Donnerstag, 26. Mai 1977
Der VW-Vorstandsdirektor und für den Einkauf zuständige Münzner
besuchte mich in Begleitung der Vertreter der österr. BHK,
um mit mir noch einmal über seine Einkaufsdelegation zu sprechen.
Münzner ist fest davon überzeugt, dass sein Besuch und seine
Einkaufsleute entsprechende Folgen zeitigen wird und bis
November, wo er beabsichtigt, dann Rechenschaft abzulegen
und vielleicht noch einmal nach Österreich zu kommen, grössere
Lieferverträge abgeschlossen sind. Er hat neuerdings unter-
strichen, dass die Qualität und die Technik der Abnahme
die grössten Schwierigkeiten sein werden. In den Labor- und in den
Fahrversuchen wird ein halbes bis 3/4 Jahr getestete, bevor
ein Produkt abgekauft wird. Diese Erfahrung hat auch Stollack
gemacht, Altvater, der Verkäufer von Stollack hat auch bei der
gestrigen Aussprache in der Handelskammer die anderen Firmen
vor Münzner und seiner Einkaufsdelegation auf diese Tatsache
hingewiesen. Stollack hat als erstes wasserlöslichen Lack
erfunden und auch mit VW dann einen diesbezüglichen langfristigen
Liefervertrag abgeschlossen. Heute verkauft oder besser gesagt
kauft Münzner dieses Lackverfahren auch nach den USA, Brasilien,
Mexiko für die dortigen VW-Werke. Vor ganz kurzer Zeit hat VW
bei der Fa. Krause für eine Million DM Bohrmaschinen gekauft.
Für Investitionsgüter wird aber nur gelegentlich ein Bedarf bei
VW sein, den sie eventuell in Österreich decken. Taurer, der
Handelsdelegierte Österreichs in Frankfurt meinte, es bestünde
in der Steiermark, in Ferlach z.B. grössere Freikapazitäten für
Werkzeugmacher-Arbeiten, die eventuell Münzner benützen könnte.
Ich wollte mich nicht dreinmischen, aber ich kann mir nicht
gut vorstellen, dass VW-Werk Wolfsburg oder ein Zweigwerk
dort tatsächlich in diesem verhältnismässig kleinen Quetschen
auch dann wenn sie sicherlich höchste Qualität erzeugen könnten,
Arbeitsaufträge hinlegt. Münzner erwähnte deshalb auch, er
glaubt eher, dass man gegebenenfalls z.B. mit VÖEST oder einem
anderen Grossbetrieb eine Komponentenfertigung nach Österreich
legen könnte. Er wird zu diesem Zweck ausser den Krüger, der
aber mehr auf Handel spezialisiert ist auch einen Fertigungsingenieur,
den er in seiner Einkaufsabteilung hat, nach Österreich schicken.
Münzner selbst kam auf den Austro-Porsche zu sprechen und meinte,
er gäbe diesem Auto keine Chance.VW selbst hat jetzt eine Kapazität
von 9.500 Stück pro Tag und hat sich nur mit 7.500 Stück pro
Tag ausgenützt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sie niemals mehr
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wieder ihre volle Kapazität anstreben und dadurch zusätzliche
Arbeiter aufnehmen müssten, um sie bei dem nächsten Rückschlag der
sicherlich wieder kommt, dann mit hunderten Millionen DM-Kosten
für Abfertigungen wieder wegzuschicken. Früher, erklärte Münzner
habe man überhaupt keine Betriebswirtschaftlichen weiteren Über-
legungen angestellt sondern, wenn Autos gebraucht wurden und der
Verkauf erklärte, so und so viele hunderte müssten sie pro Tag
mehr erzeugen, hat man automatisch alles an Investitionsmaschinen
und Einrichtungen zusammengekauft, schnell Hallen errichtet, um
die höhere Produktion zu erreichen. Heute wartet man getrost ab,
bis man ein längerfristiges Verkaufsnachfrage feststellen kann,
und erhöht dann keinesfalls auf die volle Kapazität, die man
erzeugen könnte. VW nimmt lieber eine geringere Kapazitätsaus-
lastung in Kauf, plädiert mehr die Verkaufspolitik, den Käufer eventuell
warten zu lassen oder an eine andere Automarkt zu verlieren, als auf
Teufel komm raus Autos zu produzieren.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Diese Marktstrategie sollte man genauer
studieren, ob die auch andere ausl. Firmen haben.
Auf unserem Gewerkschaftskongress hat Benya um 9 Uhr mit seinem
Referat über den ÖGB und die Wirtschafts- und Regierungspolitik
begonnen. Selbstverständlich hatte ich einige Funktionäre, keinesfalls
aber Sekretäre ersuchen lassen, sich zu den Ausführungen Benyas zu
melden. Interessanterweise haben diese Beispiele genügt und fast
ein Dutzend Diskutanten meldeten sich. Im grossen und ganzen ging
es um keine hochbrisanten Fragen oder Themen und es wurde nicht
einmal Kritik geübt. Viel wurde die Frage des Industriegruppen-
prinzips diskutiert. Sollen die Angestellten als eigene Gewerkschaft
bleiben oder sollen sie nicht, wie im Grundsatzbeschluss des ÖGB bei
seiner Gründung tatsächlich alle Arbeiter in einer Fabrik in einer
Gewerkschaft vereint sein. Aktualisiert wurde dieses Problem
durch das Bestreben der Unternehmer, wie Benya richtig ausführte,
5,75 Sozialversicherungsabgabe sich zu ersparen und deshalb alle
Arbeiter in einzelnen Betrieben zu Angestellten ernannt wurden.
Die Tätigkeit blieb aber selbstverständlich dieselbe, die sie
bis zu diesem Zeitpunkt ausgeübt hatten. In der Unfallversicherung
ersparte man sich dabei gleich 1,5 %. Die Angestellten, weniger
unfallgefährdet, hatten nämlich bis vor nicht allzu langer Zeit
für die Angestellten nur 1/2 %, für die Arbeiter aber 2 % Unfall-
versicherung zu bezahlen. Die Gewerkschaft der Metallarbeiter hat
z.B. für den Eumig-Betrieb mit der Angestelltengewerkschaft vereinbart,
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dass selbstverständlich diese Betriebsangestellten, die aber in
Wirklichkeit Arbeiter sind, nach wie vor bei der Metallarbeitergewerk-
schaft bleiben. In unserer Sparte gibt es solche krasse Fälle
vor allem einmal so starke Betriebe nicht, trotzdem aber wird von
vielen Funktionären mit scheelen Augen, das Bestreben, die
Arbeitergewerkschaften dadurch auszuhöhlen, betrachtet. Ein Diskutant
aus der Steiermark meinte, und dies sogar mit recht, die Arbeiterge-
werkschaften können nicht nur für die Hilfsarbeiter mehr womöglich
zuständig bleiben, weil die Unternehmer Facharbeiter und damit
auch unsere Funktionäre, die ja doch meistens Facharbeiter sind,
in den Angestelltenstand übernehmen. Anschliessend an das Referat
und die Diskussion von Benya, die ich glaube ihm sehr gefallen
hat, wurde eine Leistungsschau der Lebensmittelarbeiter durch Bier-
fassl-Anschlag von Benya, Hofstetter und mir freigegeben.
Wir drei stellten uns sehr ungeschickt an und das Bier spritzte
ganz schön. Die Fleischer und Molkereiarbeiter auch die anderen
hatten durch grosszügiges Zurverfügungstellen von Nahrungsmitteln
sofort die Delegationsmitglieder unserer Kongresses begeistert.
Ausserdem konnte nur ein Bruchteil der zur Verfügung gestellten
Lebensmittel verzehrt werden. Der grösste Teil wanderte dann sogar
mit Nylonsackerl, fein verpackt, zu meinem dann anschliessenden
Referat. Ich selbst versuchte drei Probleme herauszuarbeiten.
Erstens die spezifische wirtschaftliche Situation der Lebensmittel-
industrie, zweitens unsere sozialpolitische Arbeit und Konsequenz
und Erkenntnis aus der bisherigen Tätigkeit und drittens die
Organisationsfrage der Gewerkschaft. Neu und alternativ ging ich
nur davon aus, dass in Hinkunft der österr. Spezialproduktion mehr
Augenmerk zugewendet werden muss, damit die starken Importen, die
unsere Zahlungsbilanz auch belasten nicht verboten werden müssen,
sondern die Kaufmöglichkeit österr. Produkte von den Konsumenten
weniger gekauft werden als dies z.B. jetzt der Fall ist, aus Schweden
und Deutschland Brotsorten insbesondere Spezial-Knäckebrot usw.,
aus Italien Teigwaren und auch beiden Staaten grössere Mengen
an Bier, die oft der Qualität nicht entsprechen und vor allem
wesentlich teurer sind als österr. Waren. Die Erklärung liegt für
mich darin, dass dort grössere perzentuelle Handelsspannen zu
erzielen sind, weshalb nicht zuletzt der österr. Handel diese
Waren lieber den Konsumenten anbietet als heimische Produkte.
Darüber hinaus müssen wir feststellen, dass die Qualitätskontrolle
bei ausländischen Produkten weniger rigoros gehandhabt wird, manchmal
überhaupt nicht, als bei österr. Produkten. Die diesbezügliche
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Beschwerde der österr. Unternehmer aber auch der Betriebsräte
in diesen Branchen ist mehr als berechtigt.
ANMERKUNG FÜR PLESCH UND WAIS: Bitte im Gesundheitsministerium veran-
lassen, dass jetzt endlich einmal eine klare Entscheidung fällt.
Zweitens wurde die Sozialpolitik von mir nur kurz erwähnt, auf die Aus-
führungen von Weissenberg und Benya besonders verwiesen, nur festge-
stellt, dass die Gewerkschaften vorerst in ihren Bereichen entspre-
chenden sozialpolitische Forderungen durchsetzen müssen, bis der
Gesetzgeber dann meistens einstimmig die notwendigen Sozialgesetze
beschliessen kann. Wenn die Gewerkschaften schon entsprechende
Erfolge erzielt haben, wie z.B. jetzt in unserer Branche die hohen
Abfertigungen auch für die Arbeiter, dann ist aus Konkurrenzgründen
die Industrie bereit, auch im Parlament ihren Vertretern die
Möglichkeit der Zustimmung zu geben, weil dann für alle Arbeit-
nehmer die gleiche Kostenbelastung für das Gewerbe und Industrie
erwächst und damit Konkurrenzgleichheit geschaffen wird. Dies
gilt natürlich nur für die inländischen Beschäftigten und die
wahre Schwierigkeit ergibt sich dann für die Unternehmer im Vergleich
mit dem Ausland. Interessanterweise hat mir z.B. der Vertreter Belgiens
erklärt, sie haben deshalb eine zurückhaltende Sozial- und Lohnpolitik
weil sie als kleines Land viel exportieren müssen, dort konkurrenz-
mässig bestehen müssen und deshalb ihren Unternehmern weniger Kosten
aufzwingen wollen, damit sie konkurrenzfähig bleiben.
Ein Verhalten, wie es sich auch die österreichischen Unternehmer
sicher erwarten und vor allem wünschen würden.
Als dritter und wichtiger Punkt erschien mir die Frage der Organisa-
tionsänderung. Anderer Gewerkschaften haben ihren Titel z.B. Metall-
und Bergarbeiter in Gewerkschaft Metall, Bergbau und Energie umgewandelt
um der Entwicklung, viele Angestellte jetzt auch doch in der Metall-
arbeitergewerkschaft organisiert, Rechnung zu tragen. Diese Ge-
werkschaften, es werden jetzt fast überall solche Umwandlungen
vorgenommen, möchten damit bekunden, dass sie das Industriegruppen-
prinzip wenn schon nicht haben so zumindestens deutlich anstreben.
Ich erklärte rundwegs, dass ich nicht erwarte, obwohl ich es wünschen
würde, dass der ÖGB diese schwere Problem wirklich lösen kann.
Die Privatangestelltengewerkschaft hat heute mit über 300.000 Mit-
gliedern als grösste Gewerkschaft einen beträchtlichen Einfluss.
im ÖGB. Ich glaube auch nicht, dass es zweckmässig wäre, das
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Industriegruppenprinzip mit Gewalt zu erzwingen, denn viele, gerade
vielleicht die sogenannten Angestellten würden in diesem Fall einen
Grund haben, aus der Gewerkschaft auszutreten, weil sie sich als
Angestellte etwas mehr Sozialprestige versprechen, wenn sie eben
einer Angestelltengewerkschaft angehören. Dies ist für uns auch
momentan gar kein besonderes Problem. Im Prinzip schlug ich deshalb
vor, wir sollten bei unserer Organisation und Organisationsform auf
alle Fälle bleiben. Die dezentralisierte, in 6 Gruppen geführte
und mit 3 Dutzend Verhandlungskomitees in der Vergangenheit sehr
erfolgreich geführten Lohn- und Kollektivvertragsverhandlungen
sollten beibehalten bleiben. Benya verhandelt mit den Metallarbeitern
um 300.000 Mitgliedern bessere Bedingungen zu bringen. Bei uns z.B.
wurde in der letzten Phase, wo ich indirekt eingeschaltet wurde
für die Fettarbeiter für 680 mehr gerungen, um nicht wie die
Unternehmer erwartete, mit 7,7 % und keinesfalls über 8 % sondern
dann tatsächlich mit 8,4 % abgeschlossen. Offiziell natürlich blieb
es bei den unter 8 %, nur wurde den Frauen 135.- S pro Woche Lohnzulage
gegeben, was tatsächlich dann 8,4 % ausmacht aber nicht erwähnt werden
soll. Das einzige, wo ich mich von der Anwesenheit Benyas beeinflussen
liess, war, dass ich unsere Lohnabschlüsse der Jahre 1973 bis 1976
zwar leicht fallend aber noch immer wesentlich höhere waren als die der
anderen Gewerkschaften die konkreten Ziffern, obwohl ich sie
mir mitgenommen hatte, nicht nannte. Ich wollte zuletzt nicht zu
sehr provozieren. In der Diskussion konnte ich dann feststellen, dass
die grössten und interessantesten Beiträge, die auch den meisten
Beifall bekommen haben, die Frage der Rationalisierung und damit der
Arbeitsplatzverlust, die früher der Betriebsrat noch immer am heftigsten
diskutiert werden. Überall sagte man werden Arbeitsplätze wegrationa-
lisiert. Dabei geht es jetzt gar nicht so sehr um die Produktivitäts-
steigerung als oft nur um Gewinnmaximierung. Vernachlässigt wird aber
die Humanisierung des Arbeitsplatzes, selbst bei modern rationell ein-
gerichteten Betrieben. Hier müsste Abhilfe geschaffen werden. Gegebenenfalls
wäre bei Kreditgewährung aus ERP-Mitteln oder sonstigen Zuschüssen,
d.h. wo der Staat Einfluss nimmt, auf diesen Gesichtspunkt stärker
Wert zu legen.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Diese Idee sollte man tatsächlich unter-
suchen lassen.
Während am ersten Tag unseres Gewerkschaftstages, vielleicht auch
weil ich damals bei der Einleitung sehr übermüdet war und nicht be-
sonders engagiert auftrat, eine flaue Stimmung herrschte, zumindestens
war dies der Eindruck von unserem Zentralsekretär Blümel, war der
zweite Tag nicht nur sehr optisch und verpflegsmässig gut sondern
es herrschte auch wirklich eine gute Stimmung, eine lebhafte Dis-
kussion und bei meinem Referat sogar viel Zwischenapplaus. Da bei diesem
Tag das Fernsehen anwesend war, musste ich mir sogar eine gewisse Zurück-
haltung auferlegen, weil ich ja nicht wusste, was die dann letzten
Endes von den Aufnahmen tatsächlich senden. mir wäre es am liebsten ge-
wesen, sie wären gar nicht anwesend gewesen. Wir wollen unseren Ge-
werkschaftstag nicht als grosse Publicity-Veranstaltung sondern wirklich
mehr als Arbeitstagung verstanden wissen.
Die Universale errichtet in Lanzendorf eine grosse Lehrlingsausbildungs-
stelle mit Wohngelegenheiten für 50 Lehrlinge und ersuchte mich daher
zum Spatenstich zu kommen. 20 haben sie bereits und was mich am meisten
beeindruckte dabei einen jungen Lehrling aus Nigeria. Er fühlt sich,
wie er mir dann in Englisch sagte, sehr wohl und wird von den dortigen
Lehrlingen wahrscheinlich nicht nur als guter Kamerad sondern doch
als Exote besonders verhätschelt. Universale hat das Montage-Bau-
werk im Vorjahr in Lanzendorf gut ausgelastet gehabt. Umsatzsoll ist
mindestens 150 Mill. S, dann arbeitet es rentabel. Im ersten Halbjahr
sind sie auch noch sehr gut ausgelastet, müssen aber jetzt sich für
das zweite Halbjahr um weitere Aufträge umsehen. Diese Fertigbauteile
werden dort in einer solchen Qualität erzeugt, dass man glaubt, die
Aussenseit,en seien besonders bearbeitet. So schön glatt gehen die
einzelnen Teile aus diesem Werk heraus. Ein Grossteil davon sind
sogenannte Ingenieur-Bauten also nicht nur fertige Platten für Wohnhäuser.
sondern richtiggehende Konstruktionsteile. Diese könnten auf den
Baustellen gar nicht mehr hergestellt werden, weil wie ich mich über-
zeugen konnte, die Formen fast von Tischlerqualität von den Zimmerern
im Werk produziert werden, bevor der spezielle Fertigungsbeton eingegossen
wird.
Beim 30-Jahre-Bestand-Empfang von Alitalia im Palais Schwarzenberg
traf ich auf den italienischen Botschafter. Dieser teilte mir zum
x-ten Male mit, dass ich unbedingt nach Italien kommen müsse. Meine
Ausrede, dass ich sowieso jährlich in Italien auf Urlaub bin, meine Frau
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zwingt mich dazu, wurde nicht akzeptiert. Ich ersuchte, wenn
ich schon nach Italien offiziell fahren muss, dass zu irgendeiner
Messe in Norditalien, wo Österreicher ausstellen. Die italie-
nische Botschaft wird mir entsprechende Vorschläge unterbreiten.
Tagesprogramm, 26.5.1977