Service-Frage des Austro-
Porsche damit eindeutig negativ entschieden ist, kann ich
mir nicht vorstellen, dass tatsächlich dieser noch gebaut
werden sollte. Himmer teilte mir dazu noch mit, dass Geist
ihn angerufen hat, um zu sagen, dass ungefähr 25 % die verstaatlichte
Industrie an Kapital aufbringen wird und der Rest den Privaten
zur Verfügung gestellt wird. Himmer meint, kein Prozent wird ein
Privater in dieses Unternehmen tatsächlich bringen. Es sei denn,
der Staat übernimmt für alle 100 % Ausfallhaftung. Dies kann
ich mir wieder beim besten Willen nicht vorstellen, selbst wenn
dies aber geschehen sollte, kann ohne den Vertrieb und das Service
von VW meiner Meinung nach niemand eine solche Produktion ver-
antworten. Ich selbst werde mich daher eindeutig dagegen aus-
sprechen, wenn es in der Regierung zur Sprache kommen sollte.
Die Voraussetzung, dass dieses Experiment glückt war, dass VW
einsteigt. In diesem Fall habe ich mir nämlich gesagt, kann VW, das
über 1 Mill. Autos produziert, seinen Ruf nicht aufs Spiel
setzen und die 50.000 Austro-Porsche absaufen lassen. Münzner
erklärte mir aber dezidiert, dass sie, um in Hinkunft den
nächsten Rückschlag besser zu verkraften, jetzt nicht bereit
sind, über 80 % ihrer Kapazitätsauslastung hinauszugehen, obwohl
sie gerade jetzt noch wesentlich mehr Autos produzieren und
verkaufen könnten. Da sie zu diesem Zweck aber zusätzliche
Arbeitskräfte einstellen müssten, sind sie dazu nicht bereit.
Diese Art der Wirtschafts- und insbesondere Arbeitsmarktpolitik
dürften mehrere Unternehmer in Deutschland machen. Daraus erklärt
sich für mich, dass trotz des Wirtschaftsaufschwungs im Vorjahr
insbesondere auch in der Bundesrepublik Arbeitslosenzahlen
sich nicht wesentlich verringert haben. Für den Einzelbetrieb mag
dies eine gute Lösung sein, für die gesamtwirtschaftliche insbesondere
für die Arbeitsmarktlage aber ist diese Politik verheerend.
Ich habe Münzner und ganz besonders dann Himmer, der mich
hinausbegleitete unter vier Augen gesagt, wenn nun VW das
Austro-Porsche-Projekt ablehnt, d.h. nicht mitmacht, muss um so
mehr von VW jetzt alles darangesetzt werden, mehr Zulieferteile
in Österreich zu kaufen. Sollte nämlich auch auf diesem Sektor
nichts befriedigendes geschehen, dann wird man in der öffentlichen
Meinung sagen, die VW-Leute wollen Porsche-Österreich unter allen
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Umständen benachteiligen. Vielleicht hat das Austro-
Porsche-Projekt in einigen Vorstandsetagen von Auto-
produktionsfirmen, die nach Österreich liefern, den Eindruck
erweckt, Österreich will ernstlich jetzt ein Auto
produzieren, um die Devisensituation zu entlasten. Die
Reaktion könnten dann oder kann die sein, dass sie, um
unsere Zahlungsbilanz wirklich zu verbessern, mehr Halbfabrikate
und Teile aus Österreich kaufen. Wenn dies der Fall ist und
die Überlegung ist nicht ganz abwegig, so hat die Idee von Austro-
Porsche, die der ÖIAG 4 – 5 Mill. kostet, wenigstens einen
positiven Effekt gehabt. Ich persönlich muss mir allerdings
eingestehen, hätte ein solches Projekt erst gar nicht be-
gonnen.
Tagesprogramm, 25.5.1977
Aussendung ÖVP-Pressedienst: Koren wirft Regierung Untätigkeit in Wirtschaftspolitik vor, 23.5.1977
hs. Notizen (Aussendung ÖVP-Pressedienst Rückseite)